Und plötzlich steht dir ein Kleinsäuger gegenüber, die Pfoten in Ich-ergebe-mich-Haltung nach oben gereckt. Genutzt hat das dem Tier (vielleicht ein Katzenbaby?) nichts, die Wissenschaft hatte nun mal ein Anliegen. Und so steht das Tierchen nun in einer Vitrine, sein flauschiges Fell vom Bauch zu den Seiten weggefaltet, und zeigt seine inneren Organe. Euch trennt eine Glaswand.
Draußen ist die Bolschaja Nikitskaja, eine von Moskaus schönsten Straßen, die gerade aufgehübscht wurde. Fahrbahn frisch verengt, Bürgersteige frisch verbreitert, Fahrradwege frisch angelegt, viele Gebäude frisch gestrichen. Hier drinnen im Zoologischen Museum dagegen ist alles alt, altertümlich, altmodisch. Im Treppenhaus ein Mammutskelett, an den Wänden arg nachgedunkelte Gemälde von Tieren in der Wildnis. Oben dann zwei Säle, im einen Glasvitrinen mit ausgestopften Tieren, im anderen Glasvitrinen mit Tierskeletten und dem ein oder anderen Tierteil in Formaldehyd.
Gerade wird eine Kindergruppe durchgeschleust, vorbei an den lebensgroßen Büffeln, den lebensgroßen Pinguinen und dem eher lieblos arrangierten Satz Schwalben, die ausgestopft auf einem Brett liegen. Seit 1791 gibt es das Museum, damals lernten hier Studenten Anatomie. Nach dem Umzug an die Bolschaja Nikitskaja Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es zwar in den späten Siebzigern noch mal renoviert, doch das Wort „Museumspädogik“ scheint damals noch keiner gekannt zu haben.* Kinder, die hier quengeln, haben Recht.
Trotzdem waren die 200 Rubel für das Ticket keine schlechte Investition. Ein Schädel unter einer goldverzierten Glaskuppel neben zwei Chamäleons, die über die Jahre all ihre Farben verloren haben. Ein Vogelskelett, aufgebaut wie eine Aufforderung zum Ententanz. Und vor allem dieses alte, düstere Gebäude mit dem abgeschrappten Fliesenboden und den straßendrecksgrauen Gardinen. Es ist ein Panoptikum, nicht mehr und nicht weniger. Ein Kuriositätenkabinett aus einer anderen Zeit, das man heute noch durchstöbern kann.
*Ein Blick in Googles Ngram Viewer zeigt, dass der Begriff „Museumspädagogik“ im Deutschen tatsächlich schon in den Sechzigern populär wurde. Auch in Russland könnte man es also bei der jüngsten Überarbeitung des Museums gekannt haben. Könnte.