Putin der Woche (III)

Putin auf einem BärGesehen: Auf dem Souvenir- und Trödelmarkt in Ismailowo.

Begleitung: Ein Bär, der natürlich brav tut, was Putin will. Eine Platte in der Form und den Farben Russlands, auf der dieser Bär steht.

Text: Keiner auf der Figur. Die Verpackung ziert ein Putin-Zitat, in dem er vor einigen Wochen die Besetzung der Krim mit dem Verhalten eines Bären verglichen hat: „Der Bär fragt niemanden um Erlaubnis. Der Bär lässt niemanden seine Taiga haben.“

Subtext: Die Mutter aller Putin-Motive ist bekanntlich Putin ohne Hemd auf einem Pferd. Dank Photoshop folgten Varianten, in denen er ähnlich maskulin auf einem Vogel, einem Hai oder eben einem Bären reitet (hier in Begleitung eines schmerzhaften Kalauers). Was bleibt, sind zwei Fragen: Ob das hier das erste Mal ist, dass ein Photoshop-Bild zu einem Drei-D-Deko-Dings wird? Und warum wurde zu dem Russland, auf dem der Bär steht, eigentlich keine kleine Krim zum Danebenlegen mitgeliefert?

Oben-Ohne-Punkte: 10/10, denn so und nicht anders muss eine Putin-Devotionalie aussehen.

Putin der Woche (I)

putin der woche

Gesehen: Im Büro einer Kollegin.

Begleitung: Ein ganz zauberhaftes Kopftuch und ein Design, das jeder Russe kennt.

Text: „Milch-Schokolade ‚Walodka'“

Subtext: Farben, Schriftzug, Kopftuch – normalerweise gehört dieser Look der Schoko-Marke „Aljonka„. So, wie in Deutschland bei einem bestimmten Lila jeder Kopf „Milka“ ergänzt, weiß in Russland jeder, worauf sich die Parodie hier bezieht. Er ist aber auch ein ganz ein Süßer, der kleine Walodka! (Und die Schokolade natürlich ein russisches Produkt und keinesfalls importiert.)

Oben-Ohne-Punkte: 10/10, denn „oben mit Kopftuch“ verdient einen Ausnahme-Bonus.

Kleine Wladimir-Putin-Titelseiten-Kritik

Gleich mehrere große englischsprachige Zeitschriften haben in ihrer aktuellen Ausgabe ein Putin-Cover. Aus Blattmacher-Sicht spricht da neben der aktuellen Nachrichtenlage sicherlich auch für, dass sich Putin in der Öffentlichkeit gern machtvoll, maskulin und autoritär inszeniert – gutes Fotomaterial, um daraus bedrohliche Szenarien aufzubauen. Auch wenn Newsweek dann diese Woche vielleicht doch arg dick aufträgt:

Ob die Feuerbälle in den Augen eine Anspielung an dieses Cover aus dem Herbst 1961 sein sollen? Damals hatte TIME einen furchteinflößenden Chruschtschow auf die Titelseite gehoben. Diese Woche dagegen ist das TIME-Cover zwar weniger dramatisch gestaltet, die Aussage aber trotzdem stark.

Der Economistum den man sich im Moment eh Gedanken machen muss – fällt mit diesem Titel dagegen deutlich ab. Da hilft es auch nciht, dass sie Putins Augenfarben an das Spinnennetz angepasst haben.

Ob nach den ganzen englischen Vorlagen das Spiegel-Cover am Sonntag auch wieder ein Putin-Motiv bekommt? Das hier aus dem Frühjahr hat damals unter Russen im Internet einige Aufmerksamkeit bekommen.

Vielleicht lohnt sich ja in Zukunft eine kleine Reihe mit Putin-Titeln hier im Blog. Genug Zeitschriften, die den russischen Präsidenten regelmäßig auf die Titelseite heben, gibt es bestimmt. Aber erst noch zwei ältere Putin-Cover, die einfach zu schön sind, als dass sie hier fehlen dürften.

Da lacht der Kommunist

Das Dom Knigi, Moskaus großer Buchladen, hat ein ganz solides Angebot an englischsprachigen Büchern. Neulich hab ich dort auf gut Glück „Hammer & Tickle – A History of Communism Told Through Communist Jokes“ mitgenommen und behellige seither Freunde und Verwandte mit Perlen wie dieser:

Was ist der Unterschied zwischen Stalin und Roosevelt? Roosevelt sammelt Witze, die Leute über ihn erzählen. Stalin sammelt Leute, die Witze über ihn erzählen.

Es ist ein Buch zum Film, entstanden aus einem Projekt des Dokumentarfilmers Ben Lewis. Anschaulich, in vielen Anekdoten und an Interviewpartnern entlang erzählt, die im Ostblock Kabarettisten oder Karikaturisten waren, Bürokraten oder Oppositionelle.

Hammer and Tickle Book CoverDass sich Lewis wie ein braver Wissenschaftler an der Hypothese abarbeitet, der Humor habe zum Fall des Eisernen Vorhangs beigetragen, stört nicht weiter beim Lesevergnügen. Soll er gern tun, aber auch ohne Weltformel des kommunistischen Witzes gibt es hier viel zu entdecken.

Zum Beispiel die Geschichte von Iwan Burilow, der unter Stalin zu acht Jahren im Gulag veruteilt wurde. Er hatte 1917 auf seinen Wahlzettel das Wort „Komödie“ geschrieben, das reichte dem Staat als Rechtfertigung. So scheint immer wieder Bitteres durch – egal, um welches Land und welches Jahrzehnt es gerade geht.

– Hast Du schon gehört, dass sich seit dem Frühling die Lebensqualität in Rumänien verdoppelt hat? Vorher haben wir gefroren und gehungert, jetzt hungern wir nur noch.

– Wann feuert ein guter Grenzsoldat den Warnschuss ab?
– Am Ende vom zweiten Magazin.

– Wie wird 1964 die Ernte?
– Durchschnittlich – schlechter als 1963, aber besser als 1965.

Dafür, dass er über die subversive Kraft von Witzen schreibt, kommt Ben Lewis selbst oft ganz schön verbissen und humorlos rüber. Wenn er Gespräche mit seiner Freundin wiedergibt, ist er der Rechthaber in Siegerpose, der ihr stets gern und ungefragt immer wieder erklärt, warum das kommunistische System, in dem sie aufgewachsen ist, scheitern musste.

Von oben herab sind meist auch die Sätze, mit denen er seine Zeitzeugen einführt. Keine Ahnung, ob da ein Dokumentarfilmer dem geschriebenen Wort nicht traut und meint, er müsste dem Leser auch gleich noch immer durchbuchstabieren, was er von wem zu halten hat.

Abgesehen davon aber ist das Buch saftige, unterhaltsame Lektüre. Epoche für Epoche ordnet Lewis die Witze, die er aus teilweise ziemlich obskuren Quellen zusammenträgt, in den geschichtlichen Zusammenhang ein. Dazu gehört auch ein Exkurs zum Humor im Nationalsozialismus – und zum Schluss ein Blick auf Humor im post-kommunistischen Russland:

Wladimir Putin geht mit den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern in ein Restaurant. Der Kellner kommt und will Putins Bestellung aufnehmen.
– „Ich nehme das Steak.“
– „Und was ist mit dem Gemüse?“
– „Die nehmen auch das Steak.“

Wer jetzt noch nicht genug hat, kann sich hier von einem gelernten Vortragskünstler weitere Witze aus Sowjetzeiten erzählen lassen. (Gesehen bei Breakfast in Moscow.)