Der Moskauer Warenkorb nach einem Jahr Lebensmittel-Importverbot

Ein Jahr lang gilt nun der russische Einfuhrstopp für eine ganze Reihe westlicher Lebensmittel. Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Milchprodukte – das großflächige Verbot hat nur kleine Lücken. Für den eigenen Verbrauch zum Beispiel darf man quasi mundgerechte Mengen der sanktionierten Lebensmittel weiterhin nach Russland importieren. In den Supermärkten aber sucht man den guten lettischen Joghurt, die finnische Milch oder die irische Butter erfolglos.

Ja, das ist lettischer Joghurt. Nein, den bekommt man in Moskau nicht mehr.
Ja, das ist lettischer Joghurt. Nein, den bekommt man in Moskau nicht mehr.

Teilweise hat Russland sich im vergangenen Jahr bemüht, andere Lieferanten für diese Lebensmittel zu finden, teilweise soll die russische Agrarwirtschaft selbst in die Bresche springen. Das klappt nicht von jetzt auf gleich, also sind die Preise gestiegen. Vor allem in den Monaten unmittelbar nach dem Einfuhrstopp war der Trend unverkennbar: Selbst Gemüse wie Weißkohl, ein Klassiker der russischen Küche, entpuppte sich als Importgut.

Ein Jahr danach lohnt sich der Vergleich also doppelt: Wie sind die Moskauer Lebensmittelpreise heute im Vergleich zum August 2014? Und wie war der Weg dorthin? Hier erst mal der Jahresvergleich, angefangen mit dem Perekrestok-Supermarkt bei uns um die Ecke:

Möhren für 39,90 Rubel/Kilo (August 2014: 29)
Tomaten für 62 Rubel/Kilo (August 2014: 39)
Weißkohl für 10,91 Rubel/Kilo (August 2014: 10)
Äpfel für 49,90 Rubel/Kilo (August 2014: 44,50)
Birnen für 125 Rubel/Kilo (August 2014: 69)

Milch (2,5%) für 67,74 Rubel/Liter (August 2014: 63,44)
Naturjoghurt (bio) für 17,81 Rubel/100g (August 2014: 37,60)
Butter für 37,50 Rubel/100g (August 2014: 46,50)
Brie für 127 Rubel/100g (August 2014: 97,50)

Hähnchenbrust (aus der Fleischtheke) für 249 Rubel/Kilo (August 2014: 185)
Schweinekotelett (aus der Fleischtheke) für 419 Rubel/Kilo (August 2014: 406)

Und so sind die Preise heute bei Utkonos, dem Online-Lebensmittelhändler.

Kartoffeln für 22,50 Rubel/Kilo (August 2014: 28)
Zwiebeln für 27,50 Rubel/Kilo (August 2014: 34)
Gurken für 40,50 Rubel/Kilo (August 2014: 109)
Zucchini für 28,90 Rubel/Kilo (August 2014: 26)
Auberginen für 48 Rubel/Kilo (August 2014: 145)
Rote Bete für 21,50 Rubel/Kilo (August 2014: 17)
Kohlrabi für 208 Rubel/Kilo (August 2014: 85)

Nektarinen für 194 Rubel/Kilo (August 2014: 117)
Zitronen für 169 Rubel/Kilo (August 2014: 139)
Mango für 329 Rubel/Kilo (August 2014: 330)
Bananen für 52,90 Rubel/Kilo (August 2014: 47)
Orangen für 123 Rubel/Kilo (August 2014: 85)
Grapefruit für 114 Rubel/Kilo (August 2014: 82)
Kiwi für 214 Rubel/Kilo (August 2014: 229)

Milch für 53,05 Rubel/Liter (August 2014: 66,10)
Butter für 53,78 Rubel/100 g (August 2014: 49,88)

Graubrot, geschnitten, für 82,50 Rubel/Kilo (August 2014: 76,56)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (August 2014: 79,80)

Rinderhack für 400 Rubel/Kilo (August 2014: 412)
Ganzes Hähnchen für 170 Rubel/Kilo (August 2014: 150)
Durchwachsener Speck für 822,50 Rubel/Kilo (August 2014: 650)

Lachssteak (TK) für 832 Rubel/Kilo (August 2014: 576)

In dem Jahr von August 2014 bis August 2015 sind die Preise im Schnitt also um 14,4 Prozent gestiegen – im Supermarkt etwas mehr (18,3 Prozent), online etwas weniger (10,5). Zu den Preistreibern bei der Supermarkt-Bilanz gehören zum Beispiel Birnen – heute 81,2 Prozent teurer als vor einem Jahr – und Tomaten. Die kommen inzwischen eben nicht mehr aus den Niederlanden, sondern meist aus Aserbaidschan, kosten dafür aber eben auch 59 Prozent mehr. Auch beim Online-Einkauf sind die Veränderungen bei frischem Gemüse bemerkenswert: Kohlrabi kosten, das ist dann allerdings auch der Spitzenwert, inzwischen fast 145 Prozent mehr als vor dem Einfuhrverbot.

Andererseits fallen einige Lebensmittel auf, die heute nicht oder kaum teurer sind als vor einem Jahr: Die Supermarktmilch kostet nur knapp 7 Prozent mehr, bei Butter und Graubrot ist es ähnlich. Einige Lebensmittel gibt es heute sogar günstiger zu kaufen als vor einem Jahr – anderes Herkunftsland, anderer Anbieter, andere Produktionsstandards, andere Preispolitik.

 

Auberginen gehören zu den Gemüsen mit heftigen Preisschwankungen
Auberginen gehören zu den Gemüsen mit heftigen Preisschwankungen

In einigen Fällen versteckt der Vergleich zwischen August 2014 und 2015 die krassen Preissprünge in den Monaten dazwischen. Die Kartoffeln von Utkonos mögen mit 22,50 Rubel/Kilo heute sogar ein wenig unter dem Vorjahrespreis liegen – Anfang des Jahres musste man noch mehr als das Doppelte (46,90) fürs Kilo zahlen. 229 Rubel für ein Kilo Gurken – das war der Dezember. 494 Rubel fürs Rinderhack? Hallo, Januar. Und im Februar dann 283 Rubel für ein Kilo Auberginen – die Liste der Preisausreißer nach oben lässt sich beliebig fortschreiben. Was bleibt, ist genug Material für ein Proseminar in Angebot, Nachfrage und Substitution.

Als jemand, der diese Lebensmittel nicht nur bezahlt, sondern auch zubereitet und isst, würde mich aber bei aller Theorie ganz praktisch vor allem eines interessieren: Wie hat sich mit den Preisen wohl die Qualität entwickelt?

Dass da nach Jahren ganz plötzlich das Einfuhrverbot für chinesisches Schweinefleisch fällt, das vorher mit Gesundheitsbedenken begründet wurde – ich wäre gern so naiv und sähe darin etwas anderes als nur den Wunsch, Ersatz für gestoppte Westimporte zu finden. Das russische Käse-Angebot „zwischen eingetrocknetem Tippex und Turnhallenmief“ hat der Guardian in all seiner Trostlosigkeit hier beschrieben. Und jedes Mal, wenn jemand in Deutschland bei Facebook irgendwelche Na-da-wiehert-aber-der-Amtsschimmel-Sprüche postet, bekomme ich in Moskau Sehnsucht nach so einer richtig nickeligen, paragraphenreiterischen, unnachgiebigen Lebensmittelaufsicht.

Das Kleingedruckte: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ – nur zwei Stichproben, ziemlich willkürliche Produkte, nicht danach gewichtet, was der Durchschnittsrusse so konsumiert. Hinzu kommt, dass manche Produkte (Papajas etwa) aus dem Jahresvergleich komplett rausfallen, weil es sie heute schlicht nicht mehr gibt (oder nur für so viel Geld, dass der Durchschnittshändler sie nicht mehr im Sortiment hat).