Russball, Folge 17: Wohin mit den Fans, wenn das WM-Stadion zu klein ist?

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Es war so ein guter Plan gewesen: ein Sonntag auf der Datsche, draußen Herbst, drinnen Tee und ein Laptop, um an diesem Blogpost zu schreiben. So hatte ich mir das vorgestellt, bis der Link zum „Virtuellen Museum“ von Zenit St. Petersburg dazwischen kam. Alte Fußballregelbücher, Plakate, Trophäen, Schuhe… eventuell habe ich mich da ein klein wenig festgelesen.

Immerhin, ein bisschen was habt ihr auch davon, denn sonst könnte ich nicht zu dieser Adidas-Sporttasche aus den Siebzigern verlinken. In den Jahrzehnten davor war die Ausrüstung sowjetischer Fußballer immer in der Sowjetunion hergestellt worden, dann folgte, so die Museumsmacher, eine vorsichtige Öffnung: Es gab die ersten importierten Trainingsklamotten aus Finnland. Die Tasche bekam ein Zenit-Spieler schließlich bei einem Freundschaftsspiel in Westdeutschland geschenkt – „einer der ersten Markenartikel, den unsere Mannschaft je erhalten hat.“

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⚽ „Russlands Fußball-Nationalmannschaft bekommt einen weiteren Legionär“, titelt Lenta.ru. Es geht um den Kölner Abwehrspieler Konstantin Rausch, der ja neulich schon mal bei einem Freundschaftsspiel Russland – Dynamo Moskau ran durfte. Nun hat die FIFA also abgenickt, dass Rausch auch bei offiziellen Länderspielen für Russland antreten darf.

Gemeinsam mit Roman Neustädter wird er zum Kader gehören, wenn Russland am Samstag gegen Südkorea und am Dienstag gegen den Iran spielt. Für die Leser, denen Rausch noch kein Begriff ist, reicht Lenta noch eine kurze Info nach: In der aktuellen Saison habe Rausch bisher fünfmal für Köln gespielt und sei dabei „nicht durch erfolgreiche Aktionen aufgefallen.“

⚽  Damit bei der Fußball-Weltmeisterschaft genügend Fans ins Stadion von Jekaterinburg passen, mussten die Architekten improvisieren. Die Lösung, die in diesen Tagen dort entsteht, erinnert an einen Klapptisch: Eine der Tribünen wird derzeit so weit nach oben verlängert, dass die Zuschauer de facto außerhalb des Stadions sitzen und hinein blicken in Richtung Spielfeld.

Man kann das „unglaublich“ finden wie The Sun oder Facepalm-würdig wie manche Sportjournalisten. Oder man nimmt es einfach philosophisch: „Wenn du dich einsam fühlst, dann denk einfach an die Tribüne in Jekaterinburg, die ganz alleine außerhalb des Stadions steht.“

⚽ Kleiner Service für Fans von Borussia Dortmund: Bei ESPN gibt es ein ausführliches Spielerporträt von Alexander Golowin, an dem seit dem Sommer offenbar sowohl der BVB als auch Arsenal interessiert sind. Der Mann ist 21, spielt bei ZSKA Moskau und gilt als einer der besten jungen Spieler, die Russland derzeit zu bieten hat. Drahtig und wendig ist der Mittelfeldspieler, der seit zwei Jahren auch zum Kader der Nationalmannschaft gehört. Für die WM im kommenden Jahr gilt er als gesetzt.

⚽ Allmählich läuft das hier auch an mit dem Weltmeisterschafts-Merchandising: Neulich war ich abends noch im Buchladen Dom Knigi, nach einem Geburtstagsgeschenk für den großen Bruder von Patenkind 3 suchen. Und da, zwischen den ganzen anderen Schulutensilien, lagen diese Hefte mit Zabivaka, dem WM-Maskottchen in allerlei Posen. Für 20 Rubel das Stück (30 Cent), also hab ich mal den ganzen Fünfer-Satz mitgenommen. Vielleicht ja ein Thema für einen eigenen Blogpost, wenn mir in den nächsten Tagen noch mehr Merchandising begegnet.

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⚽ Für einen Euro hat der Russe Alexander Grinberg 2013 den FC Marbella gekauft, der spanische Klub steckte damals tief in den roten Zahlen. Seitdem müssen dort allerdings deutlich höhere Summen geflossen sein, nicht nur in saubere Geschäfte. Denn nun hat die spanische Polizei nicht nur Vereinspräsident Grinberg, sondern gleich ein ganzes Dutzend Menschen aus seinem Umfeld festgenommen. Der Vorwurf: Geldwäsche und Zugehörigkeit zur russischen Mafia.

⚽ Gerade erst haben die Fans von Spartak Moskau ihrem Verein ein Auswärtsspiel vor leerem Gästeblock in Sevilla eingebrockt, da droht dem Verein schon neuer Ärger. Beim Spiel gegen den FC Liverpool in der vergangenen Woche gab es mehrere Vorfälle, die nun von der UEFA untersucht werden, auch Rassismusvorwürfe stehen im Raum. Letzteres gilt übrigens nicht nur für das eigentliche Champions-League-Spiel der beiden Vereine, sondern auch für die Begegnung ihrer Nachwuchsmannschaften in der Uefa Youth League.

⚽ Zugunsten von Menschen mit Kinderlähmung gab es am vergangenen Freitag ein Benefiz-Fußballspiel in der Sapsan-Arena, dem kleinen Stadion, in dem die Jugendmannschaft von Lokomotive Moskau ihre Spiele austrägt. Russlands Sportminister Pawel Kolobkow hat mitgespielt, NOK-Chef Alexander Schukow, diverse Wirtschaftsbosse. Vor allem aber war ein Mann auf dem Platz, an den sich Schalke-Fans noch gut erinnern. Und siehe da: Marcelo Bordon sieht noch haargenau so aus wie damals:

⚽ Nachdem der Ticketverkauf für die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Sommer angelaufen ist, bekommen allmählich auch die Flughafenbetreiber eine genauere Vorstellung davon, was da so auf sie zukommt. In St. Petersburg zum Beispiel hat die Leitung des Flughafens Pulkowo mal durchgerechnet und erwartet nun für 2018 ein Plus von zehn Prozent bei den Reisenden.

An Domodedowo, Moskaus größtem Flughafen, soll unterdessen die Ladenfläche fast vervierfacht werden, damit Fußballfans möglichst viel Geld in den Geschäften lassen und der Flughafenbetreiber seine Mieteinnahmen steigern kann. Aus Deutschland gibt es Flugverbindungen von Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Leipzig und München nach Domodedowo.

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Als Rausschmeißer noch ein Stück aus dem Guardian, das nur am Rande mit Russland zu tun hat: „Terrace diplomacy: when football fans get political“ gibt einen guten Überblick, welche Fans sich in letzter Zeit mit Bannern politisch positioniert haben. Spartak-Fans hatten zum Beispiel Anfang des Jahres gegen eine Hooligan-Doku der BBC protestiert, andere Banner forderten Beispielsweise die Rückgabe der Elgin Marbles an Griechenland oder kritisierten die UEFA.

Nächste Wochen schauen wir dann mal, wie sich Russland in seinen beiden Länderspielen geschlagen hat. Wem das zu lange dauert: Alle alten Russball-Folgen könnt ihr hier nachlesen.



 

Wo Moskau seinen Düsseldorf-Park versteckt

Düsseldorf-Park Moskau

Moskau und Düsseldorf sind Partnerstädte, schon seit mehr als 20 Jahren. Als Knapp-neben-Düsseldorf-Geborene und Heute-in-Moskau-Lebende fand ich es natürlich interessant, ob man das abseits von Delegationen und Terminen hier irgendwo merkt. Gibt es einen Hauch von Düsseldorf im Moskauer Alltag? Also, abgesehen von der Tatsache, dass auch hier Bier und Eishockey populär waren. Irgendwann hörte ich von diesem Ort, dann kam auch noch ein freier Tag dazu. Zeit für eine Mission – schließlich sind Livetweets nicht nur bei großen Nachrichtenlagen interessant.

Für den ersten Streckenteil schlug Google Maps einen von Moskaus schicken neuen „Magistral“-Bussen vor – besonders schnell, besonders modern, besonders blau lackiert. Seit der letzten Fahrplanumstellung gibt es diese Magistrals, die weniger oft halten und einen dafür zügig von A nach B bringen. Und zügig ist, wenn ich so auf meinen Stadtplan blicke, eine gute Sache.

Die Strecke führt erst mal durchs Zentrum – vorbei an der Leninbibliothek, an Alexandergarten und Kreml zur Rechten und Duma und Bolschoi-Theater zur Linken. Endstation ist an der Metro-Haltestelle Kitai-Gorod, immer noch zentral. Aber ich kann mich nicht erinnern, hier schon mal in die violette Linie gestiegen zu sein. Denn die ist, wenn man nicht gerade mal dringend vom Puschkindenkmal zur Geheimdienstzentrale will, für wenig gut.

Bei Twitter melden sich unterdessen allerlei Leute mit Düsseldorf-Bezug. Gemeinsam schmieden wir Pläne für die Umbenennung einer Düsseldorfer U-Bahn-Station und betreiben meteorologische Vergleiche. Nebenbei lerne ich außerdem, wo Düsseldorf noch so Partnerstädte hat.

Ich steige da aus, wo die Gestaltung der Metrostationen mit deutlich weniger Enthusiasmus betrieben wird als in den unterirdischen Palästen im Stadtzentrum: In Textilschtschiki. Früher ein eigenständiger Ort, in dem Textilarbeiter lebten. Seit 1960 ein Moskauer Stadtteil voller Wohnhochhäuser.

Hier fühlt es sich nach Vorort an, und Fußgänger sind ganz furchtbar egal: Um von der Metro zur Bushaltestelle zu kommen, tauche ich erst verwirrt durch dieselbe Unterführung hin und her, gehe dann querfeldein zwischen zwei Gebäuden hindurch und muss schließlich noch ohne Ampel eine sechsspurige Straße überqueren. Dafür ist der Bus Nr. 350 dann erst mal weg. Zwanzig Minuten warten bis zum nächsten – als Moskauer Innenstadtbewohnerin ziemlich ungewohnt.

Hier draußen heißen die Bushaltestellen ganz profan „Ljublinskajastraße 139“ oder „Pererwastraße 50“ – keine Sehenswürdigkeiten, auch sonst kaum Bemerkenswertes. Nur Bettenburgen, Schnee, Schlaglöcher und der wackere Bus, der tatsächlich irgendwann da hält, wo ich raus will. „Djusseldorfski Park“ steht auf dem Schild, und daneben gibt es gleich ein paar Verbote, fürs Heimatgefühl.

Akkurat umzäunt ist der Park, hinter dem Gitter steht links eine kleine Kirche, sogar noch mit Kind in der Krippe davor – hier in Russland ist Weihnachten ja noch keine drei Wochen her. Ansonsten: Schaukeln, Klettergerüste, viele Frauen mit Kinderwagen. Die Wege sind eher schneefrei getrampelt als geräumt, der Blick fällt in alle Richtungen auf Wohnblocks. Mitten im Park bellt ein hysterischer Hund einen Mann an, der falschrum steht – eine Radschläger-Skulptur, bedruckt mit cartoonartigen Düsseldorfer Stadtszenen. Gehry, Altbier, Karneval.

„Das Symbol Düsseldorfs – ein Kind, das ein Rad schlägt“, erklärt die Tafel neben der Skulptur, und dass das hier ein Geschenk von Düsseldorf an Moskau war, zur Einweihung des Parks vor acht Jahren. Beim Versuch, dazu mehr zu ergoogeln, erfahre ich noch, dass Düsseldorf in Ostdeutschland liegt. Nun ja. Die restliche Runde durch den Park ist schnell gedreht, zwischendurch noch einmal über den schneebedeckten Rasen zum Teich, der bei den etwas älteren Kindern gerade sehr populär ist.

Erkenntnis des Ausflugs: Es gibt ihn also wirklich, den „Djusseldorfski Park“ – nur wird ihn kein Moskauer finden, der ihn nicht ausdrücklich und mit viel Einsatz sucht. Oder in einem der vielen Hochhäuser von Textilschtchiki wohnt.

Alle Tweets zum #DjusseldofskiPark gibt es hier zum Nachlesen.