Russball, Folge 33: Thomas Müller und ein Stadion im Schnee

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Was ich letzte Woche gelernt habe: Wenn eine Russball-Folge am Dienstag Abend erst nach Mitternacht fertig wird, sollte man beim Mailversand nicht „morgen früh“ auswählen! Anders gesagt: Sorry an alle Newsletter-Leser, die statt wie gewohnt mittwochs erst am Donnerstag von mir gehört haben. Kommt hoffentlich nicht wieder vor.

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⚽ So, jetzt isset durch: Konstantin Rausch verlässt Köln und wechselt zu Dynamo Moskau – und es kostet mich als Ex-ex-ex-Kölnerin sehr viel Überwindung, hier jetzt keine nostalgischen Köln-Hymnen zu verlinken. Also schnell auf die Dynamo-Seite und nachgeguckt, was sie sich von ihrem Neuzugang versprechen: „Konstantin will in Russland spielen, um im Vorfeld der Fußball-WM vor den Trainern der Nationalmannschaft präsent zu sein, und Dynamo hat Interesse an einem starken Spieler, der das Team auf ein neues Level bringen kann.“

Ob Dynamo dank Rausch besser spielt, sehen wir erst nach dem Ende der Winterpause. Das Rausch sich verbessert hat, steht schon fest, jedenfalls statistisch: Statt fürs Tabellenschlusslicht spielt er nun immerhin für den Tabellenzwölften.

⚽ Noch vor dem Rausch-Wechsel ist die aktuelle Folge des Futbolgrad-Podcasts aufgenommen worden. Das Hören lohnt sich trotzdem – dann könnt ihr nicht nur ein paar Hintergrundinfos zu Dynamo Moskau mitnehmen, sondern auch erfahren, wie das war, als mit der Sowjetunion auch die sowjetischen Strukturen des Vereinsfußballs zerfielen.

Eine gute halbe Stunde Fußballgeschichte aus einer Epoche, über die ich zwar viel Politisches wusste, aber fast nichts Sportliches oder Sportpolitisches. Wenn auch euch das interessiert: Bei Minute 24 geht es los. (Eventuell braucht ihr ein wenig Geduld, die Seite ist recht buggy, jedenfalls, wenn man von Russland auf sie zugreift. Ansonsten gibt es die Folge aber auch bei iTunes.)

⚽ „Wer schafft es, den Erfolg von Miroslav Klose (16 WM-Tore) zu übertreffen?“, hat der offizielle Weltmeisterschaftstwitteraccount seine Follower gefragt. Das Ergebnis ist deutlich – und für die deutsche Nationalmannschaft schmeichelhaft: 36 Prozent trauen das am ehesten Thomas Müller zu, der damit knapp vor Neymar und deutlich vor Harry Kane liegt.

„Müller hat schon 10 Tore und ist (erst) 28 Jahre alt, es liegen also noch mindestens zwei Weltmeisterschaften vor ihm“, begründet ein Twitternutzer seine Wahl. Ein anderer Kommentar hat in den Tagen seit der Twitter-Abstimmung einen traurigen Beigeschmack bekommen: „Georgi Dschikija“ steht da – wohl mehr im Scherz, denn Dschikija gehört in der russischen Nationalmannschaft zur Abwehr. Neuerdings sieht es nun so aus, als ob er bei der Weltmeisterschaft überhaupt nicht zum Einsatz kommen wird: Im Spartak-Trainingslager in Dubai hat sich Dschikija verletzt – ein Kreuzbandriss. Das dauert.

⚽ Die Frage klingt absurd: Kann man eine Nationalmannschaft von der WM im eigenen Land ausschließen? Terje Svendsen, Chef des norwegischen Fußballverbandes, findet: ja. Darum hat er die FIFA aufgerufen, ihre Ermittlungen zu den Vorwürfen des staatlich geförderten Dopings im russischen Fußball zu beschleunigen. Und, falls sich der Verdacht bestätige, Russland von der WM auszuschließen.

Die Reaktion in Russland ist wenig überraschend: „völlig inakzeptabel“ seien solche Vorschläge, sagt der Chef des russischen Fußballverbands. Er droht im Gegenzug damit, sein Verband könnte nun rechtlich gegen die Norweger vorgehen.

⚽ Bei dieser Überschrift hier habe ich mich erst mal verlesen. Also: Nein, Russland schafft keinen Supercomputer an, um das WM-Wetter zu verbessern. Das Ding soll lediglich die Wettervorhersagen zur Weltmeisterschaft verlässlicher machen. Nicht ganz so spektakulär – ich hatte gehofft auf eine Mischung aus Deep Thought und diesen Flugzeugen, mit denen sie hier in Moskau Anfang Mai gerne mal die Wolken impfen, damit sie vor der Parade am 9. Mai schön außerhalb der Stadt abregnen.

So nimmt Russlands staatliches „Gidrometzentr“ also im März einen Rechner in Betrieb, der dann nicht nur für die Austragungsorte verlässlichere Prognosen bietet. Sondern auch, den mitreisenden Fans zuliebe, für die Reiserouten zwischen den Spielorten – damit Züge und Flüge verlässlich ankommen.

⚽ Auf der langen, langen To-do-Liste, die hier vor WM-Beginn abgearbeitet werden muss, steht offenbar auch: Fabriken rund um die Austragungsorte zeitweise dicht machen, wenn ein Arbeitsunfall dort zum Gesundheitsrisiko für Spieler und Fans bedeuten könnte. Kommersant zitiert aus einem Brief, den der FSB an die Leitung eines Chemiewerks in der Nähe von Nischni Nowgorod geschickt haben soll. Darin werde das Unternehmen angewiesen, von Mitte Juni bis Mitte Juli den Betrieb einzustellen.

Konkret geht es dem Brief zufolge um alle Prozesse mit „gefährlichen chemischen und biologischen Stoffen, radioaktiven, giftigen und explosiven Substanzen.“ Manche Unternehmen, die diesen Brief erhalten haben, sind naturgemäß wenig amüsiert – Arbeiter im Zwangsurlaub, dazu Gewinnausfälle, die zum Beispiel das Werk bei Nischni Nowgorod im Millionenbereich veranschlagt. Firmen, die den Betrieb nicht einfach einstellen können, sollen sich in einer Stellungnahme für den FSB dazu äußern, mit wie vielen Opfern und welchen Umweltschäden bei einem Unfall während der WM zu rechnen wäre. (Den ganzen Bericht mit Stellungnahmen weiterer Firmen gibt es hier.)

⚽ Minus 9 Grad sind es draußen, während ich das hier schreibe. Der Winter in Russland ist mir – kalte Finger hin, beschlagene Brille her – ans Herz gewachsen. Schon allein, weil er solche großartigen Schneefotos möglich macht wie das hier von der Arena in Rostow. Brasilien, Kroatien, Island, Mexiko, Uruguay, Saudi-Arabien, die Schweiz und Südkorea dürfen hier zu Gruppenspielen antreten. Deutschland leider nicht.

⚽ Von steigenden Hotelpreisen während der WM war hier ja neulich schon mal die Rede. Jetzt hat die BBC mal ein Auge auf die Preise für Privatunterkünfte geworfen: Was, wenn man als WM-Tourist eine Wohnung oder ein ganzes Haus mieten will? Klar, auch da sind die Preise während der WM deutlich höher als sonst, manchmal sogar richtig dreist. 44.000 Dollar für knapp zwei Wochen in einem mittelprächtigen Appartment in Saransk? Echt jetzt?

Interessant an dem BBC-Bericht ist vor allem, welche Marktmächte da im Spiel sind: Hotelpreise werden staatlich reguliert. Das heißt nicht, dass es nicht auch hier Abzocker gibt, aber sie müssen zumindest fürchten, erwischt und öffenlich angepragert zu werden. Vermieter von Privatunterkünften sind solchen Regeln nicht unterworfen. Das ist das eine. Das andere, so die BBC, sei ein gefühlter Mangel an Übernachtungsmöglichkeiten: Einige russische Hoteliers hätten sich von großen Buchungsplattformen wie Booking.com inzwischen zurückgezogen. Wenn ein Kunde dort angezeigt bekommt, dass es zum Zeitpunkt seiner Reise kaum noch Hotelzimmer gibt, muss das also nicht unbedingt stimmen. Doch wenn er das nicht weiß, weicht er eben eher auf eine Mietwohnung aus.

⚽ Keine Woche vergeht hier im Moment, ohne dass sich jemand zum Thema „Gehälter im russischen Profifußball“ äußert. Neulich noch der Vorschlag, sie auf 30.000 Rubel runterzuschrauben – ihr erinnert euch. Diesmal ist also Denis Gluschakow dran mit einer Wortmeldung.

Profifußballern zahle man „zu früh zu viel Geld“, findet der russische Nationalspieler. Das Ergebnis seien dann Spieler, die zu sehr von sich überzeugt seien und nicht mehr an sich arbeiteten. Gluschakows Vorschlag darum: Lieber umverteilen und künftig mehr Geld in die Hand nehmen für Trainer von Kinder- und Jugendmannschaften.

⚽ Dann hat sich noch ein Haufen Zahlen in der vergangenen Woche in meinen Bookmarks gesammelt. Damit das hier nicht ausufert, eine kleine Stichwortliste:

– 6,9: Der Wert der Infrastruktur, die derzeit in Russland für die Fußball-WM aufgebaut wird, in Milliarden Euro
– 10: Zahl der regenbogenbunten Boote, die Fußballfans hier im Sommer auf der Moskwa hin- und herschippern sollen
– 72,1: Die Einnahmen (in Millionen Euro), die sich die russische Post vom Verkauf ihrer WM-Briefmarken verspricht
– 77: Auch das sind Millionen Euro, in diesem Fall der Gewinn, den Zenit St. Petersburg im Jahr 2016 gemacht hat. Laut UEFA-Statistik bedeutet das Platz 1 im Ranking der profitabelsten Fußballclubs Europas. Danke, Hulk! Danke, Shanghai!
– 350: Zahl der Kassiererinnen (es sind meist Frauen) in der Moskauer Metro, die 2017 eine 72-stündige Englisch-Fortbildung gemacht haben, um besser auf die Fragen von WM-Touristen vorbereitet zu sein

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Zum Schluss noch was Buntes, Nostalgisches, leicht Abwegiges. Subbuteo hat mit richtigem Fußball so viel gemein wie Gummitwist mit rhythmischer Sportgymnastik. Aber diese Übersicht der Spielfiguren, die man in den Siebzigern als Subbuteo-Spieler kaufen konnte, ist so farbenfroh, die muss hier einfach noch mit rein.

Euch noch eine bunte Woche, und bis zum nächsten Mal!



 

Russische Briefmarken zur Fußball-WM: vier Stadien und ein Riesenpokal

Na, so ganz alleine hier? Soll ich euch vielleicht mal meine Briefmarkensammlung zeigen? Sie ist noch nicht so besonders umfangreich, aber dafür sind die Marken durch die Bank richtig schön gestaltet. Und alle haben sie mit der Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr zu tun.

Eigentlich hatte ich nur davon gehört, dass die Russische Post Briefmarken rausgebracht hat, auf denen eine Auswahl der WM-Stadien zu sehen sein sollen. Aber dann bekam die Frau in der Postfiliale bei uns ums Eck so einen entschlossenen Blick und ließ sich mein Anliegen ein zweites Mal erklären. Briefmarken? – Ja. – Zur Weltmeisterschaft? – Ja. – Mit Stadien drauf? – Ja. Und weg war sie, vom Kundenkontakt am Schalter zum Kollegengespräch im Büro.

Es folgte eine Wartezeit, in der gelegentlich Wortfetzen rüberwehten. Briefmarken. Weltmeisterschaft. Stadien. Ich war eher spontan in die Filiale gegangen, aber nun gab es erkennbar einen amtlichen Vorgang zu meinem Anliegen, und der wurde aber sowas von bearbeitet. Okay, es war kein anderer Kunde zu sehen, und bis ich sie angesprochen hatte, war die Schalterfrau damit beschäftigt gewesen, stapelweise Briefe zu sortieren. Trotzdem: Das Engagement war beeindruckend, und das Resultat dann auch: „Sie haben Glück, das sind unsere letzten“, sagte die freundliche Postfrau und nickte in Richtung des Papiers, das da nun zwischen uns auf dem Tresen lag. Vier Stadien, in denen bei der Fußball-Weltmeisterschaft Spiele stattfinden werden.

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Moskau ist, ganz Hauptstadt, gleich zweimal vertreten: mit dem Luschniki-Stadion oben links, in dem am 15. Juli das Finale stattfindet, und dem Spartak-Stadion, besser bekannt als Otkritije-Arena, mit seinen rot-weißen Rauten. Oben rechts außerdem das Fischt-Stadion in Sotschi, das nicht nur wegen seiner Lage mit Blick aufs Schwarze Meer wirklich ausnehmend schön ist, und die Arena in Kasan. Vier farbenfrohe kleine Stücke Fußball-Landeskunde.

Die Stadionmarken waren aber nicht die einzigen, die die Postfrau aus dem Hinterzimmer mitgebracht hatte. Beim nächsten Satz – sechs Marken auf cremefarbenem Untergrund – musste ich ein bisschen gucken, bis ich begriffen habe, was sie zeigen: Jedes der Quadrate erinnert an eines der Jahre, in dem die Sowjetunion bisher an der Fußball-Weltmeisterschaft teilgenommen hat (Russland ist es bisher noch nie gelungen, sich zu qualifizieren.)

Wer sich die Melodie der Sportfreunde Stiller denkt, kann darauf zumindest die ersten Jahreszahlen singen: „Achtundfünfzig, zweiundsechzig…“, kommt dann aber bei „sechsundsechzig, siebzig, zweiundachtzig, sechsundachzig“ doch aus dem Rhythmus. Egal, ist ja auch was zum Gucken, nicht zum Hören. Und als Hingucker funktionieren diese neuen Marken, in die die historischen Gedenkmarken eingeklinkt sind, wirklich richtig gut. Schöne Idee, das hatte ich so noch nie gesehen.

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Ihr drittes Fundstück hat sich die Postmitarbeiterin für den Schluss aufbewahrt. „Davon haben wir noch zwei, die können Sie beide haben“, sagt sie mit kleinem Tusch in der Stimme und präsentierte einen Oschi von einer Marke. Bauarbeiterprankengroß, dunkelbraun mit goldener Schrift und goldenen Bildern: auf der Marke selbst der WM-Pokal, von zwei Händen in die Luft gehoben. Auf dem Bogen drumherum blickt man durch einen gläsernen Fußball von oben in ein Stadion, in dem schon das Flutlicht auf den Rasen scheint – gleich müssen die Spieler kommen.

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Ich bin ziemlich zufrieden nach Hause gegangen von diesem Besuch bei der Post. Nicht nur wegen der hilfsbereiten Mitarbeiterin oder den wirklich durch die Bank schönen Marken. (Die ich, das ist klar, in zehn Jahren für Unsummen bei Ebay verticken werde.) Sondern auch, weil ich vom letzten Modell zwei habe, also eine mehr, als man braucht. Deshalb: Wenn jemand von euch gerne die andere Pokal-Marke haben möchte, mit Stempel oder ohne, dann sagt gerne unten in den Kommentaren Bescheid. Ich pack sie dann in einen Umschlag mit eurer Adresse – oder klebe sie direkt drauf. Die russische Post ist zwar nicht die schnellste, aber bis zur WM ist der Brief garantiert da.