Love is in the air, dafür hat Wassily Kirsanow gesorgt. Die Millionen von Menschen, die täglich mit der Moskauer Metro fahren, mögen seinen Namen nicht kennen, aber viele verdanken ihm ein Lächeln oder einen Schnappschuss. Denn wenn sie in der Eingangshalle der Haltestelle „Park Kultury“ einen Blick hinauf in die Kuppel werfen, hängen da rote, herzförmige Luftballons. Wassily hat sie dort hochgeschickt.
„Alles fing damit an, dass ich vor zwei Jahren mit der Metro unterwegs war und bei Park Kultury zufällig hochgeguckt habe,“ erzählt er. Zwei Herzballons hingen unter der Decke, er machte ein Foto für den in Russland fast schon obligatorischen Instagram-Account und freute sich. „Es hat sich angefühlt wie die Sorte Glück, die man eigentlich nur als Kind kennt. Ein Glaube an Wunder und Liebe.“ Als er ein paar Tage später wieder vorbeikam, waren die Ballons weg. „Aber da stand mein Entschluss schon fest: Ich werde diese Kuppel mit Herzen füllen!“ Kein philosophischer Überbau, kein komplexes Kunstprojekt. Einfach mal etwas tun, weil man es kann – und weil es anderen Metropassagieren den Alltag ein bisschen bunter macht. Es folgten zwei Jahre Warten, Planen, Sparen – die Ballons kosten zwischen 50 Cent und einem Euro, und dann ist noch kein Gas drin. Inzwischen steht im Zimmer von Wassily , der seit zwei Jahren einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften hat, seine eigene Heliumflasche. Im Dezember, als Moskau besonders grau war, ließ er die ersten Ballons in die Kuppel steigen – mit ordentlich Herzklopfen wegen des Sicherheitspersonals. „Wir leben in schwierigen Zeiten, und vieles, was man in Russland tut, bekommt dann irgendwer in den falschen Hals.“
Die Aufpasser entpuppten sich als entspannt, manchmal erzählte einer von ihnen Wassily, wenn wieder besonders viele Leute zum Fotografieren da gewesen waren. Die Instagram-Bilder, die andere von seinen Herzen machen, sammelt Wassily dort auf dem Account @undergroundhearts. Egal, welche Perspektive und welcher Filter: Wenn sich in der Kassettenstruktur der Decke jeder Ballon seine eigene Vertiefung gesucht hat, wirkt die Kuppel wie ein riesiger Setzkasten. Und Wassily arbeitet daran, ihn weiter zu füllen.
Einen Monat lang kam täglich ein Herz hinzu, ihr Absender sammelte unterdessen Erfahrungen: Wie lange hält sich so ein Herz wohl in der Luft? Eins weiß er jetzt: Das hängt nicht nur von dem Ballon und dem Helium darin ab. 30 Ballons kamen in vier Wochen zusammen – und verschwanden dann auf einen Schlag. „Man hat mir gesagt, dass die Metro-Mitarbeiter die Ballons alle runtergeholt haben, mit einer Zwille. Davon gab es sogar einen kleinen Clip im Fernsehen.“
Sauer sei er am Anfang schon gewesen, sagt Wassily, aber den Metro-Leuten nehme er das nicht übel. „Die machen ja nur ihren Job. Und mein Job ist eben, Ballons da hochzuschicken. Also habe ich am nächsten Tag ein neues Herz in die leere Kuppel aufsteigen lassen.“ Knapp 20 Euro gibt er dafür im Monat aus, zum Geldverdienen jobbt er in einem Souvenirladen. Wie es weitergeht mit den Ballons? Vielleicht ja mit einem Flashmob, der gleich eine ganze Wolke Ballons auf einmal aufsteigen lässt. Wassily hat genug Ideen, die Frage ist eher, wie lange ihm Zeit für die Umsetzung bleibt. „Wer weiß, vielleicht verbieten sie irgendwann, in der Metro Ballons steigen zu lassen. Kann sein, wir leben in Russland.“ Bis dahin aber werden über den Köpfen der Metro-Passagiere weiter rote Herzen hängen. Vor kurzem ist Wassily trotz Wirtschaftskrise auf teurere, größere Ballons umgestiegen. „Die können die Leute besser sehen.“