Sochi, Moskau und die Sicherheit

„Wie ist das denn während Sochi mit der Sicherheit in Moskau?“ Die Frage kam jetzt öfter, und die kurze Antwort ist: Weiß ich nicht. Noch nicht lange genug da, noch nicht genug den Blick geschult.

Was ich weiß, ist: Wenn ich zur U-Bahn gehe, sehe ich zwischen Haustür und Bahnsteig immer ein halbes Dutzend Uniformierte, oft mehr. „Uniformierte“ klingt ungelenkt, aber sie sind schwer zu unterscheiden: Polizisten, ja. Schwarze Sheriffs vom einen Einkaufszentrum. Grüngefleckte Sheriffs vom anderen. Manchmal entpuppt sich einer als Schaffner oder als Mensch, der privat Bomberjacke und Stiefel trägt, aber ja, ein halbes Dutzend auf 15 Minuten Fußweg sind es immer.

Ich weiß, dass das nichts Besonderes ist. Schon vor zwei Jahren sah man reichlich Sicherheitskräfte in der Metro – bei Fußballspielen zum Beispiel noch eine ganz eigene Einheit. Oder auch Soldaten, oft noch sehr jung, mit kleinen, kurzhaarigen Köpfen und zu großen Kappen, ein ganz eigenes Kindchenschema. Jedenfalls sind demonstrativ sichtbare Sicherheitskräfte schon deshalb nicht der Zeit der Winterspiele vorbehalten, weil Moskau Moskau ist, mit ständiger Angst vor Anschlägen am Flughafen oder an Metro-Haltestellen.

Sicherheit Metro Moskau Ich weiß, dass es irgendjemand für eine kluge Idee gehalten hat, in der Haltestelle Wystawotschnaja/Delowoi Zentr Fotos von Sicherheitsleuten aufzuhängen. Mit Schäferhund, mit Gewehr im Anschlag, mit Handgranate. Zu Pferd, mit Kindern, das Kreuz eines Priesters küssend. Vermutlich soll man sich davon sicherer fühlen.

Was ich weiß, ist, dass der ersten Tipps einer Russland-Erfahrenen, als sich unser Umzug abzeichnete, war: „Guck in der Metro keine Uniformierten an, das gibt nur Ärger.“ Das widerstrebt mir ganz massiv und weckt die Renitenz – warum soll ich weggucken, sollen die doch weggucken – aber dann hab ich es eilig, den Pass nicht dabei oder sonst einen Grund, gucke also weg und fühle mich irgendwo zwischen feige und pragmatisch.

Was ich inzwischen weiß, ist, dass sie mich wohl eh nur bei akuter Langeweile kontrollieren würden. Denn wer kontrolliert wird, der sieht anders aus.

Zweimal bin ich umgestiegen heute beim Metrofahren. In beiden Fällen standen am Übergang von einer Linie zur anderen Polizisten und überprüften die Papiere von Menschen, die nach Nordkaukasus oder Zentralasien aussehen. (Dazu lohnt es sich auch, diesen Blogpost zu lesen.) Dass Menschen aus dieser Region hier – gelinde gesagt – schief angeguckt werden, beschränkt sich nicht auf den dienstlichen Blick eines Polizisten, es gilt genau so für private Blicke.

Wie es ist während Sochi mit der Sicherheit in Moskau? Ich weiß es nicht.

Was Douglas Adams die Kondome sind, das ist Clare Balding der #Sochitrolley

Anfang der Neunziger hat Douglas Adams in Göttingen aus „Last Chance To See“ gelesen, seinem Buch über bedrohte Tierarten. In einer Anekdote geht es um Delphine im Jangtsekiang. Adams ist mit einem Fernsehteam unterwegs und will Unterwasseraufnahmen machen, um zu verdeutlichen, wie laut es dort im Fluss ist – die Delphine macht der Lärm orientierungslos.

Der BBC-Toningeneur hat kein Unterwassermikro dabei, aber eine Idee. Mit einem Kondom soll ein normales Mikro wasserdicht gemacht werden. Also: Kondomkaufen in Shanghai, ohne Chinesischkenntnisse. Mit Pantomime können sie ihr Anliegen zwar vermitteln, bekommen aber statt Kondomen Verhütungspillen ausgehändigt.

„Not want rubberover, pill better!“ – „No“, Mark said, „we definitely want rubberover, not pills.“ – „Why want rubberover? Pill better!“ – „You tell him“, said Mark. „It’s to record dolphins“, I said, „or, not the actual dolphins, in fact – what we want to record is the noise in the Yangtze that… it’s to do with the microphone…“ – „Oh, just tell him you want to fuck somebody“, he said, „and you can’t wait.“

Am Ende kaufen sie neun Kondome, sicherheitshalber. Die Unterwasseraufnahme gelingt.

Was eine ziemlich lange Anekdote ist, um zu vermitteln, wie kreativ gerade Fernsehleute bei Einsätzen manchmal sein müssen. Und seit gestern weiß ich, wer die legitimen Nachfolgen von Douglas Adams und seinem BBC-Team sind: Reporterin Clare Balding und ihr Team – auch von der BBC. Sie sind in Sochi im Einsatz, samt Arbeitsgerät: dem Sochitrolley.

Irgendeinem Supermarkt fehlt jetzt ein Einkaufswagen. Dafür hat das BBC-Team eine eigene Schaltzentrale auf Rädern, mit Scheinwerfern, Monitor, Getränkehalter, Rucksackhaken, BBC-Logo, Regenschirmen – ein Einsatzwagen. Und neuerdings auch ein Renner bei Twitter.

Mehr als 2500 Tweets mit dem Hashtag #Sochitrolley gab es in den ersten 24 Stunden, seit der Trolley erstmals erwähnt und gezeigt wurde, mindestens einmal war der Begriff auch schon trending topic.

Ziemlich sympathisch, dieser Spaß am Improvisieren und am Möglichmachen. Und klar, dass die BBC nun regelmäßig dafür sorgt, dass der Einkaufswagen im Bild ist. Mal sehen, wie lange der Ruhm des #Sochitrolley noch reicht – der Nachfolger lauert schon.