Ein kleines Rätsel zum Start: Wofür könnten diese Dinger hier gedacht sein?
Buntes Plastik, vielleicht so 30 mal 30 Zentimeter groß, leicht gewölbt, mit Löchern. Das Ding, von dem auf dem Bild gleich drei sind, ist eine Pelmeniza – also ein Gerät, mit dem man Pelmeni macht. Immer noch nicht schlauer? Okay: Pelmeni sind das, was für Italiener Ravioli sind, für Deutsche Maultaschen, für Chinesen Jiaozi: lecker gefüllter Nudelteig. Ein einfaches, traditionelles Essen, mit dem man viele Leute satt kriegt.
Mit „einfach“ ist allerdings nicht die Herstellung gemeint. Wer Pelmeni nicht tiefgekühlt kaufen, sondern sie selber machen will, der nimmt sich für diesen Tag besser nichts anderes vor – die verschiedenen Schritte brauchen ihre Zeit. Über Pelmeni zu reden ist deshalb auch eine der einfachsten Arten, russischen Bekannten Anekdoten zu entlocken. „Letztes Jahr haben meine Mutter und ich über 1000 Stück auf einmal gemacht, dann eingefroren und Monate davon gegessen.“ – „Also wir haben das früher immer auf der Datscha gemacht, einen ganzen Tag lang, wie am Fließband. Jede von uns wusste, was ihre Aufgabe war.“ Ich habe Freundinnen, die verabreden sich zu „Pelmeni-Partys“. Heute bin ich zum ersten Mal zu einer eingeladen.
Alles beginnt mit dem Teig. Die Zutaten sind unspektakulär – Mehl, Wasser, Salz, ein Ei. Die Mengen? „Musst du halt ausprobieren“, sagt Wilena, die heute den Nichtrussen in ihrem Freundeskreis das Pelmenimachen beibringt. 300 Gramm Mehl, schätze ich den Hügel auf dem Tisch. In die Mitte des Hügels das Ei, dann eine Prise Salz und einen Schuss Wasser. Und jetzt: Kneten, kneten, kneten. Dann kneten. Danach kneten. Anschließend kneten. Der Teigklumpen bekommt Handkanten zu spüren, wird durchgewalkt, hochgehoben und wieder auf den Tisch geknallt. „Wenn du gut darin bist, jemanden zu massieren, dann machst du auch gute Pelmeni“, sagt Wilena.
Das Ausrollen ist nicht anders als beim Weihnachtsplätzchenbacken. Und auch der nächste Schritt ist überraschend bekannt: Ehe wir das mit der Pelmeniza probieren, entscheidet unsere Koch-Dozentin, sollen wir erst mal ein paar Pelmeni von Hand formen. Also: Mit einem Trinkglas Kreise ausstechen, den Kreis auf die Handinnenfläche legen, einen Klecks Füllung – bei uns Truthahn-Hack mit Zwiebel – draufsetzen. Dann kommt das Gefalte: Erst den Kreis zum Halbkreis, dann den Rand festdrücken, dann die Seiten über die Mitte… Wilenas Pelmeni sehen nach jahrelanger Übung aus, meine wie von einem ungelenken Kind mit Wachsmalstiften gezeichnet.
Dürfen wir jetzt endlich mit dem richtigen Werkzeug hantieren? Moment, erst müssen die fertigen Pelmeni auf einem eingemehlten Tablett eingefroren werden, damit sie gleich beim Kochen nicht aneinanderpappen. Aber dann: Pelmeniza so hinlegen, dass die Wölbung nach oben zeigt. Ausgerollten Teig drüberlegen und leicht festdrücken, so dass das Wabenmuster sichtbar wird. In 25 Waben 25 Kleckse Füllung, dann die zweite Schicht ausgerollten Teig drüber – und nun der Zaubermoment. Mit dem Nudelholz drüberrollen, und voilà: 25 ebenmäßig schöne Pelmeni!
So geht es den restlichen Abend. In 25-er Ladungen wandern Pelmeni vom Tisch in die heiße Gemüsebrühe, mit kurzem Zwischenstopp im Gefrierfach. Neue Ladungen Teig entstehen. Freunde trudeln ein, helfen beim Essen und gelegentlich auch beim Kneten. Wir diskutieren, wie man die Füllung möglichst mittig auf ihrem Stückchen Teig platziert. Vor allem aber essen wir Pelmeni, mit Brühe oder ohne, aber definitiv mit saurer Sahne und frisch gemahlenem Pfeffer. Dazu gibt es Bier, Wein, was auch immer. Passt schon.
Am Ende des Abends haben wir gut 300 Stück gemacht, gekocht und gegessen. Und ich habe verstanden, dass es Wilena mit ihrem Spruch von den Pelmeni und der Massage nicht um die Kraft ging, die nötig ist. Beides braucht seine Zeit, wenn man es richtig macht. Und beides ist den Aufwand nur wert, wenn man jemandem mal was richtig Gutes tun will.