Russball, Folge 64: Gryffindor, Slytherin oder Jenissei?

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Eventuell habe ich in der Dezember-Ausgabe versäumt, mit einem meiner Weihnachtsgeschenke anzugeben. Darum hier kurz nachgereicht: Zwei 100-Rubel-Scheine, die nie im Umlauf waren. Es sind Sonderbanknoten zur Fußball-Weltmeisterschaft, im Supermarkt bekäme man für beide zusammen zwei Kilo Äpfel. Aber auf die Idee kommt eh keiner, schließlich sind das Sammlerstücke.

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Auf der Vorderseite ein Kind, das zuschaut, wie Lew Jaschin nach einem Ball hechtet. Auf der Rückseite die Namen der Gastgeberstädte und eine russische Fahne aus jubelnden Fans. Ich hab die Scheine extra auf einen roten Untergrund gelegt, damit man sieht: Sie sind aus Plastik und an mehreren Stellen durchsichtig – eines von mehreren Sicherheitsmerkmalen. Wer eine Idee hat, wie man die Scheine gut präsentieren kann (rahmen und aufhängen?), möge doch bitte Bescheid sagen. Danke!

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⚽ Im Januar erinnern gläubige Russen daran, wie Jesus im Jordan getauft wurde. Sie tun das, indem sie Löcher in das Eis zugefrorener Flüsse oder Seen hacken und dort dann ins Wasser gehen und dreimal untertauchen (sehenswertes TASS-Video hier, wenn ihr ein bisschen runterscrollt). Manchmal hat das Loch sogar die Form eines orthodoxen Kreuzes. Bei ordentlichen Minustemperaturen, wie wir sie zuletzt hier in Moskau hatten, kann es sich sogar wärmer anfühlen, ins Wasser einzutauchen, als wenn man vorher in Badesachen am Ufer rumsteht.

Nicht nur Glaubensgründe bringen Menschen dazu, so die „Kreschenie“ zu begehen. Angeblich wird, wer das Eiswassertauchbad übersteht, das folgende Jahr lang nicht krank werden. Ob das auch gilt, wenn man wie die Lokomotiv-Spieler schnell mal im Persischen Golf untertaucht – ich weiß ja nicht.

⚽ Apropos Loko. So kann’s gehen: Ein paar Stunden, nachdem ich den Dezember-Newsletter verschickt hatte, erschien bei Instagram ein Post von Erik Stoffelshaus: „Nach zwei wundervollen Jahren in Moskau habe ich entschieden, dass es Zeit ist für etwas Neues in meinem Leben – daher gebe ich meine Position als Sportdirektor bei Lokomotive Moskau auf.“ Wäre ich mal bloß nicht so jahresendtugendhaft gewesen, die Russball-Folge schön früh morgens zu veröffentlichen – dann hätte ich den Abgang noch in der Ausgabe drin gehabt.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Dear friends, after two wonderful years in Moscow, I decided it was time for something new in my life – that's why I give up my position as the Sporting Director of Lokomotiv Moscow. But not without saying thank you. Thank you for a time that will remain in my memory forever. Celebrating the cup victory and the long-awaited third championship with this club – that was something very special. And one thing is clear: I‘m leaving as the Sporting Director, but I will stay as a supporter of this magnificent club. Thanks for everything and see you soon! Дорогие друзья! После двух замечательных лет в Москве я решил, что настало время для чего-то нового в моей жизни – поэтому я снимаю с себя обязанности спортивного директора «Локомотива». Но не без слов благодарности. Спасибо за время, которое я всегда буду вспоминать с теплотой как в спортивном, так и в бытовом плане. Праздновать вместе с этой командой победу в Кубке России и долгожданный третий титул Чемпиона – это было нечто особенное. И ясно одно: я ухожу как спортивный директор. Но я остаюсь ярым поклонником этого замечательного клуба. Спасибо за все и до скорой встречи! #локомотив #fclokomotiv #рпл #тольколоко #самыйлучшийколлектив

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Jetzt, einen Monat später, reicht wohl eine schnelle Zusammenfassung dessen, was sich da bei Loko getan hat: Erst ging Präsident Ilja Gerkus, dann folgte Stoffelshaus. Trainer Juri Sjomin dagegen bleibt, als neuen Präsidenten hat sich der Verein Wassili Kiknadse ausgesucht, der seit 2013 zum Aufsichtsrat gehört und Sportjournalist ist. Mal sehen, ob der dieselbe Hasen-Instagram-Kompetenz mitbringt wie Gerkus.

⚽  Eine Neuverpflichtung bei Twitter/Instagram/Facebook zu verkünden, das ist ja inzwischen schon eine kleine Kunstform für sich. Der FK Jenissei Krasnojarsk hat vor ein paar Tagen eine solche Perle des Genres veröffentlicht, dass ich sie in all ihrer Low-Budget-Brillanz hier unbedingt zeigen muss.

„Schwierig, sehr schwierig,“ murmelt der sprechende Hut, der heute mal nicht über Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw oder Slytherin entscheiden soll, sondern über einen neuen Verein für Mittelfeldspieler Konstantin Sawichtschew. Gute Technik, Schnelligkeit, Talent… das kann nur eines heißen: „Jenissei!“ (Am schönsten ist eventuell das Lächeln, das sie Sawitschew da ins Gesicht montiert haben.)

⚽  Jetzt muss man schon „im vergangenen Jahr“ sagen, wenn man von der Fußball-Weltmeisterschaft hier in Russland spricht. Das ändert nichts daran, dass es immer noch reichlich Berichterstattung gibt über ihre Folgen. Zum Beispiel sind von den 650.000 Menschen, die zur WM mit einer Fan-ID (einer Art Visums-Ersatz, ohne den man auch nicht ins Stadion kam) eingereist sind, 5500 immer noch im Land. Laut Andrej Kajuschin, der im Innenministerium den Bereich Migration leitet, waren es zum Jahreswechsel, als die IDs ihre Gültigkeit verloren, sogar noch 12.000 Leute. Die Sicherheitskräfte hätten diese Zahl bereits auf 5500 reduziert, so Kajuschin, alle anderen sollten bis Ende März deportiert werden.

⚽  Noch eine WM-Folge, auch hier geht es um eine Statistik, aber mit willkommenerem Ergebnis: Scheremetjewo in Moskau war 2018 einer der zehn Flughäfen in Europa mit dem höchsten Passagieraufkommen. In den Jahren davor hat es immer ganz knapp nicht geklappt, Scheremetjewo – dessen altes Terminal übrigens nach dem Vorbild des Flughafens Hannover gebaut wurde – landete meist auf Platz 11. Dann kam die WM, brachte gut 14 Prozent mehr Reisende und machte Scheremetjewo damit auch zum europäischen Flughafen mit dem größten Passagierwachstum. Sorry, Fiumicino!

⚽  WM-Spiele gab es in Moskaus Dynamo-Stadion nicht, das steckte zu der Zeit noch im Umbau. Inzwischen ist es wieder eröffnet und gehört jetzt zur sogenannten VTB-Arena, die auch noch eine Eishockeyhalle und ein großes Einkaufszentrum umfasst. Wie sich all das rechnen soll, hat Wedomosti aufgeschrieben. Die Hälfte der Verkaufsfläche wurde demnach von Geschäften gemietet, die Sportwaren verkaufen.

Schwierig könnte es werden, Restaurants und Cafés zu finden, die sich in der Arena einmieten wollen: Weil der Einkaufsbereich zu einer Sportstätte gehört, darf dort nach russischem Recht kein Alkohol ausgeschenkt werden. Trotzdem gehen Fachleute dem Bericht zufolge davon aus, dass der Shopping-Bereich des Komplexes nach acht bis zehn Jahren seine Baukosten wieder reingeholt hat. Zum ersten Heimspiel empfängt Dynamo dann am 10. März Spartak, wenn endlich die Winterpause vorbei ist.

⚽  Bis zum 16. Januar konnte die Hand heben, wer Nachfolger von Witali Mutko als Chef des russischen Fußballverbandes RFS werden will. Die Frist ist vorbei, Kandidaten gibt es genau einen: Alexander Djukow, ein Zenit- und Gazprom-Mann. Beim Fußballverein ist er Präsident, bei Gazprom Neft Vorstandsvorsitzender. Als Forbes 2018 das Vermögen reicher Russen ausgerechnet hat, standen bei Djukow am Ende 500 Millionen Dollar. Nach seiner Wahl Ende Februar plant er „keine Revolutionen“, zumindest bei der Nachwuchsförderung sieht er aber Verbesserungsbedarf.

⚽ Ihr erinnert euch noch an Tschertanowo Moskau, den Verein mit der beeindruckenden Nachwuchsarbeit? Gerade feiern sie dort wieder, weil zwei ihrer jungen Spieler Verträge bei Spartak unterschrieben haben. Nail Umjarow (18) und Maxim Gluschenkow (19) brachten dem Club, der sie ausgebildet hat, zusammen 37,5 Millionen Rubel Ablöse ein, das ist eine halbe Million Euro. „Denkt dran, die Türen unserer Schule stehen für euch immer weit offen“, schrieb Tschertanowo in seinem Gratulationstweet – dieselbe Schule, in der Sergej Pinjajew gelernt hat, Tore wie dieses hier zu schießen.

Sergej Pinjajew ist übrigens 13 Jahre alt. Doch, wirklich. Dreieinhalb Millionen Menschen haben sich dieses Tor bisher bei Instagram angesehen, aber Aufmerksamkeit bei Social Media ist Sergej ja gewohnt: Nachdem er im November sieben Spieler der gegnerischen Mannschaft ausdribbelte, twitterte Russlands Nationalmannschaft einen Clip davon und schrieb dazu: „Glaubt ihr, wenn er älter ist, spielt er mal in der Nationalmannschaft?“

⚽  Vielleicht haben die Erfolge von Tschertanowo-Spielern ja mit dazu beigetragen, dass Spartak nun mehr in die Nachwuchsarbeit investieren will: „Hunderte Fußballschulen“ sollen dazu in den nächsten fünf Jahren in Russland und anderen GUS-Staaten entstehen, nach einem Franchise-Prinzip. Für so eine große Zahl klingt der erste Schritt recht klein: Tatsächlich konkret geplant sind erst mal neun Stück, unter anderem in Moskau, St. Petersburg, Tula und Krasnojarsk.

⚽ Sports.ru hat sowjetische Zeichentrickfilme gesammelt, in denen es um Fußball geht. Trickfilme waren in der Sowjetunion sehr populär, sie heißen auf Russisch „Multfilm“ wegen der Vielzahl einzelner Bilder, die nötig sind, damit der Eindruck einer Bewegung entsteht. Darum hieß das bekannteste Trickfilmstudio auch Sojusmultfilm – das „Sojus“ kommt vom russischen Wort für „Union“, wie in Sowjetunion.

In den gesammelten Filmen spielen zum Beispiel Bären gegen Hasen, Kuscheltiere gegen Fußballer-Figuren und Kosaken gegen deutsche Ritter. Das geht sogar komplett ohne Worte:

Hübsch ist auch ein Blick auf die Nutzerkommentare, die sich bei YouTube unter diesem Film angesammelt haben. Vor Beginn der WM schreibt da jemand: „Hat unsere (russische) Nationalmannschaft das gesehen? Falls ja, habe ich eine Frage: Schämen die sich nicht?“. Nach der WM, bei der Russland seine Fans bekanntlich begeisterte und Deutschland die seinen enttäuschte, klingt das anders: „Würde die deutsche Nationalmannschaft so spielen wie hier, sie gewänne alle Turniere.“

⚽ Ach so, und der BVB wird übrigens nicht Deutscher Meister. Sports.ru hat das mal durchgerechnet und kommt zu dem Schluss: „Favre und Witzel haben die Borussia stärker gemacht, aber sie wird wohl kaum Meister werden.“ Den ganzen, tiefgehenden Text mit allerlei Statistiken und Diagrammen gibt es hier. Tl;dr: Es wird doch wieder der FC Bayern.

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So ist das, eine Russball-Folge während der Winterpause: viel Buntes und Hintergründiges, wenig auf’m Platz oder im Stadion. Apropos: Der Guardian hat Beispiele von Fußballvereinen gesucht, bei denen die komplette Bevölkerung ihres Heimatortes ins Stadion passt. Ja, Hoffenheim ist auch dabei.

Die nächste Russball-Folge gibt es Ende Februar – dann nicht mehr aus der Heimatstadt von Lokomotive, Spartak. Dynamo und ZSKA, sondern aus der von Hertha und Union. Bis dahin, macht’s gut!



 

Russball, Folge 57: Was von der WM übrig bleibt

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Sag mal, Russland. So hatten wir aber nicht gewettet! Ich wollte doch noch ein bisschen schwelgen, ein wenig den WM-Afterglow genießen. Nach dem Finale (neun Freunde aus fünf Ländern vor einem Fernseher, grob je die Hälfte für Frankreich und für Kroatien) hatte ich mich auf den Weg Richtung Stadtzentrum gemacht, um mich noch einmal treiben zu lassen in dieser Menschenmenge.

Leute, die vor dem Erlöserturm um ein Handy mit angeschlossenem Lautsprecher tanzen. Eine Prozession trommelnder, trillerpfeifender Menschen, die kurz darauf ebenfalls beginnen zu tanzen. Spontaner Applaus von Passanten, wann immer ein Grüppchen Kroaten vorbeikommt. Frankreich-Fans, die im Brunnenbecken hinter dem GUM feiern und sorgfältig darauf achten, möglichst viele Zuschauer nass zu machen. Und dann, zuletzt, das langsame Geschiebe über die proppenvolle Nikolskaja. „Hey, hey, qui ne saute parle pas français!“ Eine Frau hält ein weißes Shirt hoch, auf das sie geschrieben hat: „Danke, Fußballfans, dass ihr keine Angst hattet, nach Russland zu kommen!“

wm nikolskaha shirt

Wie gesagt, für mich hätte das gerne noch ein bisschen so weitergehen können. Aber nein, am Tag danach veröffentlicht eine große russische Zeitung einen unsäglich rassistischen Kommentar über die vielen Schwarzen in der Weltmeistermannschaft. Aus mehr als einer WM-Stadt kommen Meldungen, dass die Infrastruktur rund um die Stadien bereits bröckelt. Ein Video macht die Runde, in dem offenbar ein Polizist die Pussy-Riot-Aktivisten verhört, die beim Finale aufs Spielfeld gerannt waren. „Wie schade, dass nicht mehr 1937 ist“, hört man ihn sagen. Das war die Zeit, in der Stalin massenweise politische Gegner verschleppen und ermorden ließ.

Für n-tv.de hatte ich für den Tag nach der WM einen fiktiven Ausblick auf Russland nach der WM geschrieben, durchaus süffisant. Darüber, was von der WM bleibt und was wieder dem Alltag weichen muss. Liebes Russland, ganz ehrlich: Ich mag da befangen sein, aber meine Variante hat mir besser gefallen.

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⚽ Woran man auch merkt, Dass die WM vorbei ist: Die in den vergangenen Wochen ausgesprochen zurückhaltenden Moskauer Polizisten lassen sowas hier nicht mehr durchgehen:

⚽ Normalerweise ist es ja gerne mal so, dass man erst einen Artikel liest und dann beim Blick in die Kommentare den Glauben an die Menschheit verliert. Bei diesem Text von Sport Express ist es andersrum: „Fans von Torpedo sind gegen Wechsel eines dunkelhäutigen Russen“ ist er überschrieben, es geht darin um eine Fangruppierung des FK Torpedo Moskau. Die protestiert online gegen die Verpflichtung von Erving Botaka. Botaka ist Russe, seine Fußballjugend verbrachte er bei Torpedo, nun kehrt er dorthin zurück. Was eine Gruppe von Ultras zu Posts wie „Auf unserem Trikot gibt es Schwarz, aber in unseren Reihen nur Weiße“ veranlasst. So weit, so dumm.

Deutlich dagegen halten aber viele der Leserkommentare unter dem Artikel. „Ist es nicht Zeit, solche ‚Fans‘ plattzumachen“, fragt einer, ein zweiter schlägt etwas milder vor: „Einfach diesen Abschaum nicht ins Stadion lassen. Das ist die beste Entscheidung, von der alle profitieren.“ Ein anderer Kommentator fühlt sich von der Haltung der Fangruppe an „die Neunziger des vergangenen Jahrhunderts“ erinnert, muss sich aber seinerseits korrigieren lassen: „Wohl eher an die Steinzeit.“ Den einen Leser schließlich, der unter dem Artikel munter rassistische Parolen postet, haben die anderen bereits weit nach unten gevoted.

⚽ Einen erfreulichen WM-Effekt dokumentieren derzeit die Kollegen von Russian Football News: überraschend gut gefüllte Stadien. Selbst Russlands Top-Vereine mussten sich bisher ins Zeug legen, um ihre Ränge voll zu kriegen. Da sind solche Bilder hier schon beeindruckend, erst Recht für ein Zweitligaspiel:

⚽  Stell dir vor, du bist Fan von St. Pauli und bekommst mitgeteilt, dass dein Verein ab sofort FC Garmisch-Partenkirchen heißt und dorthin auch umzieht. Weil da halt ein tolles Stadium rumsteht, was irgendwie mit Leben gefüllt werden muss. Sowas passiert hier gerade in Russland.

Denn da steht nun also in Sotschi dieses Stadion, das zwar bei den Olympischen Spielen, dem Confed Cup und der WM ein paar Mal gebraucht wurde, aber ansonsten – höflich gesagt – nicht allzu ausgelastet ist. Es gibt nicht mal einen örtlichen Verein, der dort in Zukunft spielen könnte. Also wird ein anderer Club umgetopft, vom finnischen Meerbusen runter ans Schwarze Meer: Dynamo St. Petersburg soll künftig PFK Sotschi heißen. Was das für die Fans in Petersburg heißt, scheint dabei niemanden so recht zu interessieren. Aber was sind schon knapp 30 Stunden Autofahrt zu einem Heimspiel, wenn man seinen Verein wirklich liebt.

⚽ Habt ihr das mit den Nigerianern mitbekommen? Dutzende von ihnen sind während der WM in Russland gestrandet – eingereist per Fan-ID, weil ihnen dubiose Vermittler erzählt hatten, sie könnten hier Arbeit in Fabriken oder sogar als Profifußballer finden. Die Rückflugtickets haben besagte Vermittler dann storniert, den Betroffenen blieb nichts übrig, als vor iher Botschaft zu warten und um Hilfe zu bitten. Inzwischen sieht es so aus, als ob sich die nigerianische Regierung wohl ihrer annehmen und sie zurück nach Hause holen wird.

⚽ Was mir fehlen wird: Die regelmäßigen Podcast-Gespräche mit Max vom Rasenfunk. Gestern haben wir das vorerst letzte aufgezeichnet, und dafür, dass ich beim ersten mal im Dezember noch ziemlich Muffensausen hatte (Was, wenn der von mir jetzt echte Fußballexpertenfragen beantwortet haben will?), ist mir dieses Format echt ans Herz gewachsen. Max hat mich jedes Mal beeindruckt als gut informierter und so ziemlich an allem interessierter Gesprächspartner, bei dem man in guten Händen ist. Jemand, der Spaß daran hat, sich auch mal zu einem abwegigen Thema zu verquatschen, aber gleichzeitig ein gutes Gefühl davon, wann es dann auch gut ist. Was er da während der WM gewuppt hat, ist bemerkenswert.

⚽ Es sprach der Scheich zum Emir: Jetzt zahlen wir, und dann gehn wir. Es sprach der Emir zum Scheich: Zahlen wir nicht, und gehn gleich! Einer dieser Vatersprüche, mit denen ich aufgewachsen bin – nie hätte ich damit gerechnet, dass ich ihn mal irgendwo sinnvoll anbringen könnte. Aber so kann’s gehen:

Da saß nun also der Gastgeber der nächsten WM, der Emir von Katar, im Restaurant des superschicken Moskauer Hotel Lotte und bestellte dort ausgerechnet einen Latte. Getrunken hat er ihn vermutlich, bezahlt aber nicht, weshalb die Kellnerin nun die Gäste nebenan fragt, ob sie die Rechnung nicht vielleicht bezahlen wollen. Weder der Journalist Jamil Chade noch sein Begleiter wollten das. Eine lustige Begebenheit, die damit endet? Aber nein.

Am Tag darauf twitterte Chade, die Hotel-Security habe ihn soeben rausgeworfen, als einzigen Journalisten. Warum? Erst keine Angabe, dann ein Missverständnis, schließlich: Chade habe mit seinem Tweet die Privatsphäre des Emirs verletzt. Dass er als derjenige, bei dem die Kellnerin versucht hatte, das Geld einzufordern, unmittelbar von der Emir’schen Zechprellerei betroffen war – offenbar kein Argument. Chade, der den ganzen Vorfall für O Estado de S. Paulo, Brasiliens älteste Tageszeitung, aufgeschrieben hat, zog folgende Bilanz:

⚽ Erinnert ihr euch an die Frage vor der WM? Wird das denn auch alles rechtzeitig fertig, die Stadien, die Straßen, die Fußwege? Die Antwort hieß „ja“, aber nun, kaum dass die WM vorbei ist, merken wir: Sie hieß eigentlich „ja, aber…“ Es hat zwar alles gerade noch rechtzeitig geklappt, aber wer so auf den letzten Drücker baut, baut eben nicht gerade für die Ewigkeit. Wir Moskauer kennen das von Bürgersteigen, die huschhusch hübsch gemacht werden, dann nach dem ersten Winter wie eine Buckelpiste aussehen, also wieder neu aufgehübscht werden. Es ist ein Zyklus.

So begab es sich also, dass ein Regen fiel in Wolgograd. Ziemlich ausdauernd, ja, es war die Niederschlagsmenge von zwei Monaten innerhalb von 24 Stunden. Ergebnis: Dieser asphaltierte Hang neben dem Stadion… sagen wir mal so: Heute ist er weder Hang noch asphaltiert. Schuld war nach Angaben der Stadtverwaltung das Fundament des neuen Stadions, das so gebaut sei, dass das Wasser nicht anständig abgeleitet wurde. Ähnlich in Nischni Nowgorod: Schon vor ein paar Wochen hatte der Blogger Ilja Warlamo darauf hingewiesen, dass da vielleicht das ein oder andere Abflussrohr gut täte. Dann kam der Regen und unterspülte so manches, was gerade erst gebaut oder hübsch gemacht worden war. Witze wie diesen hier haben sich die Architekten also selber eingebrockt:

„Schaut nur, wie das Stadion von Saransk, das zur WM 2018 gebaut wurde, nach einem leichten Regen aussieht. Einfach beschissen.“

⚽ Die WM-Infrastruktur und die Frage, was aus ihr wird, steht auch im Mittelpunkt des Fazits, das Sports.ru von der Weltmeisterschaft zieht. Doch es geht auch um Größeres, um Grundsätzliches. Es ist ein philosophischer Text geworden und es lohnt sich, daraus eine ganze Passage zu zitieren:

„Es hat sich gezeigt, dass es irgendwo in diesem Universum ein prächtiges, strahlendes Russland gibt, in dem es möglich und nötig ist, das Leben zu genießen und nicht bloß zu überleben. Wir lebten vier schöne Wochen lang in einem hastig aufgebauten Potemkinschen Dorf, das in kürzester Zeit einstürzen würde, wenn wir nichts dagegen tun. Wir haben gelernt, dass wir unter bemerkenswerten Bedingungen leben können, und dass wir nun lediglich vom Staat (und von uns) verlangen müssen, all das Schöne zu erhalten, was für die ausländischen Gäste gebaut wurde.“

Ein guter Einstieg für einen kleinen Bilanzblock: Wer zieht sonst so welches Fazit aus der WM?

⚽ Die Reporter des Guardian: Diese Mischung aus Sportlichem und russischem Alltag gefällt mir sehr. Und die Mottokuchen zu den einzelnen Spielen auch.
⚽ Das Sportblatt „Sowjetski Sport“: Dort haben sie schon mal durchgerechnet, was passiert, wenn am Donnerstag das neue FIFA-Ranking veröffentlicht wird. Ein Sprung nach oben für Russland, eventuell um ganze 32 Plätze, dank der guten WM-Leistung.
⚽ Die russischen Zeitungen: Irgendwo zwischen „Russisches Rebranding“, Stolz und „Schau mal, wie viel Geld wir verdient haben“

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Zum Schluss noch die Antwort auf eine Frage, die einige von euch in den vergangenen Tagen gestellt haben: Wie geht es weiter mit dem Russball? Die einfache Antwort ist: Das kommt auf euch an. Ich werde den Newsletter diesen Monat noch wöchentlich schreiben, so lange es viel nachzuberichten gibt. Danach dann in größeren Abständen, also vielleicht monatlich oder wenn irgendwas Besonderes anfällt. Denn: Mir macht das zwar weiterhin Spaß, aber ich will auch niemanden zuspammen. Außerdem spiele ich mit dem Gedanken, vom Mittwoch auf einen anderen Wochentag zu wechslen – demnächst ist wieder Chorsaison, und wir proben dienstags.

Damit auch ihr eure Zukunft planen könnt, kommt ganz zum Schluss noch ein Servicehinweis: Die Fan-ID soll bis Ende des Jahres als Visumsersatz gelten, man kann damit also weiterhin nach Russland reisen. Was erst eine Ankündigung Wladimir Putins nach dem Finale war, liegt nun bereits als Gesetzentwurf in der Duma auf dem Tisch. Noch vor Monatsende soll darüber abgestimmt werden. Also, wenn jemand von euch Tipps für Russlandreisen auch abseits der WM-Austragungsorte sucht: Gerne fragen!



 

Russball, Folge 56: Das Gute am frühen WM-Aus für Deutschland

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Das ist ja nun schon ein bisschen her, dass Deutschland bei der WM rausgeflogen ist. Aber erst in den letzten Tagen ist mir aufgefallen, was daran der eine, große Vorteil ist: Man hat Zeit, Lust und Energie, alle möglichen anderen Teams anzufeuern – ganz ohne nervige strategische Hintergedanken wie „Oh Mann, die spielen echt gut, hoffentlich werfen die dann nicht in der nächsten Runde meine Mannschaft raus.“

Mit einer englischen Freundin in einer Fußballkneipe für England jubeln gegen Kolumbien. In einer Bar immer wieder auf die Stelle im Fenster gucken, wo sich der Fernseher um die Ecke spiegelt, während Belgien Brasilien rauswirft. Auf der Abschiedsfeier eines Freundes, der Moskau verlassen wird, um den Fernseher rumsitzen, den der Vermieter netterweise partytauglich an der Küchenwand angebracht hat, und den einen russischen Partygast herbeibrüllen, weil der genau in dem Moment eine rauchen ist, als Russland sein erstes Tor schießt. Ich find’s ganz schön, das alles tun zu können, ohne mich zu fragen: Könnte die deutsche Mannschaft denn auch gegen den Sieger bestehen? Diesmal ist von vorne herein klar: Nein, könnte sie nicht. Da guckt man gleich viel entspannter.

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⚽ Oh Mann, Russland! Wie schade, dass das jetzt alles vorbei ist – dieser Jubel, bei dem du am Anfang auch noch nicht so richtig wusstest, wie das eigentlich geht und ob das alles erlaubt ist, und dem du dich dann innerhalb weniger Tage so richtig hingegeben hast, einschließlich alberner Outfits und Schminke.

Als Rheinländerin muss ich voller Respekt sagen: Da waren Kostüme und großflächig aufgetragene Schminke zu sehen, mit denen man sich auch im Kölner Karneval nicht hätte schämen müssen. Und dann diese Lautstärke! Ich wollte Jubelfotos aus dem Fenster machen nach dem Spiel gegen Kroatien, stattdessen waren die Straßen leer. Auf dem Heimweg saßen zwei Frauen, in Flaggen gewickelt, vor einem Supermarkt und trösteten einander. Und ich dachte: Das kann ja wohl nicht alles sein.

War’s ja dann auch nicht, am Tag drauf, nachdem Russlands Medien schon Bilanz gezogen hatten, hat sich die Nationalmannschaft auf dem Fan-Fest bejubeln lassen. Es muss, wenn man dieses Video hier guckt, ein ziemlich beeindruckender Moment gewesen sein. Der Auftritt in den Sperlingsbergen wurde schnell zum Trending Topic bei Twitter, den Spielern auf der Bühne sieht man an, wie sehr sie am Tag nach der Niederlage diesen Zuspruch genießen. Vielleicht am besten gefallen hat mir aber dieses Geschenk eines Fans an den russischen Kapitän, Igor Akinfejew: statt der goldenen Ananas gab es einen Blumenstrauß aus Tomaten.

Klugerweise setzt das Kommunikationsteam der russischen Nationalmannschaft aber nicht nur auf Jubelbilder. Bei Twitter wurde ein Foto veröffentlicht, das den Fuß von Spieler Ilja Kutepow zeigt – als „weiterer Beweis, dass die Mannschaft alles getan hat, was möglich war, und noch mehr. Die Verletzung stammt aus der ersten Halbzeit, da lagen noch 100 Minuten vor uns…“

⚽ Was das russische WM-Aus auch bedeutet: Keine Ablenkung mehr, während der man die geplante Rentenreform durchdrücken könnte. Na, immerhin gilt weiterhin das Demonstrationsverbot in allen Gastgeberstädten, der Protest ist also weniger sichtbar als sonst.

⚽ Wir müssen dann auch noch über Artjom Dsjuba sprechen. Nicht so sehr wegen seiner wirklich schönen Instagram-Aktion, bei der er nach dem Ausscheiden Doppel-Selfies mit jedem einzelnen seiner Mannschaftskollegen gepostet hat mit der Bildunterschrift „Meine Kämpfer! Mein Stolz!“. Auch nicht wegen der Sache mit dem Salutieren. Der Grund, weshalb wir über Dsjuba reden müssen, ist das Einstichloch in seiner Ellenbeuge.

artjom dsjuba instagram

Die Süddeutsche Zeitung hat sehr sorgfältig aufgedröselt, was dieser Einstich an dieser Stelle bedeuten kann und was eher nicht – das russische Argument, es sei Venenblut abgezapft worden zwecks Gesundheitskontrolle, ist demnach wohl wenig glaubwürdig. Und die ganze Nummer mit der Ammoniakschnüffelei, von der man ja rund um die russische Mannschaft mehrfach gehört hat, ist dort auch erklärt. Tatsächlich ist Ammoniak – viele kennen vielleicht eher den Begriff Riechsalz – hier in Russland recht weit verbreitet. Einer Freundin, die hier beim Arzt nach einer Spritze umgekippt ist, hat man auch so ein Stinkefläschchen unter die Nase gehalten, damit sie wieder zu sich kommt. Wozu die Anwendung im Sport gut sein soll, ist hier erklärt.

⚽ Diese Boulevardgeschichte aus Nischni Nowgorod hatte einfach alles: Eine Apothekerin, die das Wort „Austragungsort“ wohl zu wörtlich genommen hatte und Kondome verkauft, in die sie Löcher gepiekst hatte. Zitate der Apothekerin, in denen sie ihr Tun damit rechtfertigte, den russischen Genpool durch ein paar, sagen wir mal… Beiträge ausländischer Fans bereichern zu wollen: „Haben Sie gesehen, was da für Jungs zu uns gekommen sind? Einer schöner als der andere, schlank, klug, sportlich.“ Sogar ein Foto der Frau hatte Bloknot.ru veröffentlicht.

Nur echt scheint die Geschichte halt nicht gewesen zu sein. Inzwischen ist sie von der Website verschwunden, nur an der URL erkennt man noch die Überschrift des früheren Artikels. Da bin ich ja regelrecht froh, vorher noch einen Screenshot gemacht zu haben von der Umfrage, die sich irgendein Redakteur dazu passend ausgedacht hatte: „Muss der russische Genpool verbessert werden?“: Eine leichte Mehrheit der Leser hat das mit „ja“. beantwortet.

bloknot.ru nischni nowgorod apothekerin ente

⚽ Für Themen rund um Sprache und Fremdsprachen bin ich bekanntlich ja immer zu haben (hier, hier oder hier zum Beispiel). Entsprechend angetan war ich von einem Artikel der BBC, der mir neulich in die Hände fiel. Er erklärt, wie sich die belgischen Spieler auf dem Platz verständigen – schließlich haben sie ja keine einheitliche Muttersprache. Mehr will ich hier gar nicht vorweg nehmen, sondern scheibe einfach in bester Buzzfeed-Manier: Die Antwort wird euch überraschen. Oder so.

⚽  Wie großartig ist denn bitte „8 Bit Football“? Und warum begegnet mit dieser Account erst jetzt, wo die WM auf der Zielgeraden ist?

⚽ Was für eine schöne, traurige Idee für eine Reportage: AFP hat eine Reporterin in den Donbass geschickt, also in die Ostukraine. Kriegsgebiet. Das Fußballstadion von Donezk wird nicht mehr als solches gebraucht, aber ein Café im Gebäude zeigt die WM-Spiele. Die Einwohner der Stadt, für die sonst eine abendliche Ausgangssperre gilt, dürfen an den Spieltagen länger nach draußen. Über dem Eingang des Cafés hängt ein Schild, „Zutritt nur ohne Waffen“. Eine Geschichte über die Liebe zum Fußball an einem Ort, wo für Liebe derzeit wenig Raum ist. (Foto hier.)

⚽ Viele haben sich gewundert, damals, als über die russischen WM-Austragungsorte entschieden wurde und Krasnodar nicht dabei war. Saransk, wirklich? Dieses Kaff mit kaum 300.000 Einwohnern? Und dann hat Krasnodar ja auch noch dieses unfassbare Stadion mit der riesigen Videowand! Wie es sich anfühlt in diesen Tagen, Fußballfan in Krasnodar zu sein und die WM-Spiele nur im TV sehen zu können? Ivan Nechepurenko hat sich mit vor den Fernseher gesetzt.

⚽ Ich bin ja aus Nordrhein-Westfalen und habe, als ich da noch gelebt habe, keine allzu guten Erfahrungen mit CDU-Ministerpräsidenten gemacht. Jürgen Rüttgers, Kinder statt Inder, unzuverlässige Rumänen, ihr erinnert euch. Das nur vorneweg, weil ich dennoch hier einen Tweet vom aktuellen NRW-Ministerpräsidenten einbetten will. Denn dazu war ich nun auch lange genug Journalistin in NRW, um Armin Laschet abzunehmen, dass ihm Integration und der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit ein Anliegen sind.

Dass Mesut Özil sich mit Erdogan fotografieren lassen hat, empfinde ich weiterhin als Zeichen von – mindestens – fehlendem Urteilsvermögen und politischer Naivität. Aber dieser PR-Spin, wonach das nun also ein entscheidender Faktor beim deutschen WM-Aus gewesen sein soll, und wobei Forderungen nach einem Statement von Özil als Ablenkung von anderen Kritikpunkten herhalten müssen – da nehmen Menschen sehr bewusst in Kauf, Nazis Argumentationsmaterial zu liefern. Wenn also nun der DFB im Allgemeinen und Oliver Bierhoff im Besonderen zeigen, zu wie viel Opportunismus sie in der Lage sind, wenn sie unter Druck geraten, ist es wichtig, so deutlich dagegenzuhalten, wie Laschet das hier tut.

⚽ Noch ein politisches Thema, es ist ein bisschen kompliziert, darum hier ganz chronologisch: 1. haben nach dem Sieg Kroatiens über Russland ein kroatischer Spieler und einer aus dem Trainerstab ein Video gepostet, in dem sie „Slawa Ukraini“ rufen, Ehre der Ukraine. Dafür ist 2. Domagoj Vida, der Spieler, von der FIFA verwarnt worden und 3. Ognjen Vukojevic aus dem kroatischen Trainerstab rausgeworfen worden. („Slawa Ukraini“ war hier in Russland tagelang trendig topic bei Twitter.)

Damit ist die Geschichte noch nicht vorbei. Manche Russen finden 4., dass das eine zu milde Strafe ist, wogegen 5. manche Ukrainer finden, es hätte überhaupt nicht bestraft werden sollen. Was sie, 6., auf der FIFA-Facebookseite mit lauter Ein-Stern-Bewertungen unterstreichen. Außerdem hat nun der ukrainische Fußballverband angeboten, Vidas Strafe zu zahlen – eine Ankündigung, zu der sich der Verbandschef extra ein kroatisches Leibchen angezogen hat. Ich habe keine Zweifel, dass es in den nächsten Tagen weitere Drehs zu dem Thema geben wird.

⚽  „In Deutschland hat eine Frau die WM kommentiert. Jetzt wird sie gehasst.“Unter dieser Überschrift versucht Sports.ru, seinen Lesern zu erklären, was Claudia Neumann in den letzten Tagen für einen Dreck abbekommen hat und warum: „Die deutschen Zuschauer waren dafür (also für eine kommentierende Frau) nicht bereit“, heißt es in dem Text als Erklärungsversuch – und das, obwohl doch die Mehrheit der Deutschen es Umfragen zufolge gut finde, wenn Frauen als Kommentatorinnen arbeiten.

⚽ Zum Schluss noch eine Transfermeldung. Nein, kein Ronaldo – der ist ja, hüstel, schon recht früh hier aus Russland abgereist und passt darum in diesen Newsletter nicht hinein. Stattdessen geht es um Bryan Idowu. Von ihm war hier vor ein paar Wochen schon mal die Rede: nigerianischer Nationalspieler, aufgewachsen in Russland, schwarz. Was das für seinen Alltag bedeutet und wie oft oder wie selten ihm Rassismus begegnet, hat er schon mal in einem Interview erzählt. Nun hat sich der amtierende russische Meister Idowu geschnappt: In der neuen Saison wird er für Lokomotive Moskau spielen.

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So, wenn ihr bis hierhin gelesen habt, ist es ja auch nicht mehr lange bis zum zweiten Halbfinale, #itscominghome und so. Diese beiden Russen hier sind jedenfalls ganz klar für England – egal, wie die politischen Beziehungen zwischen ihren Ländern sind:

Bis nächste Woche – das ist dann schon die erste Russball-Ausgabe nach der WM, Mannmannmann. Aber erst mal euch allen viel Spaß mit den restlichen drei Spielen!



Russball, Folge 51: Ein russischer Verein lockt Ronaldo

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Zum Start muss ich kurz etwas richtigstellen: In der letzten Russball-Folge sind mir bei einem verlinkten Text Spartak und ZSKA durcheinandergeraten – das kommt davon, wenn man parallel mit zu vielen offenen Tabs hantiert. Netterweise hat sich Witali Leonow, der den Artikel über ZSKA geschrieben hat, gemeldet und auf meinen Fehler hingewiesen. In der Blog-Version ist er bereits korrigiert, ich wollte aber heute auch noch alle Newsletter-Leser darauf hinweisen – sorry!

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⚽ Nun steht also auch der russische WM-Kader, weder Konstantin Rausch noch Roman Neustädter haben es reingeschafft. Die 23 Namen, die man bis zum Turnierbeginn kennen sollte, hier also im Überblick. Und nein, natürlich gibt es solch eine Entscheidung nicht ohne Kritik – die Mehrheit der Leser von Bombardir.ru zum Beispiel ist unzufrieden, wie die Umfrage unter diesem Artikel hier zeigt. Ähnlich klingen die Kommentare, die Championat.com gesammelt hat. Tenor: „Die Titanic ist auf Kurs.“

⚽ Wie teuer ist die russische Nationalmannschaft, und wieviel Geld bringt sie ein? Sport Express beantwortet diese Fragen in zwei separaten Artikeln und geht dort jeweils die großen Turniere der vergangenen Jahre durch. Aussagekräftiger wäre das ja, wenn man Ausgaben und Einnahmen pro Jahr jeweils auf einen Blick sähe, ohne von einem Text zum anderen springen zu müssen.

Darum hier zum Vergleich: Für die WM 2014 in Brasilien kommt Sport Express auf Kosten von rund 17 Millionen Euro, wovon das Gehalt von Trainer Fabio Capello allein 7 Millionen ausmachte. Eingenommen habe die Mannschaft im Gegenzug etwas über 8 Millionen Euro, der Artikel nennt die Zahlen in Dollar: 1,5 Millionen für die geschaffte WM-Quali, weitere 8 Millionen für die Teilnahme an der Gruppenphase. Wer sich noch weiter in das Thema reinlesen will: Hier gibt es die Ausgaben seit 2011, hier die Einnahmen ab 2002.

⚽ Christiano Ronaldo will ja wechseln, hört man, weg von Real Madrid. Der FK Jenissei Krasnojarsk ist jetzt kein russischer Spitzenclub im klassischen Sinne, hebt aber schon mal die Hand und macht mit einem Tweet auf sich aufmerksam, in dem er sich als Alternative zu Madrid und Manchester positioniert:

Die Botschaft der Bilder kann man vielleicht so zusammenfassen: Ja, okay, bei den Top-Vereinen gibt es große Stadien, du gewinnst Trophäen, kannst dir schicke Autos und ne Villa leisten. Bei uns fährt man Lada (man beachte das Nummernschild), wohnt in einfachen Häuschen – aber dafür zahlt du hier auch weniger Steuern! Tatsächlich liegt der Steuersatz in Russland bei gerade mal 13 Prozent, und wir wissen ja alle, wie wichtig das Thema für Christiano Ronaldo ist.

⚽ Langweilige Überblicke über die WM-Stadien haben wir inzwischen ja alle genug gesehen und gelesen. Bei diesem hier hat der Autor hingegen mal so richtig auf die Sahne gehauen. Schon der Einstiegssatz gibt die Richtung vor: „Es ist eine wenig bekannte Tatsache, dass Fußballfans zu den intelligentensten Menschen auf dem Planeten gehören.“

Im selben Stil dann auch die Einzelkritik, so blumig, dass man sie im englischen Original wiedergeben muss: „a bit of a stinker“ ist das Stadion in Jekaterinburg, „your classic Allianz Arena knock-off“ das in Saransk und die Arena in Rostow ganz einfach „booooooooring“. Okay, beim Fischt-Stadion liegt er mit seiner Einschätzung komplett falsch – das sage ich mal so als Fußballfan, also als einer der intelligentesten Menschen auf diesem Planeten.

⚽ Die Stuttgarter Kinderzeitung wollte ihren Lesern kurz vor der WM mal erzählen, wie ein Tag eines russischen Schülers aussieht. Also war ich an der Moskauer Schule Nummer 1955 und habe dort Dmitrij durch seinen Schultag begleitet. Er ist Spartak-Fan, lernt Deutsch, diskutiert gerne – wir mussten also nicht lange nach Gesprächsthemen suchen.

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Wenn es gut klappt, entstehen beim Schreiben für Kinder manchmal Texte, die klarer sind als die für Erwachsene. Ich bin bestimmt nicht die einzige, die schon mal in einer Redaktionskonferenz gesessen hat, wo vorgetragen wird, was welche Agentur zu einem Thema berichtet – und am Ende jemand sagt: „Also, die beste Meldung ist eigentlich die vom dpa-Kinderdienst.“) Wenn’s schief geht allerdings, dann sind Journalistentexte für Kinder albern, betulich, von oben herab und irgendwie dutzidutzidutzi.

Ich hab also an Patenkind 1 und 2 gedacht, was die wohl gerne lesen würden und auch gut selber lesen können. In kurzen Sätzen, anschaulich, das war der Anspruch. Ob’s geklappt hat, könnt ihr hier nachlesen. Ich freu mich über Feedback, von euch oder von euren Kindern.

⚽ Was man nicht unterschätzen darf, ist übrigens, wie sehr sich die Moskauer Metro in die WM-Vorbereitungen stürzt. Durchsagen, Schilder, Personal, alles wird da auf Englisch getrimmt, die Mitarbeiter sollen außerdem lernen, höflich zu sein und auch mal zu lächeln. Englisch, höflich, wer fällt einem dazu ein? Genau, Kanada. Journalisten von CBC waren es also, die sich mal genauer angesehen haben, wie dieses Training für Metromitarbeiter funktioniert.

Ergebnis: eine Reportage und ein Foto vom Lehrmaterial, zum Genießen. Denn da werden die englischen Floskeln kyrillisch verlautschriftlicht. (Danke an Pascal Dumont, dass ich das Bild hier verwenden darf.) Wenn euch in der Moskauer U-Bahn demnächst also jemand ein fröhliches „Ju a welkem“ entgegenschleudert, ein leises „Ekskju mi“ oder ein hellwaches „Gud moning“, wisst ihr, woher das kommt!

#5

⚽ Anderes Verkehrsmittel, gleicher Ansatz: Moskaus Taxifahrer werden auch geschult in Sachen Englisch. Jedenfalls diejenigen, die eine besondere Lizenz bekommen wollen, mit der sie nah ans Stadion heranfahren dürfen, um dort Passagiere abzusetzen oder aufzusammeln. Knapp 5000 Fahrer sollen sich darum beworben haben.

Hübsch in der Reportage aus diesem Kurs: Die These eines Fahrers, dass man eigentlich nur eine Floskel beherrschen müsse: „One thousand“, Rubel nämlich, das sind 14 Euro. Für Fahrten in der Innenstadt ein ziemlich hoch angesetzter Preis, die Reporterin fragt also nach, ob das keine Abzocke sei und somit schlecht für das Image der Stadt. Einer der Fahrer hält dagegen: „Wenn ein Mensch zur Arbeit geht, worum geht es ihm dann – um Moskaus Image oder ums Geldverdienen?“

⚽ Fragen, von denen ich auch nicht dachte, dass sie hier mal gestellt werden: Wie sieht eigentlich ein Fallrückzieher in der Schwerelosigkeit aus? Die Antwort kommt von der russischen Raumfahrtbehörde Roscosmos. Der Ball, mit dem in dem Video auf der ISS gespielt wird, ist inzwischen wieder auf der Erde, rechtzeitig zum WM-Beginn. Er soll nämlich beim Eröffnungsspiel zwischen Russland und Saudi-Arabien verwendet werden.

⚽ Panama ist dieses Jahr zum ersten Mal für die WM qualifiziert. Der Präsident hat daraufhin den Trainingsanzug der Nationalmannschaft angezogen und ein Gesetz unterschrieben, wobei dieses Ereignis ab sofort mit einem eigenen Feiertag gewürdigt wird. Ich stell mir das jetzt mal kurz mit Angela Merkel vor – die hätte in ihrer Amtszeit schon so einiges zu unterschreiben gehabt, und wir ein paar Feiertage mehr. Die Panama-Anekdote stammt aus einem Projekt von 120 Minuten, das zu jedem WM-Teilnehmerland eine Geschichte gesammelt hat.

Wie Schweizer Fußballer gegen Chiracs Atomtests protestiert haben, wie italienischstämmige Austalier zu ihrer Fußball-Nationalmannschaft stehen, dass der Iran seinen bisher einzigen Sieg bei einer WM ausgerechnet gegen die USA holte – hab ich alles vorher nicht gewusst und mir bei 120 Minuten mit viel Spaß erlesen. Egal, welches Team ihr bei der WM unterstützt – hier gibt es eine hintergründige Geschichte zu ihm.

⚽ Vom schwarzen Humor, mit dem russische Fußballfans ihrer Nationalmannschaft gegenüberstehen, war hier ja schon öfter die Rede, wir erinnern uns an die Sache mit dem Slogan für den Bus. Daraus kann man ableiten, dass es kein ganz einfacher Job ist, Social-Media-Mensch der Sbornaja zu sein. Ab und zu gelingt es einem vielleicht, zu vermeiden, dass man eine ungewollte Vorlage liefert. Aber dann gibt es halt doch immer wieder mal ein Bild, wo es unvermeidbar ist.

„Die Puppen spielen sicher auch nicht schlechter“ – „Gesprächspartner gefunden“ – „Was? Gegen die habt ihr auch verloren?“ – „Da ist die Verstärkung.“ Es war eine Vorlage, und die Fans haben sie verwandelt.

⚽ Thielko Grieß war für den Deutschlandfunk draußen in Watutinki, sich das WM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft ansehen. Geht natürlich nicht, alles abgesperrt, oder Baustelle, oder abgesperrte Baustelle. Trotzdem ist es ein anschauliches Stimmungsbild geworden über Moskau, ganz kurz vor der WM: „Bauunternehmen verdienen viel an dieser WM. Und für viele andere ist Fußball nicht die größte Leidenschaft, aber wenn das Turnier schon mal im eigenen Land stattfindet, kann man es sich ja auch anschauen. Wer weiß, vielleicht wird es ja doch ganz interessant, diese Sache mit dem Ball und den Stadien und den Spielern und Fans von überall her.“

⚽ Ihr erinnert euch an die Studenten der Lomonossow-Universität, die gegen die Fanzone direkt vor ihrer Haustür protestieren? Sie haben Angst, vor vollgepinkelten Grünflächen, vor betrunkenen Fans, vor allem aber vor dem Lärm an allen Spieltagen, mitten in der Prüfungsphase. Wie nah an der Uni das Party-Areal hochgezogen wird, zeigt diese Fotostrecke hier ganz gut.

Drei Studierenden droht nun ein Prozess. Sie sollen auf eine Litfaßsäule nahe der Uni den Slogan „Keine Fanzone!“ geschrieben haben. Das fällt unter Vandalismus, das Strafmaß reicht laut Vedomosti von einer Geldstrafe bis hin zu drei Jahren Haft. Aktuell sind die drei nach ihrer Festnahme vorläufig wieder auf freiem Fuß.

⚽ Das hier hat die eine oder der andere von euch vielleicht schon gesehen, ein paar deutsche Websites hatten das Video ja auch. Aber es ist so cool und mit seinen simplen physikalischen Gesetzen so Sendung-mit-der-Maus-würdig, dass es auch hier noch mal mit rein darf. Frage: Was passiert, wenn man einen fußballrunden Wasserkanister entwirft? Antwort: das hier.

Wasser, das ein Feuer entfacht. Vielleicht sollten wir uns bei WM-Gimmicks doch auf die fußballrunde Fleischwurst beschränken.

⚽ Wer die Fußball-WM im Fernsehen verfolgen will, kann sich schon mal auf ziemlich viel Bandenwerbung chinesischer Sponsoren einstellen. Klingt jetzt erst mal unspektakulär, wenn da plötzlich „Wanda“, „Mengniu“ oder „Yadea“ steht, aber dahinter steckt eine spannende Geschichte. Über einen Weltfußballverband, der so korrupt ist, dass viele westliche Marken nicht mehr mit ihm in Verbindung gebracht werden wollen. Über Chinas Hoffnung, eine Fußball-Supermacht zu werden und dann bitte auch gerne direkt Weltmeister. Und über die Kalkulation chinesischer Firmen, sich auf dem Weltmarkt zu etablieren: China Won’t Play in This World Cup. It Still Hopes to Profit.

⚽ Steve Rosenberg ist BBC-Korrespondent in Moskau, der ein oder andere kennt ihn vielleicht, weil er rund um den Eurovision Song Contest bei Social Media immer ziemlich aufdreht. 2016 hat er mal ganz groß aufgedreht und bei einem Facebook-Live auf Zuruf alle Eurovision-Titel am Klavier gespielt, die die Zuschauer sich gewünscht haben. „Peter wünscht sich den Siegertitel von Dänemark aus dem Jahr 1964. Peter, du meinst sicherlich 1963.“ Sprachs und spielt los. Ganz großes Tennis.

Zur WM hat Rosenberg nun einen kleinen Clip bei Twitter veröffentlicht, in dem er typisch russisches Essen empfiehlt. Das ist nicht nur super, weil er die langweiligen Klassiker von Borscht bis Kaviar ignoriert, sondern weil wir offenbar beide große Fans von Syrok sind, einem zuckersüßen Quarkriegel. Die Liebe zu Buchweizen hingegen – Steve, Steve, Steve. Ich weiß ja nicht.

⚽ Seit Wochen warte ich darauf, dass das Calvert Journal endlich mal mit seinem WM-Guide in die Pötte kommt. Weil das eben eine Redaktion ist, die anders auf Russland und die Region blickt: Mit einem speziellen Fokus auf Kultur, Architektur, Zeitgeschichte und Alternatives. Nun ist das Ding online, am besten stöbert ihr mal selbst darin rum.

Was mir beim ersten Durchgucken aufgefallen ist: Ein Stadtrundgang durch die Moskauer Fußballgeschichte (der allerdings deutlich leichter zu lesen wäre, wenn man anstelle der ganzen ausformulierten Wegbeschreibungen einfach eine Karte integriert hätte), und ein Rückblick in die Geschichte des Stadions von Jekaterinburg, einschließlich Baueinsätzen deutscher Zwangsarbeiter. Für einige WM-Städte sind die Texte schon online, die restlichen folgen im Laufe der Woche nach und nach.

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Zum Schluss noch was in eigener Sache: Im März habe ich angefangen, für n-tv.de einen täglichen WM-Countdown zu bloggen. Nun sind nur noch wenige Tage über, aber es gibt immer noch viele Fragen rund um den Alltag hier in Russland und die WM. Wenn ihr also Lust habt: Morgen, am Donnerstag, übernehme ich ab 15 Uhr den Twitter-Account der Sportredaktion.

Wenn ihr wissen wollt, ob man für Russland einen Adapter braucht, warum in der Bahn Aufkleber mit Hasen an der Wand kleben oder ob ihr es riskieren könnt, für russische Freunde trotz Sanktionen ein bisschen Parmesan ins Land zu bringen – dann twittert das doch. Der Hashtag heißt #WMFragen und ich werde morgen versuchen, so viele wie möglich davon zu beantworten. Bis dann!



 

Russball, Folge 42: Samara, das WM-Stadion ohne Spielfeld

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Ein Wort muss hier am Anfang stehen. Man kommt nicht um dieses Wort herum, wenn man sich in diesen Tagen mit Russland beschäftigt. Das Wort heißt Kemerowo. Es ist der Name der Stadt in Sibirien, in der bei einem Feuer in einem Einkaufszentrum mehr als 60 Menschen gestorben sind, viele von ihnen Kinder. Das ist mehr als ein bloßes Unglück, das Thema ist auch politisch. Denn vieles deutet darauf hin, dass Korruption, mangelnder Brandschutz und Inkompetenz mit zu der Katastrophe geführt haben.

Auch Tage nach dem Feuer geschieht es immer noch, dass Facebook mir wieder dieses Foto zeigt: Eine einzelne Kerze vor dunklem Hintergrund. Unzählige Freunde haben dieses Bild geteilt, um der Opfer zu gedenken. Sogar ein Besuch im Fußballstadion fühlt sich anders an in den Tagen nach Kemerowo, in der gesamten Liga.

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⚽ Was läuft da eigentlich schief in Samara? Warum ist das Stadion in der WM-Gastgeberstadt nicht nur immer noch nicht fertig, sondern sogar so weit im Verzug, dass die FIFA nun Druck macht? Immerhin sind es nicht irgendwelche kosmetischen Details, die in Samara noch fertiggestellt werden müssen, es geht nicht darum, dass die Treppenstufen der Tribünen noch mal schnell gekärchert oder die Seifenspender auf dem Klo gefüllt werden müssen. Dem Stadion in Samara fehlt etwas ganz entscheidendes: ein Spielfeld.

Wie kann das sein? AFP hat sehr sorgfältig aufgedröselt, was in Samara bisher schon alles schiefgegangen ist. Schon der Einstiegssatz zeigt, in welchen Dimensionen von Verspätung und Absurdität wir uns hier bewegen: „Das Gras für Russlands permanent verspätetes WM-Stadion in der Provinzstadt Samara wächst noch in Deutschland.“

Erkennbar nicht das Stadion von Samara, sonst wäre hier ja kein Rasen. (Foto: Pixabay)
Erkennbar nicht das Stadion von Samara, sonst wäre hier ja kein Rasen. (Foto: Pixabay)

⚽ Ein anderes WM-Stadion, ein anderes Problem: Die Zeitung „Kommersant“ berichtet in diesen Tagen sehr detailliert von der Vernehmung des Geschäftsmanns Sijawudin Magomedow, der wegen Veruntreuung beim Stadionbau in Kaliningrad vor Gericht steht. Fast 30 Millionen Euro soll Magomedow abgezweigt haben, er selbst weist alle Vorwürfe zurück. Das ganze Verhör, an dessen Ende entschieden wurde, dass Magomedow bis Ende Mai in Haft muss und nicht auf Kaution freikommt, kann man hier nachlesen.

⚽ Beim Sichten von Artikeln für diese Russball-Folge war bei einem sofort klar, dass er hier rein gehört: Thomas Körbel, dpa-Korrespondent in Moskau, und Benedikt von Imhoff, sein Vorgänger, haben gemeinsam die russische Hooligan-Szene unter die Lupe genommen: Es geht um Gewaltbereitschaft, Verbindungen zu bestimmten Fußballvereinen und um rechtsextremes Gedankengut. Es geht darum, wie wahrscheinlich es ist, dass wir bei der WM im Sommer Ausschreitungen erleben. Besonders interessant fand ich, was der notorische Hooligan-Anführer Alexander Schprygin zu dem ganzen Themenkomplex sagt. Den ganzen Text zum Nachlesen gibt es hier.

⚽  Das WM-Stadion in Jekaterinburg ist eröffnet worden – ihr erinnert euch, das ist das mit der Tribüne, die seitlich drangeflanscht wurde und nun aus dem Stadion rausragt, weil man sonst nicht genug Zuschauer unterbekommen hätte. Wie der Blick von dort ist – naja, sagen wir mal so: Wer sich die Bilder vom Eröffnungsspiel zwischen den FK Ural und Rubin Kasan ansieht, stellt jedenfalls fest, dass sich dort durchaus einige Zuschauer niedergelassen hatten.

Aus dem Mund von Alexei Sorokin, der das russische WM-Organisationskomitee leitet, klingt die Bilanz jedenfalls positiv: „Rund 18.000 Menschen sind gekommen, das Stadion hat funktioniert, (…) nach dem Spiel konnten wir sehen, dass es sich schnell geleert hat. Die Zusatztribünen wurden ein wenig genutzt, alles lief gut.“

⚽ Seit es nur noch 75 Tage zur Fußball-Weltmeisterschaft sind, macht auch die FIFA einen WM-Countdown. Ich hätte ja bei der schönen, runden 100 angefangen, aber gut. So oft kann man sich auch nicht als Igel fühlen, der dem FIFA-Hasen ein gutgelauntes „Ick bün al hier“ entgegenruft.

⚽ Dieser Artikel wurde zur WM 2014 in Brasilien geschrieben, aber er ist gut gealtert: „A beginner’s guide to Russian football culture“ verspricht das Calvert Journal und legt auch direkt los: „Trainer kriegen bei Pressekonferenzen immer noch keinen geraden Satz raus, niemand spricht irgendwelche Fremdsprachen, obwohl die Hälfte der Spieler gut bezahlte Südamerikaner sind, die Fans stürmen immer noch den Platz, und der Platz sieht immer noch aus wie ein Gemüsebeet.“ Wer Pointen will, muss verallgemeinern. Mit dieser Faustregel im Hinterkopf lohnt es sich, den Text zu lesen.

⚽ Witali Mutko ist ja inzwischen von so vielen Fußball-Ämtern zurückgetreten, man wundert sich, dass er immer noch ständig zu dem Thema interviewt wird. Im Gespräch mit Championat.com hat der Sportminister/Präsident des russischen Fußballverbandes/Chef des WM-Organisationskomitees/Koordinator für die WM/russische Vize-Premierminister Mutko nun also erklärt, was man in seinen Kreisen so von der russischen Nationalmannschaft erwartet, wenn im Sommer die Weltmeisterschaft ansteht.

Die Gruppenphase zu überstehen, so der ehemalige Multifunktionsmutko, sei das absolute Minimum. „Wenn wir das nicht schaffen, haben wir dann versagt?“, will der Interviewer wissen. „Definitiv“, antwortet Mutko, „Ganz egal, wer sonst noch in der Gruppe ist. Das Gastgeberland muss es auf jeden Fall mindestens in die Play-Off-Phase schaffen.“ Das ganze Interview, auch zum Thema Doping, gibt es in hier: Teil 1, Teil 2. Dazu passt übrigens diese Übersicht hier:

https://twitter.com/jellingworth/status/978691000846700544

⚽ Das letzte Wort zum Abschneiden der russischen Nationalmannschaft bei der WM gehört Leonid Sluzki. Der Mann weiß, wovon er spricht, er hat besagte Nationalmannschaft selber mal trainiert. Nach den jüngsten Freundschaftsspiel-Niederlagen gegen Brasilien und Frankreich hat sich Sluzki nun mit einem eher ungewöhnlichen Appell an seine Landsleute gewandt: Man solle sich doch bitte einfach eingestehen, dass man keine Fußballnation sei.

Es folgt ein Vergleich, den die Nachrichtenagentur AFP so protokolliert: „Das ist wie bei den Anonymen Alkoholikern, wo du reinkommst und sagst: Ich heiße soundso und ich habe ein Problem. Ab dem Punkt wird es besser und du kannst Fortschritte machen.“

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Zum Schluss noch eine Hinweis für alle, die im Sommer hier nach Moskau kommen wollen. Mit den üblichen drei Monaten Vorlauf hat der Kartenvorverlauf für die Aufführungen des Bolschoi-Theater begonnen. Wenn ihr also während eures Besuchs hier bei uns in der Hauptstadt das wichtigste Stück Hauptstadtkultur erleben wollt, müsst ihr euch ranhalten, sonst sind nur noch die superteuren Tickets übrig.

Man muss sich übrigens nicht mal zwingend für Ballett interessieren – das hauseigene Orchester ist super, und das ganze Dekor im Haus einfach nur zum Schwelgen. Siehe hier, hier oder, wenn ihr euch fühlen wollt, als stündet ihr mittendrin, hier. Bis nächste Woche!



 

Russball, Folge 38: Fußball bei eisigen Temperaturen

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Was man so macht bei einer Kältewelle in Russland: Erst mal angrillen. Neben dem Gefühl, zu den ganz Harten zu gehören, nehme ich auch eine Erkenntnis mit: Irgendwann ist es so kalt, da beginnt sogar der russische Supergrillanzünder (Mit Kirscharoma! Und ner halbnackten Frau auf der Flasche!), langsam zu gefrieren. Wer den so entstandenen Slushie auf die Kohle kippt, läuft Gefahr, mit Grillanzünder das Feuer zu löschen – und damit die Ironieschallmauer zu durchbrechen.

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⚽ Was das mit Fußball zu tun hat? Viel, denn an diesem Wochenende ist nach 80 langen Tagen die russische Winterpause vorbei. Endlich wieder Liga-Fußball! Glückliche Fans rennen in die Stadien – am Sonntag bei vorhergesagten 6 Grad unter null zum Beispiel zum Lokalderby zwischen Lokomotive Moskau und Spartak. Für die Begegnung versprach Loko-Präsident Ilja Gerkus gestern schon einen Rekord mit Ansage: „Fünf Tage vor dem Spiel (…) sind mehr als 85 Prozent der Eintrittskarten verkauft. Wir können schon jetzt sagen, dass wir bei den Einnahmen aus diesem Spiel einen neuen Vereinsrekord aufstellen werden.“

Loyale Fans in Ehren, ganz unumstritten sind Fußballspiele bei Minusgraden in Russland aber nicht. Lutsch-Energija Wladiwostok zum Beispiel muss heute Abend gegen den FK Tosno ran, auch das voraussichtlich bei Temperaturen deutlich unter null. Für Trainer Aleksandr Grigoryan bedeutet das nichts anderes, als willentlich die Gesundheit von Spielern und Fans aufs Spiel zu setzen. „Was ist das für ein Fußball, wenn sich die Leute die Zehen abfrieren? (…) Fußball soll Freude bringen und keine Folter sein.“ Irgendwann, ist sich Grigoryan sicher, werde ein Spieler sich schwer verletzen oder erkranken, und dann müsse jemand die Verantwortung übernehmen.

⚽ Apropos Winterwetter: Bei Zenit St. Petersburg hatten sie sich ja ein schönes Trainingslager in Italien einfallen lassen. Flucht aus dem kaltfingerigen Würgegriff von Väterchen Frost, ab in den Süüüüden. Hat ja auch super geklappt. Nicht.

⚽ Wenn sie aus Italien zurück sind, müssen die Zenit-Jungs dann am 8. März gegen RB Leipzig ran. Da lohnt sich doch ein Blick darauf, was russische Fußballfans aus der örtlichen Fachpresse über den Europa-League-Gegner der Petersburger erfahren. Zenit-Trainer Roberto Mancini betreibt schon mal Erwartungsmanagement und spricht von einem „jungen Team mit viel Erfahrung“, das ein sehr schwieriger Gegner sein werde.

Alexander Bubnow von Sport FM hält dagegen: Im Vergleich zur letzten Saison sei Leipzig diesmal deutlich schwächer, mit 100 Prozent Einsatz könne Zenit das deutsche Team also schlagen. Als „gut organisierte, disziplinierte Mannschaft, die ergebnisorientiert spielt“ wird Leipzig anderswo beschrieben, für Fußballverhältnisse sei der junge Klub „noch ein richtiges Kleinkind“. Und Sport Express fasst zusammen: „Aktives Pressing (…), schneller Wechsel von der Verteidigung zum Angriff und viel Kombinationsspiel – in seiner aktuellen Form ist Leipzig sehr stark.“

⚽ Gerade ist in der Hauptstadt wieder ein großes Infrastrukturprojekt abgeschlossen worden, seit Montag hat Moskaus ohnehin riesiges Metronetz fünf neue Haltestellen. Auf diesem Bild sind sie als kurze, türkisfarbene Linie dargestellt:

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Vom Delowoi Zentr, der Haltestelle unter den Hochhäusern von Moscow City, kommt man nun also schneller zu den Stationen ZSKA und Petrowski Park/Dynamo. Anders gesagt: zu zwei Moskauer Fußballstadien, in denen bei der Fußball-Weltmeisterschaft nun so gar keine Spiele stattfinden. (Dynamo ist im Moment sogar nur eine große Baustelle.) Andererseits: Einem U-Bahn-System, mit dem an Spitzentagen knapp zehn Millionen Menschen unterwegs sind, tut jede Entlastung gut – erst recht im Stadtzentrum. Und wenn das Dynamo-Stadion wirklich so schick wird, wie sich das in diesem Video andeutet, dann lohnt es sich für WM-Touristen auch, da ohne Spiel einfach mal vorbeizuschauen.

⚽ Wenn das mal keine Knaller-Überschrift ist: „Russische und ausländische Fans dürfen psychotrope Substanzen zu WM-Spielen mitnehmen“. Substanz ist dann aber genau das, was dem eigentlichen Artikel fehlt. Es geht, schlicht gesagt, um Menschen, die von ihrem Arzt zum Beispiel Cannabis verordnet beommen haben. Die dürfen, wenn sie einen beglaubigten Schrieb vom Arzt dabei haben, dieses Cannabis auch im Stadion dabeihaben, jedenfalls in einer für Medizin üblichen Menge.

Was anfängt wie eine Skandalmeldung, ist Ende für fast alle Leser egal – und für einige Menschen mit Multipler Sklerose oder chronischen Schmerzen die Möglichkeit, trotz ihrer Erkrankung ein WM-Spiel zu sehen. Aber das ist natürlich sehr viel weniger spektakulär als die urprüngliche Überschrift.

⚽ Nun findet ja jeder andere Dinge attraktiv, aber: Täusche ich mich, oder ist „durchtrainierter Fußballspieler mit ambitioniertem Bart sitzt halbnackt auf seinem zerwühlten Bett und baut an einem Modellboot“ schon eine ziemlich spezifische Nische? Championat.com besetzt sie aktuell mit einem großen Interview mit Maksim Beljajew, der sich ansonsten vor allem über seine Liebe zu Büchern auslässt und in Moskaus größtem Buchladen fotografiert wurde.

Beljajew, der seine Karriere bei Lokomotive Moskau begann und aktuell bei Arsenal Tula spielt, spricht über Agatha Christie, J.R.R. Tolkien, Jules Verne und die Scifi-Romanreihe „Metro 2033“. Und wenn er dazwischen so Klopper raushaut wie „Wir brauchen einen Alleinherrscher, der alles kontrolliert, sonst gibt es Chaos“, dann scrollt man halt drei Zeilen weiter: Ob er am 18. März zur Wahl gehen wird, will der Interviewer wissen – och nö, sagt Beljajew, eher nicht, da ist bestimmt irgendwas, ein Fußballspiel oder so. Aber wenn irgendwie doch, dann natürlich Putin. Ach ja. Alleinherrscher. Dann passt’s ja.

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Zum Schluss noch was für euren Kalender: Gerade hat Russlands Nationalelf ihre Länderspielplanung fürs restliche Jahr veröffentlicht. Nach der WM im eigenen Lande ist erst mal Pause bis September, dann folgen bis Jahresende sechs Begegnungen. Eine davon wollt ihr euch vielleicht schon mal notieren: Am 15. November kommen die Russen zu einem Spiel nach Deutschland.

Sobald bekanntgegeben wird, in welcher Stadt die beiden Nationalmannschaften gegeneinander antreten, erfahrt ihr’s hier. Und falls ihr Freunde habt, die das auch interessiert, können sie sich hier für den Russball-Newsletter anmelden. Bis nächste Woche, macht’s gut!



 

Russball, Folge 35: So klingen die elf WM-Gastgeberstädte

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Erinnert ihr euch an die Korobka? Viele russische Kinder haben in dieser Art Käfig, den man oft in russischen Wohngebieten findet, zum ersten Mal Fußball gespielt. Manchmal hängt dort zusätzlich auch noch ein Basketballkorb – Hauptsache, was mit Bällen. Seit letzter Woche weiß ich nun, wozu so eine Korobka im russischen Winter gut ist: Einfach den Boden fluten, gefrieren lassen, und siehe da: ein Eishockeyfeld! Puck statt Ball – hier ein kleiner Schwenk.

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⚽ Wird eine Heuschreckenplage über die Stadien der Fußball-Weltmeisterschaft herfallen? Ja, sagt ein Abteilungsleiter im russischen Landwirtschaftsministerium. Nein, sagt der Leiter des WM-Organisationskomitees. Welche der beiden Meinungen in mehr Medienberichten zitiert wurde, könnt ihr euch selber denken. Aber gut, Dementis machen halt auch Arbeit und sind eher unsexy.

Darum hier schon mal prophylaktisch meine extrem subjektive Einschätzung: Auch in Blut verwandeltes Wasser, Frösche, eine Viehpest, schwarze Blattern, Hagel, Finsternis und den Tod aller Erstgeborenen werden wir diesen Sommer in Russland eher nicht erleben. Nur bei den Punkten „Stechmücken“ und „Stechfliegen“ sind sich die Propheten noch unsicher. Nein! Doch! Oh!

⚽ Guus Hiddink hat fünf verschiedene Nationalmannschaften trainiert, darunter die russische. Eine gute Ausgangslage, um sich zu den Chancen des russischen Teams bei der WM im eigenen Land zu äußern. Nach dem Confed-Cup neigt Hiddink nicht zu übermäßigem Optimismus: Russland habe gute Momente gehabt, aber auch Schwächen gezeigt. Daraus auf das Abschneiden bei der WM zu schließen, sei also schwierig.

Was Hiddink sonst noch zu sagen hat? Das, was jeder, der den russischen Fußball analysiert, als Knackpunkte ausmacht: Zur professionellen Entwicklung sei es möglicherweise gut, wenn russische Spieler sich auch mal bei ausländischen Vereinen bewähren müssten, wo die Konkurrenz größer ist. Und dass der russische Fußball endlich eine anständige Nachwuchsförderung braucht, das hat Hiddink nach eigenen Worten schon 2010 angeregt. (Den ganzen Artikel gibt es auf Seite 8 in diesem PDF.)

⚽ Gleiches Thema, anderer Gesprächspartner: Kevin Kuranyi, der ja einige Jahre bei Dynamo Moskau gespielt hat, hat sich vom russischen Staatssender RT interviewen lassen. Neben ein paar Höflichkeiten (Kuranyi vermisst Borschtsch und den Roten Platz) geht es auch hier um die Chancen der russischen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft.

Großes Potential sehe er beim Team, so Kuranyi, nach „einigen schweren Fehlern“ in der Vergangenheit werde es Russland deshalb definitiv über die Gruppenphase hinaus schaffen – erst recht im eigenen Land, mit den eigenen Fans im Rücken. Und Kuranyis Zukunft? Er kann sich da durchaus eine Rückkehr nach Russland vorstellen, als Trainer oder in einer ähnlichen Rolle.

⚽ Manchmal fühlt es sich an, als hätte inzwischen jede Webseite, jeder Radiosender, jede Zeitung die elf Austragungsorte der Fußball-WM vorgestellt. Aber nun ist mir etwas begegnet, das mir tatsächlich neu war: Eine Musik-Weltkarte. Für 3000 Orte kann man dort nachsehen, was derzeit das meistgehörte Lied bei YouTube ist. Das ist doch vielleicht ganz nützlich für deutsche Fußballfans, um sich ins Gastgeberland schon mal ein bisschen reinzuhören.

Tatsächlich sind die elf Gastgeberstädte genau aufgeteilt: In Kaliningrad, Saransk, Rostow, Sotschi und Wolgograd hören die Leute am liebsten „Troll“:

In Kasan, Samara, St. Petersburg, Jekaterinburg und Nischni Nowgorod liegt dagegen „Rosowoje Wino“ vorne, was übersetzt „Rosé(wein)“ bedeutet.

Was ist nun besser, komischer, absurder? Das „Troll“-Video, in dem ein Mann am Bananentelefon mit einer Frau am Hummertelefon spricht? Oder doch der „Rosowoje Wino“, wo ein Mann mal mit durchsichtigem Regenschirm und mal mit Ramennudeln und Essstäbchen in der Hand singt und tanzt? Macht es einen Unterschied, dass der erste Clip wahrscheinlich absichtlich lustig ist und der zweite möglicherweise ernst gemeint? Schwer zu sagen, ich fühle mich da wie Moskau, die elfte WM-Stadt. Die liegt auf der Landkarte genau im Grenzgebiet zwischen Troll-Land und Rosé-Land.

⚽ Die Zeitung „Wedomosti“ hat diese Woche einen Text veröffentlicht, der einen guten Einblick in die Weltmeisterschafts-Logistik gibt. Es geht vor allem um die Firma „Match Accommodation“, die für die FIFA – also für Offizielle, für Mannschaften, für Dienstleister – Hotelunterkünfte während des Turniers organisiert. Gut vier Monate vor dem Eröffnungsspiel hat Match Accommodation nun ein Drittel der ursprünglich reservierten Hotelbetten wieder freigegeben, weil inzwischen klarer wird, welche Teams, und damit auch welche Mitarbeiter, sich wann in welcher Stadt aufhalten.

Für Otto Normalfan macht das beim Hotelbuchen keinen großen Unterschied, dazu ist die absolute Zahl der jetzt frei gewordenen Betten zu niedrig. Als detaillierter Einblick in einen Bereich der WM-Vorbereitungen lohnt der ganze Artikel dennoch das Lesen.

⚽ Angenommen, ihr habt Pech. Angenommen, ihr habt Geld. Trifft beides zusammen, dann seid ihr unterm Strich immer noch fein raus, jedenfalls in Sachen WM-Tickets: Wer auf dem regulären Weg nicht an Karten für sein Lieblingsspiel kommt (weil zum Beispiel zu viele andere das Spiel ebenfalls sehen wollen), kann dieses Problem lösen, indem er es mit ordentlich Geld bewirft. Das Zauberwort – okay, die beiden Zauberwörter – heißen: „Hospitality Package“.

Wer gewillt ist, rund 1300 Euro in die Hand zu nehmen, kann beispielsweise jetzt sofort eine Karte für Deutschland – Mexiko am 17. Juni buchen. Dafür kriegt der solvente Gast dann nicht nur einen Sitzplatz, sondern wird an einem separaten Eingang von lächelnden Hostessen persönlich eingewunken, bekommt Getränke und Essen (vermutlich nicht gerade auf Bier-und-Bratwurst-Niveau) und am Schluss noch ein Geschenk zum Mitnehmen. Das mit den 1300 Euro pro Ticket ist übrigens nur die niedrigste „Hospitality“-Stufe. Wer Deutschland beim Spiel gegen Mexiko lieber aus einer privaten Suite zujubeln will, kann das für 43.000 Euro pro Ticket tun.

kscheib russball fifa hospitality

⚽ Wechselnde Bauunternehmen. Verzögerter Baubeginn. Sumpfiger Boden. Schlechtes Baumaterial. Nicht gezahlte Löhne. Streikende Bauarbeiter. Sports.ru schreibt über „Das problematischste Stadion der WM 2018“ und meint damit das in Kaliningrad. Allein schon die Infografik dazu – man scrollt und scrollt, und es wird immer schlimmer. Ein Gebäude, bei dessen Inspektion nicht mal die VIP-Toiletten akzeptabel waren. Mehr dazu hier.

⚽ Es. Ist. Immer. Noch. Winterpause. Wenig zu erzählen also aus dem russischen Ligafußball, höchstens mal ein Transfer oder eine Spielerfrau, die sich daneben benimmt. Aber immerhin, es gibt ja noch Denis Tirin. Als Sportfotograf hat er früher bei Championat.ru gearbeitet, inzwischen ist er bei ZSKA Moskau und darum aktuell mit der Mannschaft im spanischen Trainingslager.

Dort ist eine Fotoreportage entstanden, die neben typischen Trainingssituationen auch ein paar ungewohnte Motive zeigt: Stell dir vor, du liegst auf der Massagebank, und plötzlich krabbelt ein Fotograf unter dir lang. Stell dir vor, du bist ein Vogel und plötzlich sind da diese lauten Sportler auf deinem Rasen. Stell dir vor, du hast so hart trainiert, dass dein ganzes Gesicht nur noch aus Schweißtropfen besteht. (Alle Bilder hier.)

⚽ Und wenn sie dann irgendwann mal vorbei ist, die Winterpause? Dann sollten sich Russlands Fußballfans schon mal auf eine Überraschung einstellen, schreibt Bombardir.ru. Der FK Rostow, aktuell Zehnter in der Tabelle, werde es allen zeigen, heißt es dort. Ende Dezember hat der Club Waleri Karpin als Trainer verpflichtet, der mit kurzer Unterbrechung von 2009 bis 2014 Spartak Moskau trainiert hat. Unterstützung bekommt er vom frisch aus England heimgekehrten Leonid Slutsky – auch keine kleine Nummer.

Dazu noch eine Reihe früherer Spartak-Spieler und die drei Isländer Sverrir Ingason, Ragnar Sigurðsson und Björn Sigurðarson (die letzten beiden frisch eingekauft) – für Bombardir sind das alles Gründe, warum sich Rostow in der Rückrunde besser schlagen wird als bisher. Nur die Leser sehen das anders: Bei der Abstimmung unter dem Artikel geht die Mehrheit von ihnen davon aus, dass der Club auch zum Ende der Saison irgendwo in der Tabellenmitte rumdümpeln wird.

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Zum Schluss noch ein kleiner Dialog. Der Gesprächspartner arbeitet bei einem internationalen Medienkonzern, und wir unterhalten uns darüber, wie verschiedene Redaktionen die WM-Berichterstattung organisieren, wen sie wann wohin schicken und so weiter.

„Weiß du, bei uns gibt es einen Sport-Kollegen, bei dem sich zwei Termine überschneiden. Darum kann er nicht bei der ganzen WM dabei sein, sondern nur die ersten beiden Wochen.“ – „Und jetzt?“ – „Naja, sie haben ihm halt die englische Mannschaft zugeteilt.“

Bis nächste Woche!



 

Russball, Folge 34: In diesen Hotels wollt ihr keine WM-Zimmer buchen

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Das Wichtigste zuerst: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer wird es Bier im Stadion geben. So richtiges, mit Alkohol drin. Das hat Witali Mutko jetzt noch mal klargestellt.

Eigentlich war schon länger klar, dass Russland für das Turnier eine Ausnahme von seinem Alkoholverbot im Stadion macht, dann allerdings kursierten Gerüchte, in Rostow gelte das Verbot vielleicht doch… alles vom Tisch. Es wird Budweiser ausgeschenkt und Klinskoje, ist ja beides von derselben Firma. Und preiswert wird’s offenbar auch.

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⚽ Heute um 10 Uhr endet die aktuelle Verkaufsrunde für WM-Tickets – eine von fünf Runden insgesamt und die erste, an der ich mich beteiligt habe. Dabei ließ sich auch gleich eine Frage klären: Ja, die Tickets der extra eingeführten Billigkategorie stehen tatsächlich allen Leuten offen, die in Russland leben – es entscheidet der Wohnort, nicht die Nationalität. Was ja auch sinnvoll ist: Wer hier lebt, auf dem russischen Arbeitsmarkt nach russischen Konditionen bezahlt wird, steht finanziell anders da als jemand, der vielleicht in London, Paris oder Baden-Baden lebt, aber einen russischen Pass hat.

45 Prozent der Anträge auf Tickets kamen in dieser Runde aus dem Ausland. Zu den Top-Ten-Ländern mit dem größten Interesse gehören neben Deutschland auch die Niederlande – dabei ist deren Mannschaft ja noch nicht mal qualifiziert. Umgekehrt schickt England zwar ein Team zur WM, das Interesse im Land ist aber eher niedrig: Von mehr als 4 Millionen Ticketanträgen kamen gerade mal 26,670 aus England – das ist Platz 15.

⚽ Da ist sie also, die Liste der russischen Hotels, die mit überhöhten Zimmerpreisen während der WM Fußballfans abzocken wollten. Russlands Tourismusbehörde hat ihre Namen veröffentlicht, Auszüge kann man nun überall lesen: 5000 Prozent Preissteigerung bei einem Null-Sterne-Hotel in Kaliningrad (genau genommen sogar 5283 Prozent, aber wer will da pingelig sein). Auch große Ketten wie Hampton by Hilton sind beteiligt.

Das Hotel "Agora" in Kalinigrad steht an der Spitze der schwarzen Liste
Das Hotel „Agora“ in Kaliningrad steht an der Spitze der schwarzen Liste

Die komplette Übersicht gibt es bisher nur auf Russisch. Darum, als kleiner Service für euch, hier eine Übersetzung der offiziellen Liste überteuerter Hotels ins Deutsche. Könnt ihr ja bookmarken, falls ihr plant, im Sommer nach Russland zu kommen – dann wisst ihr, wo ihr eher nicht buchen wollt. Und wer keine solchen Reisepläne hat: Bitte jetzt kurz und energisch runterscrollen. Da gibt es dann Neues von Sepp Blatter, okay?

Kaliningrad

Hotel „Agora“
Apartment-Komplex „Longin“
Hotel „Berlin“
Apartment-Komplex „Orangefarbenes Haus“

Moskau

Hotel „Tschaikowski“
Hotel „Slawjanka“
Hotel „Stari Gorod“
Hotel „City Comfort“
Hotel „Seven Hills Trubnaja“
Hotel „Deco“
Hotel „LeonArt“
Hotel „Kamergersky“
Hotel „Petrowka“
Hotel „Max 2“
Hostel „Napoleon“

Rostow am Don

Hotel „Kolibri“
Hotel „1007. Nacht“
Hotel „Dom 17“
Hotel „Kokos“ (lohnt einen Blick bei Google Maps, das Hotel hat eine eigene Autowaschanlage)
Hotel „Pamir“
Hotel „Don Major“
Hotel „Otschakowski“
Hotel „Avenue“
Hotel „Agathe“ (liegt im Vorort Bataisk, nicht in Rostow selber)
Apartment-Komplex „Akropolis“
Hotel „Tichie Sady“
Banja-Hotel „Russkiy Stil“
Hotel „Raspberry Paradise“
Hotel „Kars“

Samara

Hotel „Tonika“

Rund um Sotschi

Hotel „Fidan“, Sotschi
Hotel „Crystal“, Sotschi
Hotel „Alean“, Anapa
Kempinski Grand Hotel, Gelendschik
Hotel „Intourist“, Krasnodar

Wolgograd

Hotel „Astoria“, Wolgograd
Hotel „Lukomorje“, Wolgograd
Hotel Hampton by Hilton Profsojusnaja, Wolgograd
Hotel „Gallery Park“, Wolgograd
Hotel „Stalingrad“, Wolgograd

Warum aus Jekaterinburg, Kasan, St. Petersburg, Nischni Nowgorod und Saransk keine Hotels auf der Wucherpreisliste stehen? Schwer zu sagen. Vielleicht sind die Kontrolleure vor Ort einfach weniger aufmerksam.

⚽  Neues von Sepp Blatter – wobei, können wir an der Stelle mal kurz innehalten? Wie habt ihr den Mann gerade im Kopf ausgesprochen? Sepp, mit weichem, stimmhaftem S – wie bei Sahne, Samt, Silber? Oder Sepp mit stimmlosem, scharfem S – Skulptur, Sex, Skala? Ja, das ist wichtig. Nein, das sind keine Assoziationen zu Blatter. Geht’s noch. Pfff.

Sepp Blatter also hat am Montag dieses Bild hier getwittert, das aussieht wie das Cover eines Computerspiels, aber der Aufschrift nach wohl doch eher ein Buch ist: „Sepp Blatter: Der Fußball und ich – eine offenherzige Geschichte“.

Coming soon, so so – veröffentlicht der Blattersepp also wirklich ein Buch auf Russisch? Eine deutschsprachige Vorlage scheint es jedenfalls nicht zu geben. Infos zum Verlag? Keine. Berichterstattung in russischen Medien? Nix. Und dann noch diese seltsame Schreibweise: Auf Russisch heißt dem Mann seit Jahren „Зепп Блаттер“ – weiches S, zwei P. Auf dem getwitterten Cover hingegen steht Сеп Блаттер – scharfes S, ein P – und das auch noch in einer so komischen Schrift, dass es wie „Set Blatter“ aussieht.

Also: Wo hat er sich das so amateurhaft zurechtphotoshoppen lassen? Und warum sollte das in Russland erscheinen – weil man hier noch zu ihm hält? Putin hat den eigentlich gesperrten Blatter ja als persönlichen Gast zur WM eingeladen. Die russischen Reaktionen auf Blatters Tweet sind bisher vor allem eines: verwirrt. „Wieso heißt der denn jetzt Set Blatter?“„Seth, Horus und Osiris Blatter.“

⚽  „War doch kein Rassismus! War doch nur Spaß!“ So lasen sich viele Reaktionen in der russischen Sportpresse, nachdem Spartak Moskau in einem Tweet seine schwarzen Spieler als „Schokolade, die in der Sonne schmilzt“ bezeichnet hatte. Nun, wie sich rausstellt, war es dann doch Rassismus, Russlands Fußballverband hat Spartak deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Strafmaß zeigt dann auch direkt, wie ernst das Thema Rassismus hier im Profifußball genommen wird: Der Leiter von Spartaks Öffentlichkeitsarbeit muss 20,000 Rubel Strafe zahlen – ganze 286 Euro.

⚽  Drew, ein Freund hier aus Moskau, war übers Wochenende in Wolgograd, also habe ich ihn gebeten, doch mal Fotos vom Baufortschritt am Stadion mitzubringen. Sieht gut aus, durchaus, und erinnert mehr als nur ein bisschen ans Vogelnest in Peking.

kscheib russball stadion wolgograd

Auch eine Straßenbahn hat er bei seinem Kurztrip fotografiert, komplett im dunkelroten WM-Design, mit dem Schriftzug der „Gastgeberstadt Wolgograd“. Drew hatte genug Zeit, das Foto zu machen, denn sowohl die schicke WM-Tram als auch seine in die Gegenrichtung standen still, berichtete er: „Kein Strom auf der Leitung – hoffentlich kriegen die das bis Juni noch hin.“

kscheib russball wolgograd tram

⚽ „Womit beschäftigt sich Philipp Lahm nach dem Abschluss seiner Karriere?“, fragte Championat.ru im vergangenen September (Die Überschrift wurde dann noch mal geändert, aber in der URL kann man die ursprüngliche Variante noch sehen). Das hat der Konkurrenz von der Zeitschrift „Futbol“ so gut gefallen, dass sie vier Monate Schamfrist verstreichen ließen und dann diese Woche ihren eigenen Artikel zum selben Thema veröffentlichte. Überschrift: „Business-Lunch“. Unterzeile: „Womit beschäftigt sich Philipp Lahm nach dem Ende seiner Karriere?“

„Vor neun Monaten verabschiedete sich Philipp Lahm vom Fußball ohne eine Träne im Auge und mit breitem Lächeln im Gesicht“, heißt es da. In Lahms neuem Leben habe der Ball keinen Platz mehr, stattdessen gehe es nun um gesunde Ernährung, Fanprojekte und den Kampf gegen Rechts. Es geht auch nicht nur um Lahm: Timo Hildebrand, so erfahren wir, ist bei Veganz eingestiegen, Marcell Jansen investiert in Sportkleidung. Und zum Eiskrem-Döner-Kleidung-Portfolio von Lukas Podolski schreibt „Futbol“ sehr hübsch: „Podolski mag nach Japan gewechselt sein, aber seine Seele bleibt in Köln. Und sein Geld auch.“

⚽ Wenn ein Geschäftsmann bis zu 100.000 Rubel (rund 1400 Euro) in etwas investiert, dann rechnet er sich aus, dass er das Geld mit seiner Investition auch wieder rausholt. Das gilt auch, wenn der Geschäftsmann ein Krimineller ist, das Geschäftsmodell Betrug und die Zielgruppe ahnungslose WM-Touristen: Laut einem Bericht von „Kommersant“ kaufen Verbrecher derzeit ausrangierte Geldautomaten auf, um sie während der Fußball-WM aufzustellen und damit Menschen abzuzocken, die glauben, sie könnten dort Geld abheben.

Wie verhindert man also, dass man Opfer dieser Masche wird? Zum Beispiel, indem man nur Automaten nutzt, die in Bankgebäuden, großen Einkaufszentren und Hotels, am Flughafen oder in Regierungsgebäuden stehen – sprich: da, wo Sicherheitskräfte darauf achten, dass niemand ein manipuliertes Gerät aufstellt. Oder indem man darauf achtet, ob der Geldautomat lange Zeit im Standby ist oder unvermittelt neu startet. Weitere Hinweise hat die russische Zentralbank auf ihrer Website veröffentlicht.

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So, fertig. Wobei: Beim Korrekturlesen ist mir dieser eine Satz in der Einleitung aufgefallen: „Das hat Witali Mutko jetzt noch mal klargestellt.“ Wie absurd ist das bloß, dass Witali Mutko zum Thema WM noch irgendwas klarzustellen hat? Mutko, der wegen seiner Doping-Verwicklung lebenslang von allen Olympischen Spielen gesperrt ist, der seine Ämter beim russischen Fußballverband und beim WM-Organisationskomitee deshalb ruhen lässt?

Aber es bleibt ihm ja immer noch sein Job als stellvertretender russischer Ministerpräsident. Und wenn er als solcher dann halt gelegentlich mal was klarstellen muss, was mit der Fußball-WM zu tun hat – nun, das lässt sich wohl leiderleider nicht vermeiden.

Bis nächste Woche!



 

Russball, Folge 33: Thomas Müller und ein Stadion im Schnee

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Was ich letzte Woche gelernt habe: Wenn eine Russball-Folge am Dienstag Abend erst nach Mitternacht fertig wird, sollte man beim Mailversand nicht „morgen früh“ auswählen! Anders gesagt: Sorry an alle Newsletter-Leser, die statt wie gewohnt mittwochs erst am Donnerstag von mir gehört haben. Kommt hoffentlich nicht wieder vor.

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⚽ So, jetzt isset durch: Konstantin Rausch verlässt Köln und wechselt zu Dynamo Moskau – und es kostet mich als Ex-ex-ex-Kölnerin sehr viel Überwindung, hier jetzt keine nostalgischen Köln-Hymnen zu verlinken. Also schnell auf die Dynamo-Seite und nachgeguckt, was sie sich von ihrem Neuzugang versprechen: „Konstantin will in Russland spielen, um im Vorfeld der Fußball-WM vor den Trainern der Nationalmannschaft präsent zu sein, und Dynamo hat Interesse an einem starken Spieler, der das Team auf ein neues Level bringen kann.“

Ob Dynamo dank Rausch besser spielt, sehen wir erst nach dem Ende der Winterpause. Das Rausch sich verbessert hat, steht schon fest, jedenfalls statistisch: Statt fürs Tabellenschlusslicht spielt er nun immerhin für den Tabellenzwölften.

⚽ Noch vor dem Rausch-Wechsel ist die aktuelle Folge des Futbolgrad-Podcasts aufgenommen worden. Das Hören lohnt sich trotzdem – dann könnt ihr nicht nur ein paar Hintergrundinfos zu Dynamo Moskau mitnehmen, sondern auch erfahren, wie das war, als mit der Sowjetunion auch die sowjetischen Strukturen des Vereinsfußballs zerfielen.

Eine gute halbe Stunde Fußballgeschichte aus einer Epoche, über die ich zwar viel Politisches wusste, aber fast nichts Sportliches oder Sportpolitisches. Wenn auch euch das interessiert: Bei Minute 24 geht es los. (Eventuell braucht ihr ein wenig Geduld, die Seite ist recht buggy, jedenfalls, wenn man von Russland auf sie zugreift. Ansonsten gibt es die Folge aber auch bei iTunes.)

⚽ „Wer schafft es, den Erfolg von Miroslav Klose (16 WM-Tore) zu übertreffen?“, hat der offizielle Weltmeisterschaftstwitteraccount seine Follower gefragt. Das Ergebnis ist deutlich – und für die deutsche Nationalmannschaft schmeichelhaft: 36 Prozent trauen das am ehesten Thomas Müller zu, der damit knapp vor Neymar und deutlich vor Harry Kane liegt.

„Müller hat schon 10 Tore und ist (erst) 28 Jahre alt, es liegen also noch mindestens zwei Weltmeisterschaften vor ihm“, begründet ein Twitternutzer seine Wahl. Ein anderer Kommentar hat in den Tagen seit der Twitter-Abstimmung einen traurigen Beigeschmack bekommen: „Georgi Dschikija“ steht da – wohl mehr im Scherz, denn Dschikija gehört in der russischen Nationalmannschaft zur Abwehr. Neuerdings sieht es nun so aus, als ob er bei der Weltmeisterschaft überhaupt nicht zum Einsatz kommen wird: Im Spartak-Trainingslager in Dubai hat sich Dschikija verletzt – ein Kreuzbandriss. Das dauert.

⚽ Die Frage klingt absurd: Kann man eine Nationalmannschaft von der WM im eigenen Land ausschließen? Terje Svendsen, Chef des norwegischen Fußballverbandes, findet: ja. Darum hat er die FIFA aufgerufen, ihre Ermittlungen zu den Vorwürfen des staatlich geförderten Dopings im russischen Fußball zu beschleunigen. Und, falls sich der Verdacht bestätige, Russland von der WM auszuschließen.

Die Reaktion in Russland ist wenig überraschend: „völlig inakzeptabel“ seien solche Vorschläge, sagt der Chef des russischen Fußballverbands. Er droht im Gegenzug damit, sein Verband könnte nun rechtlich gegen die Norweger vorgehen.

⚽ Bei dieser Überschrift hier habe ich mich erst mal verlesen. Also: Nein, Russland schafft keinen Supercomputer an, um das WM-Wetter zu verbessern. Das Ding soll lediglich die Wettervorhersagen zur Weltmeisterschaft verlässlicher machen. Nicht ganz so spektakulär – ich hatte gehofft auf eine Mischung aus Deep Thought und diesen Flugzeugen, mit denen sie hier in Moskau Anfang Mai gerne mal die Wolken impfen, damit sie vor der Parade am 9. Mai schön außerhalb der Stadt abregnen.

So nimmt Russlands staatliches „Gidrometzentr“ also im März einen Rechner in Betrieb, der dann nicht nur für die Austragungsorte verlässlichere Prognosen bietet. Sondern auch, den mitreisenden Fans zuliebe, für die Reiserouten zwischen den Spielorten – damit Züge und Flüge verlässlich ankommen.

⚽ Auf der langen, langen To-do-Liste, die hier vor WM-Beginn abgearbeitet werden muss, steht offenbar auch: Fabriken rund um die Austragungsorte zeitweise dicht machen, wenn ein Arbeitsunfall dort zum Gesundheitsrisiko für Spieler und Fans bedeuten könnte. Kommersant zitiert aus einem Brief, den der FSB an die Leitung eines Chemiewerks in der Nähe von Nischni Nowgorod geschickt haben soll. Darin werde das Unternehmen angewiesen, von Mitte Juni bis Mitte Juli den Betrieb einzustellen.

Konkret geht es dem Brief zufolge um alle Prozesse mit „gefährlichen chemischen und biologischen Stoffen, radioaktiven, giftigen und explosiven Substanzen.“ Manche Unternehmen, die diesen Brief erhalten haben, sind naturgemäß wenig amüsiert – Arbeiter im Zwangsurlaub, dazu Gewinnausfälle, die zum Beispiel das Werk bei Nischni Nowgorod im Millionenbereich veranschlagt. Firmen, die den Betrieb nicht einfach einstellen können, sollen sich in einer Stellungnahme für den FSB dazu äußern, mit wie vielen Opfern und welchen Umweltschäden bei einem Unfall während der WM zu rechnen wäre. (Den ganzen Bericht mit Stellungnahmen weiterer Firmen gibt es hier.)

⚽ Minus 9 Grad sind es draußen, während ich das hier schreibe. Der Winter in Russland ist mir – kalte Finger hin, beschlagene Brille her – ans Herz gewachsen. Schon allein, weil er solche großartigen Schneefotos möglich macht wie das hier von der Arena in Rostow. Brasilien, Kroatien, Island, Mexiko, Uruguay, Saudi-Arabien, die Schweiz und Südkorea dürfen hier zu Gruppenspielen antreten. Deutschland leider nicht.

⚽ Von steigenden Hotelpreisen während der WM war hier ja neulich schon mal die Rede. Jetzt hat die BBC mal ein Auge auf die Preise für Privatunterkünfte geworfen: Was, wenn man als WM-Tourist eine Wohnung oder ein ganzes Haus mieten will? Klar, auch da sind die Preise während der WM deutlich höher als sonst, manchmal sogar richtig dreist. 44.000 Dollar für knapp zwei Wochen in einem mittelprächtigen Appartment in Saransk? Echt jetzt?

Interessant an dem BBC-Bericht ist vor allem, welche Marktmächte da im Spiel sind: Hotelpreise werden staatlich reguliert. Das heißt nicht, dass es nicht auch hier Abzocker gibt, aber sie müssen zumindest fürchten, erwischt und öffenlich angepragert zu werden. Vermieter von Privatunterkünften sind solchen Regeln nicht unterworfen. Das ist das eine. Das andere, so die BBC, sei ein gefühlter Mangel an Übernachtungsmöglichkeiten: Einige russische Hoteliers hätten sich von großen Buchungsplattformen wie Booking.com inzwischen zurückgezogen. Wenn ein Kunde dort angezeigt bekommt, dass es zum Zeitpunkt seiner Reise kaum noch Hotelzimmer gibt, muss das also nicht unbedingt stimmen. Doch wenn er das nicht weiß, weicht er eben eher auf eine Mietwohnung aus.

⚽ Keine Woche vergeht hier im Moment, ohne dass sich jemand zum Thema „Gehälter im russischen Profifußball“ äußert. Neulich noch der Vorschlag, sie auf 30.000 Rubel runterzuschrauben – ihr erinnert euch. Diesmal ist also Denis Gluschakow dran mit einer Wortmeldung.

Profifußballern zahle man „zu früh zu viel Geld“, findet der russische Nationalspieler. Das Ergebnis seien dann Spieler, die zu sehr von sich überzeugt seien und nicht mehr an sich arbeiteten. Gluschakows Vorschlag darum: Lieber umverteilen und künftig mehr Geld in die Hand nehmen für Trainer von Kinder- und Jugendmannschaften.

⚽ Dann hat sich noch ein Haufen Zahlen in der vergangenen Woche in meinen Bookmarks gesammelt. Damit das hier nicht ausufert, eine kleine Stichwortliste:

– 6,9: Der Wert der Infrastruktur, die derzeit in Russland für die Fußball-WM aufgebaut wird, in Milliarden Euro
– 10: Zahl der regenbogenbunten Boote, die Fußballfans hier im Sommer auf der Moskwa hin- und herschippern sollen
– 72,1: Die Einnahmen (in Millionen Euro), die sich die russische Post vom Verkauf ihrer WM-Briefmarken verspricht
– 77: Auch das sind Millionen Euro, in diesem Fall der Gewinn, den Zenit St. Petersburg im Jahr 2016 gemacht hat. Laut UEFA-Statistik bedeutet das Platz 1 im Ranking der profitabelsten Fußballclubs Europas. Danke, Hulk! Danke, Shanghai!
– 350: Zahl der Kassiererinnen (es sind meist Frauen) in der Moskauer Metro, die 2017 eine 72-stündige Englisch-Fortbildung gemacht haben, um besser auf die Fragen von WM-Touristen vorbereitet zu sein

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Zum Schluss noch was Buntes, Nostalgisches, leicht Abwegiges. Subbuteo hat mit richtigem Fußball so viel gemein wie Gummitwist mit rhythmischer Sportgymnastik. Aber diese Übersicht der Spielfiguren, die man in den Siebzigern als Subbuteo-Spieler kaufen konnte, ist so farbenfroh, die muss hier einfach noch mit rein.

Euch noch eine bunte Woche, und bis zum nächsten Mal!



 

Russball, Folge 24: Liebeserklärung an eine alte Schachtel

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Diese Woche machen wir das hier mal ein bisschen anders. Es gibt so viele kleine Meldungen rund um die kommende Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, die aber untereinander nicht viel miteinander zu tun haben. Darum hat diese Russball-Ausgabe am Schluss einen kleinen Block mit Kurzmeldungen. Aber erst mal reden wir über die Liebe.

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⚽ Denn es ist ganz klar eine Liebeserklärung, die der Journalist Jegor Arefjew da verfasst hat. Er feiert darin das, wozu die Russen Korobka sagen, also Schachtel. Gemeint sind damit die umzäunten kleinen Plätze, oft im Innenhof russischer Wohnkomplexe, in denen nicht nur Kinder gerne Fußball spielen. „Der Boden war aus Erde, was heute eine Seltenheit ist“, erinnert sich Arefjew an die Korobka seiner Jugend. „Ein bisschen mehr Gras, und es wäre das Luschniki-Stadion im Miniformat gewesen. Unsere Zuschauer waren die Bewohner der beiden fünfgeschossigen Häuser nebenan und die Leser in der Bibliothek.“

Kaputte Knie, zerschossene Fensterscheiben im Erdgeschoss. Eine buntgemischte Subkultur mit ihren eigenen Regeln, zu der jedes Kind, jeder Jugendliche Zugang hatte. Es ist ein romantisches Bild, das Arefjew von dieser russischen Institution zeichnet. Das Calvert Journal hat vor ein paar Jahren mal ein Foto-Essay zu dem Thema zusammengestellt, das zeigt: Eine Korobka kann runtergekommen sein, mit Graffiti besprüht, mit rostigen Gittern oder Wänden aus nacktem Beton. Alles egal, es zählt, was man daraus macht. Und, schöner Zufall: Der Tagesspiegel hat auch gerade eine Hymne an die Korobka veröffentlich, in ihrer Berliner Variante. Mit dem wunderschönen ersten Satz: „Manche Menschen brauchen Käfige, um frei zu sein.“

kscheib russball korobka in bischkek

Das Foto ist in Kirgistan entstanden, bei einem abendlichen Spiel in einer Korobka in Bischkek – leicht verwischt, aber eine schöne Erinnerung. Auch unsere Wohnanlage hier in Moskau hat übrigens eine Korobka, auch wenn sie selten zum Fußballspielen genutzt wird. Dafür ist es ein untrügliches Zeichen für den Frühling, wenn die indischen Nachbarskinder darin wieder Cricket spielen.

⚽ Die Zeitschrift „Futbol“ zeichnet die Verletzungsprobleme von Manuel Neuer nach. „Ein neuer Lew Jaschin“ hätte Neuer werden können, heißt es dort in Erinnerung an die sowjetische Torwart-Legende.

Stattdessen stehe Deutschlands bester Torwart nun am Abgrund und werde auch nicht mehr zu seiner alten Form zurückfinden – da ist sich die Autorin sicher. Aber gut, das ist dieselbe Frau, die auch behauptet, im Stadion des VfL Osnabrück werde das Bier in Anderthalbliterbechern ausgeschenkt. Wäre ja schön, wenn sie in Sachen Manuel Neuer genau so falsch läge.

⚽ Keine Woche ohne Neuigkeiten zum Petersburger Krestowski-Stadion (ja, das mit der Korruption und dem undichten Dach). Laut Sports.ru wurde der Pressebereich dort so gebaut, dass sich dadurch das Spielfeld nicht mehr aus dem Stadion rausrollen lässt. Kann man ändern, kostet dann aber halt auch 300 Millionen Rubel, also 4,3 Millionen Euro.

Wenn eh gerade die Handwerker im Haus sind, kann ja vielleicht auch gerade mal jemand auf den Bot gucken, der zu jedem Spiel twittert, ob das Stadiondach offen oder zu sein wird. Der leider nämlich gerade an akuter Redundanz, will sagen: Er wiederholt sich. Oft.

⚽ Wo wir schon in Petersburg sind: Roberto Mancini legt Wert auf die Feststellung, dass er Trainer von Zenit bleiben will. Der Job als italienischer Nationaltrainer reize ihn nicht, auch wenn er nicht überrascht sei, dass sein Name als möglicher Nachfolger von Gian Piero Ventura im Gespräch sei. Der hatte den Job ja verloren, nachdem Italien in der WM-Quali gescheitert war.

„Surreal und extrem traurig“ fühle sich die Aussicht auf eine Fußball-Weltmeisterschaft ohne Italien für ihn an, sagte Manchini weiter. Er will sich aber ganz darauf konzentrieren, mit Zenit den russischen Meistertitel zu holen.

⚽ Was ich ja allmählich nicht mehr lesen kann, sind diese ganzen „Was läuft nur schief im russischen Fußball“-Artikel. Nicht, weil es da keine Probleme gäbe oder sie schwer zu benennen wären, nein – mangelnde Jugendarbeit, zu hohe Spielergehälter und Clubs, die sich nicht genug um die Fans kümmern, das sind schon alles legitime Sorgen. Aber dieses Déjà-vu, wenn jede Woche eine andere Website das grundsätzliche Lamentieren anstimmt…

Diesmal ist also Bombardir.ru dran und fragt: „Worin besteht das Hauptproblem des russischen Fußballs?“. Russian Football News hält dagegen und sammelt Zeichen dafür, dass die Mannschaft im Vorfeld der WM Fortschritte macht. Aber die vielleicht beste, weil konkreteste Bestandsaufnahme liefert Sports.ru: Wäre morgen schon WM, wie sähe dann die bestmögliche russische Nationalmannschaft aus? (Spoiler: Im Tor steht Igor Akinfejew.)

⚽ Mit zwei Instagram-Posts 20.000 Abonnenten erreichen – das schafft nicht jeder. Aber Juri Sjomin hat gerade halt auch einen Lauf. Als Trainer hat er Lokomotive Moskau auf den ersten Tabellenplatz gebracht, zuletzt gab es einen 1:0-Sieg gegen Anschi Machatschkala. (Wie die Chancen stehen, diese Position zu verteidigen, kann man hier nachlesen.)

Jetzt also auch noch Instagram. Sjomin, Jahrgang ’47, hat es klug angefangen und sich Hilfe von einem Digital Native aus der eigenen Familie geholt. Der – oder vielmehr: die – darf dann auch direkt mit aufs erste Bild: „Meine Enkelin hatte die Idee, hier einen Account zu eröffnen. Sie sagt, die Leute lesen und gucken sowas gerne, und ich hab hab was zu erzählen. Na dann mal los.“

Und jetzt, wie versprochen, noch ein paar kleine Meldungen rund um die WM:

⚽ Studenten an den WM-Austragungsorten sollen nun doch nicht aus dem Wohnheimen vertrieben werden, um Platz für Sicherheitskräfte zu schaffen. Das hat das russische Bildungsministerium versprochen. Stattdessen sollen die Nationalgardisten nur in den Zimmern derjenigen Stundenten einziehen, die zufällig genau dann, wenn an ihrem Studienort die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet, im Urlaub sind.

⚽  1. Dezember, 16 Uhr deutscher Zeit – dann werden in Moskau die WM-Gruppen ausgelost. Mit prominentem Personal: Miroslav Klose trägt den Pokal rein, es moderieren Gary Lineker und die russische Sportjournalistin Maria Komandnaja. Sie ist auch die Frontfrau dieses virtuellen Rundgangs durchs Luschniki-Stadion:

⚽ Apropos: Die Länder, die ein Spiel in Rostow am Don zugelost bekommen, wissen schon mal, dass ihre Mannschaft und deren Fans an einem frisch gebauten Flughafen landen. Im Frühling soll er eröffnet werden, jetzt durfte schon mal ein Fernsehreporter durchs Gebäude gehen.

⚽  Noch mal apropos: Russlands Fluglinien hoffen selbstverständlich, dass die WM ihnen einen ordentlichen Gewinn beschert. Im Moment sieht es danach aus: Laut Interfax werden Flüge zwischen Moskau und St. Petersburg im kommenden Sommer 40 Prozent teurer sein als üblich. Bei Austragungsorten wie Jekaterinburg oder Sotschi ist der Anstieg nicht ganz so hoch.

⚽ Falls jemand Ambitionen hat, bis zur Weltmeisterschaft sein Russisch aufzupolieren: Sports.ru hat ein Quiz gebaut, bei dem man alle WM-Teilnehmerländer aufzählen soll. Auf Russisch natürlich, in kyrillischen Buchstaben. Wer am Laptop keine kyrillische Tastatur hat, probiert es also vielleicht am besten per Handy.

⚽ „Überall auf der Welt weihnachtet es, so auch in Langenfeld.“ So hat mir im Volontariat mal ein Redakteur erklärt, wie man große Geschichten aufs Lokale runterbricht. Nach demselben Prinzip gibt es gerade allerlei Berichte dazu, welcher Bundesliga-Verein welche Spieler zur WM nach Russland schickt – Eintracht Frankfurt zum Beispiel, Borussia Mönchengladbach oder auch der HSV und St. Pauli.

⚽ Die Doping-Proben, die bei der WM genommen werden, sollen nicht in Russland untersucht werden, sondern dafür extra ins Ausland gebracht werden. Schließlich ist die russische Anti-Doping-Agentur immer noch suspendiert, weil sie sich nicht an die Regeln der Welt-Anti-Doping-Agentur hält.

⚽ Zwölf WM-Stadien werden es kommendes Jahr sein, fünf davon bekommen ihren Rasen aus Frankreich. Der soll besonders widerstandsfährig sein, schreibt der Courrier de Russie.

⚽ Sehr schmeichelhaft, was die Leser von Lenta.ru da für die Fußball-Weltmeisterschaft vorhersagen: Rund 3000 von ihnen haben sich bisher an einer Umfrage beteiligt, wer der nächste Fußball-Weltmeister wird, und beinahe jeder zweite hat für Deutschland gestimmt. Immerhin 8 Prozent antworteten auf „Wer wird bei der WM 2018 gewinnen“ mit „Die Freundschaft“. Hach!

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Die Schlusspointe kommt in dieser Russball-Folge von Wjatscheslaw Nesterow. Er ist Illustrator und arbeitet gerade an einem satirischen Kalender, der bis ins Jahr 2120 gehen und sich komplett um Wladimir Putin drehen soll. Für jedes Jahr hat sich Nesterow außerdem eine Überschrift ausgedacht. Eine davon passt in ihrer ganzen Bosheit, die sich erst nach der Hälfte des Satzes zeigt, hier sehr hübsch rein: „2030 – die russische Fußball-Nationalmannschaft gewinnt den Hauptpreis im Sportlotto.“