Sowjetische Design-Objekte aller Arten, vereinigt euch!

kscheib sowjetunion mode

Bis vor einer Woche habe ich mir eingebildet, mich mit Moskaus Museen auszukennen.

Das Puschkin-Museum, das Garage-Museum, das Museum der Stadt Moskau, die alte Tretjakow-Galerie, die neue Tretjakow-Galerie, das Spielautomatenmuseum, das Multimedia Art Museum, das Museum für Moderne Kunst, das Fotomuseum „Brüder Lumiere“, das Museum für fernöstliche Kunst, das Zoologische Museum, das Darwin-Museum, das Kosmonautenmuseum, das Zentralmuseum der russischen Streitkräfte, das Architekturmuseum, das Museum des Großen Vaterländischen Krieges, das Paschkow-Haus – ich hab sie, so viel Prahlerei muss erlaubt sein, alle gehabt. Einige von ihnen auch mehrfach. Ins Museum gehen ist einfach, auch wenn man die Sprache noch lernt. Museen funktionieren immer gleich – Karte kaufen, rumlaufen, gucken.

Wie mir dabei fast vier Jahre lang das Moskauer Designmuseum durchgegangen ist – keine Ahnung. Mich grämt daran nicht so sehr, einfach ein Museum in Moskau nicht zu kennen – da wird es nicht das einzige sein. Aber so ein tolles, das noch dazu genau mein Ding ist! Wenn ihr mal bitte hier schauen wollt, was zunächst Russland und dann die Sowjetunion so hervorgebracht haben:

kscheib russland becherhalter

Ein Metallhalter, in den man sein Teeglas stellt. So um 1880 entstanden, unglaublich fein ausgearbeitet. Aber wir fangen ja erst an. Zwei Räume weiter, und es geht um russische Handarbeit. Zum Beispiel sowas hier:

kscheib russland design eichhörnchenkleid

So, damit kann ich dann auch endlich den Bergiff „Eichhörnchenkleid“ als Schlagwort für einen Blogpost vergeben – wieder einen Eintrag kürzer, die Bucket-List. Dazu noch die Holzbank im Hintergrund, eines von vielen ausgestellten Möbelstücken, natürlich Handarbeit, natürlich alt. Und wie immer die Frage im Hinterkopf: Gibt es irgendwas, das du mit deinen Händen so gut könntest?

Pappschatullen, schwarz lackiert und dann bemalt, sind russisches Traditionshandwerk – und eine der Kunstformen, die auch nach der Revolution populär blieb. Diese Dose hier ehrt Walentina Tereschkowa, die erste Frau im All und in der Sowjetunion fast so berühmt wie Juri Gagarin.

kscheib sowjetunion Walentina Tereschkowa

Dann, ein Museumszimmer weiter: Porzellan! Weil Hammer und Sichel aus Blumen einfach so viel schöner sind. Und weil doch bestimmt jeder beim Abendbrot vor einem Teller mit Lenins Gesicht und dem Slogan „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen“ sitzen möchte.

Mein Lieblingsstück ist aber der eckige Teller mit der Baustelle drauf. Dieser Optimismus, dass hier etwas völlig Neues entsteht, wenn alle mit anpacken – das muss man erst mal auf Geschirr unterbringen. Falls es einer auf dem Flohmarkt sieht: Ich nehme dann auch gerne direkt das ganze Service.

kscheib sowjetunion design mischa

Im Seitenflügel des Gebäudes wird es dann bunter, wir sind jetzt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Mischa, der Bär, 1980 das Maskottchen der Olympischen Spiele in Moskau, bewacht eine Vitrine mit Spielzeug – und ja, da ist nun wirklich alles an Farbe am Start, was man sich so denken kann.

Was halt damals plötzlich ging, dank Plastik. Hinten links das Krokodil Gena mit seinem großohrigen Freund Tscheburaschka, das vorne in der Mitte könnte die sowjetische Version von Karlsson vom Dach sein. Und natürlich ein Astronaut, Verzeihung: Kosmonaut.

kscheib sowjetunion design spielzeug

Weitere Erkenntnis: Wenn das Design stimmt, können sogar Haushaltsgeräte gut aussehen. Das türkise Ding in der Mitte mag ein Staubsauger sein, aber zur entfernten Verwandschaft gehört ganz klar ein großes altes Auto, so richtig schön mit Haifischflossen.

kscheib sowjetunion design haushalt

Was noch? Modekataloge, aus denen man sich allerlei bestellen konnte. In den Zeiten vor Layoutprogrammen und Photoshop bedeutete kreatives Marketing offenbar auch schon mal, dass römische Statuen für die neue Winterkollektion ihren Kopf hinhalten mussten.

kscheib sowjetunion design wäsche

kscheib sowjetunion design mode

kscheib sowjetunion design mäntel

kscheib sowjetunion design jacken

Zum Schluss noch ein Design-Exponat mit Deutschlandbezug. Die Zeitschrift heißt, nerdiger geht es kaum, „Technische Ästhetik“ und befasst sich in dieser Ausgabe mit „Der Rolle des industriellen Designs bei der erfolgreichen Ausführung der komplexen, sozial relevanten Aufgaben bei der Gestaltung der materiellen Umgebung“ – und all das dann im Zusammenspiel zwischen UdSSR und DDR, wie das Cover ja zeigt.

kscheib sowjetunion design ddr

Das Moskauer Design-Museum hat seltsamerweise keine Adresse oder Wegbeschreibung auf seiner Website, aber es liegt an der Ulitsa Delegatskaja 3. Der Б-Bus hält fast unmittelbar vor der Tür.

Wie @GermanAtPompey nicht nur für Deutschlerner twittert

Zeit, mal wieder einen Twitteraccount zu empfehlen. Der Außenseiter-Blick auf ein Land ist für mich ja immer schon mal grundsätzlich interessant – egal, ob ich ihn mir selber machen kann (Schottland, USA, China, Russland) oder anderswo erlese wie bei Steinbeck und Capa, Ilf und Petrow, Isherwood und Auden.

Dass mich in letzter Zeit aber auch regelmäßig der Außenblick auf Deutschland beschäftigt, das liegt an einem britischen Twitteraccount: @GermanAtPompey, wo eine Handvoll Dozenten der University of Portsmouth über den Sprachraum aus Deutschland, Österreich und der Schweiz twittern.

Was ist das Besondere daran? Das Wiedererkennen von Vertrautem, klar. Aber vor allem: Nachzuvollziehen, wie Deutschland, seine Einwohner und seine Sprache auf Menschen wirken, die dort nicht aufgewachsen und sozialisiert sind. Menschen, die sich professionell mit dem auseinandersetzen, was für mich normal ist. Und Menschen, die nicht zu meiner Journalismus-Russland-NRW-Digitales-Chormusik-Schalke-Filterblase gehören.

Einer dieser Menschen, Paul Joyce, hat sich Zeit für ein paar Fragen genommen.

An wen denken Sie, wenn Sie twittern?

Gute Frage. Vergangenes Jahr habe ich dazu einen Vortrag an der Universität gehalten und unter unseren 3120 Followern 16 verschiedene Typen ausgemacht. Dazu gehören Studenten in Portsmouth, Sprachschüler in aller Welt, Übersetzer, Deutschlehrer und -dozenten, Journalisten, deutsche Botschaften und so weiter. Unser ursprüngliches Ziel war, unseren Studenten ein aktuelles Bild vom Leben in deutschsprachigen Ländern zu vermitteln. Seitdem hat sich unsere Zielgruppe ganz schön verändert.

Wir hoffen, dass wir der wachsenden Zahl an Germanophilen in Großbritannien und aller Welt interessante, manchmal auch lustige Einblicke in das moderne Deutschland bieten. Und so viele Beispiele für den Deppenapostroph, wie wir nur finden können…

Auf welche Tweets gibt es die meisten Reaktionen?

Wir haben festgestellt, dass es bei Tweets zu Berlin und zur DDR die meisten Reaktionen gibt. Das ist für uns außerordentlich wertvolle (und kostenlose!) Marktforschung, auf deren Grundlage wir auch schon unseren Lehrplan für den Bachelor-Studiengang angepasst haben. Es gibt immer eine Diskrepanz zwischen dem, wovon Menschen angeben, dass es sie interessiert, und dem, was sie wirklich interessiert. Aber unterm Strich gilt: „Klicks lügen nicht.“

Mir fällt auf, dass Sie viel Wert auf Bilder legen.

Optische Reize erleichtern denjenigen Followern den Zugang, die vielleicht von einem bestimmten Aspekt deutscher Kultur oder Geschichte fasziniert sind, aber noch nicht die Sprachkenntnisse für einen langen Artikel haben. Und Lehrer können Grafiken und Bilder nutzen, um in ihrer Klasse eine Diskussion in Gang zu bringen.

Auch über Retweets haben wir noch ein bisschen gesprochen – weil @GermanAtPompey da eine besondere Stärke hat. So viele Quellen, von denen ich noch nie gehört habe, deren Inhalte mir als Follower nun in die Timeline gespült werden. Dazu noch mal Paul Joyce:

Dank Twitter stecken wir inzwischen um einiges tiefer drin in unserem Themengebiet. Es gibt dort so viele Autoren, Lehrer, Kunstexperten, die faszinierendes Material mit einem Deutschland-Bezug liefern. Das ganze Medium ist immer noch weitgehend frei von Hierarchien: Man kann seine Ideen mit anderen teilen, und im Gegensatz zu den meisten Bereichen der akademischen Welt spielt dein Ruf keine Rolle.

Wenn ein Student über sein Auslandsjahr twittert, dann überzeugt das andere vielleicht eher davon, auch im Ausland zu studieren, als alles, was wir als Dozenten sagen. Und wenn ein enthusiastischer Amateur zum Beispiel über Ostdeutsche Bierdeckel oder über Kunst im Ostblock twittert, kann das innovativer und kommunikativer sein als bei einem etablierten Experten.

In der Praxis sieht das dann so aus (eine kleine Sammlung von @GermanAtPompey-Tweets, an denen ich in jüngster Zeit Spaß hatte, zusammengestellt mit Twitters „Collection“):