Vier Konzerthaus-Abende und ein Countertenor

Eine Woche mit vier Abenden im Konzerthaus Dortmund – Rekord, dachte ich erst. Aber da war ja die Christmas Show, damals™, als wir gefühlt jeden Adventsabend eine Vorstellung zu singen hatten, sonntags zwei. Nicht mal Kinderchor-Auftritte mit Heino und im WWF-Club hatten mich darauf vorbereitet: Tänzerinnen in Kostümen wie beim Eurovision Song Contest (BHs aus zwei halben Fußbällen! Lange Röcke, aus denen mit einem Handgriff Minikleider werden!), Solisten-Diven jeden Geschlechts, einschließlich „Kinder, ich kann so nicht arbeiten!“ Wir älteren Mitglieder im Chor reden noch heute von der Christmas Show wie unsere Großeltern von Nachkriegsdeutschland: Wir hatten ja nichts. Nur Kunstschnee und blinkende Lichter.

Abgesehen davon jedenfalls sind vier Abende Konzerthaus in einer Woche Rekord. Montag Generalprobe für Debussys „Nocturnes“ mit Stefan Solyom, Dienstag und Mittwoch die Aufführungen – aber das Highlight war dann doch der Donnerstag, diesmal mit Sitzplatz im Publikum statt Stehplatz auf der Bühne.

Philippe Jaroussky (Foto: Pascal Rest/Konzerthaus Dortmund)
Philippe Jaroussky (Foto: Pascal Rest/Konzerthaus Dortmund)

Ein Arienabend mit Philippe Jaroussky, Countertenor – von selber wäre ich nicht auf die Idee gekommen, aber was für ein großartiger Tipp! Viele Stücke für Virtuosen zum Angeben – legte man einem Feldwaldwiesensänger diese Arien auf den Notenständer, er würde in irres Lachen ausbrechen oder das Gewicht am Metronom stramm Richtung Lento schieben.

Philippe Jaroussky dagegen stolziert, gestikuliert, strahlt, haut eine Koloratur nach der nächsten raus – oder schwelgt in den ganz großen Gefühlen. Die Mimik muss man mögen, sonst erinnert es manchmal ein bisschen an Mr. Bean, aber selbst dann ist klar: So singt, wer eine Herausforderung gefunden hat und weiß, dass er ihr gewachsen ist. Und genau so klingt das dann auch, Stück für Stück, beliebige italienische Worte und eine Stimme, zu der einem so schnell nichts Vergleichbares einfällt.

Philipp Jaroussky (links) und Dirigent Andrea Marcon. (Foto: Pascal Rest/KOnzerthaus Dortmund)
Philippe Jaroussky (links) und Dirigent Andrea Marcon. (Foto: Pascal Rest/Konzerthaus Dortmund)
Wer mit Hören nicht ausgelastet ist, der kann ja gucken, auch darauf ist die Jaroussky-Show erkennbar ausgerichtet. Aber eigentlich ist die Musik da vorne mitreißend genug, das Venice Baroque Orchestra hat vor lauter Schmackes direkt mal entschieden, im Stehen zu spielen.

Einmal macht es peng, an der historischen Geige ist eine historische Saite gerissen, der Geiger geht ab. Zwei Minuten später, im selben Stück dasselbe Peng. Geiger zwei verschwindet. Der Mann an der Laute sieht aus wie Ralph Siegel, der Dirigent wie Salman Rushdie. Und all das ist ganz furchtbar egal, wenn Philippe Jaroussky singt.

Dies ist kein China-Blog

Muss man wohl mal sagen, dass es hier nicht nur um China gehen soll. Ja, die Chance, mit dem Medienbotschafter-Programm der Robert-Bosch-Stiftung nach Peking zu gehen, war der Anstoß. Der Impuls, den Hintern hoch zu kriegen und endlich wieder zu bloggen. Nicht mikro- wie bei Twitter, sondern so richtig. Makrobloggen. Lang ist’s her.

Kein Ausnahmesituation-Blog, das nach einem Vierteljahr wieder einschläft. Darum eben auch nicht nur China. Sondern auch: Dortmund, Alltag, Onliniges, Rheinland, Journalismus, Schalke, Anglophiles. Mal sehen. Und heute eben Chor. Hier ein paar Fotos von der Probe vorhin für das Orgelkonzert am Sonntag mit Iveta Apkalna. Schließlich hat das Konzerthaus Dortmund Geburtstag, da kann man auch mal einen raushauen: Mozarts Krönungsmesse. Wer sowas mag, wird es mögen.