Die besten Threads aus dem März

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Dieser Blogpost muss unbedingt heute veröffentlicht werden. Denn sonst ist plötzlich der 31., also Wahl in der Ukraine, und dann nützt euch das ganze Wissen nichts mehr, das Polina Ivanova zusammengetragen hat. Außerdem geht es diesmal auch um Fledermäuse, Fahrräder, den Brexit (gleich zweimal) und um Masern. Und wie immer gilt: Ein Klick auf den hier eingebundenen ersten Tweet öffnet jeweils den ganzen Thread. Viel Spaß!

1. Hintergrundwissen zur Ukraine-Wahl

Wer sind die Kandidaten, wofür stehen sie und was ist das für ein Land, in dem da gewählt wird? Worauf achten die Wähler in einem Land, in dem in den letzten Jahren 13.000 Menschen in einem bewaffneten Konflikt gestorben sind? All das zusammenzutragen war eine echte Fleißarbeit – ein Thread, nach dem man schlauer ist.

2. Brexit-Kuchen

Deutlich weniger klar terminiert als die Ukraine-Wahl ist der Brexit. Anstelle eines ähnlich klugen, hintergründigen Brexit-Threads gibt es also dies hier:

3. Brexit-Suche

Und hier erklärt ein Abgeordneter anhand der Zuschriften aus seinem Wahlkreis, warum es nicht so leicht ist „einfach für leave zu stimmen“. Denn: Welches „leave“ genau wollen die Wähler denn wohl?

4. Mehr als bloße Deutschtümelei

Als ich in Dortmund studiert habe, gab es Walter Krämer und seinen Verein Deutsche Sprache auch schon. Damals war mein Eindruck, dass da jemand nicht ganz ungeschickt seine Position an der Uni nutzt, um seinem Nicht-Uni-Projekt zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen. Krämers Klub machte so Sachen wie der Deutschen Bahn einen „Sprachpanscher“-Preis zu verleihen, weil der Infostand dort „Service Point“ heißt. Ehrlicherweise habe ich mich seitdem nicht mehr groß für Krämer interessiert – was möglicherweise ein Fehler war. Denn aus der Deutschtümelei ist eine sehr viel deutlichere Rechtsneigung geworden. Man kann das bei Übermedien nachlesen oder im folgenden Thread (vor dem es sich lohnt, einmal hier zu klicken).

5. Impfpflicht oder nicht?

Weil wir im Moment ja mal wieder über Masern und das Impfen reden bzw. reden müssen. Und weil mir bisher die Idee einer „Impfpflicht“ auch ganz einleuchtend erschien. Leute, die zu dem Thema forschen, sehen das naturgemäß ein wenig differenzierter:

6. Zwei Weltraumschildkröten

Es ist 1968. Nummer 22 und Nummer 37 sind bereit. Sie werden die Reise rund um den Mond und zurück zur Erde antreten. Endlich würdigt ma jemand diese beiden Weltraumschildkröten, wenn auch nur in einem Thread:

7. Weibliche Schamhaare im Wandel der Zeit

Wer das englische Wort „merkin“ nicht kennt, für den dürfte dieser Thread besonders lehrreich sein. Faszinierend und lustig und abseitig ist er ohnehin. „I didn’t want to be the only one who knew this“ – ja, das kann eine gute Begründung für einen Thread sein.

8. Frauen, Fahrräder und Selbstbestimmung

„Fahrräder gehörten zu den ersten Dating-Apps“. Schön pointiert, wenn auch auf Anhieb nicht so leicht nachvollziehbar. Es geht darum, dass das Rat es Frauen ermöglicht hat, etwas freier zu entscheiden, wie und mit wem sie ihre Zeit verbringen wollen. Das kam bei einigen männlichen Zeitgenossen nicht gut an:

9. Das MERL mal wieder

Wenn ich groß bin, werde ich Social-Media-Redakteurin beim Museum of English Rural Life. Die haben einfach so einen Spaß an ihrem Thema und am Geschichtenerzählen, es ist eine Wonne. Jüngstes Beispiel hier, einschließlich Bildungsauftrag: Woran erkennt man, ob eine Fledermaus männlich oder weiblich ist? Natürlich am Albino-Igel.

10. Wenn Frauen baden…

…dann haben sie natürlich eines dieser schicken Tabletts, die man quer auf die Wanne legen kann. Und darauf stehen die abwegigsten Dinge.

Mehr tun für Journalistinnen

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Erster Februar, der klassische Termin für gute Vorsätze. Zum Jahreswechsel hat Mina vorgelegt und über ihren Vorsatz gebloggt, 2016 weniger zu reden und mehr zu tun. Anderen zu Gehör zu verhelfen, die bisher noch nicht so oft gehört werden und sich erst etablieren müssen. Ihnen bietet sie konkrete Hilfe an: beim Entwickeln einer Präsentation, als Mitrednerin auf dem Podium, durch Erfahrungsaustausch.

Ich hab das gelesen und zwei Sachen gedacht. Erst: „Das könntest Du auch mal machen.“ Dann: „Das ist eigentlich sogar längst überfällig.“

Hier sollte nun also eigentlich ein längerer Motivationsabsatz stehen. Dass ich mir meiner Privilegien bewusst bin, die ich per Geburt mitbekommen habe. Dass mir vieles an Diskriminierung, die andere ausbremst, erspart geblieben ist. Dass mir beim Start in den Journalismus einige Leute geholfen haben, die das nicht hätten tun müssen – mit Rat, Kontakten oder einfach, indem sie mir einen Text, ein Thema, eine Aufgabe zugetraut haben.

Der Absatz wäre noch um einiges länger geworden. Aber die Kurzfassung ist eigentlich: Wer guten Journalismus will, muss gute Journalisten fördern. Und wer will, dass im Journalismus Frauen voran und endlich auch öfter nach oben kommen, der fördert Journalistinnen. Also, mein Angebot für 2016:

Einmal im Monat kann ich mir für ein Projekt von einer von euch Zeit nehmen. Vielleicht ist es die eine, große Geschichte, an der ihr immer wieder recherchiert habt, und die jetzt dringend mal jemand gegenlesen muss, der noch nicht so tief im Thema ist. Vielleicht wollt ihr ein Bewerbungsgespräch schon mal durchspielen, ehe es ernst wird. Oder einfach wen auf die Mappe mit den Arbeitsproben schauen lassen, der sich schon durch den einen oder anderen Stapel solcher Mappen gearbeitet und ein paar Jahrgänge Volos im Assessment-Center ausgesucht hat.

Kriterien? Abgesehen davon, dass es Frauen sein sollen, habe ich keine. Eher solltet ihr welche haben: Zum Themengebiet rund um Print, Nachrichtenagenturen, Online, Social Media kann ich sicher was Brauchbares beitragen, bei Radio und TV kommt es auf die konkrete Frage an. Auch über Stipendien und Auslandsaufenthalte können wir gerne reden.

Voraussetzung ist erst mal nur, dass ihr euch meldet, per Twitter oder per Kommentar hier unter diesem Blogpost. Den schalte ich dann nicht frei, sondern melde mich zurück.

Ich bin gespannt.

(Das Gemälde oben heißt „Колледж Девочек“ (Studentinnen), ist von Konstantin Istomin und hängt in der Neuen Tretjakowgalerie.)

 

Twitter-Nutzer fordern bessere Meldefunktion für Droh-Tweets

Am 4. August könnte es bei Twitter leise werden; noch leiser, als es das an einem Sonntag im Sommer ohnehin schon ist. Denn unter britischen Nutzern verbreitet sich gerade ein Boykott-Aufruf: keine Tweets, einen Tag lang. Die Idee kommt, soweit ich das zurückverfolgen konnte, von der Journalistin Caitlin Moran, wobei ihre Wortwahl recht milde ist für das, was passiert ist:

Sie spricht von Trollen, von Höflichkeit bei Twitter. Tatsächlich aber geht es um mehr, nämlich um angedrohte Vergewaltigungen. Ziel dieser Drohungen ist Caroline Criado-Perez. Sie hatte sich dafür eingesetzt, dass auf englischen Geldscheinen auch Frauen zu sehen sind.

Im Independent (Update: und im New Statesman) berichtet Criado-Perez, wie sie nach der Berichterstattung rund um die Zehn-Pfund-Note mit einem Porträt von Jane Austen unzählige Tweets erhielt, in denen ihr sexuelle Gewalt angedroht wurde. (Wer sich das antun will, kann einige dieser Tweets hier als Screenshots nachlesen.)

Die gute Nachricht: Criado-Perez wandte sich an die Polizei und wurde dort ernstgenommen. Die schlechte Nachricht: Bei Twitter dauerte es, bis sich jemand des Themas annahm. Zunächst, so berichtet Criado-Perez, habe sie sich an Mark S. Luckie gewandt, der bei dem Unternehmen für Journalismus und Nachrichten zuständig ist. Statt zu helfen, habe der aber bloß seinen Account gesperrt, so dass seine Einträge nicht mehr öffentlich sichtbar sind.

Luckie mag mit seinen Zuständigkeiten nicht der richtige Ansprechpartner bei Twitter gewesen sein. Eine etwas souveränere Reaktion als einen gesperrten Account kann man sich trotzdem problemlos vorstellen – und sei es nur ein „Bitte wenden Sie sich an…“ oder „Ich geb das weiter“. Zuständig fühlte sich schließlich, knapp zwei Tage nach Beginn der Drohungen, Tony Wang, Twitter-Chef für Großbritannien. Er verwies auf das bestehende Verfahren, mit dem Nutzer Twitter-Accounts melden können, die Hass und Gewaltaufrufe verbreiten.

Dass das allerdings – beim Melden wie bei der Prüfung durch Twitter – ein eher langwieriger Prozess ist, konnte man zuletzt bei einem deutschsprachigen Account beobachten. Bei Nutzer @1291helvetia74, der rechtsextremes Gedankengut verbreitete, dauerte es eine ganze Woche, bis der Account gesperrt wurde.

Wer sich das Procedere ansieht, mit dem man solche Twitter-Nutzer melden kann, merkt bald: Das mag bei einem einzelnen Pöbler gehen. Es hilft aber nicht, wenn sich ein Schwall an Hass über jemanden ergießt wie in den letzten Stunden über Caroline Criado-Perez:

Und das scheint dem Unternehmen auch durchaus bewusst zu sein:

Zum Vergleich: Bei Facebook gibt es bereits an jedem einzelnen Post die Möglichkeit, ihn schnell und einfach zu melden. Auf dem iPhone hat Twitter mit dem jüngsten Update eine ähnliche Funktion eingeführt. Als Begründungen kann man „Spam“ angeben, „Beleidigung“ oder die Vermutung, dass ein Account gehackt wurde; einen Grund wie „Hate Speech“ gibt es nicht. Und wer Twitter am PC nutzt, muss weiterhen den umständlichen Weg gehen.

Eine Petition, die Twitter auffordert, den vereinfachten Meldemechanismus auf allen Plattformen anzubieten, hat derzeit rund 15.000 Unterzeichner. Wenn das in der Woche bis zum 4. August nicht passiert, muss sich Twitter wohl auf einen Tag beredtes Schweigen einstellen.