Eine Nacht bei Stalins Schwester

Kotelnitscheskaja Moskau 12

Seit wir hier sind, faszinieren mich die Sieben Schwestern – die riesigen Gebäudekomplexe, die Stalin hat hochziehen lassen, um 800 Jahre Moskau zu feiern. Wenn man nicht gerade in einer engen Gebäudeschlucht steht, kann man von überall im Zentrum eine der Schwestern sehen, oft sogar mehrere.

Die Uni, das Außenministerium, das Hotel „Ukraina“ – sie verbreiten eine Atmosphäre irgendwo zwischen Hogwarts und Berlins Karl-Marx-Allee. Imposant sind sie allemal, bei Sonnenlicht wirken ihre Fassaden warm, sonst auch schon mal bedrohlich. An Wintertagen gibt es Momente, in denen es mich nicht überraschen würde, wenn aus dem runden Emblem oben am Ministeriums-Turm Laserstrahlen auf angreifende Aliens gefeuert würden.

Wie das wohl ist, in so einem Haus zu wohnen? Zwei von den Sieben sind zwar Hotels, aber beide zu teuer, um nur fürs Erlebnis mal dort zu übernachten. Geklappt hat es stattdessen, AirBnB sei Dank, im Wohnblock am Kotelnitscheskaja-Ufer, wo die Jausa in die Moskwa mündet. Wer hier schon mal eine Bootstour gemacht hat kennt das Gebäude als das, vor dem die Schiffe wenden und zurückfahren.

Besonders berühmte Menschen wie die Ballerina Galina Ulanowa haben im Haupthaus gelebt, mittelberühmte wie der Dirigent Konstantin Iwanow in der Wohnung im Seitenflügel, in der wir uns nun für eine Nacht einquartiert hatten. Und selbst der hatte es schon sehr nett, auch wenn er mit Zweizimmerküchebad zufrieden sein musste: hohe Decken, Stuck, Kronleuchter, Parkett, und dann der Blick.

Heute ist die Wohnung gut in Schuss, im Treppenhaus dagegen gibt es, siehe oben, auch ein paar recht idyllisch runtergekommene Stellen. Und, ganz oben, einen halbrunden Mini-Balkon mit einem Gitter, das man sich ein paar Jahre jünger wünschen würde. Egal, ein vorsichtiger Schritt nach draußen muss sein. Der Blick, wie gesagt. Ihr versteht.

Kotenitscheskaja Moskau 15

3 Gedanken zu „Eine Nacht bei Stalins Schwester“

  1. Hach!
    Ich durfte ein ganzes Jahr lang drin wohnen. Hauptgebäude MGU, 1989/90. Die Fakultät im Mittelturm, wir gleich im „Korpus“ nebendran. In Hausschuhen in den Hörsaal, und auch sonst der ganze Alltag in diesem Gebäude. Ein ganz eigenes Jahr meines Lebens. Die Stadt, das russische Leben, aber eben auch dieses Haus, das eigentlich eine Stadt in der Stadt war. (Geschäfte, Mensen, Kino, Theater, Treffpunkte, die Gänge so lang, dass man IMMER zu spät kam. Garderobe mit Garderobenfrauen. Die Dezhurnajas auf den Etagen. Welche Uni hat das schon …)
    Bis heute ist da ein Sehnsuchtsziehen in mir, nach diesem Ort. Irgendwann später war ich nochmal in Moskau, hab mich an der Eingangsmiliz vorbeigeschlichen, in „meine“ Zona B. Der selbe Geruch wie damals – das hat mich besonders berührt. Es war alles wieder da. Und nun sehe ich voller Ergriffenheit diese Fotos hier.
    DANKE, Uta

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