Journalistenhumor und Zeitungsapokalypse

„Andeutungen, Witze, Symbole, Ironie. Das bringe ich jungen Journalisten bei. Nicht nur die Recherche, nicht nur das Schreiben.“ Normalerweise kommen nach einem Zitat Name und Funktion des Menschen, der es gesagt hat, vielleicht noch das Alter. Hier nicht, um den Mann zu schützen, der da spricht.

Überrascht hat mich bisher an China, wie offen Menschen hier über kontroverse Themen reden. Wenig überraschend ist, dass man sie damit nicht zitieren sollte.

Tsinghua University School of Journalism and Communication
Rund 500 chinesische Nachwuchs-Journalisten werden derzeit an der Tsinghua University School of Journalism and Communication in Peking ausgebildet.

Andeutungen, Witze, Symbole, Ironie. Um sagen zu können, was gesagt werden muss, aber nicht darf. In der journalistischen Berichterstattung, aber auch im Gespräch unter Kollegen. Gewöhnungsbedürftig, mit Experten zu reden und sich plötzlich in Parabel-Land wiederzufinden. Aber auch einprägsam.

„In Russland funktioniert Wandel so: Da ist ein altes Haus. Das sprengen wir. Dann bauen wir ein neues. In China funktioniert Wandel so: Da ist ein altes Haus, aber da leben ja Leute drin. Also können wir es nicht sprengen. Stattdessen renovieren wir es, Raum für Raum. Manche Leute leben dann schon in neuen, schicken Zimmern, andere in alten, heruntergekommenen. Denen sagen wir: Haltet durch, bald kommen die Handwerker auch zu euch.“

Oder auch:

„Reagan, Gorbatschow und Deng Xiaopin gehen zusammen spazieren und kommen an eine Gabelung. An jedem der beiden Wege steht ein Schild, links „Kapitalisten“, rechts „Kommunisten“. Reagan läuft als erster weiter, ohne zu zögern, den linken Weg entlang. Gorbatschow guckt sich um, ob auch keiner schaut, zieht den Hut tief ins Gesicht und läuft auch links entlang. Auch Deng Xiaopin sieht sich um, ob jemand herguckt. Als die Luft rein ist, tauscht er die Schilder – und geht dann auch links lang.“

Mit der Zukunft der diversen Mediengattungen ist es hier übrigens wie in Deutschland: Viele steile Thesen, keine einheitliche Richtung. Der Kollegenhumor allerdings ist fatalistisch: „Wäre doch jetzt ein guter Zeitpunkt für die Regierung, die Auflagen zur Gründung von Zeitungen abzuschaffen. In zehn Jahren sind sie dann eh alle eingegangen.“

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