Noch zwei Monate bis zum Confed-Cup in Russland, und Witali Mutko ist unzufrieden. Statt 700.000 Eintrittskarten erst rund 200.000 verkauft, berichtete der frühere Sportminister und aktuelle Chefplaner des Turniers, und das zwei Monate vor dem Eröffnungsspiel.
Es mag daran liegen, dass die Karten nicht gerade günstig sind, erst recht gemessen an einem russischen Durchschnittsgehalt. Zwar ist die „Kategorie 4“ mit den die billigsten Tickets für Russen reserviert, zu ihr gehören aber auch nur wenige Plätze. Es mag an der kleinen Besetzung eines Confed-Cups mit gerade mal acht Mannschaften liegen. Oder an all den Hürden, die man als Fan so nehmen muss, um bei einem Spiel dabei zu sein.
Wer beim Confed-Cup (oder nächstes Jahr bei der Fußball-WM) ins Stadion will, der muss nicht bloß eine Karte kaufen – und dabei online innerhalb von 15 Minuten mehr personenbezogene Daten preisgeben als man braucht, um etwa einen Flug von Moskau nach Düsseldorf zu buchen. Geld und Datensatz reichen der FIFA nicht, es braucht zusätzlich noch die sogenannte Fan-ID.
Die erteilt die FIFA im Tausch gegen, na klar: noch mehr Daten, einschließlich Foto. „Der Hintergrund,“ mahnt sie, „muss das Gesicht hervorheben sowie gleichmäßig und wünschenswerterweise hell sein“. Aber gerne doch. Hochgeladen. Und tatsächlich kommt keine 24 Stunden später die SMS: Die Fan-ID ist fertig.
Wer sich nicht auf die russische Post verlassen will (und wer will das schon), muss die Fan-ID abholen. Nicht etwa an einem der großen Fußballstadien, in einem Einkaufszentrum oder einem Büro irgendwo am Roten Platz, das wäre ja einfach. Nein, das „Fan ID Distribution Center“ ist in einer dieser Nebenstraßen, die niemand findet, der nicht gründlich sucht. Nicht weit von der Metrostation „Pawelezkaja“ und dem dazu gehörenden Fernbahnhof – mit genug Ausgängen, um erst mal zwei, drei falsche zu erwischen. Darum hier ein kleiner Laufzettel:
Auf dem Metro-Bahnsteig an den Schildern Richtung Domodedowo (auch in kyrillischer Schrift gut zu erkennen) orientieren. Es geht die Rolltreppe hoch…
…durch die Schleusen…
…und dann hinaus aus dem Gebäude. Netterweise zeigt ein Automat der Alfa-Bank im WM-Design den Weg.
Apropos Banken: Draußen rechts abbiegen, und nach ein paar Schritten sieht man bereits das Gebäude der Rosinterbank. Da drauf zuhalten, bis man sieht, dass im Erdgeschoss…
…Burger verkauft werden. Hier muss der Confed-Cup-Möchtegern-Fan rechts um die Ecke.
Jetzt sind wir auf der Letnikowskaja-Straße und suchen nach Hausnummer 10, Gebäude 4. (Hausnummern sind in Russland oft noch mal unterteilt). Wer links den Wikimart sieht, ist richtig…
…wer vor dieser Leitung steht, zu weit.
Das liegt daran, dass ausgerechnet Haus Nummer 10 ein Stück von der Straße zurück liegt. Alles nicht so einfach. Also: zurück, und dann an dem großen Gebäude mit der 10 links vorbei.
Natürlich ist, im Gegensatz zum Geldautomaten, das Fanzentrum nicht im Design der WM und des Confed-Cup gestaltet, das wäre ja auch zu einfach. Trotzdem beginnt nun der leichte Teil der Exkursion. Am Eingang ein Automat, an dem ich Fan in fünf Sprachen eine Nummer ziehen kann. Sicherheitshalber steht auch noch ein Helfer daneben, der einem den einzig nötigen Tastendruck abnimmt. Betreutes Warten.
35 Schalter, eine Handvoll von ihnen besetzt, außer mir will sich gerade nur ein anderer Fan von der FIFA bescheinigen lassen, dass er existiert. Auf Bildschirmen läuft der russische Sportsender „Match“, Ufa spielt gegen Spartak. Keine zwei Spielzüge, schon blinkt meine Nummer auf, eine freundliche Frau lässt sich den Pass zeigen und lobt das hochgeladene Foto: „Ja, das geht, da müssen wir kein neues machen. Dann mache ich die ID jetzt fertig und rufe Sie wieder auf.“ Großartiges Englisch, professionelle Freundlichkeit. Wer es als Fan einmal bis hierher schafft, der muss sich über den Rest keine Gedanken mehr machen.
Kurz darauf stehe ich vor dem Haus und verstaue die laminierte Karte samt Umhängeband in der Tasche, als mich die Frau vom Schalter anspricht. „Na, gefällt Ihnen Ihr Ausweis?“ Sie stellt sich als Alex vor und erzählt eine dieser Biografien, wie ich sie schon oft in Russland gehört habe (fast immer von Frauen, die sich mit Vehemenz und viel Initiative hinter ihre Ausbildung geklemmt haben): Im zweiten Schuljahr habe sie beschlossen, dass Englisch die Sprache ihres Lebens sei und alles daran gesetzt, sie perfekt zu beherrschen. Nein, keine Auslandsaufenthalte, alles nur Selberlernen.
In Zukunft, sagt sie noch, soll man seine Fan-ID dann auch am Flughafen abholen können – und meint damit wohl eher bei der Fußball-Weltmeisterschaft als noch beim Confed-Cup. Spätestens dann muss also niemand mehr diesen Hinterhof in einer Seitenstraße finden, bloß um ein Fußballspiel besuchen zu dürfen. „Vielleicht sehen wir uns ja im Stadion, wenn unsere Mannschaften gegeneinander spielen“ sagt Alex zum Abschied. „Hoffentlich im Finale“, antworte ich.