Echt, drei Tage in Tiflis, und du bist für Moskau komplett verdorben. Die freundlichen Menschen! Das grandiose Essen! Die fußgängertauglichen Straßen! Besonders cool an Fabrika, dem Ort, wo wir mit dem Team von Coda Story getagt haben, waren die viele Graffiti – mal schauen, vielleicht wird das noch mal ein separater Blogpost.
Eh das hier jetzt aber komplett in Richtung Georgien-Verklärung kippt, reden wir besser mal über Guram Kashia. Er spielt nicht nur für die georgische Fußball-Nationalmannschaft, sondern auch für den niederländischen Verein Vitesse Arnheim. Als sich unlängst alle Clubs der Eredivisie – also der obersten Liga in den Niederlanden – zusammentaten und ihre Kapitäne mit Regenbogen-Armbinde auflaufen ließen, sollte das ein Zeichen gegen Homophobie sein.
Für Kashia war es der Beginn massiver Anfeindungen. Georgische Fußballfans und Journalisten fordern seitdem, dass er nicht mehr für die georgische Nationalmannschaft spielen darf. Mehr zum Thema gibt es bei der Washington Post.
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⚽ Angriff ist die beste Verteidigung, das gilt auch, wenn sich die Fans daneben benehmen: Beim Europa-League-Spiel gegen Rosenborg Trondheim haben Anhänger von Zenit St. Petersburg den Gästeblock auseinandergenommen. 700 Zenit-Fans waren zu dem Spiel nach Norwegen gereist, 80 Sitze waren hinterher kaputt. Nachdem Trondheim sich bei der UEFA über den Vandalismus der russischen Gäste beschwert hatten, ging Zenit in die Offensive: 80 kaputte Sitze? Jahaaaa, aber der Gästeblock war ja auch gar nicht richtig ausgerüstet für eine Match dieser Klasse.
Da, heißt es weiter, seien schließlich spezielle, vandalismusfeste Sitze üblich. „Zenit will sich nicht der Verantwortung für von unseren Fans verursachte Schäden entziehen“, zitiert TASS aus einem Statement des Vereins. Von böser Absicht könne aber keine Rede sein: „Solche Dinge passieren, wenn die Gasttribüne nicht richtig vorbereitet ist.“ Anders gesagt: Unsere Fans sind keine Vandalen! Sie machen bloß Sitze kaputt, wenn die nicht vandalismusfest sind. (Die UEFA interessiert das übrigens nicht, sie ermittelt trotzdem.)
⚽ „Russische Nationalmannschaft wird Weltmeister im 7-gegen-7-Fußball“, schreibt Argumenty i Fakty – und ich muss erst mal recherchieren, was das ist. Das Ergebnis ist interessant und, mit Blick auf Russland, ermutigend: Bei dieser Fußball-Variante, die auf Deutsch „CP-Fußball“ heißt, treten Sportler gegeneinander an, die nach einer Hirnschädigung im Kindesalter oder nach einem Schlaganfall Probleme haben, ihre Bewegungsabläufe zu kontrollieren. Um Weltmeister zu werden, hat Russland die Nationalmannschaft von Guatemala 4:2 geschlagen.
Ein großer Fortschritt im Vergleich zu noch vor wenigen Jahrzehnten: Als Moskau 1980 die Olympischen Sommerspiele ausrichtete, weigerten sich die sowjetischen Offiziellen, auch die Paralympics zu veranstalten. Offizielle Begründung: Bei uns gibt es keine Behinderten! Auch heute ist das Thema Behinderung hier kein einfaches, aber immerhin: 2014 hat Russland in Sotschi sowohl die Olympischen als auch die Paralympischen Winterspiele ausgerichtet.
⚽ Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Er setzt seine Felder und den Rasen von Dynamo Moskau instand. Ja, man kann schon mal lyrische Anwandlungen bekommen bei den Motiven, die der Telegramm-Kanal „Historical Football“ so verbreitet. Dieses Motiv aus dem Frühjahr 1935 ist aber auch einfach zu schön, das muss hier einen Ehrenplatz bekommen.
«Весенняя посевная». Подготовка футбольного поля стадиона «Динамо» к сезону после реконструкции. Москва, 1935 г. pic.twitter.com/AZTviyNZHv
— ВК «Динамо» Москва (@vcdynamo) March 20, 2013
„Frühjahrsaussaat: Das Spielfeld im Dynamo-Stadion wird im nach dem Umbau für die Saison vorbereitet“, heißt die Bildunterschrift in der Sammlung historischer Aufnahmen auf der Internetseite des Vereins. Die lohnt ohnehin das Stöbern – auch wegen dieser Aufnahme der allerersten Dynamo-Mannschaft aus dem Jahr 1924.
⚽ Zur Halbzeit in der Premjer-Liga versucht sich Russian Football News an einer Zwischenbilanz. Leider ist das Ergebnis eher gut gemeint als gut gemacht – es sei denn, man steht auf stream of consciousness und atemlose Endlossätze. Aber gut, für den Fall, dass hier ein Hardcore-Fan von Achmat Grosny, Amkar Perm, Anschi Machatschkala oder Arsenal Tula mitliest: Hier findet ihr Teil 1 der Halbzeitbilanz.
⚽ Ein Update ist nötig, vielleicht sogar eine Korrektur zur Russball-Folge der vergangenen Woche. Dort hatte ich einen Bericht von RBK zitiert, wonach Russland rund eine Million US-Dollar bezahlt, damit Argentinien seine Nationalmannschaft zu einem Freundschaftsspiel nach Moskau schickt. Nun allerdings hat sich Witali Mutko zu Wort gemeldet, Russlands oberster Fußballfunktionär.
Russlands Fußballverband habe nichts für diese Begegnung gezahlt, zitiert ihn die staatliche Nachrichtenagentur TASS, und hätte Mutko an dieser Stelle aufgehört, es wäre ein hartes Dementi. Doch es folgt ausführliches Lavieren über Kosten für Unterkunft, Flüge, Trainingseinrichtungen, Transfers der Gäste, es ist die Rede von „einem gewissen System an Interaktionen zwischen den Nationalmannschaften“. Will sagen: Russland hat vielleicht (noch?) nichts bezahlt für das Freundschaftsspiel. Aber wenn so eine Aufwandsentschädigung für die Anreise, Unterkunft etc. sich nun auf eine Million Dollar summiert, na dann…
Die Argentinier, das steht jedenfalls fest, sind schon mal in Moskau eingetrudelt. Und dieses Twitter-Video, bei dem sie aus einem Minibus steigen, hat bei fußballinteressierten Russen schon viel Spaß ausgelöst. Schließlich gehört das Fahren mit solchen „Marschrutkas“ zum Alltag all jener Moskauer, die nicht im unmittelbaren Zentrum der Stadt unterwegs sind.
[SELECCIÓN MAYOR] Los jugadores de @Argentina comenzaron a llegar a #Rusia. Leo Messi y @Mascherano ya lo hicieron 👇 #YoAmoAMiSelección 🇦🇷 pic.twitter.com/QGYvuazwY8
— Selección Argentina (@Argentina) November 6, 2017
⚽ Nur noch 217 mal schlafen, dann ist auch schon Fußball-Weltmeisterschaft. Moskaus Stadtverwaltung hat direkt mal durchgezählt, wer denn da wohl alles anreist und woher. Ergebnis: Mehr als die Hälfte aller Hotelreservierungen in Moskau während der WM kommt von Menschen aus nur drei Ländern: den USA (22 Prozent), China (16) und Mexiko (15). Insgesamt sind rund 60 Prozent der verfügbaren Hotelzimmer in Moskau bereits belegt.
Heißt das also, dass die größten Fangruppen bei der WM aus diesen drei Ländern kommen werden? Nicht zwingend. Gerade in diesen letzten Wochen des Jahres, wo wir den Resturlaub verbraten, ist uns doch allen präsent, wie leicht sich ein reserviertes Zimmer auch wieder stornieren lässt – online oft sogar bis einen Tag vor der Ankunft. Auf solche Stornierungen müssen sich Moskaus Hoteliers sicherlich einstellen. Denn auch, wenn die Fans optimistisch geplant haben – weder die USA noch China haben sich für die Weltmeisterschaft qualifiziert.
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Falls ihr übrigens auch mit der Idee spielt, zur WM im nächsten Jahr nach Russland zu kommen: Es gibt neuen Infos zu den Zügen, in denen Fans kostenlos vom einen Austragungsort zum anderen fahren dürfen. Keine ideale Lösung, wenn man nach Jekaterinburg will, aber für kurze Strecken wie Moskau – St. Petersburg durchaus machbar; erst recht, wenn man mehr Zeit als Geld hat.
Besonders empfehlen kann ich nach meinen Zugerfahrungen hier in Russland die „Lastotschka“, übersetzt „Schwalbe“ – ein Schnellzug, neu, schick und oft sogar mit WLAN. Alles weitere hier – macht’s gut und bis nächste Woche!