Russball, Folge 55: Russland hört gar nicht mehr auf zu feiern

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Nein, wir werden hier jetzt nicht mehr über Deutschland-Südkorea reden. Zu lange her, eh nicht zu ändern, anderswo schon verbloggt. Außerdem ist Schwelgen sowieso schöner als Frust Schieben, also reden wir noch mal über das, was Russland da geschafft hat: Erst den Einzug ins Viertelfinale gegen Spanien, dann ziemlich ausdauerndes Gefeier, nicht nur in Moskau.

Ein bisschen hab ich mich da auch treiben lassen, durch die Straßen rund ums GUM, dann auf den Roten Platz, weiter Richtung Manegenplatz. Ja, es gab einen Autokorso, auch wenn der stellenweise mehr stand, als dass er fuhr – Abendverkehr in Moskau, man kennt das. Und auch das macht Spaß: Nach dem Spiel in den Bus steigen, und der Fahrer beschließt, dass er jetzt auch einen auf Autokorso macht. (Besonders gefreut hat mich ein Hinweis via Twitter, dass selbst das Kartenlesegerät lächelt – das war mir beim Filmen nicht aufgefallen.)

Vielleicht am schönsten hat diesen Abend nach dem Spiel Andrew Roth vom Guardian zusammengefasst:

Cars honked their horns and passengers stuck their heads through windows and sunroofs shouting “Ros-Si-Ya!” Police officers looked on what must have been traffic violations with an air of indifference. Nobody was going to be fined, not for the noise, the errant driving or the copious amounts of public drinking that continued late into Monday morning.

It was wild stuff, the kind of night that ends with you rolling on the grass by the Karl Marx statue, clutching a bottle of champagne and somehow entangled inside of your own Russian tricolor flag.

Actually that was just at 9pm.

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⚽ Lustig auch, wie viele Menschen nicht damit gerechnet hatten, dass Russland jemals so weit kommen könnte – und deshalb munter Karten fürs Ballett gekauft hatten. Im Marinskij-Theater in St. Petersburg zum Beispiel erfuhren die Zuschauer in der Pause einer Aufführung von Dornröschen, dass Russland Spanien geschlagen hatte. Ergebnis: Standing Ovations, später zum Schlussapplaus kam dann der Dirigent mit Russlandfähnchen auf die Bühne.

Auch im Bolschoi, dem Moskauer Gegenstück zum Marinskij, fanden sich einige Zuschauer plötzlich in der Zwickmühle: Wie bleib ich auf dem Stand in Sachen Fußball, während ich hier in diesem Ballett-Palast sitze?

Auch die Ballerinas hinter den Kulissen mussten einen Weg finden, das Spiel zumindest zwischen ihren Auftritten zu verfolgen. Eine von ihnen hat das bei Instagram dokumentiert:

bolschoi⚽  Wir müssen noch mal über Datenschutz reden. Nein, diesmal geht es nicht darum, was man alles an persönlichen Infos für eine Fan-ID preisgeben muss oder welche Daten möglicher Hooligans die deutschen Behörden wohl an die russischen weitergegeben haben. Diesmal geht es um Überwachung und um das Fan-Fest hier in Moskau. Da ist am Tag des Spiels zwischen Spanien und Russland ein Mann festgenommen worden, nach dem wegen Diebstahls gefahndet wurde. Eine der Kameras hatte erkannt, dass da ein Fußballfan unterwegs war, der zu einem Bild in der Datenbank passte.

Interessant ist, was man aus der offiziellen Stellungnahme zur Verhaftung des Mannes noch so über die Gesichtserkennung in Moskau erfährt. Demnach werden das Fan-Fest und das Luschniki-Stadion von zusammen 282 Kameras überwacht. Sie sind verbunden mit einer Datenbank, die Bilder von 50.000 Menschen enthält, darunter auch Aufnahmen von 2000 Ausländern.

⚽  Das hier ist kurz, schön beobachtet und erhellend noch dazu: Zwölf Fragen zum Leben in Russland von einer, die hier lebt. Zwölf Antworten von einem, der hierher stammt: „Versteh einer die Russen“ wirft einen Blick auf das WM-Gastgeberland abseits von Stadien und Fan-Jubel.

⚽ Dass zur WM hier besonders darauf geachtet wird, Touristen in der Moskauer Innenstadt nicht mit allzu sichtbarer Armut die Laune zu verderben, darum ging es hier ja schon mal öfter. Die Moscow Times hat dazu eine eindringliche Geschichte zu erzählen: Am Platz mit den drei Bahnhöfen steht normalerweise ein Zelt, in dem Menschen, die Hilfe brauchen, eine warme Mahlzeit und ärztliche Versorgung bekommen. Allerdings: Wer als WM-Tourist z.B. zu einem Spiel in Nischni-Nowgorod will, der steigt an einem dieser drei Bahnhöfe in seinen Zug.

Damit also die Fußballfans nicht dem Anblick von Obdachlosen und Armen ausgesetzt sind, wurde der Hilfsorganisation, die das Zelt betreibt, ein Umzug verordnet. An den Stadtrand, unsichtbar für WM-Gäste, und für viele Bedürftige schwer zu erreichen. Das ist mehr als nur unbequem: Für Menschen, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind und diese bisher am Platz mit den drei Bahnhöfen bekamen, kann es lebensbedrohlich sein.⚽ Unterdessen in Kasan: ein Fußballspiel der Bräute, oder zumindest ein Spiel von Frauen, die Brautkleider anhaben. „Kasan“ ist nicht nur der Name der Stadt, sondern auch für einen großen Topf, unter dem man Feuer macht, um darin etwas zu kochen. Auf dem zweiten Bild sieht man im Hintergrund das Gebäude in Kasan, das an dieses Konstrukt erinnern soll.

⚽  Was tun, wenn man sich mit jemandem unterhält, der diesen Sommer nach Russland kommt und sowas sagt wie: „Aber es ist doch alles so schön hier, die Leute sind zufrieden und freundlich – da zeichnen die Medien aber echt ein ganz falsches Bild“? Bisher habe ich auf einen Thread von Shaun Walker hingewiesen, der darauf hinweist, dass die Dinge eventuell ein bisschen komplexer sind, und dass auch in einem autoritär regierten Land, dessen Bürger nicht viele Freiheiten haben und, wenn sie aufmucken, Probleme kriegen, trotzdem Lebensfreude, Fußballbegeisterung und Gastfreundschaft herrschen können.

Nun hat Marc Bennetts einen Kommentar geschrieben, der vor allem diesen Vorwurf, das mediale Bild Russlands sei zu negativ, aufgreift. Er beginnt mit einer kleinen Erklärung, was die Aufgabe von Jouralismus ist (und was für Infos man eher aus einem Reiseführer erwarten sollte) und spielt dann sehr schön durch, wie es aussähe, wenn man diese Forderung, doch bitte mehr aufs Positive zu blicken, z.B. bei der USA-Berichterstattung einforderte: Wieder ein Amoklauf an einer Schule, aber hey, der Central Park ist echt schön. Oder, anders formuliert: „What is it to be — articles on the reported mass torture of gay men by Chechen security forces, or a detailed examination of the quality of the mozzarella on pizza toppings?“ Bilanz: „Don’t Blame Journalists for Bad News About Russia“.„It’s a lot nicer than I thought it would be“ is the official unofficial slogan of Russia 2018

⚽ Es gibt Gastgeberstädte, für die ist die WM schon vorbei. Saransk zum Beispiel: In der kleinen Stadt können sie die Bürgersteige jetzt wieder hochklappen, der Trubel ist vorbei, die Fans wieder abgereist. Was bleibt: Die Erinnerung an Frauen aus dem Iran, an Jubel im Stadion. Und ein Gouverneur, der poetische Dinge wie dies hier sagt: „Eine große Traurigkeit wird sich über uns legen, aber wir müssen uns wieder an die Arbeit machen, denn uns steht unsere eigene Weltmeisterschaft ins Haus, und das ist die Ernte. Die ist sehr wichtig für uns.“

⚽ Erik Stoffelshaus war früher bei Schalke, ist inzwischen bei Lokomotive Moskau und hat insofern einen guten Blick darauf, wie sich die Fankultur im deutschen und im russischen Fußball unterscheidet.

In einem ZEIT-Interview bringt er das so auf den Punkt: „In Deutschland ist es so: Wenn man einen Fußballverein unterstützt, dann mit Leib und Seele. Wenn der absteigt, dann steigt man mit ab. Wenn der die Meisterschaft gewinnt, dann feiert man mit. Hier kommt mir alles ein wenig distanzierter vor. Man wartet lieber ab, wie das Spiel ausgeht, was es zu sehen gibt, bevor man sich entscheidet, einen Club zu unterstützen.“ Auch was Russland tun muss, damit die WM dem heimischen Fußball einen Schub gibt und nicht einfach verpufft, erklärt er in dem Gespräch, das man hier nachlesen kann.⚽ Was muss man tun, damit die während der WM betont nachsichtige Polizei dann doch aggressiv wird und auf einen einprügelt? Aufs Dach eines Polizeiautos klettern und dort wippend feiern, dass Russland im Viertelfinale ist. Das soll jedenfalls der Hintergrund dieser Szene hier aus Woronesch sein:

⚽  Neulich habe ich eine Stunde lang mit Lars geskyped, er hat geredet und geredet und geredet, und ich hab gedacht: Was für eine Geschichte! Und wie wirst du der jetzt gerecht? Das Ergebnis hat nur am Rande mit Fußball zu tun, dafür aber damit, wie Lars in Russland aufwuchs, warum er das Land verließ und was das alles mit seiner Identität als Transmann zu tun hat: Found in Translation.

⚽ Von Lars‘ Kindheits-Gekicke auf dem Asphalt in einem russischen Innenhof zum Thema russischer Fußball-Nachwuchs im Allgemeinen. Wie teuer es ist, sein Kind auf eine der Fußballschulen im Land zu schicken, davon war ja letzte Woche hier schon mal die Rede. Nun hat Spon ein Interview mit dem russischen Fußball-Kommentator Sergej Krivokharchenko, nach seiner Einschätzung liegt das Problem noch ein ganzes Stück tiefer: Viele Talente werden nicht einmal entdeckt, „die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass der russische Messi irgendwo in Sibirien als Wachmann arbeitet oder an einer Tankstelle.“

⚽ Dieses Spiel zwischen Japan und Polen, wie war das noch mal? Der Fernsehsender Match TV schaltet zu seinem Mann vor Ort, und dann geht irgendwas schief. Denn der glaubt, er sei nicht live, sondern zeichne auf, gönnt sich erst einen Patzer und dann einen Fluch. Das beste an dem Clip ist der kontrolliert stoische Gesichtsausdruck des Studiomoderators im Anschluss.

⚽ Was passiert, wenn man versucht, mit der Fan-ID von jemand anderem ins Stadion zu kommen? Molly Zuckerman aus St. Petersburg hat es ausprobiert, offenbar nicht als journalistischen Selbstversuch, sondern tatsächlich aus eigener Doofheit. Die wenig überraschende Antwort heißt: Man wird erwischt, festgenommen und muss mit auf die Polizeiwache. So weit, so unspektakulär. Sie hat eine unterhaltsame Reportage darüber geschrieben, auch wenn manchmal wohl die Pointe wichtiger war als die Recherche – wie bei dem Typen, der angeblich nur deshalb festgehalten wird, weil er kein Russisch kann.

Richtig nervig finde ich aber eine Stelle: In den USA, schreibt Zuckerman, habe man sie einfach weggeschickt, wenn sie versucht habe, mit falschem Ausweis in einen Club zu kommen, „but this is Russia“, also habe man sie festgenommen. Ja, klar. Oder vielleicht ist der Unterschied doch eher, dass keiner im Club Schaden nimmt, wenn eine Minderjährige um ihn rumtanzt, dass es bei großen Turnieren aber meist einen blühenden Schwarzmarkt gibt, der die Preise so hochtreibt, dass sie – gerade für Fans mit Normalgehalt – unbezahlbar sind. Oder dass hinter einem Club kein Riesenunternehmen wie die FIFA steht und die Regeln diktiert. Aber das ist natürlich nicht halb so sexy wie „Ich wurde verhaftet, und Russland ist schuld.“

⚽  Schweiz gegen Costa Rica, klar, das kennt man: Das ist eines dieser Spiele, wo die Gefühle hohe Wellen schlagen und sich die Aggression auf den Tribünen Bahn bricht.

⚽ Der Guardian hat in seinen Archiven gegraben und einen Artikel aus dem Juni 1928 online gestellt. Man kann darin lesen, was sich hier seitdem verändert hat („Moscow is still, as it always was, a big village.“) und was nicht („This privilege is shared by those who have enough money to pay bribes. All these things are done openly. There is no concealment about the sums that are paid.“) Fußball kommt in dem Text nicht vor, eigentlich überhaupt kein Sport. Die Jugend, heißt es, spiele lieber Karten.

⚽ Wie das so ist, wenn man mal ein Amt hatte, heute keines mehr hat, aber gerne in den Schlagzeilen bleiben möchte: Gennady Onischtschenko war mal Russlands oberster Hygiene-Wächter (so eine Art Gesundheitsamts-Chef, wenn es ein deutschlandweites Gesundheitsamt gäbe) und war schon damals immer für eine steile These zu haben. Nun hat er wieder eine rausgehauen: Mit jedem Sieg der russischen Nationalmannschaft steigt im Land die Lebenserwartung, so Onischtschenko – die Herleitung hat, vereinfacht gesagt, was mit persönlichem Wohlbefinden und positiver Einstellung zu tun.

Wenn das so ist, möchte man Russland ja den Finaleinzug, ach was: den Weltmeistertitel wünschen, das Land hat es schließlich immer noch bitter nötig. Außerdem hätten dann nach der geplanten Erhöhung des Rentenalters mehr Menschen eine Chance, ihre Pensionierung zu erleben.

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Ein Rausschmeißer noch, der nichts, aber auch gar nichts mit der WM zu tun hat: Wer sich den Twitter-Account „Footballers with animals“ angucken kann, ohne grinsen oder lächeln zu müssen, tut mir leid und ist mir zugleich suspekt. Danke an @Absatzkick für den Tipp! Mehr Russball dann wieder nächsten Mittwoch, das ist dann schon ein Halbfinaltag. Bis dann!



 

Russball, Folge 32: Anstoßen mit Bier und Doping-Cocktails

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Ein internationales Sportturnier in Russland, im Jahr 2018 – nein, es geht nicht um die Fußball-Weltmeisterschaft, jedenfalls nicht direkt. In diesen Tagen entscheidet sich nämlich in Moskau, wer Europas beste Eiskunstläufer sind.

Diese Woche habe ich also sowohl für sechs Leute Karten für die Eiskunstlauf-EM gekauft (fünf Minuten online, einschließlich einem Anruf direkt beim Veranstalter, weil ich noch eine Frage hatte) und für zwei Leute Interesse an diversen Moskauer WM-Spielen angemeldet (15 Minuten online, einschließlich der Suche nach so Infos wie „welche Passnummer hat Ihre Begleitung“ und einer Extrarunde „Ihre Kreditkarte ist keine Visakarte, und Visa ist doch unser Sponsor, das geht so aber nicht!“). Es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht.

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⚽ Wo wir schon an der Grenze zwischen Eisfläche und Stadionrasen stehen: Jewgeni Pljuschtschenko hat als Eiskunstläufer mehr als ein Jahrzehnt lang Goldmedaillen bei EM, WM und Olympischen Spielen gesammelt. Jetzt meldet er sich mit einer Idee zum Fußball zu Wort, oder vielmehr: zu den Gehältern russischer Fußballspieler.

Dass in Russland besserer Fußball gespielt würde, wenn mehr Spieler auch mal Erfahrungen bei einem ausländischen Verein sammeln würden, ist unbestritten. Das hohe Gehaltsniveau im russischen Vereinsfußball, wo viele Clubs dem Staat oder reichen Staatskonzernen gehören, verhindert das meist. Pljuschtschenko, selber Fußballfan, fordert jetzt, den russischen Spielern deutlich weniger zu zahlen: „Das Existenzminimum sind derzeit 11.000 Rubel. Man muss die Spielergehälter auf 30.000 Rubel festlegen.“ Damit läge laut dieser Übersicht „Profifußballer“ etwas über „Schaffner“ (22.0000), auf einer Höhe mit „Museumsangestellter“, aber deutlich unter „Weihnachtsmanndarsteller“ (55.000).

⚽ Wie schön, wenn man sich mal fünf Minuten nicht mit der Frage „Ist Donald Trump ein Rassist?“ beschäftigt, sondern mit Fußball. Leider bleibt da dann immer noch die Frage: „Ist der Social-Media-Mensch von Spartak Moskau ein Rassist?“ Anlass ist ein inzwischen gelöschter Tweet, in dem schwarze Spartak-Spieler beim Training als „Schokolade, die in der Sonne schmilzt“ bezeichnet wurden. (Nicht der erste Vorfall dieser Art bei Spartak.) Das gab den verdienten Ärger – von der Anti-Rassismus-Initiative „Kick it Out“, von der FIFA und nicht zuletzt auch von der russischen Fan-Gruppe „CSKA Against Racism“.

Die betroffenen Spieler selber haben inzwischen in einem Statement betont, bei Spartak gebe es keinen Rassismus. Was sollen sie auch sonst tun, schließlich ist der Verein ihr Arbeitgeber. Auch die Leser von Sports.ru meinen mehrheitlich: Das war doch nur ein Witz, alles halb so schlimm. Ich persönlich würde trotzdem beide Fragen – die nach Trump und die nach Spartak – mit einem Ja beantworten.

Wer nicht versteht, warum auch ein positiv besetzter Begriff wie „Schokolade“ eine rassistische Bezeichnung sein kann, der liest am besten mal bei Jezebel nach, was die damalige Chefredakteurin Dodai Stewart 2011 über eine ähnlich gelagerte Werbekampagne geschrieben hat: „Einen schwarzen Menschen mit Schokolade zu vergleichen (…) ist nichts anderes als Objektifizierung.“

⚽ Falls übrigens jemand von euch britische Medien liest und dort Artikel findet, in denen kritisch über Russlands WM-Vorbereitungen, die Sicherheit im Lande oder gewalttätige Hooligans berichtet wird: Für Marija Sacharowa, Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, ist das alles Teil einer Kampagne. Sie behauptet, der Staat habe zahlreiche englische Medien angewiesen, vor der WM eine Schmierkampagne gegen Russland zu fahren.

Die Nachrichtenagentur TASS zitiert dazu Waleri Gassajew, der früher die russische Nationalmannschaft trainiert hat. Er sieht das genau so wie die Ministeriumssprecherin. Schmutzige Propaganda. Eine gezielte Kampagne. Alle nur neidisch, die Briten. TASS, das sollte man vielleicht noch kurz erwähnen, gehört übrigens dem russischen Staat.

⚽ Die Zahl der Deutschen in Moskau ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Aber damit ist jetzt Schluss, in diesen Tagen startet ein Gegentrend, und zwar im Rheinland! Konstantin Rausch vom 1. FC Köln steht offenbar vor dem Wechsel zu Dynamo, selbst die Ablösesumme soll schon vereinbart sein: Westi spricht von zwei Millionen Euro. (Dynamo ist im Moment hier auch mit einer anderen Personalie in den Schlagzeilen: Fliegt Stürmer Pawel Pogrebnjak raus, weil er, statt selber auf dem Platz zu stehen, lieber in Italien als Zuschauer im Stadion war? Ganz schön doof, davon dann auch noch Fotos zu posten.)

So oder so: Wahrscheinlich hat sich Rausch, der auch die russische Staatsangehörigkeit hat, überlegt, dass er so seine Chancen steigert, bei der WM zum Kader der russischen Nationalmannschaft zu gehören. Und ich überlege mir schon mal, ob ich den Neuzugang aus Köln unseren Lieblingsnachbarn vorstellen soll. Falls sich die Gelegenheit ergibt, man weiß ja nie.

kscheib russball geissbock

⚽ Wie schaffe ich jetzt den Übergang von „Köln“ zu „Bier“? Doof, dass es da so gar keinen Zusammenhang gibt – das finde selbst ich als Altbiertrinkerin schade. Jedenfalls rechnen Experten damit, dass der Bierverbrauch in Russland dieses Jahr zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder zunehmen wird. Interessante Faustregel eines der Experten, den Wedomosti zum Thema befragt hat: Findet in einem Land eine Fußball-Weltmeisterschaft statt, dann treibt das den Bierkonsum um rund fünf Prozent in die Höhe.

Ein paar russische Bier-Fakten für den Hinterkopf: Ja, es stimmt tatsächlich, dass Bier hier rechtlich erst seit dem Jahr 2013 als alkoholisches Getränk gilt – vorher lag die Schwelle bei 10 Prozent Alkoholgehalt. Wer seine Einkäufe bei Russlands großem Online-Supermarkt „Utkonos“ macht, findet dort bis heute die Kategorie „Alkoholische Getränke und Bier“. Ja, man kann russisches Bier sehr gut trinken – auch, wenn in Moskau viele Läden eher Stella, Heineken und Budweiser auf der Karte haben. Bei der russischen Bierkonsumprognose sind übrigens Fußballfans aus Deutschland und England explizit als Hoffnungsträger erwähnt – schließlich kommen sie „aus Ländern mit hoch entwickelter Bierkultur“.

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⚽ Noch mal zum Thema Getränke: Der Preis für den besten Einstiegssatz geht diese Woche an James Ellingworth, der sich im Moskauer Büro von Associated Press um die Sportthemen kümmert. „Würden Sie eine Probe aus dem Doping-Labor von Sotschi trinken?“, beginnt seine Reportage, in der er Absonderliches berichtet: In dem Gebäude, das einst im Mittelpunkt des Dopingskandals bei den Winterspielen 2014 stand, ist nun eine Kneipe mit einem ganz besonderen Humorverständnis. Auf ihrer Cocktailkarte finden sich neben den Klassikern auch diverse Drinks, die Doping-Anspielungen im Namen tragen. Möchte vielleicht jemand ein Glas „Meldonium“? Oder eine „B-Probe“?

kscheib russball cocktailkarte

⚽ Dass sich Russlands Fußballvereine schwer damit tun, ihre Stadien vollzukriegen, war hier ja schon mal Thema. Nun gibt es dazu neue Zahlen: Während der Zuschauerschnitt in der Bundesliga 2016/17 bei 40.693 Gästen lag, waren es in Russland bloß 11.415.

Wer den ganzen Bericht liest, findet dort aber auch eine positive Prognose: Nachdem Polen (2012) und Frankreich (2016) die Fußball-Europameisterschaft ausgerichtet hatten, sei in beiden Ländern der Zustrom an Fans gewachsen. Solch eine Entwicklung sei auch in Russland möglich. Und wenn das nicht reicht: In Wladikawkas wollen sie ihren Fußballverein wieder zum Leben erwecken, der 1995 Meister war und 2014 insolvent. Spätestens das wird ja dann wohl der nötige Schub in Richtung Fußballbegeisterung sein!

⚽ Russian Football News hat eine Serie gestartet, die nach und nach alle WM-Austragungsorte vorstellen will. Die erste Folge, in der Moskau präsentiert wird, liegt auf der nach oben offenen Trockenheits-Skala leider irgendwo zwischen Brockhaus und Sägespänen. Immerhin, zwei interessante Facetten finden sich in dem Zehntausend-Zeichen-Riemen: Ein Rückblick auf ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Moskauer Luschniki-Stadions und der Hinweis, dass es unweit der Metro-Haltestelle Taganskaja ein hausgroßes Bild des russischen Supertorwarts Lew Jaschin gibt.

Die ultimative Lew-Jaschin-Mauer bleibt aber weiterhin dieses Exemplar hier, von dem Ende letzten Jahres Fotos im Netz die Runde machten. Schlichter Slogan: „Onkel Lew ist cooler als (Manuel) Neuer“

⚽ Russlands Parlament will verhindern, dass bei der Fußball-WM im Sommer gefälschte Eintrittskarten kursieren. Ein neues Gesetz sieht vor, dass Fälscher hohe Bußgelder zahlen müssen: Zwischen 50.000 und 70.000 Rubel, also pi mal Daumen 700 bis 1000 Euro, wenn ein einzelner Mensch versucht, mit Fake-Tickets Geld zu machen. Ein bis anderthalb Millionen, wenn ein ganzes Unternehmen Karten fälscht.

Im Gesetzesentwurf sind auch die Strafen festgelegt, die für den Schwarzmarkthandel mit WM-Tickets fällig werden: das 20- bis 25-fache des Ticketpreises, mindestens aber 50.000 Rubel – das ist, siehe oben, für viele Russen ein Monatsgehalt. Also durchaus eine Dimension, in der das mit der Abschreckung funktionieren könnte.

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Zum Schluss noch mal ein Blick auf die Themen vom Anfang, also auf die Disziplinen „Eislaufen“ und „Tickets kaufen“. Zu ersterem könnt ihr euch schon mal einen Termin vormerken: Am 28. Januar kommt um kurz nach 18 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur „Künstler auf Kufen – Eiskunstlauf in Russland“. Ein Feature von Gesine Dornblüth, die bis letzem Jahr hier in Moskau Korrespondentin war. Kann also nur gut werden.

Was Fußballfans in Deutschland zum Thema Kartenkauf wissen müssen, hat Markus diese Woche bei Radio Eins erzählt. Und dabei auch direkt ein Thema aufgegriffen, das ich auch schon allerlei Leuten erklären musste: Warum ihr euch nämlich zur WM nicht einfach eine Privatwohnung in Russland mieten könnt, sondern da noch ein bürokratischer Haken dran ist. Wie gesagt: Es könnte alles so einfach sein.



 

Zwei deutsch-russische Paralleluniversen

Neulich bin ich in in ein Paralleluniversum geraten, eigentlich sogar in zwei. Wir waren übers Wochenende in Deutschland, ich bin ein paar Schritte durch Oberhausen gelaufen und stand plötzlich vor einem Laden mit Matrjoschka-Schild.

kscheib OB russischer Laden Schild

Drinnen, Paralleluniversum Nummer eins: ein Produktsortiment, wie ich es hier in Moskau aus dem Supermarkt an unserer Straße kenne. Nicht nur die Lebensmittel selber, nein sogar die Marken sind identisch. Die grünen Pakete mit Hüttenkäse (in der russischen Küche sehr viel populärer als in der deutschen). Kondensmilch in den Dosen mit blauem Retro-Design. Tarchun und Djuschess, also Estragon- bzw. Birnenlimonade, so bunt wie süß.

Vor lauter Begeisterung wollte ich mir einen Sirok (Quarkriegel mit Schokoglasur) kaufen, aber genau die gab es leider nicht. Also wieder raus, vorbei an der Kasse. Und dahinter, auf einem Tischchen an der Wand, lag das Portal in das zweite Paralleluniversum: „Telegraf NRW“, die „monatliche regionale russischsprachige Informationszeitung“. 24 Seiten irgendwo zwischen Zeitung und Anzeigenblättchen, nach Angaben des Verlags mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren.

kscheib telegraf NRW Titelseite

Die Titelseite besteht komplett aus Anzeigen, Aufmacher auf Seite 2/3 dann: „Welchen Fehler machten die deutschen Massenmedien bei der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise?“ (Es geht um die Hamburger Studie, wonach deutsche Medien im Jahr 2015 und Anfang 2016 in ihrer Berichterstattung oft zu nah an den Regierungspositionen und zu wenig differenziert beim Blick auf Kritiker gewesen sein sollen.)

Es folgt die übliche Mischung, die man von Printprodukten mit älterer Leserschaft und kleinem Budget kennt: Meldungsspalten, ein paar Servicestücke zu Streitschlichtung, Gesundheit, Rechtsfragen. Eine Doppelseite mit Polizeimeldungen, gefolgt von weiteren Gesundheitsthemen, dann ein bisschen Panorama, Horoskop, Rätsel, Witze. Redaktionelle Inhalte, deren Hauptaufgabe es ist, ein Umfeld für Werbung zu bieten und die Leser ansonsten nicht zu überfordern oder sonstwie zu vergrätzen.

Und die Werbung ist dann auch das, wo es noch mal spannend wird in diesem parallelen Printuniversum: Zwischen Busreisen in die Ukraine, Rechtsanwälten, Grabsteinen, Klavierstimmern, noch mehr Grabsteinen, Pflegediensten und Konzerten von Stas Michailow bis Leningrad findet sich in der aktuellen Ausgabe des „Telegraf“ auch Wahlwerbung, und zwar genau eine. Auf der Seite mit dem Schwerpunkt Flüchtlinge und Medienkritik inseriert Jewgeni/Eugen Schmidt, AfD-Kandidat aus Köln.

Das Wahlprogramm in Stichpunkten: „Migrationschaos beenden, die Sicherheit unserer Bürger gewährleisten, angemessene Renten erreichen, die traditionelle Familie schützen, christliche Traditionen bewahren, gutnachbarschaftliche Beziehungen zu Russland wiederherstellen.“ Dazu eine Deutschlandfahne.

kscheib Telegraf Wahlwerbung AfD

Was mich daran beschäftigt, ist nicht nur die Tatsache, dass die AfD da inseriert. Das ist, so sehr mir ihre Positionen zuwider sind, ihr gutes Recht, Wahlkampf ist Wahlkampf. Wirklich ärgerlich finde ich, dass keine der der anderen Parteien dagegenhält.

Nicht die SPD, die hier im Ruhrgebiet ihre vielzitierte „Herzkammer“ hat. Nicht die CDU, die den NRW-Ministerpräsidenten stellt und für eine tendenziell ältere, tendenziell konservative Leserschaft sicherlich das ein oder andere zu christlichen Werten in ihrem Wahlprogramm gefunden hätte. Auch keine der kleineren demokratischen Parteien – niemand ist auf die Idee gekommen, für diese Nische der russischsprachigen Leser eine Anzeige zu schalten.

Eine Eckanzeige wie die des AfD-Kandidaten kostet laut Übersicht des „Telegraf“ 180 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer. Keiner der etablierten Parteien war es also rund 200 Euro wert, bei den Lesern den Effekt zu verhindern, der nun unvermeidlich ist: „Siehst du, die AfD ist einfach die einzige Partei, die sich für uns interessiert.“

Drei Jahre Moscow Times – sowas wie ein Fazit

moscow-times-covers-2016

Dass es hier in den letzten Wochen ruhig war, lag daran, dass ich ein bisschen was sortieren musste – erst im Kopf, dann im echten Leben. Fünf Jahre Moskau heißt der Plan, die bisherigen drei habe ich bei der Moscow Times gearbeitet. So einen Abschnitt beendet man nicht ohne Nachdenken. Aber irgendwo zwischen „gehen, wenn’s am schönsten ist“ und „gehen, solange es noch schön ist“ ist der Zeitpunkt jetzt dann doch gekommen: Ende Januar höre ich auf.

Als ich bei der Moscow Times anfing, hatte Russland gerade die Krim annektiert, Boris Nemtsow lebte noch und der Krieg in Syrien war, von Russland aus gesehen, ganz weit weg. Was habe ich seitdem nicht alles gelernt in dieser kleinen, durch und durch unwahrscheinlichen Redaktion. Allem voran, wie man (komplett ohne Budget) einen Social-Media-Auftritt aufbaut, der rund um die Welt und rund um die Uhr funktioniert. Welche Posts für die russischen, für die amerikanischen, für die indischen Leser? Welcher Dreh, welche Uhrzeit? Anfang 2014 hatte die MT keine 50.000 Facebook-Fans, nach einem Jahr waren es schon 500.000. Steiles Wachstum, hohe Motivation.

Überhaupt, die Reichweite, die man mit englischsprachigen Inhalten so erreicht. Das Interesse an Russland wächst und wächst; wer kein Russisch kann und nicht auf Staatsmedien angewiesen sein will, der liest nun einmal die Moscow Times. Solch eine internationale, politisch interessierte Leserschaft zu haben, das ist meistens faszinierend. Nur ganz gelegentlich lässt es einen in Sekundenbruchteilen erblassen. Wie an dem einen Morgen, als dem Artikel über eine Massenschlägerei in einem Krankenhaus versehentlich das „M“ am Anfang der Überschrift fehlte. Ach guck, wie nett, da twittert ein Leser, ob wir uns die Zeile mit dem „Ass Brawl“ nicht noch mal ansehen wollen. Ach guck, es ist der Präsident von Estland.

Ich habe gelernt, woran man Kreml-Trolle bei Facebook erkennt (und wie viel Arbeit es ist, das dann auch zu überprüfen und sie zu blocken). Ich habe von den Englisch-Muttersprachlern im Team so zauberhafte Wendungen gelernt wie „He’s as useful as a chocolate hairdryer“ und, in harten Zeiten, den extrem einleuchtenden Begriff des „seagull management“. Ich habe den Unterschied gelernt zwischen dem, was in der russischen Verfassung drinsteht, und dem, was sie im Alltag auch tatsächlich gewährleistet.

Ich habe gelernt, nicht öfter als dreimal pro Woche zu fragen, ob wir an dem Bild, das wir da gerade verwenden, denn wohl auch die Rechte haben. Ich habe so, so viel über die russische Sprache gelernt. Ich habe gelernt, dass der große Mailverteiler (alle Kollegen nicht nur bei der Moscow Times, sondern im ganzen Gebäude, mit Vedomosti, Cosmopolitan usw.) dazu da ist, darüber informiert zu werden, wenn es besonders günstigen Honig oder besonders günstigen Kaviar zu kaufen gibt („Hast du den Preis für Kaviar gesehen? Bei Reuters kriegen sie ihn deutlich billiger, hat X erzählt.“)

Ich habe gelernt, Rosselkhoznadzor, Roskomnadzor und Rostechnadzor auseinander zu halten. Ich habe gelernt, dass die Standard-Anrede im Newsroom „Dude“ ist und „Katrin“ von all den anderen Dudes konsequent auf der zweiten Silbe betont wird. Ich habe gelernt, wie wichtig in einem autoritären Staat mit permanentem Druck auf die wenigen unabhängigen Medien ein Chefredakteur mit Rückgrat ist – einer, der nicht sagt „das können wir nicht schreiben“, sondern nur: „Wenn du das nächste Mal sowas schreibst, sag mir vorher Bescheid, dann bin ich vorbereitet.“ Ich habe gelernt, dass man jedes Live-Blog eines Putin-Auftritts mit viel Luft planen muss. Beginn: definitiv verspätet. Ende: komplett unplanbar.

Die Moscow Times ist ein Durchlauferhitzer. Die Mehrheit meiner Kollegen ist deutlich jünger, für sie ist es einer der ersten Jobs nach der Uni, manchmal der erste überhaupt. Mit, zwei, drei Jahren MT im Lebenslauf stehen einem dann viele Türen offen: Neulich habe ich eine Twitterliste gebastelt mit Ex-MT-Leuten, und wenn man sieht, wo die inzwischen überall sind, von New York Times bis Buzz Feed, von AFP bis Washington Post, dann ist das schon ziemlich beeindruckend – und ich bin stolz, mich da einreihen zu dürfen.

Welches neue Medium in dieser Twitterliste bald hinter meinem Namen steht, muss sich finden. Ich habe nach drei Jahren mit drei Chefredakteuren erst mal nur ganz grundsätzlich beschlossen, dass es Zeit für etwas Neues ist. Neue Kollegen, so großartig die aktuellen auch sind. Neue Projekte, die aber hoffentlich weiterhin mit Journalismus und Russland zu tun haben. Ein bisschen weiß ich schon, in welche Richtung es gehen soll, anderes muss sich finden. Zwei Jahre in Moskau bleiben noch.

Micky Maus im Bolschoi – ein Programmhinweis für Valentinstag

Valentinstag ist ja nun wirklich der egalste der egalen Tage. Erst recht, wo es in Russland so viele andere, viel blumiger benannte Gedenk- und Feiertage gibt. Gerade war erst Tag der Diplomaten, demnächst ist schon wieder Tag des Vaterlandsverteidigers. Auch der Tag der Geodäsie- und Kartografiearbeiter steht bald wieder ins Haus, im April dann der Tag der Kosmonauten, bis zum Tag der russischen Rechtsanwälte dauert es leider noch etwas länger.

Freunde haben uns zu Weihnachten einen Kalender geschenkt, in dem der Einfachheit halber einfach täglich an jemanden oder etwas erinnert wird: Zahnärzte. Rodelhügel. Große Hoffnungen.

Up next: World #Radio Day. #russia #calendar #andnowyouknow

Ein von Katrin Scheib (@katrinscheib) gepostetes Foto am

Es war allerdings dann doch der Valentinstag, der dafür sorgte, dass ich vorhin schon in unseren Bouquet an Fernsehsendern geguckt habe, ob auch ja der russische Disney-Kanal dabei ist. Denn der zeigt am 14. abends um 19.25 Uhr einen neuen Film, in dem passiert, was hier in Moskau eigentlich Alltag ist: Ein Touri-Pärchen aus dem Ausland beschließt, die großen Moskauer Attraktionen abzuklappern, und geht darum ins Bolschoi-Theater. Das Paar heißt: Micky und Minnie.

Disney-Figuren zu Besuch in Russland, in einem neuen Film von zehn Minuten Länge. Das ist, wie der Sprecher begeistert verkündet, noch nie da gewesen in der Geschichte des Zeichentrickfilms – das Gegenstück wäre wahrscheinlich ein Clip, in dem Mascha und der Bär das Empire-State-Building besuchen. Eine kleine russisch-amerikanische Annäherung in Zeiten größtmöglicher Distanz.

Ob es im Bolschoi dann wirklich nur Folklore und „Kalinka“ gibt wie in dem Trailer, oder nicht auch ein bisschen Ballett? Was sich die zwei an ihrem romantischen Abend wohl noch so ansehen? Und ist das eigentlich eine absichtlich altmodisch gezeichnete Variante von Micky Maus, so stilisiert und ganz ohne Farbe im Gesicht?

Ich bin, möglicherweise zum ersten Mal, echt gespannt auf Valentinstag.

Doschd macht unabhängiges Fernsehen für Russland

Kein Schild an der Tür, kein Logo an der Hauswand, keine Fahnen auf dem Dach. Klar, die Adresse des unabhängigen Fernsehsenders Doschd steht auf der Homepage, sie ist kein Geheimnis. Aber das  Moskauer „Flakon“-Gelände ist groß, ein Gebäude geht über ins nächste. Zweimal müssen wir telefonieren, ehe Fatima und ich uns schließlich finden und sie mich mit ins Haus nimmt. Keine Laufkundschaft, keine Zufallsbesucher. Zu Doschd muss man wollen.

Drinnen herrscht die typischen Ästhetik, die man aus umgenutzten Industriegebäuden kennt: Hohe Decke, freiliegende Leitungen, darunter reihenweise Tische. Die meisten Menschen, die hier arbeiten, sind jung – und umgeben von einer Deko in Knallpink, wie das Doschd-Logo. Redaktion, Technik, Marketing, selbst Senderchefin Natalja Sindejewa, alle sitzen sie hier zusammen im Großraum.

Doschd Rosen

 

Gut fünf Jahre gibt es den Sender jetzt,  er hat – bei laufendem Sendebetrieb – bereits mehrere Umzüge hinter sich, oft unfreiwillig. Zwischenzeitlich kam das Programm sogar aus einer Privatwohnung. Da ist die aktuelle Adresse auf dem Gelände einer alten Glasfabrik dann doch um einiges praktischer. Demnächst, sagt Fatima, dann sogar mit Hinweisschild.

Die Positionierung des Senders ist klar: RT und Sputnik meldeten vergangene Woche Putins Rekord-Umfragewerte ohne Einordnung oder gar Kritik – bei Doschd kam zu den Zahlen auch Alexei Nawalny zu Wort, der die Werte für manipuliert hält. Wenn Putin seine jährliche Fragestunde abhält, machen Vertreter russischer Staatsmedien gerne mal den Stichwortgeber – Xenija Sobtschak, eines der bekanntesten Doschd-Gesichter, fragte ihn 2014 nach der Lage in Tschetschenien und nach Kampagnen gegen Oppositionelle. Prominente russische Politiker machen Stimmung gegen Schwule und Lesben, Homophobie ist hier inzwischen mehrheitsfähig – im Onlineshop von Doschd gibt es T-Shirts mit der Aufschrift „Alle unterschiedlich. Alle gleichberechtigt.“

Doschd Regiestühle

 

2014 musste der Sender nicht nur den Standort, sondern auch seinen Verbreitungsweg wechseln. Auf seiner Website hatte Doschd im Januar die Nutzer gefragt, ob Leningrad im Zweiten Weltkrieg hätte früher kapitulieren sollen, um die Leben der Einwohner zu retten, die während der mehrjährigen Belagerung durch Bomben, Hunger und Kälte starben.

Unter politischem Druck nahm Trikolor, der Betreiber des Senders, ihn kurz darauf aus seinem Angebot. Über Satellit ist Doschd seitdem in Russland nicht mehr zu empfangen, die meisten Zuschauer schalten nun den Livestream im Web ein, andere gucken via digitales Kabelnetz.

In der Redaktion herrscht an diesem Abend die typische Mischung aus Konzentration und Gewusel. Aus einem der Studios wird gerade gesendet, während der Werbepause läuft jemand am Greenscreen nebenan vorbei Richtung Zigarettenpause. Nur gelegentlich guckt einer von Fatimas Kollegen hoch, wenn wir an seinem Tisch entlanggehen. Besuch ist hier nichts Besonderes, für Journalistengruppen aus dem Ausland ist Doschd ein beliebtes Ziel.

Doschd Redaktion

 

Russlands Rolle in der Ukraine und in Syrien haben im Land ein Klima geschaffen, in dem Medien daran gemessen werden, ob sie „patriotisch“ sind. Der Begriff der Fünften Kolonne für Kritiker aus den eigenen Reihen ist auf einmal wieder populär. Das Staatsfernsehen kann sich über großzügige Budgets freuen, doch wer kritisch berichtet, ist auf die Buchungen seiner Werbekunden angewiesen. Eine weitere Einnahmequelle von Doschd sind die Abogebühren der Zuschauer, die für ein Jahr Webfernsehen derzeit 4800 Rubel zahlen, also knapp 70 Euro.

Noch vorbei an der Wand mit den vielen Auszeichnungen, die Doschd schon eingesammelt hat, dann stehen wir wieder an der Tür ins Freie. Ich bin nach Feierabend hierher gekommen, für Fatima und ihre Kollegen geht der Arbeitstag nach unserem Treffen noch weiter. Gleich beginnt das Finanzmagazin „Geld“, anschließend läuft die Nachrichtensendung „Hier und Jetzt“. Es ist voll im Großraumbüro, immer noch, der Abend wird lang. Wer hier arbeitet, tut das nicht wegen des Gehalts. Zu Doschd muss man wollen.

Dank F. habe ich drei Gutscheine, mit denen man das Programm von Doschd online zehn Tage umsonst gucken kann. Wer als erstes sein Interesse in den Kommentaren bekundet, kann einen haben.

Was man von Moskauer Bloggern alles lernen kann

red square diorama

Eigentlich sollte das hier eine schön ausformulierte Blogparade werden, detailliert und einordnend. Das Ergebnis war sehr lang, sehr öde und für Leser mutmaßlich auch nur halb nützlich. Mehr Gerümpeltotale als Schaufenster.

Darum hier stattdessen eine kleine Link-Kollektion, als Anregung zum Weiterstöbern. Ein Klick pro Blog (mit einer Ausnahme, weil die Saga vom Oligarchen einfach zu gut ist), von langem Atmosphärenstück bis zum Kochrezept. Was man so erfahren kann, wenn man Moskauer Blogs liest.

Wie man sich einen Oligarchen angelt (streng dienstlich). ♦ Was der Ukraine-Konflikt mit zwei Schwestern macht. ♦  Woran man merkt, dass man sich an den Alltag hier angepasst hat. ♦  Was sich heute schon über die Zeit nach Putin sagen lässt. ♦ Wie sich der Oligarch und seine Freundin in Sibirien die Zeit vertreiben. ♦  Wie man beim Lebensmittel-Einkauf nie wieder ins Stottern kommt. ♦ Was sich gerade in der Stadt an Kultur tut. ♦ Wie Staatsmedien Ressentiments schüren – und damit nicht alleine sind. ♦ In welch grazilen Posen Sowjet-Mode mal präsentiert wurde. ♦ Was der Oligarch macht, wenn er Hunger auf Lammfleisch hat. ♦ Wie hier die Kulturszene auf Linie gebracht wird. ♦ Was passiert, wenn man am Flughafen mit weißem Pulver in der Manteltasche erwischt wird.Was sich bei einer alltäglichen Metrofahrt alles Bemerkenswertes entdecken lässt. ♦ Wie einige Russen zu ihrem Personal stehen. ♦ Wie schmerzhaft es ist, wenn man versucht, schwarz Metro zu fahren. ♦ Was für Abschiedsfotos entstehen, wenn man dem Oligarchen Adieu sagt. ♦ Wie man mit kleinem Kind in Moskau Wurzeln schlägt. ♦ Was das Beste am russischen Frühstück ist. ♦ Wie die Monate früher in Russland hießen.  ♦ Warum man auch Oligarchen immer zweimal begegnet.

Endlich alle Stempel für den neuen Job

Moscow Times  
Wo hört Bürokratie auf und fängt absurdes Theater an? In Russland kann man sich das gut und oft fragen, egal, ob es ums Visum geht, um einen Büchereibesuch oder irgendwas dazwischen. In einem Land, wo man schon mal sieben Stempel braucht, um eine Fahrt in einem Pendlerzug filmen zu dürfen, dauert manches halt ein bisschen länger – auch die Wartezeit, bis es in Sachen Job etwas zu verkünden gibt.

Jetzt aber: Auf den neuen Visitenkarten steht „редактор социальных медиа“, oder, wenn man sie umdreht, „Social Media Editor“, darüber das blaue Logo der Moscow Times. Eine unabhängige Tageszeitung, die nicht in Staatsbesitz ist – was in Russland dieser Tage so schnell zu einer Seltenheit wird, dass es einen gruselt. Gleichzeitig ist seit Beginn des Konflikts in der Ukraine die Nachfrage nach unabhängiger Berichterstattung besonders groß: Anfang Februar hatte die Moscow Times 50.000 Fans bei Facebook, heute sind es schon deutlich über 200.000; bei Twitter ist das Wachstum ähnlich.

Ich arbeite also nun wieder auf Englisch, was nach rund einem Jahrzehnt Pause etwa dem entspricht, wie andere das „ich hab mal wieder das Motorrad aus der Garage geholt“-Gefühl beschreiben. Ok, der AP-Style sitzt noch nicht komplett wieder, manchmal rutscht noch ein britischer Begriff dazwischen oder em-dash und en-dash gehen durcheinander, aber das wird noch. Es hat sich hier jedenfalls sehr schnell sehr richtig angefühlt – schon jetzt würde es mir fehlen, von der Fotoredakteurin morgens nicht mehr mit „Hey dude, what’s up?“ begrüßt zu werden.

Sanoma Independent MediaUnd es macht großen Spaß, sich in so Neuerungen reinzufrickeln wie die, dass wir rund um die Welt und durch alle Zeitzonen gelesen werden. Kein klassischer Morgen-Peak mehr in der Online-Nutzung, sondern verschiedene Spitzen im Tagesverlauf. Da kann es schon mal sein, dass der stärkste Facebook-Post des Tages einer ist, der erscheint, wenn alle Redakteure schlafen.

Ein dicker Pluspunkt ist auch, dass dieses kleine britisch-russisch-holländisch-kanadisch-irisch-georgisch-amerikanisch-(deutsche) Team jeden Tag über ein Land diskutiert, recherchiert und berichtet, das ich noch entdecke. Aber eben in einer Sprache, in der ich den Debatten, Einschätzungen und Argumenten folgen kann.

Das Wichtigste aber bleibt: Unabhängiger Journalismus ist in Russland rar. Dafür zu sorgen, dass er sein Publikum findet – hier und international – ist nicht die schlechteste Aufgabe, die man dieser Tage haben kann.

Chinas Staatsmedien und die Ironie

Der Eingang zum Xinhua-Komplex in Peking
Der Eingang zum Xinhua-Komplex in Peking

Dass die staatlich kontrollierten Medien in China nicht immer gut darin sind, Ironie zu erkennen, war hier schon mal Thema. Als The People’s Daily eine satirische Lobeshymne auf Kim jong Un für bare Münze nahm und weiter verbreitete, ging ein Lachen um die Welt.

Bisher noch nicht ausreichend gewürdigt wurde dagegen die Rolle derselben Staatsmedien als Ironie-Lieferant. Als Beispiel taugt dafür die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, bei der ich 2012 über das Medienbotschafter-Programm der Bosch-Stiftung ein paar Tage hospitieren durfte. Eigentlich sollte der Zeitraum länger werden, aber es kam ein Parteitag dazwischen, währenddessen viele chinesische Redaktionen lieber keine Gäste im Haus haben wollten.

Der „Stift“, das Xinhua-Redaktionshochhaus
Am Anfang ist die Marschmusik. Quer über den Innenhof des Xinhua-Geländes ist sie bis zur Schranke am Eingang zu hören, dazu eine Lautsprecherstimme: eins-zwei, eins-zwei, eins-zwei. Daneben steht aufrecht das Haupthaus, das angeblich an einen Bleistift erinnern soll.

Xinhua ist die große, die einzige und vor allem: die staatliche Nachrichtenagentur in China. Andere Länder haben Sperrfristen, China hat Xinhua. Erst, wenn sie etwas berichtet, ist eine Meldung auf dem Markt – so ist es immer noch oft. Hier wird entschieden, was wahr ist und was öffentlich.

Vom Redaktionsalltag soll nichts Konkretes nach außen dringen, den Zettel muss ich noch vor Praktikumsbeginn unterschreiben. Das ist an sich nicht unüblich, auch in demokratischen Ländern unterschreiben Mitarbeiter solche Klauseln, wenn Firmen ihre Geschäftsgeheimnisse schützen wollen. Hier ist es allerdings doppelt bedeutsam, denn nicht nur Xinhua will sich schützen. Auch das Austauschprogramm beruht auf dieser Vertraulichkeit; wenn ein Medienbotschafter-Jahrgang sie ramponiert, erschwert er dem nächsten die Chance zum Einblick – und brockt den chinesischen Kollegen Ärger ein.

Zur Infrastruktur auf dem Xinhua-Gelände gehören auch Wohnblocks und ein eigenes Hotel.
Um vieles kann es darum in diesem Blogpost nicht gehen. Nicht um die redaktionelle Praxis, die gerade so kurz nach den neuen Beschlüssen des Parteitags interessant war. Nicht um die kritisch-flapsigen Sprüche beim Gang übers Firmengelände, das ein eigener kleiner Kosmos ist, mit Supermarkt, Hotel, Wohnblocks für pensionierte Mitarbeiter, einer Post und dem Souvenir-Shop, in dem der Schnaps der Marke Xinhua leider gerade aus dem Sortiment genommen wurde. Nicht darum, wie man beim Gespräch über den WLAN-Zugang merkt: Ach guck, Nerd ist Nerd, bei uns und bei euch.

Stattdessen eine Beobachtung, für die man nie bei Xinhua gewesen sein muss. Man kann das von außen mitbekommen, wie die Marschmusik, ehe man das Gelände betritt.

Greatfirewallofchina.orgViele Internetseiten, die der Regierung in Peking gefährlich scheinen oder ihr auch nur lästig fallen, sind in China blockiert, gelegentlich kommen neue hinzu. Unter Greatfirewallofchina.org lässt sich das leicht testen: einfach eine URL eingeben und die Seite versucht, sie von China aus aufzurufen. Google? Fail. Twitter? Fail. Facebook? Fail. Amnesty International, Reporter ohne Grenzen, Wikileaks? Fail, fail, fail.

Und was macht Xinhua? Betreibt einen eigenen Twitter-Account mit derzeit fast 800.000 Followern, mit offiziellem Verifizierungs-Häkchen. Dort posten die Redakteure zum Beispiel Fotos vom aktuellen Militärmanöver. Von einem Schönheitswettbewerb in Peking. Chinas eigenes Computerbetriebssystem soll im Oktober vorgestellt werden. Mehr private Investoren für die chinesische Eisenbahn gesucht. Chinesische Promis machen mit bei der Ice Bucket Challenge. Die Schlagzahl der Tweets ist hoch, oft sind es mehrere pro Stunde.

Technisch ist es kein Problem, trotz geblockter Seite auch von Peking aus zu twittern. Das geht bequem per VPN oder, etwas umständlicher, auch mit einem IFTTT-Recipe nach dem Prinzip „Wenn ich eine Mail von diesem Account an jenen Account schicke, dann poste deren Inhalt auf meinen Twitter-Account.“

Wie gesagt, technisch keine große Nummer. Aber in Sachen Ironie ist eine staatliche Nachrichtenagentur, die jeden Tag ein paar Dutzend Mal die Zensurmaßnahmen ihrer eigenen Regierung umschifft, schon bemerkenswert. Erst recht, wenn sie dabei auch direkt noch auf „China View“, ihren Auftritt bei YouTube hinweist.

Auch YouTube ist in China geblockt.

Bloggen ist schön, macht aber viel Arbeit. Unter dem Motto “Schönes bleibt” nutze ich deshalb den Moskauer Sommer, um ein paar Dinge aufzuschreiben, für die sonst immer die Zeit fehlte.

Kleine Wladimir-Putin-Titelseiten-Kritik

Gleich mehrere große englischsprachige Zeitschriften haben in ihrer aktuellen Ausgabe ein Putin-Cover. Aus Blattmacher-Sicht spricht da neben der aktuellen Nachrichtenlage sicherlich auch für, dass sich Putin in der Öffentlichkeit gern machtvoll, maskulin und autoritär inszeniert – gutes Fotomaterial, um daraus bedrohliche Szenarien aufzubauen. Auch wenn Newsweek dann diese Woche vielleicht doch arg dick aufträgt:

Ob die Feuerbälle in den Augen eine Anspielung an dieses Cover aus dem Herbst 1961 sein sollen? Damals hatte TIME einen furchteinflößenden Chruschtschow auf die Titelseite gehoben. Diese Woche dagegen ist das TIME-Cover zwar weniger dramatisch gestaltet, die Aussage aber trotzdem stark.

Der Economistum den man sich im Moment eh Gedanken machen muss – fällt mit diesem Titel dagegen deutlich ab. Da hilft es auch nciht, dass sie Putins Augenfarben an das Spinnennetz angepasst haben.

Ob nach den ganzen englischen Vorlagen das Spiegel-Cover am Sonntag auch wieder ein Putin-Motiv bekommt? Das hier aus dem Frühjahr hat damals unter Russen im Internet einige Aufmerksamkeit bekommen.

Vielleicht lohnt sich ja in Zukunft eine kleine Reihe mit Putin-Titeln hier im Blog. Genug Zeitschriften, die den russischen Präsidenten regelmäßig auf die Titelseite heben, gibt es bestimmt. Aber erst noch zwei ältere Putin-Cover, die einfach zu schön sind, als dass sie hier fehlen dürften.