Kasan am Tag danach

Da ist es also Donnerstag, die Sonne knallt vom Himmel und ich laufe mit einem Plastikbeutel voller Gurken durch Kasan. Die Nationalelf ist nach der Sache gestern Abend schon auf dem Rückflug nach Deutschland, aber wir, wir sind noch hier. Sind nach dem Spiel im Pulk Richtung Stadtzentrum gelaufen und eventuell habe ich, als ein junger Russe neben uns das Ergebnis seiner Mutter durchtelefoniert hat („Das ist der Weltmeister! Und der hat jetzt verloren und ist allerletzter in der Gruppe“) sowas wie „Jaja, dankeschön, hatten wir noch gar nicht gehört“ vor mich hingemurmelt. Eventuell hat sich der Russe daraufhin entschuldigt und seine Freundin auch und ich hab mich doof und nörgelig gefühlt und sie haben sowas wie „wird schon wieder“ gesagt.

Wir haben dann einen Taxifahrer, der sich das Ganze auch nicht erklären kann und jegliche Versuche, das Thema zu wechseln und über die russische Mannschaft und ihren überraschenden Erfolg zu reden, mit dem Hinweis abwürgt, das habe sich ja dann gegen Spanien am Sonntag erledigt. Wir haben ein Abendessen, bei dem der Kellner einen Blick auf M.s Trikot wirft und uns dann mit der Sorte Freundlichkeit behandelt, die man sonst einem Kind zuteil werden lässt, das sich das Knie aufgeschlagen hat. Hat es geschmeckt? Das freut mich. Nicht doch vielleicht einen Nachtisch? Sicher?

Wir haben noch eine Nacht im AirBnB im vierten Stock eines sowjetischen Wohnblocks, wo zwar der Wasserdruck der Duschen nur ein Hauch ist, das Bett aber gut, die Klimaanlage fleißig und die Vermieter, die wir erst bei der Abreise kennenlernen, wie zwei Hauptfiguren aus der Broschüre „russische Gastfreundschaft in Aktion“. Ob denn alles okay ist, wie es uns denn gehe, dass sie sich das ja auch nicht erklären können. Deutschland, das sei doch der Weltmeister von 2014, und letztes Jahr hier in Russland, der Sieg beim Confed-Cup, sagt der Vermieter. Ob es vielleicht daran gelegen habe, dass Deutschland viele Chancen gehabt habe, also, sehr viele, also, wirklich viele – sie aber eben nicht verwandelt habe, fragt die Vermieterin und sagt dann: Naja, wir haben ihnen jedenfalls ein paar Gurken mitgebracht aus unserem Garten, ganz gesund, da ist keine Chemie dran und nichts, ich pack ihnen die mal ein, dann nehmen Sie die mit nach Hause und essen sie und denken an Kasan.

Dann werde ich umarmt von dieser Frau, die ich seit fünf Minuten kenne (Faustregel in Russland: Frau umarmt Frau oder küsst sie, Mann gibt Mann die Hand, Mann und Frau… it’s complicated, und wer als Westfrau die Hand hinstreckt, holt sie nach ein paar Sekunden meist einfach wieder ein), M. bekommt einen aufmunternden Handschlag und dann gehen wir mit Rollkoffer und Gurkentüte ein paar Schritte in die Richtung, in der M. ein Café vermutet, eventuell am Wasser.

Vorbei an einem Backsteingebäude mit Turm, das man in jeder norddeutschen Hansestadt für eine Kirche halten würde und in Dortmund fürs Hafenamt, das hier aber eine Moschee ist. Vorbei an einem Zaun, an den jemand „Nicht parken“ geschrieben hat und darunter „danke“, was mal wieder dieses Gefühl auslöst von: Russische Provinz, komm an mein Herz. Oder noch besser: Komm mit nach Moskau und erklär den Leuten da, wie du’s machst. Das Café sieht von außen ziemlich schick aus und ich sage, noch voll im Moskau-Modus: „Warte, ich zieh kurz die Jacke über, das sieht ordentlicher aus und wenn sie uns nicht wollen, gehen wir halt woanders hin.“ Aber nein, kurz darauf sitzen wir und der Koffer und der Gurkenbeutel auf der schicken Veranda, trinken schicke Gurkenlimo und gucken auf einen See. Es möwt ein wenig am Himmel, darunter zwei, drei Tretboote. Ein Blick zum Runterkommen und Frustloswerden. Eine Limonadenkaraffe später steigen wir in ein Taxi zum Flughafen. Vom Backsteinturm ruft der Muezzin. Mal sehen, was die Leute an der Security zu unseren Gurken sagen.

Zwei deutsch-russische Paralleluniversen

Neulich bin ich in in ein Paralleluniversum geraten, eigentlich sogar in zwei. Wir waren übers Wochenende in Deutschland, ich bin ein paar Schritte durch Oberhausen gelaufen und stand plötzlich vor einem Laden mit Matrjoschka-Schild.

kscheib OB russischer Laden Schild

Drinnen, Paralleluniversum Nummer eins: ein Produktsortiment, wie ich es hier in Moskau aus dem Supermarkt an unserer Straße kenne. Nicht nur die Lebensmittel selber, nein sogar die Marken sind identisch. Die grünen Pakete mit Hüttenkäse (in der russischen Küche sehr viel populärer als in der deutschen). Kondensmilch in den Dosen mit blauem Retro-Design. Tarchun und Djuschess, also Estragon- bzw. Birnenlimonade, so bunt wie süß.

Vor lauter Begeisterung wollte ich mir einen Sirok (Quarkriegel mit Schokoglasur) kaufen, aber genau die gab es leider nicht. Also wieder raus, vorbei an der Kasse. Und dahinter, auf einem Tischchen an der Wand, lag das Portal in das zweite Paralleluniversum: „Telegraf NRW“, die „monatliche regionale russischsprachige Informationszeitung“. 24 Seiten irgendwo zwischen Zeitung und Anzeigenblättchen, nach Angaben des Verlags mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren.

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Die Titelseite besteht komplett aus Anzeigen, Aufmacher auf Seite 2/3 dann: „Welchen Fehler machten die deutschen Massenmedien bei der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise?“ (Es geht um die Hamburger Studie, wonach deutsche Medien im Jahr 2015 und Anfang 2016 in ihrer Berichterstattung oft zu nah an den Regierungspositionen und zu wenig differenziert beim Blick auf Kritiker gewesen sein sollen.)

Es folgt die übliche Mischung, die man von Printprodukten mit älterer Leserschaft und kleinem Budget kennt: Meldungsspalten, ein paar Servicestücke zu Streitschlichtung, Gesundheit, Rechtsfragen. Eine Doppelseite mit Polizeimeldungen, gefolgt von weiteren Gesundheitsthemen, dann ein bisschen Panorama, Horoskop, Rätsel, Witze. Redaktionelle Inhalte, deren Hauptaufgabe es ist, ein Umfeld für Werbung zu bieten und die Leser ansonsten nicht zu überfordern oder sonstwie zu vergrätzen.

Und die Werbung ist dann auch das, wo es noch mal spannend wird in diesem parallelen Printuniversum: Zwischen Busreisen in die Ukraine, Rechtsanwälten, Grabsteinen, Klavierstimmern, noch mehr Grabsteinen, Pflegediensten und Konzerten von Stas Michailow bis Leningrad findet sich in der aktuellen Ausgabe des „Telegraf“ auch Wahlwerbung, und zwar genau eine. Auf der Seite mit dem Schwerpunkt Flüchtlinge und Medienkritik inseriert Jewgeni/Eugen Schmidt, AfD-Kandidat aus Köln.

Das Wahlprogramm in Stichpunkten: „Migrationschaos beenden, die Sicherheit unserer Bürger gewährleisten, angemessene Renten erreichen, die traditionelle Familie schützen, christliche Traditionen bewahren, gutnachbarschaftliche Beziehungen zu Russland wiederherstellen.“ Dazu eine Deutschlandfahne.

kscheib Telegraf Wahlwerbung AfD

Was mich daran beschäftigt, ist nicht nur die Tatsache, dass die AfD da inseriert. Das ist, so sehr mir ihre Positionen zuwider sind, ihr gutes Recht, Wahlkampf ist Wahlkampf. Wirklich ärgerlich finde ich, dass keine der der anderen Parteien dagegenhält.

Nicht die SPD, die hier im Ruhrgebiet ihre vielzitierte „Herzkammer“ hat. Nicht die CDU, die den NRW-Ministerpräsidenten stellt und für eine tendenziell ältere, tendenziell konservative Leserschaft sicherlich das ein oder andere zu christlichen Werten in ihrem Wahlprogramm gefunden hätte. Auch keine der kleineren demokratischen Parteien – niemand ist auf die Idee gekommen, für diese Nische der russischsprachigen Leser eine Anzeige zu schalten.

Eine Eckanzeige wie die des AfD-Kandidaten kostet laut Übersicht des „Telegraf“ 180 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer. Keiner der etablierten Parteien war es also rund 200 Euro wert, bei den Lesern den Effekt zu verhindern, der nun unvermeidlich ist: „Siehst du, die AfD ist einfach die einzige Partei, die sich für uns interessiert.“

Carepakete nach Russland

Irgendwann merkt man beim Heimatbesuch, dass man eine Einkaufsroutine entwickelt hat. Kein Zettel mehr nötig, die Hand holt im Supermarkt schon automatisch dieselben Dinge aus dem Regal. Parmesan. Das Lieblingsmüsli. Diese Obstriegel. Mandelcreme. Mandelcreme.

Das hat natürlich mit den von Russland verhängten Lebensmittelsanktionen zu tun, aber auch mit den Preisen und dem Sortiment in den Moskauer Geschäften: Viele Produkte gibt es hier zwar auch, sie sind halt nur bekloppt teuer. Oder nur in diesem einen Laden zu bekommen, zwölf Metrostationen entfernt. Oder es geht um diese kleinen Stücke Zuhause, die nur in der heimischen Variante genau richtig schmecken oder riechen. Auch die werden beim Heimatbesuch gehamstert oder von Gästen bei ihrer Russlandreise im Koffer mitgebracht.

Natürlich hat jeder andere Vorlieben, trotzdem gibt es auch Parallelen. Netterweise haben einige Moskauer Freunde Fotos von ihren Carepaketen gemacht und erklärt, was sie warum mitbringen (lassen).

1. Aus England

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„Also, das ist geräuchtertes Paprikapulver (bekommt man hier bestimmt auch irgendwo, hab mir noch nicht die Mühe gemacht, danach zu suchen), Roibuschtee (dito), selbstgemachte Marmelade (Orange, klar), brown sauce, Chiasamen und klassischer, britischer schwarzer Tee – damit ich mir einen anständigen Pott builders‘ brew machen kann.“

2. Aus Deutschland

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„Ist zwar nicht sanktioniert, aber diese Halsbonbons bekommt man hier nicht. Jedenfalls habe ich die noch nicht gesehen. Und für russische Bonbons in der Apotheke zahlt man ein Vermögen, ein Päckchen 500 bis 600 Rubel.“

3. Aus den USA

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„Meine Ausbeute aus den USA bestand dieses Mal vor allem aus ziemlich viel Sardellenpaste. Unerlässlich, wenn man im Winter Eintopf kocht.“

4. Aus Frankreich

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„Käse, Käse, Käse, Käse, Käse, Käse – und ein Glas Rillettes.“

5. Aus Irland

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„Mitbringsel aus der Heimat: Butter, Brie, Camembert, Würstchen, black pudding, Schokolade, soda bread, Kosmetika und der obligatorische Alkohol.“

Danke an Birgit, Frances, Grace, Jennifer und Maik für ihre Fotos.

Der Moskauer Warenkorb nach einem Jahr Lebensmittel-Importverbot

Ein Jahr lang gilt nun der russische Einfuhrstopp für eine ganze Reihe westlicher Lebensmittel. Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Milchprodukte – das großflächige Verbot hat nur kleine Lücken. Für den eigenen Verbrauch zum Beispiel darf man quasi mundgerechte Mengen der sanktionierten Lebensmittel weiterhin nach Russland importieren. In den Supermärkten aber sucht man den guten lettischen Joghurt, die finnische Milch oder die irische Butter erfolglos.

Ja, das ist lettischer Joghurt. Nein, den bekommt man in Moskau nicht mehr.
Ja, das ist lettischer Joghurt. Nein, den bekommt man in Moskau nicht mehr.

Teilweise hat Russland sich im vergangenen Jahr bemüht, andere Lieferanten für diese Lebensmittel zu finden, teilweise soll die russische Agrarwirtschaft selbst in die Bresche springen. Das klappt nicht von jetzt auf gleich, also sind die Preise gestiegen. Vor allem in den Monaten unmittelbar nach dem Einfuhrstopp war der Trend unverkennbar: Selbst Gemüse wie Weißkohl, ein Klassiker der russischen Küche, entpuppte sich als Importgut.

Ein Jahr danach lohnt sich der Vergleich also doppelt: Wie sind die Moskauer Lebensmittelpreise heute im Vergleich zum August 2014? Und wie war der Weg dorthin? Hier erst mal der Jahresvergleich, angefangen mit dem Perekrestok-Supermarkt bei uns um die Ecke:

Möhren für 39,90 Rubel/Kilo (August 2014: 29)
Tomaten für 62 Rubel/Kilo (August 2014: 39)
Weißkohl für 10,91 Rubel/Kilo (August 2014: 10)
Äpfel für 49,90 Rubel/Kilo (August 2014: 44,50)
Birnen für 125 Rubel/Kilo (August 2014: 69)

Milch (2,5%) für 67,74 Rubel/Liter (August 2014: 63,44)
Naturjoghurt (bio) für 17,81 Rubel/100g (August 2014: 37,60)
Butter für 37,50 Rubel/100g (August 2014: 46,50)
Brie für 127 Rubel/100g (August 2014: 97,50)

Hähnchenbrust (aus der Fleischtheke) für 249 Rubel/Kilo (August 2014: 185)
Schweinekotelett (aus der Fleischtheke) für 419 Rubel/Kilo (August 2014: 406)

Und so sind die Preise heute bei Utkonos, dem Online-Lebensmittelhändler.

Kartoffeln für 22,50 Rubel/Kilo (August 2014: 28)
Zwiebeln für 27,50 Rubel/Kilo (August 2014: 34)
Gurken für 40,50 Rubel/Kilo (August 2014: 109)
Zucchini für 28,90 Rubel/Kilo (August 2014: 26)
Auberginen für 48 Rubel/Kilo (August 2014: 145)
Rote Bete für 21,50 Rubel/Kilo (August 2014: 17)
Kohlrabi für 208 Rubel/Kilo (August 2014: 85)

Nektarinen für 194 Rubel/Kilo (August 2014: 117)
Zitronen für 169 Rubel/Kilo (August 2014: 139)
Mango für 329 Rubel/Kilo (August 2014: 330)
Bananen für 52,90 Rubel/Kilo (August 2014: 47)
Orangen für 123 Rubel/Kilo (August 2014: 85)
Grapefruit für 114 Rubel/Kilo (August 2014: 82)
Kiwi für 214 Rubel/Kilo (August 2014: 229)

Milch für 53,05 Rubel/Liter (August 2014: 66,10)
Butter für 53,78 Rubel/100 g (August 2014: 49,88)

Graubrot, geschnitten, für 82,50 Rubel/Kilo (August 2014: 76,56)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (August 2014: 79,80)

Rinderhack für 400 Rubel/Kilo (August 2014: 412)
Ganzes Hähnchen für 170 Rubel/Kilo (August 2014: 150)
Durchwachsener Speck für 822,50 Rubel/Kilo (August 2014: 650)

Lachssteak (TK) für 832 Rubel/Kilo (August 2014: 576)

In dem Jahr von August 2014 bis August 2015 sind die Preise im Schnitt also um 14,4 Prozent gestiegen – im Supermarkt etwas mehr (18,3 Prozent), online etwas weniger (10,5). Zu den Preistreibern bei der Supermarkt-Bilanz gehören zum Beispiel Birnen – heute 81,2 Prozent teurer als vor einem Jahr – und Tomaten. Die kommen inzwischen eben nicht mehr aus den Niederlanden, sondern meist aus Aserbaidschan, kosten dafür aber eben auch 59 Prozent mehr. Auch beim Online-Einkauf sind die Veränderungen bei frischem Gemüse bemerkenswert: Kohlrabi kosten, das ist dann allerdings auch der Spitzenwert, inzwischen fast 145 Prozent mehr als vor dem Einfuhrverbot.

Andererseits fallen einige Lebensmittel auf, die heute nicht oder kaum teurer sind als vor einem Jahr: Die Supermarktmilch kostet nur knapp 7 Prozent mehr, bei Butter und Graubrot ist es ähnlich. Einige Lebensmittel gibt es heute sogar günstiger zu kaufen als vor einem Jahr – anderes Herkunftsland, anderer Anbieter, andere Produktionsstandards, andere Preispolitik.

 

Auberginen gehören zu den Gemüsen mit heftigen Preisschwankungen
Auberginen gehören zu den Gemüsen mit heftigen Preisschwankungen

In einigen Fällen versteckt der Vergleich zwischen August 2014 und 2015 die krassen Preissprünge in den Monaten dazwischen. Die Kartoffeln von Utkonos mögen mit 22,50 Rubel/Kilo heute sogar ein wenig unter dem Vorjahrespreis liegen – Anfang des Jahres musste man noch mehr als das Doppelte (46,90) fürs Kilo zahlen. 229 Rubel für ein Kilo Gurken – das war der Dezember. 494 Rubel fürs Rinderhack? Hallo, Januar. Und im Februar dann 283 Rubel für ein Kilo Auberginen – die Liste der Preisausreißer nach oben lässt sich beliebig fortschreiben. Was bleibt, ist genug Material für ein Proseminar in Angebot, Nachfrage und Substitution.

Als jemand, der diese Lebensmittel nicht nur bezahlt, sondern auch zubereitet und isst, würde mich aber bei aller Theorie ganz praktisch vor allem eines interessieren: Wie hat sich mit den Preisen wohl die Qualität entwickelt?

Dass da nach Jahren ganz plötzlich das Einfuhrverbot für chinesisches Schweinefleisch fällt, das vorher mit Gesundheitsbedenken begründet wurde – ich wäre gern so naiv und sähe darin etwas anderes als nur den Wunsch, Ersatz für gestoppte Westimporte zu finden. Das russische Käse-Angebot „zwischen eingetrocknetem Tippex und Turnhallenmief“ hat der Guardian in all seiner Trostlosigkeit hier beschrieben. Und jedes Mal, wenn jemand in Deutschland bei Facebook irgendwelche Na-da-wiehert-aber-der-Amtsschimmel-Sprüche postet, bekomme ich in Moskau Sehnsucht nach so einer richtig nickeligen, paragraphenreiterischen, unnachgiebigen Lebensmittelaufsicht.

Das Kleingedruckte: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ – nur zwei Stichproben, ziemlich willkürliche Produkte, nicht danach gewichtet, was der Durchschnittsrusse so konsumiert. Hinzu kommt, dass manche Produkte (Papajas etwa) aus dem Jahresvergleich komplett rausfallen, weil es sie heute schlicht nicht mehr gibt (oder nur für so viel Geld, dass der Durchschnittshändler sie nicht mehr im Sortiment hat).

Wie wir im sanktionierten Russland über Käse reden

Irgendwann am Abend öffnet jemand einen Karton, eine Tupperdose oder einfach den Kühlschrank. Manchmal wird die Stimme gesenkt, manchmal begleitet ein gesprochener Tusch die Geste: Tadaaaa!

Wir wissen, in welchen Stufen die Temperatur im Gepäckraum eines Flugzeuges reguliert wird. Wir fachsimpeln über Verpackungsmethoden und wissen, welche Sorten sich gut einfrieren lassen. Auf Parties reden wir mit fremden Menschen darüber, wo die so einkaufen – als gäbe es irgendwo in Moskau diesen einen Marktstand mit direktem Portal zu einer deutschen Käsetheke.

Wir machen Witze über weißrussischen Parmesan und den berühmten weißrussischen Mozzarella. Und schneiden am Ende eines von Gästen importierten Stücks mit dem schärfsten Küchenmesser noch einmal ganz eng innen an der Rinde entlang. Und wir sagen Dinge wie diese:

– „Samstag sind wir bei X. und Y. eingeladen.“
– „Warum?“
– „Käse aus dem Urlaub.“

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„Das ist Heukäse, da musst Du unbedingt den Rand mitessen. Hab ich der Käseverkäuferin in Deutschland versprochen.“

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„Im Koffer war kein Platz mehr, also hab ich den ganzen Käse in meinen neuen Geigenkoffer gepackt. Ging auch alles gut, bis der russische Zoll meine Geige sehen wollte. Ich hab gesagt, da ist gar keine Geige drin – also haben sie den Koffer durchleuchtet. Und mich letztlich dann einfach durchgewunken.“

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„Mein Vater kennt wen, der hat so eine Maschine, mit der man Sachen vakuumverpacken kann!“

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„Und dann war es plötzlich schon so spät, und ich musste los, und beim Check-in ist mir dann eingefallen, dass die sechs Stücke Parmesan noch bei meinen Eltern im Keller liegen.“

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„Mädels, ich hab ein Stück Stilton. Wann sehen wir uns?“

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„Es gibt da diesen Typen, der wohnt irgendwo im Moskauer Umland und macht selber Gouda. Mit Brennesseln drin oder Kürbiskernen, hab ich neulich auf dem Kirchenfest probiert. Irgendwo zuhause hab ich seine Nummer, such ich Dir raus.“

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„Und, wie war’s in Frankreich? Guter Käse? Hast Du welchen mitgebracht? Auch fürs Büro?“

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„Der Brie mit dem Chili ist von Aldi, hat nur 99 Cent gekostet. Unfassbar.“

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„Super Restaurant, an den Sauberen Teichen, müsst ihr unbedingt mal ausprobieren. Deren Ziegenkäse schmeckt echt nach Ziege!“

Wirtschaft in Georgien – der Chatschapuri-Index

Chatschapuri-Index Georgien

Dass Chatschapuri (extrem leckeres georgisches Käsefladenbrot) zum Tortendiagramm taugt, dafür braucht es nicht viel Fantasie. Dass es auch Balkendiagramme inspirieren und zur Illustration der wirtschaftlichen Lage herhalten kann, darauf muss man erst mal kommen. Respekt also an die Kollegen von „The Financial„, einer kostenlosen Zeitung, die in Cafés in Tiflis ausliegt.

Gemeinsam mit dem ISET Policy Institute veröffentlichen sie – angelehnt an den Big-Mac-Index – regelmäßig den Chatschapuri-Index, wobei die beiden Indizes unterschiedliche Zwecke haben: Per Big-Mac-Index lässt sich die Kaufkraft von Währungen vergleichen. Der Chatschapuri-Index dagegen leitet aus den Preisen der Zutaten für das (wirklich ungemein leckere) georgische Brot Monat für Monat die aktuelle Kaufkraft des georgischen Lari ab. Mehl, Hefe, Eier, Butter, Milch und Käse, dazu Gas und Elektrizität – es sind gerade mal acht Faktoren, die in den Index einfließen.

Wer will, kann sich gerne weiter in die Methodik vertiefen, für Experten ist allerdings wohl vor allem eines wichtig: Der Index basiert auf einem imeretischen Chatschapuri (Imeruli), also rund und mit Käse – nicht zu verwechseln mit dem adscharischen Chatschapuri (Atscharuli), bei dem der Teig zwei Griffe hat und über dessen Mitte nach dem Backen ein rohes Ei geschlagen wird. Oder dem Megruli Chatschapuri mit extra Käse obendrauf. (Hier noch mal die drei im Vergleich, lecker hab‘ ich schon gesagt?)

Chatschapuri-Index Ausriss

Im letzten Monat ist der Index gefallen – unter anderem, weil in der orthodoxen Fastenzeit viele Gläubige auf Milchprodukte verzichten. Jetzt, nach der Fastenzeit, ist also mehr Käse auf dem Markt, zu niedrigeren Preisen.

Die Detailanalyse, auch mit Blick auf importierte vs in Georgien hergestellte Zutaten, gibt es hier*. Und falls jemand jetzt das dringende Bedürfnis hat, selber Chatschapuri zu backen: Die Debatte im Freundeskreis über das beste Rezept läuft noch. Aber das hier – für die adscharische Variante – klingt schon mal super.

*Update: Der an dieser Stelle verlinkte Post mit den Zahlen für April ist nicht mehr online. Ich habe per Mail nachgefragt, warum, aber bisher nichts gehört. Darum leider nur noch der Ausriss aus der Print-Berichterstattung.

Moskauer Warenkorb, März 2015

 width=Zeit, über Kohl zu sprechen. Kohlsuppe, Kohlrouladen, mit Kohl gefüllte Teigtaschen, das sind alles russische Klassiker. Keine Edelküche, sondern traditionelles Alltagsessen, lecker und günstig. So war das früher.

„Früher“ heißt in diesem Fall bis zum vergangenen Spätsommer, als Russland das Importverbot für zahlreiche Lebensmittel aus westlichen Ländern erließ. Russland ist weit davon entfernt, sich mit Lebensmitteln selbst versorgen zu können, und ja, auch Kohl gehörte vor dem Verbot zum Importgemüse.

Vom Jahresbeginn bis Anfang März stieg der Preis für Kohl um 63 Prozent, Ende März waren es sogar 66 Prozent – und das sind offizielle Zahlen des Landwirtschaftsministeriums. Wie es dann im konkreten Supermarkt aussieht, ist noch mal eine ganz andere Sache.

Bei uns im Laden hat das Kilogramm Weißkohl jetzt die 50-Rubel-Marke geknackt. Zur Erinnerung: Vor dem Importverbot im August waren es nur 9,90 Rubel pro Kilo, der Preisanstieg seitdem sind also satte 450 Prozent. Kein Produkt, nicht mal der Brie, hat eine so steile Preiskurve. Hier die Details:

Supermarktpreise:

Möhren für 71 Rubel/Kilo (Februar: 65)
Tomaten für 129 Rubel/Kilo (Februar: 129)
Weißkohl für 55 Rubel/Kilo (Februar: 45)
Äpfel für 93 Rubel/Kilo (Februar: 71)
Birnen für 99 Rubel/Kilo (Februar: 119)

Milch (2,5%) für 61 Rubel/Liter (Februar: 72)
Butter für 38 Rubel/100g (Februar: 25)
Brie für 439 Rubel/100g (Februar: 339)

Hähnchenbrust für 209 Rubel/Kilo (Februar: 209)
Schweinekotelett für 389 Rubel/Kilo (Februar: 469)

Onlinehändlerpreise:

Kartoffeln für 46,90 Rubel/Kilo (Februar: 46,90)
Zwiebeln für 48 Rubel/Kilo (Februar: 53)
Gurken für 215 Rubel/Kilo (Februar: 299)
Zucchini für 172 Rubel/Kilo (Februar: 236)
Auberginen für 223 Rubel/Kilo (Februar: 283)
Rote Bete für 35,50 Rubel/Kilo (Februar: 35,50)
Kohlrabi für 226 Rubel/Kilo (Februar: 299)

Zitronen für 124 Rubel/Kilo (Februar: 139)
Mango für 364 Rubel/Kilo (Februar: 385)
Bananen für 98 Rubel/Kilo (Februar: 125)
Orangen für 75 Rubel/Kilo (Februar: 108)
Grapefruit für 95 Rubel/Kilo (Februar: 112)
Kiwi für 159 Rubel/Kilo (Februar: 175)

Milch für 72,21 Rubel/Liter (Februar: 70,53)
Butter für 53,78 Rubel/100 g (Februar: 52,22)
Graubrot, geschnitten, für 82,50 Rubel/Kilo (Februar: 82,50)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (Februar: 90,60)

Rinderhack für 446 Rubel/Kilo (Februar: 446)
Ganzes Hähnchen 153 für Rubel/Kilo (Februar: 150)
Durchwachsener Speck für 556 Rubel/Kilo (Februar: 556)

Kabeljau (TK) für 330 Rubel/Kilo (Februar: 236)
Lachssteak (TK) für 832 Rubel/Kilo (Februar: 746,67)

Die grundsätzliche Tendenz ist damit: steigende Preise im Supermarkt (11,4 Prozent im Schnitt), fallende beim Onlinehändler (-7,5), vor allem, weil einiges an Obst jetzt weniger kostet als im Vormonat. Warum das nur im Internet so ist und nicht im Laden, kann ich mir noch nicht so recht erklären und freue mich über Ideen und Denkanstöße in den Kommentaren.

Die Preisbremse im Supermarkt, auf die sich hier ja einige Ketten verpflichtet haben, merkt man tatsächlich, etwa bei der Milch: Sie ist nicht nur günstiger als zuvor, es ist diesmal auch eine andere Marke die billigste als in den Vormonaten. Vielleicht hat also unser Supermarkt gerade mit diesem Lieferanten ein günstiges Kontingent ausgehandelt. Nur beim Weißkohl, siehe oben, greift die Bremse nicht. Dabei steht auch er auf der Liste der 20 „sozial relevanten“ Produkte, die theoretisch seit Ende Februar nicht mehr teurer werden sollten.

Das Kleingedruckte: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ. Und der Brie im Supermarkt-Einkauf ist in diesen Tagen wohl eher „Brie“ oder „brieartiger Weichkäse“. Außerdem kommt ab sofort kein Eisbergsalat mehr in der Wertung vor, weil Utkonos seine Angaben von Stückpreis auf Kilopreis umgestellt hat und ich nicht spekulieren möchte, wie viel wohl die Salatköpfe der vergangenen Monate so gewogen haben.

Moskauer Warenkorb, Februar 2015

"Masleniza" heißt auch "Pfannkuchenwoche". Süße. Herzhafte. Blini. Aladuschki. Alle gut.
Die Masleniza heißt auch „Pfannkuchenwoche“. Süße. Herzhafte. Blini. Aladuschki. Alle gut.

Die fetten Tage sind vorbei. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn nach Masleniza, der Butterwoche, ist nun Fastenzeit. Was in Russland eine ziemlich lange Liste an verbotenen Speisen bedeutet, von Fleisch und Fisch über Eier bis hin zur Butter.

Für Vegetarier (und bloggende Vegetarier-Partnerinnen) hat das erfreuliche Nebenwirkungen: Selbst im schrabbeligsten Restaurant gibt es eine eigene Fastenzeit-Karte; der Wunsch, kein Fleisch zu essen, ruft plötzlich weder Mitleid (hat’s Dir der Arzt verboten?) noch perplexes Kopfschütteln hervor. Beim Stöbern im Online-Supermarkt stoße ich auf Joghurt mit Rote-Bete-Geschmack und auf Tofu, allerdings unter dem Tarnnamen „Sojakäse“. Das ist definitiv neu, Tofu war dort zuletzt im Spätsommer 2014 zu kriegen.

Bemerkenswert ist in diesem Fastenmonat nicht nur, dass die ersten russischen Regionen gerade Lebensmittelmarken eingeführt haben. Oder die Prognose, dass Russen bis Jahresende möglicherweise die Hälfte ihres Gehalts für Lebensmittel ausgeben werden. Unmittelbar auf den Warenkorb wird sich wahrscheinlich die Entscheidung der großen Supermarktketten auswirken, die Preise für 20 Grundnahrungsmittel zu deckeln. Auch Perekrestok, wo die Zahlen für diesen Blogpost herkommen, hat sich dazu verpflichtet.

Supermarktpreise:

Möhren für 65 Rubel/Kilo (Januar: 59,90)
Tomaten für 129 Rubel/Kilo (Januar: 269,00)
Weißkohl für 45 Rubel/Kilo (Januar: 46,90)
Äpfel für 71 Rubel/Kilo (Januar: 69,90)
Birnen für 119 Rubel/Kilo (Januar: 119,00)

Milch (2,5%) für 72 Rubel/Liter (Januar: 60)
Butter für 25 Rubel/100g (Januar: 45)
Brie für 339 Rubel/100g (Januar: 142)

Hähnchenbrust für 209 Rubel/Kilo (Januar: 199)
Schweinekotelett für 469 Rubel/Kilo (Januar: 379)

Utkonos, der Online-Händler, hat sich nicht dazu verpflichtet, irgendwelche Preise einzufrieren. Das wird also im kommenden Monat interessant, ob sich da bei Ladenlokal- vs Browsereinkauf Preise für manche Lebensmittel auseinander entwickeln. Bisher sieht es jedenfalls so aus:

Onlinehändlerpreise:

Kartoffeln für 46,90 Rubel/Kilo (Januar: 43,90)
Zwiebeln für 53 Rubel/Kilo (Januar: 42,50)
Gurken für 299 Rubel/Kilo (Januar: 237,00)
Zucchini für 236 Rubel/Kilo (Januar: 349,00)
Auberginen für 283 Rubel/Kilo (Januar: 499,00)
Rote Bete für 35,50 Rubel/Kilo (Januar: 39,00)
Eisbergsalat für 138 Rubel/Stück (Januar: 148,00)
Kohlrabi für 299 Rubel/Kilo (Januar: 349,00)

Zitronen für 139 Rubel/Kilo (Januar: 147)
Mango für 385 Rubel/Kilo (Januar: 389)
Bananen für 125 Rubel/Kilo (Januar: 89)
Orangen für 108 Rubel/Kilo (Januar: 105)
Grapefruit für 112 Rubel/Kilo (Januar: 99)
Kiwi für 175 Rubel/Kilo (Januar: 189)

Milch für 70,53 Rubel/Liter (Januar: 64,21)
Butter für 52,22 Rubel/100 g (Januar: 52,22)
Graubrot, geschnitten, für 82,5 Rubel/Kilo (Januar: 82,5)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (Januar: 90,60)

Rinderhack für 446 Rubel/Kilo (Januar: 494)
Ganzes Hähnchen 150,00 für Rubel/Kilo (Januar: 150,00)
Durchwachsener Speck für 556,00 Rubel/Kilo (Januar: 556,00)

Kabeljau (TK) für 236 Rubel/Kilo (Januar: 236,00)
Lachssteak (TK) für 746,67 Rubel/Kilo (Januar: 640)

Wie man sieht, bleibt Brie der Haupt-Preistreiber beim Supermarkt-Einkauf. Ein einsames Stück aus der Schweiz lag da noch in der Käsetheke, 138,7 Prozent teurer als im Januar, sogar 247,7 Prozent im Vergleich zum August, als das Importverbot erlassen wurde. Deutlich preiswerter als im Vormonat sind Tomaten (-52 Prozent) und Butter (-44 Prozent). Auf den Gesamtzeitraum gerechnet legt allerdings der Weißkohl den steilsten Preisanstieg hin: von 10 Rubel im August auf heute 45, das sind 350 Prozent. Insgesamt ist der Supermarkt-Einkauf 7,3 Prozent teurer geworden.

Online ist der durchschnittliche Preisanstieg mit nur 0,5 Prozent gering, trotz Ausreißern wie Bananen (40,4 Prozent), darum diesmal ein Blick auf die Lebensmittel, deren Preis von Januar auf Februar konstant war: Butter, Grau- und Toastbrot, Hähnchen, Speck und Kabeljau. Sollte da jemand, ganz ohne öffentliches Verkünden, auch ein paar Preise gedeckelt haben?

Das Kleingedruckte: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ.

Moskauer Warenkorb, Januar 2015

birnen januar supermarktAch guck, es gibt wieder preiswerte Birnen im Supermarkt. Die sehen zwar aus, als hätten sie gerade den Großen Vaterländischen Krieg hinter sich gebracht, aber gut.

Ansonsten war der Januar der Monat, in dem das Lebensmittel-Einfuhrverbot zu diversen dämlichen Politiker-Statements geführt hat. Das Spektrum reicht von Marie Antoinette („Dann esst halt weniger„) bis Mimimi („Das subventionierte Essen in unserer Kantine für Besserverdienende ist jetzt nur noch 63 Prozent billiger als auf dem freien Markt, vorher waren es 86 Prozent„).

Immerhin haben sich ein paar Dezember-Preistreiber nach unten korrigiert, nicht nur die Birnen, auch der Kabeljau. In der Käsetheke liegt zumindest wieder eine Sorte bezahlbarer Schimmelkäse, der hier mal großzügig unter „Brie“ geführt wird – auch wenn die Käsefachverkäuferin nicht sicher war, ob es auch welcher ist. Unter den Sachen, die teurer geworden sind, ist dagegen auch klassisches, nicht importiertes Wintergemüse wie Weißkohl oder rote Bete.

Der Supermarkt-Teil des Warenkorbes ist von Dezember auf Januar etwas günstiger geworden (7,3 Prozent). Birnen, Brie, Fleisch – einiges war kurz vor Silvester noch deutlich teurer. Am grundsätzlichen Trend ändert das aber nichts: Den Moskauer Warenkorb gibt es seit August, in dem Zeitraum sind die Supermarkt-Einkäufe insgesamt 123,3 Prozent teurer geworden.

Supermarktpreise:

Möhren für 59,90 Rubel/Kilo (Dezember: 69)
Tomaten für 269,00 Rubel/Kilo (Dezember: 165)
Weißkohl für 46,90 Rubel/Kilo (Dezember: 39)
Äpfel für 69,90 Rubel/Kilo (Dezember: 94)
Birnen für 119,00 Rubel/Kilo (Dezember: 269)

Milch (2,5%) für 60 Rubel/Liter (Dezember: 57)
Butter für 45 Rubel/100g (Dezember: 36,11)
Brie für 142 Rubel/100g (Dezember: 329)

Hähnchenbrust für 199 Rubel/Kilo (Dezember: 429)
Schweinekotelett für 379 Rubel/Kilo (Dezember: 319)

Beim Online-Supermarkt Utkonos geht der Preisanstieg weiter, im vergangenen Monat um 8 Prozent. Die Preistreiber sind hier Rote Bete, Auberginen und Kartoffeln. Wer von sinkenden Preisen profitieren will, für den empfiehlt sich im Januar eine Speck-Gurken-Kabeljau-Diät.

Onlinehändlerpreise:

Kartoffeln für 43,90 Rubel/Kilo (Dezember: 32,00)
Zwiebeln für 42,50 Rubel/Kilo (Dezember: 33,00)
Gurken für 237,00 Rubel/Kilo (Dezember: 299,00)
Zucchini für 349,00 Rubel/Kilo (Dezember: 255,00)
Auberginen für 499,00 Rubel/Kilo (Dezember: 519,00)
Rote Bete für 39,00 Rubel/Kilo (Dezember: 22,50)
Eisbergsalat für 148,00 Rubel/Stück (Dezember: 148,00)
Kohlrabi für 349,00 Rubel/Kilo (Dezember: 265,00)

Zitronen für 147 Rubel/Kilo (Dezember: 123,00)
Mango für 389 Rubel/Kilo (Dezember: 315,00)
Bananen für 89 Rubel/Kilo (Dezember: 99,50)
Orangen für 105 Rubel/Kilo (Dezember: 94,00)
Grapefruit für 99 Rubel/Kilo (Dezember: 97,00)
Kiwi für 189 Rubel/Kilo (Dezember: 154,00)

Milch für 64,21 Rubel/Liter (Dezember: 58,13)
Butter für 52,22 Rubel/100 g (Dezember: 52,22)
Graubrot, geschnitten, für 82,5 Rubel/Kilo (Dezember: 82,50)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (Dezember: 90,60)

Rinderhack für 494 Rubel/Kilo (Dezember: 398,00)
Ganzes Hähnchen 150,00 für Rubel/Kilo (Dezember: 158,00)
Durchwachsener Speck für 556,00 Rubel/Kilo (Dezember: 1010,00)

Kabeljau (TK) für 236,00 Rubel/Kilo (Dezember: 502,00)
Lachssteak (TK) für 640 Rubel/Kilo (Dezember: 640,00)

Das Kleingedruckte: In diesem Monat mussten wir uns leider von der Papaya verabschieden, Utkonos hat keine mehr im Sortiment. Und es gilt weiterhin: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ.

Der Russe ist einer, der Softpacks liebt

Schon lange, bevor Putin mit seinem Einfuhrverbot Lebensmittel zu einem Russland-Thema gemacht hat, hat mich hier im Supermarkt etwas fasziniert. Schließlich kennt, wer seine Einkäufe bisher in Deutschland erledigt hat, das hier:

Handseife im Softpack 

Flüssigseife. Spüli. Sowas, sagt die Gewohnheit, gehört in diese Art von Verpackung. Und wie heißt die überhaupt? Sicher, dem Sinn nach ist das ein Nachfüllpack, und wer ihn direkt kauft, ohne etwas damit nachfüllen zu wollen, löst üble philosophische Fragen aus. Aber wie nennt sich die Form, wenn nicht nach der Funktion?

Gut, wenn man wen kennt, der wen kennt, der nicht nur als Kunde in den Supermarkt geht und darum die Antwort weiß: Softpack. Im Russischen muss das einer der häufigsten Begriffe überhaupt sein, denn hier sind sie ein bisschen kreativer, was die Verwendung dieser Verpackung angeht.

Sechs Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
Sechs Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
 
Von oben links nach unten rechts sind das hier softverpackte Waldpilzsoße, Meerrettich, Senf, Ketchup, normale Mayo und welche mit/aus Wachteleiern. Keine Tube, keine Flasche, kein Tetrapack, kein Schraubglas. Nur Softpack, das reine Softpack und nichts außer Softpack.

Ach so, sagte ich, sie seien hier „ein bisschen kreativer“ beim Einsatz von Softpacks? Ich meinte „deutlich kreativer“.

Und noch vier Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
Und noch vier Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
 
Reis und Hirse, Buchweizen und Grieß. Dass man die bequem aus diesem kleinen Plastikhals-Stöpselstummel rausschütteln kann, scheint höchstens beim Grieß plausibel. Spätestens beim Buchweizen sucht, wer nicht extremer Fan von Slow Food ist, nach der Schere.

Gut also, dass das alles war, was er im Softpack kauft, der Russe.

Ja okay, und Zucker.

Zucker im Softpack 

Und Schmelzkäse.

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Und Erdbeermarmelade.

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Und Kaffeesahne.

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Und Bolognesesauce.

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(Danke an Udo für die „Softpack“-Vokabel und die Erklärung, warum Supermarkt-Mitarbeiter Softpacks hassen.)