Troika am Finger: One ring to ride them all

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Dem russischen Winter begegne ich in diesem Jahr mit zweifachem Tuning am eigenen Körper. Zum einen Kontaktlinsen, nach Jahren mal wieder – weil es einfach nervt, wenn du von Mitte November bis Mitte März kein Gebäude betreten kannst, ohne erst mal blind zu sein. Und zum anderen ein neuer Ring. Knatschblau, aus Keramik, glänzend.

Wer ihn gegen das Licht kippt, sieht den Schriftzug: „Troika“, das ist für Moskau, was für London die Oyster Card ist – eine aufladbare Guthabenkarte für Bus und U-Bahn. „Payring“ steht auch noch drauf, das ist der Hersteller mit Sitz in Moskau.

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Direkt nach der Sache mit den beschlagenen Brillengläsern nervt kaum etwas so sehr, wie im Winter am Metro-Eingang zu stehen und den Verkehr aufzuhalten, weil erst wieder Hand-, Hosen- und Jackentasche nach der Troika-Karte durchsucht werden müssen, gerne auch zweimal. Seit die Moskauer Metro vor einigen Wochen verkündet hat, dass es die Troika nun auch als Ring geben soll, hab ich immer mal wieder versucht, einen zu bekommen.

Die Antwort war immer entweder „Haben wir noch nicht“ oder „Haben wir nicht mehr.“ Bis zu dem netten Mann am Souvenirstand in der Metrostation Kiewskaja: „Troika-Ringe? Wir haben nur blaue, und nur Größe 17 oder 21, aber die können sie gerne mal anprobieren.“

2200 Rubel und keine fünf Minuten später gehe ich frisch beringt zur Kasse, um meinen Ring aufzuladen. Dazu muss man ihn erst mal wieder ausziehen und einer milde desinteressierten Kassiererin aushändigen – Aufladen am Automaten kann man den Ring im Gegensatz zur Karte nicht, dazu müsste man ihn in den flachen Kartenschlitz reinquetschen. Aber wenn nicht gerade Rush-Hour ist, kommt man ja auch an der Kasse schnell dran.

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Dann der erste Test: An der Schleuse kurz vor der Rolltreppe, wo man sonst seine Karte hinhält, wedle ich mit dem Ringfinger rum – nichts. Nochmal – nichts. Aber schon beim nächsten Versuch klappt es: Der Trick ist, eine Faust zu machen und die dann, Handrücken nach oben, gerade vor das Kartenlesefeld zu halten. Kein Wackeln, kein Wedeln – die Schleuse schwenkt auf.

Ich fahre an diesem Tag noch ein paar Mal Metro, immer mit dem ganzen Tamtam: hochfahren, rausgehen, wieder reinkommen. Jedes Mal klappt das Bezahlen mit dem Ring problemlos, solange die Handhaltung stimmt. Ein bisschen nervig nur: An den Schleusen vor der Rolltreppe hält man die Karte normalerweise an den Pfosten rechts von sich. Ich trage den Bezahlring aber links, weil rechts schon der Ehering steckt.

Also, jedes Mal den Arm vorm eigenen Körper querhalten zum Durchschleusen – das braucht ein bisschen Training, bis es sich nicht mehr seltsam anfühlt. Andererseits: Jeder Linkshänder macht das mit seiner Troika-Karte schon lange genau so. Kein großes Ding.

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Wichtig auch: In den Eingangshallen der Metro – der Russe sagt „Vestibül“, weil er französische Lehnwörter liebt – hängen gelbe Kästen mit Bildschirm, an die man seine Troika-Karte halten kann, um zu sehen, wie viel Geld noch drauf ist. Hier dauert es zwei, drei Versuche, bis das Gerät meinen Ring erkennt und richtig anzeigt, was er noch an Rubeln auf sich hat. Aber was soll das schon, wenn die Schleuse in der Metro ebenfalls anzeigt, was nach dem Durchgehen noch an Guthaben bleibt?

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Den Bus-Test besteht der Troika-Ring ebenfalls: Hand dahin am Drehkreuz halten, wo man sonst die Karte platziert, und sofort geht das grüne Licht an und das Kreuz lässt sich drehen. Kein Gewarte, kein Hantieren, keine unangenehme Schlange hinter mir.

Bleiben noch auf der persönlichen Testliste: Straßenbahn, Oberleitungsbus, Flughafenschnellzug. Alles Verkehrsmittel, die man mit der Karte bezahlen kann, also auch mit dem Ring bezahlen können soll. Wahrgenommen habe ich ihn ohnehin nur die erste Stunde oder so – ich trage gerne Ringe, also fühlte sich auch die Bezahlvariante nicht wie ein Fremdkörper an. Und wer weiß: Wenn hier in Moskau demnächst richtiger Winter ist, also -25 statt nur -5 Grad, dann probiere ich mal, ob der Ring auch durch Handschuhe hindurch funktioniert.

Wenn das Internet alle ist

Moskau Unterführung Automat Frau

Die Webseite lädt und lädt und lädt, dann erscheint der Hinweis unseres Providers: Das Internet ist alle. Mal wieder. Und die Art, wie wir es wieder aufladen, durchaus speziell:

  • den Zettel mit unserer Vertragsnummer raussuchen
  • prüfen, ob genug Geld im Portemonnaie ist
  • Schuhe und Jacke anziehen
  • aus dem Haus über den Hof zur Straße gehen
  • an der Straße links bis zur nächsten Unterführung
  • runter und zu dem Automaten an der Stirnseite

Seit dem дефолт, Russlands Wirtschaftskrise Ende der Neunziger, ist das Vertrauen in Banken hier chronisch niedrig. Überweisungen oder gar Daueraufträge sind, jedenfalls bei Privatkunden, unüblich – viele Moskauer Freunde tragen jeden Monat ihre Miete in bar zum Vermieter. Stattdessen also: Geld auf dem Konto (oder noch lieber in der Hand) und wissen, wo der nächste Automat steht. Hier kann man seine Stromrechnung bezahlen, sein Knöllchen – und eben sein Internet:

  • Auf dem Bildschirm blättern, bis der richtige Provider angezeigt wird
  • „Internet zuhause“ auswählen
  • Zettel mit der Vertragsnummer rauskramen
  • Vertragsnummer eintippen, mit Nullen vorne, bis die Zahl der Stellen passt
  • in den Schlitz am Automaten einen Tausend-Rubel-Schein schieben

An Kredit- oder sonstigen Karten hat der Automat kein Interesse. Überhaupt erinnert er in seinem fast schon gusseisernen Charme eher an einen amerikanischen Briefkasten als an irgendwas, was mit Zahlungsverkehr zu tun hat. Trotzdem: Er schluckt den Schein und zeigt eine Bestätigung an. Also:

  • aus der Unterführung wieder raufgehen
  • Straße, Hof, Hauseingang etc
  • Jacke aufhängen, Schuhe ausziehen und ans Laptop setzen
  • Seite neu laden: läuft immer noch nicht!
  • einsetzender innerer Unlust-Monolog („Eh ich da jetzt noch mal rausrenne, mach ich nen Hotspot mit dem Handy!“)
  • Router neu starten
  • Seite noch mal neu laden: läuft!