Russball, Folge 49: Diese Restaurants sollte man bei der WM nicht besuchen

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Neue Woche, neuer Russball, und wir beginnen mit einer Frage: Sind Star-Trek-Fans anwesend? Wenn ja, erinnert sich jemand an die Folge, in der eine Art Parasitenwesen nach und nach Crewmitglieder der Enterprise befällt? Man merkt das daran, dass ihnen ein kleiner Stöpsel hinten aus dem Hals rausguckt – und daran, dass sie mit Hingabe lebende Würmer oder Maden essen, wie Commander Riker hier:

An diese Szene muste ich denken, als ich auf dem offiziellen FIFA-Vorfreude-Twitteraccount für die Fußball-WM las, dass für Fußballfans in Kasan ein 1300 Kilo schwerer Tschaktschak gebacken werden soll. Das ist eine tatarische Süßigkeit aus frittierten Teigröllchen, die mit Honig zu einem Klotz zusammengeklebt werden. Wenn man Glück hat, entsteht so eine süße Knabberei, wenn man Pech hat, eine Art klebriger Dämmstoff. Das wirkliche Problem aber ist, dass Tschaktschak eben aussieht wie das, was sich bei Riker in der Essensschale windet. Also: Wer während der WM nach Kasan kommt und dort den Megatschaktschak probieren will, sollte vielleicht in den Tagen davor keine alten Star-Trek-Folgen gucken.

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⚽ Viele russische Fußballspielerinnen hoffen, dass die Weltmeisterschaft dem Frauenfußball in ihrem Land einen Schub geben wird. Das hat Dmitry Zaks erfahren, als er sich beim Training der Frauenmannschaft des SchK Tschertanowo Moskwa umgehört hat. Frauenfußball hat es in Russland schwer, Vorurteile, dass Fußball nichts für Frauen sei, halten sich beharrlich.

Interessant fand ich vor allem die Frage, warum sich in der eigentlich doch so betont egalitären Sowjetunion der Frauenfußball nicht durchgesetzt hat, ganz im Gegensatz zum männlichen Gegenstück. Eine These aus Zaks‘ Artikel ist, dass Fußball zu Sowjetzeiten sehr oft mit Patriotismus und Militär in Verbindung gebracht wurde – da passten Frauen nicht ins Bild. Andererseits frage ich mich dann: Es gab doch nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus auch gefeierte Soldatinnen, vor allem Scharfschützinnen. Wie passt das dann ins Bild? So oder so: lesenswerter Text.

⚽ Souvenirs rund um die Weltmeisterschaft rausbringen kann jeder, aber WM-Banknoten, das kann hier in Russland dann doch nur eine: die Zentralbank. 20 Millionen Stück werden in Umlauf gebracht, zu einem Wert von je 100 Rubel, also etwa 1,40 Euro. Anders gesagt: Der Wert ist so niedrig, dass es sich jeder leisten kann, den Schein als Souvenir aufzubewahren, statt ihn wieder auszugeben.

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Auf der Vorderseite des Geldscheins sieht man einen kleinen Jungen mit Ball unterm Arm, der bewundernd der sowjetischen Torwart-Legende Lew Jaschin zusieht. Auf der Rückseite bildet die Silhouette einer Gruppe jubelnder Fans die russische Fahne, außerdem sieht man die Namen der Gastgeberstädte. Ansonsten kann man auf der Seite der Zentralbank in verdammt großer Detailtiefe nachlesen, was diese Gedenkbanknote alles an Sicherheitsmerkmalen hat. Oder ihr schaut einfach mal hier: Unter Infrarotlicht verschwindet Jaschin und man sieht nur noch den Nachwuchsfußballer, unter UV-Licht werden plötzlich in Knallfarben Schriftzug und Logo des Turniers sichtbar. So viel Spaß für wenig Geld! Und noch ein Souvenir, das nicht jeder herausgeben kann, aber jeder sich leisten: In der Moskauer Metro soll es Fahrkarten im WM-Design geben.

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⚽ Die Allgemeine Hotel- und Gastronomiezeitung (Wie, ihr lest die nicht regelmäßig? Na, dann ist ja gut, dass ich für euch sichte 😀) hat Tipps gesammelt, wie Kneipen und Restaurants während der WM möglichst viel Geld verdienen können. Manches leuchtet sofort ein (gerade Beträge bei den Preisen, damit man bei großem Andrang keine Zeit mit Wechselgeld verschwendet), anderes ist eher dröge, weil halt für Fachpublikum gedacht („mobiles Funkbonieren“, soso).

Für die brachiale Variante haben sich offenbar einige Wirte in Russland entschieden. Eine Agentur hat dort gefälschte Bewertungen bei Tripadvisor angeboten, in allerlei Sprachen und natürlich immer nur positiv. 480 Euro sollte das die Restaurants kosten, Verkaufsargument aus der Agenturbroschüre: “Was tun, wenn noch nie ein Serbe oder ein Schwede bei Ihnen war und eine Bewertung hinterlassen hat? Sie schreiben sie selbst!“ Na, das hat ja super geklappt: Reuters hat die Geschichte recherchiert und ist dabei auf einige Restaurants gestoßen, die diesen Service offenbar genutzt haben. Die Pizzeria „Peperonchino“ in Kaliningrad zum Beispiel soll plötzlich auf einen Schlag 45 neue Bewertungen bekommen haben, zuvor war es eine pro Woche.

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Das Management versichert, die Bewertungen seien auf legalem Weg zustande gekommen – man habe eine App mit Prämien für Kunden, das zahle sich aus. Tripadvisor scheint das anders zu sehen: Aktuell findet, wer den Eintrag zu Peperonchino aufruft, nur noch eine Handvoll Bewertungen, da wurde wohl großflächig ausgemistet. Einfache Faustregel also für WM-Reisende: Besser nicht in Restaurants gehen, die in den Monaten vor der WM ungewöhnlich viele Bewertungen bekommen haben. Oder man guckt einfach nur auf das Feedback aus dem Jahr 2017 und entscheidet danach.

⚽ Was verdient Russlands Fußball-Liga an den Fernsehübertragungsrechten für ihre Spiele? Die Summe ist im europäischen Vergleich nicht allzu groß, hat Sports.ru ausgerechnet, „selbst Dänemark und Griechenland bekommen mehr als Russland“. Aufhänger für die Geschichte sind die laufenden Verhandlungen zwischen der Premjer-Liga und dem russischen Fernsehsender Match TV über die Rechte für die kommende Saison. Die Grafik zum Artikel sieht Russlands Liga gerade mal auf Platz zwölf, die Bundesliga dagegen landet auf Platz vier und muss damit nur England, Italien und Spanien den Vortritt lassen.

⚽ Noch ein Ranking, diesmal ein offizielles: Dass Russland auf der FIFA-Liste nicht allzu gut dasteht, war hier ja schon öfter Thema – aktuell muss man runterscrollen bis Platz 66, um Russland zu finden. So ganz fair sind die Regeln nicht – als WM-Gastgeberland muss Russland sich zum Beispiel nicht für das Turnier qualifizieren, verpasst damit also eine ganze Reihe von potentiell Punkte bringenden Länderspielen. Nochmals Sports.ru: „unser Team stünde statt auf Platz 66 dann auf 32, zwischen Irland und Rumänien.“ Lösungsvorschläge hier.

⚽ Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, jaja, blabla. Aber noch schöner ist es doch, wenn sich jemand die Mühe macht und zu einem Bild eine möglicht kreative Unterzeile erfindet. So wie Fußballkommentator Wassili Utkin, der zu diesem Bild hier textete: „Stanislaw Tschertschessow erklärt Witali Mutko, wie Brustschwimmen funktioniert.“ Sehr hübsch!

⚽ Spiegel Online hat einen guten Zusammenschrieb dazu, wie deutsche Firmen an der WM beteiligt sind. Als Zulieferer von Rollrasen zum Beispiel, rangekarrt im Kühllaster. Oder, anderer Temperaturbereich: mit Rasenheizungen. Gerade der Absatz, in dem es um die Bürokratie geht, die in Russland ja schon um einiges anders funktioniert als in Deutschland, kam mir sehr bekannt vor.

⚽ Dann macht die Moscow Times gerade eine Serie, in der sie allerlei Alltagsfragen für WM-Reisende beantwortet. „Darf ich in Russland auf der Straße rauchen“ zum Beispiel, „Wie funktioniert das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln“ oder „Registrierung? Was für eine Registrierung?“. Alle Fragen und Antworten findet man am einfachsten auf dem speziellen WM-Account, @TMTWorldcup.

⚽ Konstantin Krinsky ist da was aufgefallen. Er war in der WM-Gastgeberstadt Wolgograd, um von dort über die Vorbereitungen zu berichten. Und wie das halt so ist, man verbringt viel Zeit am Flughafen mit Warten. Im neuen Terminal, das extra zur WM eröffnet wurde, sah Krinsky dann diese Landkarte hier. Sie soll zeigen, wohin man von Wolgograd aus alles fliegen kann.

Nun muss nicht jeder aus dem Stand wissen, wo Heraklion, Simferopol oder Tscheljabinsk ganz genau liegen. Wer aber solch eine Riesenkarte anfertigen lässt, um sie dann gut sichtbar aufzuhängen, könnte vielleicht jemanden fragen, der sich mit sowas auskennt. Jemanden, der weiß, dass Heraklion nicht in Bulgarien liegt, Simferopol nicht in der Republik Moldau und Tscheljabinsk auch eher nicht in Kasachstan.

Besonders ärgerlich ist die Karte für Sotschi und Samara. Eigentlich waren sie ebenfalls als WM-Austragungsorte vorgesehen. Nun liegt Sotschi in der Türkei, Samara in Kasachstan – das wird dann wohl nichts, schadeschade. Wir merken uns: Ja, man kann vom Flughafen Wolgograd an sehr viele Orte fliegen. Die liegen dann nur nicht unbedingt dort, wo man sie erwartet.

⚽  Wo wir gerade in Sotschi sind: Das kann auch ganz schön lästig sein, wenn man in einer WM-Gastgeberstadt lebt und es allmählich ernst wird mit dem Turnier. Baustellen, Straßensperren, Umleitungen – und jetzt auch noch das: In Sotschi kann man im Moment zwischen 9 Uhr morgens und 18 Uhr abends nicht fernsehen. Da wird nämlich am örtlichen Fernsehturm gewerkelt; er wird von außen mit LEDs bestückt.

Wenn alles klappt, wird so der Turm durch die vielen kleinen Lämpchen während der Weltmeisterschaft selber zum Bildschirm, weil auf seiner Fassade Spiele gezeigt werden. Muss halt nur noch genehmigt werden, sagt der Verantwortliche. Aber gut, Hauptsache, erst mal den Leuten den Empfang abdrehen und loslegen, ohne zu wissen, wozu es nutzt. Gut, dass es Streamingdienste gibt. Sotschi – aktuelle Hauptstadt von „Netflix and chill“?

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Ein kleiner Rausschmeißer noch, der gut zu der ganzen Kadernominiererei in diesen Tagen passt. Okay, der Artikel ist schon ein bisschen älter – eine irische Satireseite hat ihn vor der WM in Brasilien veröffentlicht. Aber die Zeile, und alles, was sie über Englands Abschneiden bei internationalen Fußballturnieren aussagt, ist einfach zeitlos schön: England Name 23 Men To Blame For World Cup Failure. Bis nächste Woche!



 

Russball, Folge 30: WM-Flugtickets für 5 Rubel (aber nicht für euch)

Russball kscheib Suus Agnes 2 signedFaule Journalisten fangen ihre Reportagen ja gerne damit an, dass sie an irgendeinem Ort ankommen und dann erst mal ausgiebig ihren Taxifahrer zitieren. Der erste Russe, mit dem ich mich 2018 unterhalten habe, war ebenfalls ein Taxifahrer – er hat uns auf einen Hügel am Rand von Murmansk gefahren, von wo aus man das Nordlicht sehen konnte. Viel Warten, viel Hochgucken, und dann plötzlich: ein grünes Leuchten am Himmel, das langsam intensiver wird. Einatmen. Ausatmen. Staunen.

Als wir genug nach oben geguckt hatten, gönnte uns der Taxifahrer auf dem Heimweg noch einen Blick in die Zukunft: „Natürlich bin ich mir nicht komplett sicher – aber zu 99,9 Prozent werdet ihr dieses Jahr wieder Weltmeister.“ Für so einen schmeichelhaften WM-Orakelspruch ist hoffentlich auch der „Journalist zitiert Taxifahrer“-Einstieg ausnahmsweise okay.

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⚽  So kann’s gehen: Letzten Mittwoch die neue Russball-Folge veröffentlicht, in der Witali Mutko ankündigt, sein Amt als Chef des russischen Fußballverbandes ruhen zu lassen. Und dann kommt ein paar Stunden später die Meldung, dass Mutko auch als Leiter des WM-Organisationskomitees abtritt. Habt ihr sicherlich alle mitbekommen, darum eher der Vollständigkeit halber hier noch ein Link mit den Details.

⚽ Russischer Fußballfan müsste man sein, dann könnte man zu den WM-Spielen der eigenen Mannschaft für nur 5 Rubel – also 7 Cent – anreisen. Mit dem Flugzeug, wohlgemerkt, und auch nicht mit irgendeinem dubiosen Billigflieger, sondern mit Aeroflot. 70.000 solcher Tickets will der Staatskonzern zur Verfügung stellen – oder auch mehr, je nachdem, wie weit Russland im Turnier kommt. Eh einer fragt: Nein, das ist keines dieser Angebote nach dem Ryanair-Prinzip, wo zum Ticketpreis dann noch Gebühren für Gepäck, Kreditkartennutzung, Sitzplatzwahl und Essen an Bord anfallen. In den 5 Rubeln sind bereits alle Gebühren drin, verspricht Aeroflot. Wie das neue Angebot publik gemacht wurde? Bei einem öffentlichkeitswirksamen Gespräch zwischen Vorstandschef Witali Saweljew und Russlands Präsident Wladimir Putin. Der möchte schließlich im März wiedergewählt werden – da gibt es vorher Geschenke an die Wähler, bis hin zu Ticket-Schnäppchen. Den ganzen Wortlaut des Gesprächs („Können die Fans nicht einfach umsonst fliegen?“ – „Nein, aber…“ – „Ich weiß! Für einen Rubel“ – „Nein, aber…“) kann man hier nachlesen.

Aeroflot-Chef Saweljew im Gespräch mit Wladimir Putin (Foto: Kremlin.ru)
Aeroflot-Chef Saweljew im Gespräch mit Wladimir Putin (Foto: Kremlin.ru)

⚽ Preisfrage: Welche Heimatstadt eines deutschen Bundesligisten wird hier beschrieben? „In XY leben mehr als 500.000 Menschen. Für junge Leute gibt es hier nichts zu tun, also ziehen sie zum Studieren und Arbeiten in respektablere, lebendigere Städte wie Düsseldorf, Berlin oder Frankfurt.“ Liebe Dortmunder, ihr seid gemeint! So stuft euch jedenfalls Witali Subzow ein, der für Sports.ru recherchiert hat, wie man auch bei fast ausverkauftem Stadion noch an Karten für ein BVB-Spiel kommt.

Das Touristen-Paket – mit Ticket, Unterkunft, Begrüßungsmappe, Eintritt ins BVB-Museum und weiterer Bespaßung – scheint Subzow sehr beeindruckt zu haben. Selbst die Stadionwurst („exzellente Qualität“) wird lobend erwähnt. Alles in allem liegt ein Hauch des Staunens über Subzows Erlebnisbericht. Selbst Russlands Top-Mannschaften spielen nur selten vor ausverkauften Stadien. Und hier, in dieser wenig respektablen, wenig lebendigen Stadt, gehen die Eintrittskarten „schneller weg als das neue iPhone oder Turnschuhe von Kanye West.“ Entsprechend bringt der Autor seinen Lesern dann auch noch ein deutsches Wort bei: „ausverkauft“.

⚽ In Russland ist ja nicht Weihnachten, sondern Neujahr das Fest, wo man mit der Familie um einen festlich geschmückten Baum sitzt und Geschenke auspackt. Das nur für den Hinterkopf, damit klar ist, warum diese Neujahrs-Videos von ZSKA Moskau für unseren Geschmack so weihnachtlich aussehen. Inhaltlich sind sie jedenfalls eine Übung in Selbstironie. An einer Pinnwand sollen die Spieler Zettel mit ihren Plänen und guten Vorsätzen für 2018 anbringen. Pontus Wernbloom, bekannt für sein Temperament, will seine Selbstbeherrschung verbessern – hat ja auch direkt super geklappt:

Der Brasilianer Vitinho möchte gerne für die Nationalmannschaft spielen – schon erscheint ein Mitspieler und winkt mit einem russischen Pass. Auf dem Zettel von Trainer Wiktar Hantscharenka steht „Stürmer kaufen“ – ZSKA-Präsident Jewgeni Giner nimmt den Zettel grinsend wieder ab. Und was passiert, wenn dein Plan fürs neue Jahr „Kapitän werden“ heißt – und dann kommt der aktuelle Kapitän vorbei, während du gerade den Zettel an die Wand pinnst? Auftritt Alexander Golowin und Igor Akinfejew:

⚽ Auch Jewgeni Sirjankin, Fußballexperte von Sport Express, hat seine Neujahrswünsche aufgeschrieben. Ganz oben auf der Liste steht selbstverständlich das Thema Fußball-WM. Der Wunsch, der sich da in Großbuchstaben manifestiert, ist so realistisch, dass es schon fast Satire ist: „RUSSLANDS NATIONALMANNSCHAFT ERREICHT DAS VIERTELFINALE DER WELTMEISTERSCHAFT“ – “!!!111!!!!einself!!”, möchte man hinzufügen.

„Wenn dieses Wunder geschieht“, schreibt Sirjankin weiter, „kann sich die Nationalmannschaft schon zu den Siegern des Turniers zählen. Denn darüber hinaus gibt es nur noch die unerreichbaren Sterne.“ Glücklich der Fan, der seine Wünsche so auswählt, dass sein Team sie auch erreichen kann.

⚽  Wer Moskau von seiner besten Seite sehen will, muss rauf auf die Sperlingsberge. Zur einen Seite die Moskauer Lomonossow-Universität (MGU), ein Prunk- und Prachtstück im stalinistischen Zuckerbäckerstil. Zur anderen Seite die Aussicht runter auf die Stadt, mit so gut wie allen Sehenswürdigkeiten auf einen Blick. Wenn wir Besuch in Moskau haben, fahren wir oft abends dort hoch, weil das Panorama im Dunkeln besonders schön ist.

Der perfekte Ort also, um dort während der WM eine Fan-Zone einzurichten, oder? Kommt drauf an, wen man fragt. Viele Studierende der MGU sind alles andere als begeistert von der Idee, einen Monat lang jeden Tag Remmidemmi direkt vor der Haustür zu haben – zumal das Unigebäude nicht nur aus Hörsälen, Seminarräumen und Büros besteht, sondern zu einem großen Teil auch Studentenwohnheim ist. Krach, Verkehrskollaps, Störungen beim Vorlesungsbetrieb, betrunkene Fans – auf einem Flyer haben die Gegner der Fan-Zone ihre Sorgen aufgelistet.

kscheib russball studenten protest MGU fanzoneMehr als 10.000 Nutzer informieren sich bei VKontakte über den Protest. „Ich weiß gar nicht, was mich mehr nervt – die eigentlichen Beeinträchtigungen selbst, oder die Achtlosigkeit und der Mangel an Dialog. Wahrscheinlich eher letzteres,“ sagt Michail Schirjajew, der Fußballfan ist, an der MGU Materialwissenschaften studiert und den Protest mit organisiert. Nur die Universitätsleitung sei in die Pläne von WM-Organisatoren, Stadt und FIFA eingebunden gewesen. Wie andere Studierende zu der Fan-Zone vor ihrer Haustür stehen, und wie die Planer ihr Projekt verteidigen, hat Sports.ru gegenübergestellt.

⚽ Endlich steht fest, welche russischen Fernsehsender die WM übertragen werden: Das Konsortium „2 Sport 2“ hat die Rechte gekauft, es vertritt drei Sender, darunter den erst vor ein paar Jahren gegründeten Sport-Kanal „Match TV“. 32 Millionen Dollar sollen die Rechte gekostet haben – ziemlich wenig, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die FIFA dafür ursprünglich 120 Millionen haben wollte. Der Hollywood Reporter verspricht eine Erklärung unter der Überschrift: „Why Russian Networks Got Soccer World Cup Rights for a Fraction of the Asking Price“. Im Text dann: keine Erklärung, nur der Hinweis, dass die russischen Geschäftspartner nun mal nicht mehr bezahlen wollten. Soso. Aha.

⚽ Amkar Perm kämpft ums Überleben. Dem Erstliga-Club fehlt das Geld, so einfach ist es, aber dann auch wieder nicht. Denn hinter den Sorgen des Vereins steckt auch ein strukturelles Problem im russischen Vereinsfußball: Viele Mannschaften gehören bis heute dem Staat – sei es direkt, oder durch einen Staatskonzern. In Perm ist es die Regionalregierung, die wiederum hat seit Jahresbeginn einen neuen Sportminister, und der will lieber in den Breitensport investieren als in einen Verein, der irgendwo unten in der Erstligatabelle rumdümpelt.

Bricht einem Verein, der in Privatbesitz ist, ein Investor weg, dann macht er sich auf die Suche nach einem neuen. Amkar Perm hat diese Option nicht, es gibt schließlich keine zweite Regionalregierung mit zweitem Haushalt und zweitem Sportminister. Bis zum 11. Januar, so die Vereinsführung, müsse die Finanzierung für die Rückrunde stehen. Sonst werde der für den Tag geplante Abflug des Teams ins Trainingslager abgesagt. Stand Ende Dezember gab es immerhin noch Verhandlungen zwischen Verein und Regierung.⚽ Zum Schluss noch was Historisches. Es geht um einen Putschversuch, nicht allzu lange nach dem Ende der Sowjetunion. Ein sportpolitischer Staatsstreich, quasi: Kurz vor der Weltmeisterschaft in den USA forderten 14 Spieler der russischen Nationalmannschaft einen neuen Trainer – auf ganz großer Bühne, per offenem Brief an Boris Jelzin.

Die Geschichte war mir komplett neu, und sie ist so interessant, dass man sogar den ziemlich krautigen Stil verzeihen kann, in der Russian Football News sie erzählt. Einfach beim dritten Absatz einsteigen, wo es um den Begriff „Refusenik“ geht, und ein Stück postsowjetischer Sportgeschichte nacherleben.

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Ach so, mein Neujahrswunsch ist übrigens: Falls ihr dass Gefühl habt, das Russball euch gut informiert, unterhält oder gar beides, dann sagt das doch gerne weiter – dem Kollegen am Nebentisch, der Freundin auf dem Bolzplatz oder einfach den Followern bei Twitter. Ich mach das hier gerne und freue mich über jeden, der mitliest. Bis dann!