„Wenn ein Tweet funktioniert, schick ihn noch mal“ – so stand das Anfang des Jahres in einem Text, in dem das Social-Media-Team der New York Times seine Erfahrungswerte aus dem Jahr 2013 vorstellte.
Der Text gehört auf die Leseliste für jeden, der sich mit Journalismus und Twitter beschäftigt, und auch diese Kernaussage ist überzeugend. Schließlich hat die NYT Leser rund um die Welt. Wird ein Tweet also nur einmal veröffentlicht, verpasst man ihn in einer anderen Zeitzone vielleicht. Außerdem lohnen gerade hintergründige Artikel auch Tage nach der Veröffentlichung noch das Lesen. Vor allem am Wochenende, wo unter @nytimes vorgeplante Tweets zeitgesteuert veröffentlicht werden, sei das Wiederholen darum inzwischen eine bewährte Methode, so das Times-Team.
Stimmt alles, im Prinzip. Aber das vergangene Wochenende war eine Ausnahme, denn es war das Wochenende nach dem Absturz von Flug MH17 über dem Osten der Ukraine. Die New York Times stellt einige Opfer des Unglücks vor, in Kurzporträts – und schickte dazu am Samstagabend (17.20 Uhr deutscher Zeit)
diesen Tweet raus:
Profiles of some those who died aboard Malaysia Airlines Flight 17 http://t.co/z0BX0lgTLQ pic.twitter.com/jhg6GA9GGA
— The New York Times (@nytimes) July 19, 2014
Dann am Sonntagmorgen um 4.13 Uhr.
Profiles of some who died aboard Malaysia Airlines Flight 17 http://t.co/Hk29ldjWjQ pic.twitter.com/EonstnuqBa
— The New York Times (@nytimes) July 20, 2014
Und um 10.48 Uhr.
Profiles of some who died aboard Malaysia Airlines Flight 17 http://t.co/9eKYfARZLf pic.twitter.com/EAvNAOL5tt
— The New York Times (@nytimes) July 20, 2014
Das nächste Mal, mit neuer Foto-Kombo, um 16.15 Uhr.
Profiles of some who died aboard Malaysia Airlines Flight 17 http://t.co/88uK0V7lkA pic.twitter.com/jlufM7ixEz
— The New York Times (@nytimes) July 20, 2014
Dann, inzwischen war Montag, um 1.27 Uhr.
Profiles of some who died aboard Malaysia Airlines Flight 17 http://t.co/GqGOnAOAgn pic.twitter.com/r2EMeufzqt
— The New York Times (@nytimes) July 21, 2014
Und, das bisher letzte Mal, um 8.13 Uhr.
Profiles of some who died aboard Malaysia Airlines Flight 17 http://t.co/GlOTIcEI1K pic.twitter.com/VZpGOH6rx0
— The New York Times (@nytimes) July 21, 2014
Wenn es bei dieser Sieben-Stunden-Taktung bleibt, wird dieser Tweet also heute Nachmittag gegen 15 Uhr deutscher Zeit das nächste Mal veröffentlicht. In New York ist es dann noch halbwegs früh am Tag, kann also gut sein, dass noch die Automatik vom Wochenende greift.
Viel wichtiger aber ist: Alle sieben Stunden, das heißt nicht nur „Jeder soll eine Chance bekommen, diesen Tweet zu sehen“. Alle sieben Stunden heißt: „Wir nehmen in Kauf, dass derselbe Mensch in derselben Zeitzone diesen Tweet häufiger sieht.“ Mir zum Beispiel ist er seit Samstag viermal in der Timeline begegnet – und auch aufgefallen. Schließlich hängt extra ein Foto dran, es zeigt Gesichter – die doppelte Garantie, dass der Blick hängenbleibt. Das ist im besten Fall nur nervig, im schlimmsten Fall jedes Mal neu bedrückend und verstörend, je nachdem, wie betroffen man von dem Thema ist.
„Mit Bedacht genutzt dient das Recycling (von Tweets) unseren Lesern, indem wir ihnen (…) Inhalte dann liefern, wenn sie sie auch lesen können“, heißt es in dem Text beim Nieman Lab. In diesem Fall wäre ein bisschen mehr Bedacht und ein bisschen weniger Schlagzahl schön gewesen.