Eine kleine Umfrage unter Wissenschaftlern hat mich diesen Monat beschäftigt. Die Journalistin Anna-Lena Scholz hat diejenigen Forscher, die Twitter nicht nutzen, nach ihren Gründen dafür gefragt. Der Thread mit den Antworten liest sich für mich vor allem deshalb frustrierend: Weil immer wieder das Argument auftaucht, Twitter tauge nicht dafür, in die Tiefe zu gehen.
Mal ganz abgesehen davon, dass viele der Befragten immer noch von 140 Zeichen sprechen – sich also offensichtlich seit längerem nicht mehr mit Twitter befasst haben – fuchst mich vor allem, dass sie ganz offensichtlich die Arbeit ihrer vielen twitternden Kollegen nicht wahrnehmen oder nicht würdigen. Sonst wüssten sie, wie viele Astrophysiker, Historiker und Zoologen, wie viele Radarfachleute und Experten für Gravitationswellen und Menschen, die wissen, wie unser Hirn uns etwas vorlügt man bei Twitter finden und so schlauer werden kann. Also: Wer mit seiner Antwort in dem Umfrage-Thread vorkommt, sollte vielleicht mal ein paar der folgenden Threads lesen.
Ansonsten gilt wie immer auch in diesem Monat die Gebrauchsanweisung: ein Klick auf den hier eingebundenen Tweet öffnet den ganzen Thread.
1. Ein römisches Boot in einem winzigen See
Caligulas Vergnügungsboot. So groß wie ein Airbus A380. Bebaut mit Palästen aus Marmor. Jahrhundertelang auf dem Boden eines winzigen Sees liegend, bis Mussolini ihn trockenlegen ließ, um das Boot zu heben. Die Geschichte, die Paul Cooper hier erzählt, klingt mit jedem Tweet mehr nach Seemannsgarn, ist aber wahr.
Some of the most remarkable lost artefacts from the ancient world were the titanic wrecks of the Nemi ships.
In their 1st century heyday they held gardens, palaces & baths in a floating wonderland. But barely a decade after their recovery, they were lost forever. pic.twitter.com/MQjcSz20Zl
— Paul 🌹📚 Cooper (@PaulMMCooper) October 8, 2018
2. Kaum Wikipedia-Beiträge von Frauen
Nur so wenige Frauen, die an Wikipedia mitarbeiten? Na, da müssen sich die Frauen wohl mehr anstrengen! Warum diese Argumentation arg schlicht ist, hat Leonhard Dobusch hier detailliert erklärt. Danke dafür.
Alles an diesem Tweet und Kommentar ist so falsch, dass ich für einen #Thread meinen Urlaub unterbrechen muss. 1/12 #Fernsehrat https://t.co/9KSIssIYaJ
— Leonhard Dobusch (@leonidobusch) October 7, 2018
3. Ein Versandhauskatalog mit politischer Wirkung
Den Willis Tower, zweithöchster Wolkenkratzer der USA, habe ich dank Schulaustausch noch als Sears Tower kennengelernt – Sears wie die großen Kaufhäuser. Dass das Unternehmen mal als eine Art amerikanischer Otto-Katalog begonnen hat, und warum der für schwarze Amerikaner wichtig und vielen weißen ein Dorn im Auge war, erklärt Louis Hyman.
In my history of consumption class, I teach about #Sears, but what most people don't know is just how radical the catalogue was in the era of #Jim Crow. #twitterstorians
— Louis Hyman (@louishyman) October 15, 2018
4. Seehofer auf Trumps Spuren
Wohin es führt, wenn ein prominenter Politiker die Medien zu Volksfeinden erklärt, erleben wir gerade in den USA. Insofern bin ich – trotz Tippfehler an entscheidender Stelle – froh über diesen Thread. Was immer Seehofer sich da zusammenfabuliert, Bastian Obermayer lässt es ihm nicht durchgehen:
Thread: Weil ich finde, #fakenews Vorwürfe wie von @DerSeehofer dürfen nicht zur Normalität in 🇩🇪 werden, habe ich ihn über seinen @CSU-Sprecher Fischer gebeten, die Fakten dahinter zu erklären. Die erstaunliche Antwort: @DerSeehofer kann in unsere Köpfe sehen. Konkreter:
— Bastian Obermayer (@b_obermayer) October 25, 2018
5. Inktober trifft Geologie
#Inktober ist, wenn Menschen einen Monat lang täglich etwas mit Tinte zeichnen und das Ergebnis posten. Mika McKinnon ist Geophysikerin und hat sich für ihren Inktober allerlei Wissenschaftsthemen vorgenommen. Mein Lieblingsbild ist das vom 21. Oktober – vor allem wegen des Zusammenhangs zwischen Geologie und Käsekuchen.
#Inktober index card 1: Relative dating is a snippet of simple magic. As soon as you stop to think logically, entire landscapes unravel in eagerness to tell you their story. #sciart #geology #teaching pic.twitter.com/MM8IXbkIsJ
— Mika McKinnon (@mikamckinnon) October 3, 2018
6. Zombiepräventionsbestattung
„Und was machen wir jetzt, damit der nicht von den Toten wieder aufersteht und als Zombie zurückkehrt?“ – „Na, wir bestatten ihn mit einer Sichel um den Hals/einem Ziegelstein im Mund/einem Pfahl durch die Genitalien/ohne seine Zunge.“ Alles so passiert:
You may have seen the story of the ‘golden mouth piece’ found in a Roman grave in York, identified after 150 years – one of a handful found worldwide, the only one in the UK. It may have been used to stop malign spirits from entering the body, and that got me thinking… THREAD 1/ pic.twitter.com/6i2zAXtI03
— Mike Stuchbery's Spooky Universe (of Terror)! 💀🍷 (@MikeStuchbery_) October 24, 2018
7. Grünen-Bias bei Journalisten?
Ein Diagramm, das immer mal wieder die Runde macht. Allerdings sind die Zahlen dahinter nicht nur veraltet, die Grafik lässt auch einen ganz entscheidenden Balken weg – den größten sogar. Mehr hier:
Weil ich keine Lust mehr habe, auf das ganze Gemecker einzeln zu reagieren, hier ein #Thread: Es geht um dieses Balkendiagramm, das mir ständig in Sozialen Netzwerken begegnet, zur #Parteipräferenz von #Journalisten. Ich halte die Darstellung für unseriös. /… pic.twitter.com/TxWhaj7bI3
— Susanne Günther (@schillipaeppa) October 26, 2018
7. Aus dem Matheheft eines Dreizehnjährigen
Kommt mir das nur so vor, oder sind es vor allem Museen im englischen Sprachraum, denen die Öffentlichkeitsarbeit per Twitter leicht von der Hand geht? Hier zum Beispiel geht es um einen Archivfund des Museums für ländliches Leben in England. Wir sehen das Heft, in dem Ende des 18. Jahrhunderts ein Schüler namens Richard seine Matheaufgaben erledigte – und vor Langeweile zusätzlich alles Mögliche an den Rand malte: seinen Hund, Schiffe, und dann dieses Huhn…
Ok, we found something amazing and we demand you to come on a journey with us:
— The Museum of English Rural Life (@TheMERL) October 6, 2018
8. Rechteckige Kühe
Dass man sie besser stapeln wollte wie Melonen kann man wohl ausschließen. Was sonst war also der Grund für eine Epoche, in der Kühe (und Schafe!) in England offenbar rechteckig bzw. quaderförmig waren? Oder zumindest so gemalt wurden? Was will uns der Künstler sagen? So viele Fragen:
A serious query: were cows in nineteenth century Britain as rectangular shaped as painters envisioned them? pic.twitter.com/XzFcj500tR
— Zeena Starbuck (@zeenastarbuck) October 1, 2018
9. So. Sahen. Damals. Keine Zeitungen. Aus.
Wirklich nicht. Auch wenn ihr das für euren Historienfilm gern so hättet.
I've just watched the trailer for the new Dickens movie. I'm not usually bothered by inaccuracies in historical dramas, but I'd like to politely request that film makers STOP PUTTING MASSIVE HEADLINES ON VICTORIAN NEWSPAPERS. pic.twitter.com/GdOFi9u6G6
— Dr Bob Nicholson (@DigiVictorian) November 25, 2017