Etikette und Eichhörnchen

Heute ist wieder Buchclubtreffen. Ich bin da so reingerutscht dank einer Kollegin, in diese englisch-schottisch-russisch-irisch-amerikanische Runde und habe derzeit noch ein kleines Etikette-Problem.

Bücher zum Vergnügen lesen – geht, klar. Bücher für die Uni oder für die Arbeit lesen – auch. Und wenn mir in einem Buch etwas auffällt, sei es dienstlich oder privat, dann google ich hinterher ein bisschen rum und erfahre mehr. Beim Buchclub wäre das kontraproduktiv: Die Diskussion, was welcher Handgriff eines Autors wohl soll, ist ja gerade das Ziel. Es geht um eigene Gedanken, Referieren aus Wikipedia oder der Reclam-Lektürehilfe kann schließlich jeder.

Zu abstrakt? Okay. Diesen Monat lesen wir „Pnin“ von Vladimir Nabokov, was ganz schön gemein ist seiner Hauptfigur gegenüber. Anders als lächerlich darf der aus Russland in die USA emigrierte Professor vor allem zu Beginn selten rüberkommen, dargestellt als ein verpeilter, schrulliger Waschlappen mit mehr Marotten als Verstand. Und dann noch diese Eichhörnchen.

Graubraunes Cover, bunte Markierungen:
Graubraunes Cover, bunte Markierungen: „Pnin“ nach dem Fertiglesen.

Auf Seite 23 sieht der junge Pnin vom Krankenbett aus eines, auf Seite 24 schaut dem erwachsenen Pnin eines bei einer Panikattacke zu. Auf Seite 58 hat er nach einem Besuch seiner Ex-Frau eine Sinnkrise und gibt währenddessen einem Eichhörnchen was zu trinken – spätestens da habe ich angefangen, die Viecher mit Post-its zu markieren.

So eine Eichhorndichte, das muss doch ein Stilmittel sein und nicht bloß Zufall? Das nächste rennt auf Seite 73 durchs Bild, Pnin ist gerade auf dem Weg in die Bücherei. Und da, auf Seite 76, kommt endlich der Satz, der die ganzen Eichhörner rechtfertigt:

„…many good young people considered it a treat and an honor to see Pnin pull out a catalogue drawer from the comprehensive bosom of a card cabinet and take it, like a big nut, to a secluded corner and there make a quiet mental meal of it…“

Okay, kein Zufall also – aber Absicht in welche Richtung? Soll das Pnin weiterhin lächerlich erscheinen lassen oder auch liebenswert? Ist es dann erwähnenswert, dass er sich Anfang des Buchs alle Zähne ziehen lassen hat und nun sehr stolz ist auf seine famosen Dritten, mit denen er alles zerbeißen kann?

Hätte man das als halbwegs belesener Mensch eh vorher wissen müssen, weil Nabokovs Eichhörnchen sowas sind wie Prousts Madeleines? Und schwingt da irgendeine Metapher über das Leben in der Fremde mit, weil die Eichhörnchen in Russland rot sind und in den USA grau, das Emigrantenleben also ähnlich wie zuhause, aber nicht gleich?

Wir müssen reden.

Phoebe I totally get symbolism gif

Putin der Woche (VI)

putin der woche karneval

Gesehen: In einem Verkleidungsladen nahe der Metrostation Sewastopolskaja.

Begleitung: Julija Tymoschenko, ein undefinierbarer Schwarzhaariger und allerlei Aliens.

Text: Keiner.

Subtext: Erst häng ich hier in so einer Begleitung rum, und dann müssen wir Russen während der Fastenzeit auch noch auf Fleisch, Fisch, Eier und alle Milchprodukte verzichten. Also los, bütz‘ mich wenigstens zum Trost!

Oben-Ohne-Punkte: 2/10 für „ohne Augen“.

Fifty Shades of Moskau

Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau. Moskau hat, nicht nur im Winter, viele Grautöne zu bieten. Die folgende Idee zum Filmstart von „Fifty Shades of Grey“ bot sich also an. Das Ziel war dabei auch, zu zeigen, dass grau und öde nicht dasselbe ist. Grau kann opulent sein, wie die Tapete in Breschnews Haus, oder warm wie der Untergrund, auf der die Schnecken beim Datscha-Besuch herumschnecken.

Außerdem habe ich bei der Umsetzung öfter über Freunde und Kollegen nachgedacht und über die Freude, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Die Idee entstand im Gespräch mit Lars Wienand, Peter Schink hat bei der Umsetzung geholfen, Fotos kamen von Moskauer Freunden und früheren Moskau-Besuchern (alle Bildhinweise hier), der Code ist von Sara Soueidan. Die wenigsten von ihnen stehen auf der Gehaltsliste der Moscow Times, aber sie hatten Spaß an der Idee und ihrer Verwirklichung. Dafür danke in alle Richtungen!

Putin der Woche (V)

putin song 2

Gesehen: Im Musikvideo der sibirischen Sängerin Maschani. Auch wenn sie darin eine Doppelrolle hat – als allegorisches Russland in idyllischer Sonne und als Ukraine in höchster Not zwischen Backsteinmauern – ist Putin die eigentliche Hauptfigur.

Begleitung: Die Zeichnung bleibt auf der Bank zurück, nachdem das Original (mehr oder weniger) auf dem Motorrad herbeigerollt ist und die Heldin als Sozia mitgenommen hat.

Text: „Du bist Putin, du bist so Putin/Ich will bei dir sein/Ich schreie nach dir/Mein Putin, mein lieber Putin/Nimm mich mit/Ich will bei Dir sein.“ Den ganzen Text gibt es hier; in Interviews hat Maschani außerdem noch ein paar Weisheiten zu Krim und Ukraine (Überraschung: Nur Putin kann ihr helfen) nachgelegt.

Subtext: Erlöser! Held! Heiland! Wer die Krim russisch macht, der kann auch meine Albumverkäufe in die Höhe treiben. Putin, mein Putin – komm, die dritte Million Youtube-Aufrufe schaffen wir jetzt auch noch!

Oben-Ohne-Punkte: 0/10. Aber beim Eurovision Song Contest wären zwölf Punkte aus Weißrussland eine ziemlich sichere Sache.

Vorschläge für den Grimme Online Award 2015

Seit drei Wochen kann man Projekte für den Grimme Online Award 2015 vorschlagen. In dieser Zeit sind schon rund 300 Projekte zusammengekommen; zwei davon habe ich eingereicht und möchte sie auch hier allen ans Herz legen.

Das eine sind die Reviermenschen, Straßenfotografie aus dem Ruhrgebiet. Meine Essener Kolleginfreundin Monika Idems hat ein Händchen für den richtigen Moment und die richtigen Fragen, sonst würden sich ihr die Leute, die ja im Pott gerne mal lakonisch und kurz angebunden sind, nicht so bereitwillig anvertrauen. Und dann würde sich das Fotoblog hier aus der Moskauer Entfernung auch nicht so nach Heimat anfühlen.

Warum sind Sie Stahlbetonbauer geworden?…

Der andere Vorschlag eignet sich im Gegensatz zu den Reviermenschen nicht zum Darinschwelgen. Manches hier fällt einem schwer zu lesen; es zu schreiben, muss also erst recht ein Kraftakt sein. Nora Hespers tut ihn sich derzeit an und rekonstruiert auf Die Anachronistin das Schicksal ihres Großvaters Theo, eines Widerstandskämpfers aus dem Rheinland.

Vielleicht ist es die Mischung aus journalistischem Herangehen und Persönlichem, die mir das so nahe gehen lässt. Es lohnt sich jedenfalls, und ich hoffe sehr, dass die Grimme-Jury einen guten Blick auf dieses Blog wirft, obwohl es erst am Anfang steht.

Viel Stoff, wenig Schlaf

Insgesamt taugt die Vorschlagsliste übrigens durchaus als kleine Fortbildung. „Meine Erlebnisse im Altenheim“ von Katrin Sickert zum Beispiel kannte ich noch nicht. Sie hat MS und zog darum mit 45 Jahren in ein Heim, aus dem sie nun bloggt.

Umgeben sind ihr Blog, die Reviermenschen und Die Anachronistin auf der Liste von vielen Platzhirschen: Reichlich Öffentlich-Rechtliches, Spiegel, Zeit, taz und, warum auch immer, Chefkoch.de. Wer die Vorschläge darum noch um sein persönliches Lieblingsprojekt ergänzen will, hat dazu noch bis zum 15. März Zeit.

Moskauer Warenkorb, Januar 2015

birnen januar supermarktAch guck, es gibt wieder preiswerte Birnen im Supermarkt. Die sehen zwar aus, als hätten sie gerade den Großen Vaterländischen Krieg hinter sich gebracht, aber gut.

Ansonsten war der Januar der Monat, in dem das Lebensmittel-Einfuhrverbot zu diversen dämlichen Politiker-Statements geführt hat. Das Spektrum reicht von Marie Antoinette („Dann esst halt weniger„) bis Mimimi („Das subventionierte Essen in unserer Kantine für Besserverdienende ist jetzt nur noch 63 Prozent billiger als auf dem freien Markt, vorher waren es 86 Prozent„).

Immerhin haben sich ein paar Dezember-Preistreiber nach unten korrigiert, nicht nur die Birnen, auch der Kabeljau. In der Käsetheke liegt zumindest wieder eine Sorte bezahlbarer Schimmelkäse, der hier mal großzügig unter „Brie“ geführt wird – auch wenn die Käsefachverkäuferin nicht sicher war, ob es auch welcher ist. Unter den Sachen, die teurer geworden sind, ist dagegen auch klassisches, nicht importiertes Wintergemüse wie Weißkohl oder rote Bete.

Der Supermarkt-Teil des Warenkorbes ist von Dezember auf Januar etwas günstiger geworden (7,3 Prozent). Birnen, Brie, Fleisch – einiges war kurz vor Silvester noch deutlich teurer. Am grundsätzlichen Trend ändert das aber nichts: Den Moskauer Warenkorb gibt es seit August, in dem Zeitraum sind die Supermarkt-Einkäufe insgesamt 123,3 Prozent teurer geworden.

Supermarktpreise:

Möhren für 59,90 Rubel/Kilo (Dezember: 69)
Tomaten für 269,00 Rubel/Kilo (Dezember: 165)
Weißkohl für 46,90 Rubel/Kilo (Dezember: 39)
Äpfel für 69,90 Rubel/Kilo (Dezember: 94)
Birnen für 119,00 Rubel/Kilo (Dezember: 269)

Milch (2,5%) für 60 Rubel/Liter (Dezember: 57)
Butter für 45 Rubel/100g (Dezember: 36,11)
Brie für 142 Rubel/100g (Dezember: 329)

Hähnchenbrust für 199 Rubel/Kilo (Dezember: 429)
Schweinekotelett für 379 Rubel/Kilo (Dezember: 319)

Beim Online-Supermarkt Utkonos geht der Preisanstieg weiter, im vergangenen Monat um 8 Prozent. Die Preistreiber sind hier Rote Bete, Auberginen und Kartoffeln. Wer von sinkenden Preisen profitieren will, für den empfiehlt sich im Januar eine Speck-Gurken-Kabeljau-Diät.

Onlinehändlerpreise:

Kartoffeln für 43,90 Rubel/Kilo (Dezember: 32,00)
Zwiebeln für 42,50 Rubel/Kilo (Dezember: 33,00)
Gurken für 237,00 Rubel/Kilo (Dezember: 299,00)
Zucchini für 349,00 Rubel/Kilo (Dezember: 255,00)
Auberginen für 499,00 Rubel/Kilo (Dezember: 519,00)
Rote Bete für 39,00 Rubel/Kilo (Dezember: 22,50)
Eisbergsalat für 148,00 Rubel/Stück (Dezember: 148,00)
Kohlrabi für 349,00 Rubel/Kilo (Dezember: 265,00)

Zitronen für 147 Rubel/Kilo (Dezember: 123,00)
Mango für 389 Rubel/Kilo (Dezember: 315,00)
Bananen für 89 Rubel/Kilo (Dezember: 99,50)
Orangen für 105 Rubel/Kilo (Dezember: 94,00)
Grapefruit für 99 Rubel/Kilo (Dezember: 97,00)
Kiwi für 189 Rubel/Kilo (Dezember: 154,00)

Milch für 64,21 Rubel/Liter (Dezember: 58,13)
Butter für 52,22 Rubel/100 g (Dezember: 52,22)
Graubrot, geschnitten, für 82,5 Rubel/Kilo (Dezember: 82,50)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (Dezember: 90,60)

Rinderhack für 494 Rubel/Kilo (Dezember: 398,00)
Ganzes Hähnchen 150,00 für Rubel/Kilo (Dezember: 158,00)
Durchwachsener Speck für 556,00 Rubel/Kilo (Dezember: 1010,00)

Kabeljau (TK) für 236,00 Rubel/Kilo (Dezember: 502,00)
Lachssteak (TK) für 640 Rubel/Kilo (Dezember: 640,00)

Das Kleingedruckte: In diesem Monat mussten wir uns leider von der Papaya verabschieden, Utkonos hat keine mehr im Sortiment. Und es gilt weiterhin: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ.

Der Russe ist einer, der Softpacks liebt

Schon lange, bevor Putin mit seinem Einfuhrverbot Lebensmittel zu einem Russland-Thema gemacht hat, hat mich hier im Supermarkt etwas fasziniert. Schließlich kennt, wer seine Einkäufe bisher in Deutschland erledigt hat, das hier:

Handseife im Softpack 

Flüssigseife. Spüli. Sowas, sagt die Gewohnheit, gehört in diese Art von Verpackung. Und wie heißt die überhaupt? Sicher, dem Sinn nach ist das ein Nachfüllpack, und wer ihn direkt kauft, ohne etwas damit nachfüllen zu wollen, löst üble philosophische Fragen aus. Aber wie nennt sich die Form, wenn nicht nach der Funktion?

Gut, wenn man wen kennt, der wen kennt, der nicht nur als Kunde in den Supermarkt geht und darum die Antwort weiß: Softpack. Im Russischen muss das einer der häufigsten Begriffe überhaupt sein, denn hier sind sie ein bisschen kreativer, was die Verwendung dieser Verpackung angeht.

Sechs Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
Sechs Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
 
Von oben links nach unten rechts sind das hier softverpackte Waldpilzsoße, Meerrettich, Senf, Ketchup, normale Mayo und welche mit/aus Wachteleiern. Keine Tube, keine Flasche, kein Tetrapack, kein Schraubglas. Nur Softpack, das reine Softpack und nichts außer Softpack.

Ach so, sagte ich, sie seien hier „ein bisschen kreativer“ beim Einsatz von Softpacks? Ich meinte „deutlich kreativer“.

Und noch vier Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
Und noch vier Softpacks aus dem russischen Supermarkt.
 
Reis und Hirse, Buchweizen und Grieß. Dass man die bequem aus diesem kleinen Plastikhals-Stöpselstummel rausschütteln kann, scheint höchstens beim Grieß plausibel. Spätestens beim Buchweizen sucht, wer nicht extremer Fan von Slow Food ist, nach der Schere.

Gut also, dass das alles war, was er im Softpack kauft, der Russe.

Ja okay, und Zucker.

Zucker im Softpack 

Und Schmelzkäse.

softpack 14 

Und Erdbeermarmelade.

softpack 16 

Und Kaffeesahne.

softpack 15 

Und Bolognesesauce.

softpack 6 

(Danke an Udo für die „Softpack“-Vokabel und die Erklärung, warum Supermarkt-Mitarbeiter Softpacks hassen.)

Putin der Woche (IV)

Putin der Woche

Gesehen: In einem Russischbuch.

Begleitung: Eine Einstiegsübung zum Thema „Selbstporträt“, in schlichten Sätzen gehalten.

Text: „Guten Tag! Ich heiße Wladimir Wladimirowitsch. Mein Nachname ist Putin. (…) Ich bin in Sankt Petersburg geboren, lebe jetzt aber in Moskau….“ Nicht ganz auf Stand ist das Buch allerdings bei den Familienverhältnissen: Der Mensch, der sich hier in Lektion 1 als Vater von Mascha und Katja vorstellt, ist noch ein verheirateter Mann.

Subtext: Du lernst also Russisch? Okay, fangen wir mit dem Wichtigsten an. Denkerpose und los geht’s!

Oben-Ohne-Punkte: 0/10.

Nützliche Russland-Apps für Touristen und andere Zugereiste

startupstockphotos best russia apps

Welche Apps braucht man in Russland, vor allem in Moskau? Was muss drauf aufs Handy? Zum Start zwei Tipps, die banal klingen, aber viel Zeit sparen: Google Translate als App statt im Browser ist mobil um vieles einfacher zu handhaben. Auch Chrome lohnt sich, wegen derselben Google-Technologie: Eine russische Website mit einem Klick übersetzen zu können, das ist schon sehr nützlich.

Metropolitan App ScreenshotWas noch? Einen Metro-Plan, zum Beispiel „Metropolitan“ oder „Yandex Metro„. Sie schlagen Routen vor, helfen bei der Orientierung und verschaffen Durchblick bei Spezialitäten, wie sie Moskaus Metronetz reichlich hat: Teatralnaja, Ochotni Riad und Ploschad Revolutsii? Dieselbe Haltestelle auf unterschiedlichen Linien. Arbatskaja in Hellblau und Arbatskaja in Dunkelblau? Unterschiedliche Haltestellen, an denen man also auch nicht in die jeweils andere umsteigen kann. Nur auf die Fahrtdauer-Prognosen sollte man sich besser nicht verlassen, es dauert eigentlich immer länger.

Neben der Metro gibt es Busse, Straßenbahnen, Oberleitungsbusse und kleine Marschrutki – bloß keine gute Fahrplan-App dafür. Selbst Mosgortrans, der ÖPNV-Betreiber in der Hauptstadt, verweist für Fahrplanauskünfte schlicht auf Google Maps, viele Russen nutzen auch dieselbe Funktion in Yandex Maps. Speziell bei Bussen schlägt Rusavtobus auch schon mal gute Alternativen vor, kann also nicht schaden.

GetTaxi ScreenshotOder Taxifahren? Wer an einer großen Moskauer Straße die Hand raushält, vor dem hält schnell der erste Privatwagen und fordert zwei Fähigkeiten ein: den TÜV-Prüfer-Blick, ob man sich diesem Menschen und diesem Auto anvertrauen will, und ausreichende Russisch-Kenntnisse, um Ziel und Preis auszuhandeln. Ob sich der Fahrer dort dann noch erinnern wird oder behaupten, man habe sich auf das Doppelte geeinigt, ist Glückssache. Die Alternative sind deshalb Apps wie YandexTaxi und GetTaxi (englische Menüführung), mit festen, transparenten Preisen und einem Bewertungssystem für Fahrer. Bloß Finger weg von CityMobil, das sind ekelige Rassisten.

WordLens ScreenshotNützlich zur Orientierung unterwegs ist auch WordLens – eine App, die Schriftzüge erfasst und auf dem Handy-Bildschirm eine Übersetzung anzeigt. Einmal eingerichtet (erst die App runterladen, die Sprachpakete gibt es dann als In-App-Käufe, aber zum Preis von null Euro) taugt das für alles von Straßenschildern bis zu Joghurt-Etiketten an der Milchtheke. Auch eine App zum Scannen von QR-Codes lohnt sich, denn viele Sehenswürdigkeiten in Moskau haben großformatige Codes an der Fassade.

Friendly Moscow ScreenshotZum Weggehen hat Afisha sicher den besten Terminkalender, allerdings gibt es die App bisher nur auf Russisch. Keinen Kalender, aber viele Ideen abseits der gängigen Touri-Ecken bietet Friendly Moscow. Dort hab ich zum Beispiel vom Spielautomaten-Museum gehört und da großen Spaß gehabt. Nur die Suche nach einer geheimen Bar endete mit einem bocklosen Wirt, der nicht mal zum Fenster rausrufen wollte, als wir im Innenhof standen, aber den Eingang nicht fanden. Nun ja. Größere Restaurant- und Cafébetreiber haben außerdem oft Sammel-Apps für ihre verschiedenen Läden – aus dem Angebot von FriendsForever lohnt sich zum Beispiel das Breakfast Café, bei iGinza das Sixty und die Mercedes Bar.

memrizeWas Apps zum Russischlernen angeht, hat mich bisher nur wenig überzeugt. VOCLab (falsch übersetzte Vokabeln), Bravolol (keinerlei Methodik), Babbel (ziemlich strammes Bezahlmodell), irgendwas war immer. Hängengeblieben bin ich schließlich bei memrize. Die App ist zum Lernen generell gedacht – Hauptstädte, Jahreszahlen, Sprachen – und legt einem systematisch und in kleinen Gruppen Vokabeln und Floskeln zum Wiederholen vor. Dazu gibt es so bekloppte Eselsbrücken, dass sie aus purem Schmerz hängenbleiben. Zwei Häkchen allerdings auch hier: Erklärt wird das Russische aus dem Englischen, das macht die Aussprachetipps manchmal verwirrend. Und neue Kurse kann man nicht innerhalb der App laden, nur per Umweg über die Website.

ponsZum Schluss noch ein Tipp zu Wörterbüchern: Für die Pons-App in der Größe „Kompakt“ (285.000 Einträge) zahlt man aktuell 14,99 Euro. Dafür liest sie Begriffe vor, liefert bei Verben die Konjugation und bei Substantiven die Deklination als Tabelle mit und kann noch einiges mehr, was ich noch nicht ausprobiert habe (Handschrifterkennung, Vokabelkärtchen). Für einen Urlaub in Russland sicher nicht nötig, aber fürs Leben hier eine gute Sache.

Für weitere Reisen hier noch ein paar nützliche China-Apps.

(Foto: Startup Stock Photos)

Verstärkung gesucht

250,000 Facebook-Fans, 60,000 Twitter-Follower, dazu ein YouTube-Kanal und ein Instagram-Account, die mal ein bisschen Liebe brauchen könnten. Das, lieber Leser, kann alles Dir gehören, jedenfalls auf Zeit.

Wir suchen bei der Moscow Times eine Praktikantin oder einen Praktikanten für Social Media. Die ganze Stellenanzeige gibt es hier, und wer sich die URL ansieht, der merkt schon: Einfach ist hier nur wenig. Einerseits sitzen wir an schicken, schnellen Macs in einem Gebäude im Norden der Stadt, in dem es entfernt so aussieht wie auf dem Bild. Die Atmosphäre ist irgendwo zwischen Start-Up und Lokalredaktion, die Kollegen kommen aus allen möglichen Ländern, und irgendwer plant immer gerade eine Reise irgendwohin und holt sich in der Teeküche Tipps von drei anderen, die schon da waren. Einerseits.

Foto: Startup Stock Photo
Foto: Startup Stock Photo

Andererseits haben wir das älteste CMS, mit dem ich seit dem Volo gearbeitet habe, und das war immerhin 1998. Neuankömmlinge müssen sich aus den schicken Mac-Bildschirmen, den schicken Mac-Tastaturen und den schicken Mac-Mäusen erst mal eine Kombination zusammenklauben, die auch funktioniert. Verständnis dafür, wie kritischer Journalismus funktioniert, ist in Russland nicht sehr weit verbreitet – die Philosophie ist eher „wenn ihr nicht für uns seid, seid ihr wohl gegen uns“ Das führt zu interessanten Facebook-Kommentaren. Und ja, das politische Klima hier ist genau so, wie ihr es euch vorstellt in einem Land, das in einen bewaffneten Konflikt mit einem Nachbar verwickelt ist.

Wenn das jetzt als Reaktion nicht „Oh Gott“ auslöst, sondern „Das muss ich mir mal anschauen“, dann freue ich mich über eine Bewerbung. Es wird viel ums Tagesgeschäft gehen, darum, wie man Leser rund um die Welt so erreicht, dass sie in ihrer Zeitzone im richtigen Moment den richtigen Inhalt von uns sehen. Aber es ist auch genug Luft zum Rumprobieren. Für Liveblogs, schlaflose Foto-Aktionen, Storifies, Memes, Thinglinks und anderen Spökes, den ihr als Idee mitbringt. Als Pluspunkt kann ich bieten, dass sich Leute (hier, hier, hier und anderswo) von mir bisher immer gut ausgebildet gefühlt haben. Sowas macht mir Spaß, und ihr wärt hier garantiert weder Kaffeekocher noch Kopierhilfe.

Zwei Hinweise noch zur Ausschreibung: Das Praktikum ist, so leid mir das tut, unbezahlt. Und ja, auch wenn ihr das hier auf Deutsch lest, suchen wir im Prinzip Englisch-Muttersprachler. Da mir klar ist, dass ich nicht in der besten Position bin, auf diesem Anspruch zu bestehen, hier die Ausnahmeregel: Wer kein Muttersprachler ist, aber schon Erfahrung im Arbeiten für englischsprachige Medien mitbringt und diese Erfahrung auch belegen kann, ist herzlich willkommen. Bei Zeitpunkt und Dauer des Praktikums sind wir flexibel, es würde also auch gut in die Semesterferien passen.

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