Die besten Threads aus dem Juni

kscheib threads juni 2019

Wer in dieser Sammlung von Threads nicht vorkommt: @sixthformpoet. Kann sein, dass ich von der Sache mit Fräulein Read On noch besonders sensibilisiert bin. Kann auch sein, dass ich dem Menschen hinter dem Account damit Unrecht tue. Aber das, was er da als Selbsterlebtes präsentiert, klingt mir zu ausgedacht – erst recht, wenn da jemand gleich mehrere solche rundum absure Episoden erlebt haben soll. Alles ein bisschen zu schön, um wahr zu sein.

Ansonsten gilt wie immer: Ein Klick auf den ersten Tweet öffnet den ganzen Thread. Viel Spaß!

1. Toter Körper I

Zu wahr, um schön zu sein ist das Thema Verwesung. Großen Respekt also für diesen Thread, der den Prozess anhand eines toten Hamsters so unterhaltsam erklärt – ohne einem dabei irgendwelche Ekelbilder aufs Auge zu drücken.

2. Toter Körper II

Die Kaltmamsell hat auf diesen Thread hier hingewiesen, und was soll ich sagen: Die Frage, was bei der Auferstehung mit unserem Körper passiert, wenn wir zuvor von Kannibalen gefressen wurden, war mir in ihrer praktischen und theologischen Reichweite bisher noch nicht begegnet. Im Mittelalter hingegen scheint das ein ziemlich wichtiges Thema gewesen zu sein: „We’re surrounded by flesh vapor. It’s cool!“

3. Was Enron mit Siri zu tun hat

Ihr erinnert euch an Enron, den US-Energiekonzern, der in den frühen 2000-er Jahren aufgrund massiver Bilanzfälschungen auch außerhalb der Vereinigten Staaten über Monate hinweg in den Nachrichten war? Dass das einer der größten Wirtschaftsskandale der USA war, hätte ich wohl noch als Information parat gehabt. Dass aber die damals beschlagnahmten Emails später ohne viel Rücksicht auf die Privatsphäre ihrer Verfasser veröffentlicht wurden, und dass darauf heute von wissenschaftlichen Analysen bis zu Siri und Gmail vieles aufbaut – das hatte ich vorher noch nicht gehört.

4. Warteschlangenlektüre

Wenn’s mal wieder länger dauert in der Apothekenwarteschlange: Ein Thread zu der die Frage: „Was tun die eigentlich alle, anstatt mich hier zu bedienen? Vor allem die, die da im Hintergrund durchs Bild laufen?“

5. Tor für Thailand

1:5 haben die Fußballerinnen aus Thailand bei der Weltmeisterschaft gegen Schweden verloren, vorher waren sie bereits mit 0:13 gegen die USA untergegangen. Was dieses eine Tor im Schweden-Spiel für die Mannschaft und ihre Führung bedeutet hat, erzählt dieser Thread hier:

6. Der erste Bundesumweltminister

Wenn man im Wörterbuch unter „verbockt“ nachguckt, steht dann da eigentlich ein Verweis, „siehe: Kommunikationsstrategie der CDU im Sommer 2019“? So viel, was schief geht – der Umgang mit Rezo, dieses laute Nachdenken, ob das mit der Meinungsfreiheit nicht vielleicht ein bisschen zu weit geht, wenn sich da ein paar Dutzend YouTuber zusammentun, nicht zu vergessen die Nummer, wie die CDU plötzlich den Atomausstieg erfunden hat. Und dann war da noch diese Sache hier. Ja, Walter Wallmann war tatsächlich der erste Bundesumweltminister. Ob es allerdings eine gute Idee ist, mit ihm im Jahr 2019 für sich zu werben – nun ja.

7. Vatertag

Vatertag ist, wenn in Deutschland Betrunkene mit dem Bollerwagen rumfahren und in den USA Menschen ihre Gefühle in Tweets gießen. Dazu den einen Thread auszusuchen, war nicht so einfach – der mit dem dem Müllauto ist schon auch sehr schön. Letztlich musste es dann aber doch dieser hier sein, einfach weil er den Familienalltag mit einem schrulligen Vater so wundervoll beschreibt.

8. Die Klimakrise im Bus

Keinen anderen Thread hat es mir diesen Monat so oft in die Timeline gespült wie diesen hier.

9. Zuhause bei Hodscha

Mehr als 40 Jahre hat Enver Hodscha Albanien als Diktator regiert, und wie viele Gewaltherrscher hat er die im Land geltenden Regeln für sich selbst deutlich großzügiger ausgelegt. Das und noch mehr zeigt sich beim Besuch seiner Villa:

Die neue Moschee in Moskau – ein Rundgang auf Socken

Sicherheitsschleuse, Tasche durchleuchten lassen, quer über den Hof zum Fraueneingang der Moskauer Moschee. Schuhe ausziehen und ins Regal, Kopftuch aus der Handtasche kramen – als Frau in Moskau ist das ein vertrauter Griff.

Kann schließlich immer sein, dass man an einer orthodoxen Kirche vorbei kommt und sie gerne besichtigen würde. Wer dann ein eigenes Tuch dabei hat, muss sich nicht auf eines der Leihexemplare einlassen, die am Eingang verteilt (und anschließend an die nächste unbetuchte Besucherin weitergereicht) werden.

Heute also mal keine Kirche, sondern die riesige neue Kathedralmoschee. Keine fünf Monate ist die Eröffnung her, trotzdem war es eine andere Welt, in der wir damals lebten: Putin und Erdogan im Schulterschluss beim gemeinsamen Rundgang – so viel Eintracht zwischen den beiden ist heute schwer vorstellbar.

Ein Blick durch den Innenraum der Moschee

 

Sulfija Ismailowa, die uns herumführt, erzählt von den unterschiedlichen Nationalitäten, die am Bau der Moschee beteiligt waren. Ja, die prächtige Kuppel mit ihren Blautönen haben türkische Künstler ausgemalt: Koranverse in goldener Schrift, weiter unten eine Auswahl der Namen Allahs, „leider nur 40, für alle hat der Platz nicht gereicht.“

Die alte Moschee war längst zu klein geworden, zur neuen hat Sulfija allerlei Zahlen mitgebracht. 1500 Kilo schwer der Kronleuchter, 79 Meter hoch das Minarett, 57 Meter die Kuppel, oben drauf 12 Kilo Blattgold, innen drin Platz für 10.000 Gläubige und daher, mit denen in Rom und London, eine der größten Moscheen Europas. In den Teppich unter unseren Sockenfüßen ist ein Muster eingewebt, das für ordentliche Reihen an Betenden sorgt, alle mit demselben Abstand.

Noch interessanter als die Zahlen zum Bau und dem Auffrischungskurs zum Thema Islam (die fünf Säulen sind hier im Gebäude tatsächliche Säulen, neben jeder steht eine kleine Vitrine, etwa mit einem hellen und einem dunklen Faden für den Ramadan) ist aber, was Sulfija nebenbei erwähnt.

Dass „Allah“ schlicht „Gott“ bedeutet und nicht auf den Islam begrenzt ist – Schulwissen, klar. Aber dass arabische Christen „Allah“ sagen und damit die Dreifaltigkeit meinen, ist schon sehr viel anschaulicher. Als Sulfija die Regel erwähnt, dass man anderen Menschen nur das wünschen soll, was man sich selber wünscht, stehe ich plötzlich in Gedanken wieder an Kants Grab in Kaliningrad.

Zum Schluss gibt es nicht nur ein Wiedererkennen, sondern auch noch ein kleines Russisch-Erfolgserlebnis: „Wir dürfen nicht behaupten, dass unsere Religion besser ist als andere“, erklärt Sulfija, „Nur Gott ist der Richter.“ Den Nachsatz verstehe ich, ehe er aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt wird. Schließlich haben wir ihn vergangenes Jahr im Chor gesungen – als Teil eines Rachmaninow-Stücks mit russisch-orthodox geprägtem Text.