Prost Freitag!

Vor einigen Wochen ist die Kaffeemaschine bei uns in der Redaktionsküche verschwunden, Alles zu teuer, der kostenlose Kaffee in Zeiten wie diesen, also verschwand auch gleich die Kristallschale voller Würfelzucker. Der kostenlose Shuttlebus von der Metro zur Redaktion rollt ebenfalls nicht mehr, das bedeutet jeden Morgen 15 Minuten Fußweg zusätzlich – und abends wieder.

Kurzfristig waren dann auch die Trinkwasserkanister weg (Leitungswasser trinkt hier keiner freiwillig), aber da immerhin kam nach Protestmails an den ganz, ganz großen Verteiler die Rückmeldung, der Lieferant sei bloß pleite, ein neuer aber schon gefunden. Wir sind also nicht allein mit dem Knapsen.

Das Ganze würde sich noch mehr nach sinkendem Schiff anfühlen, wenn nicht eine andere Tradition Bestand hätte. Sie gehört zum Freitag wie die Stille in der Redaktion, denn samstags erscheint keine Zeitung, also sind wir nur ein paar verstreute Onliner. Und könnten, wenn wir denn wollten, rüber in die Kantine gehen und dort die urrussische Art bewundern, in der sich dort Beständigkeit manifestiert:

Cognac

Ein Tablett mit Cognac-Gläsern, zwei Finger breit gefüllt, direkt neben der Kasse. S’war immer so, s’war immer so. Wer will, darf sich einen nehmen, kostenlos. Wer zwei nimmt, bekommt einen strafenden Blick.

Das Tablett steht da ab 8 Uhr morgens.

Erklär mir einer Russland

Dieses Video kann ich alle paar Wochen angucken, und immer erkenne ich etwas Neues wieder. Die marianengrabentiefe Überzeugung, dass ein Stück Papier durch jeden weiteren Stempel an Zauberkraft gewinnt. Der Wahnsinn, der folgt, wenn man glaubt, sich hier auf anderswo übliche Zeiten und Fristen verlassen zu können. Dass in komplett dienstlichen Situationen und bei hellichtem Tage plötzlich Alkohol ausgeschenkt wird.

Eine russische Beratungsfirma steckt hinter dem Clip, der zur Sensibilisierung westlicher Geschäftsleute für russische Eigenheiten gedacht ist. Sogar die Szene am Schluss, wo die pseudobegeisterten Mitarbeiter schmerzhaft lange in die Kamera winken müssen, fühlt sich komplett stimmig an.

Und ich kann mich bis heute nicht entscheiden, ob das gelegentlich holperige Englisch Absicht ist oder nicht.

(Danke an Polly für den Link, irgendwann damals.)