Putin der Woche (XLVII)

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Gesehen: Im Online-Shop von Caviar – einer Firma, die sich auf allerlei Putin-Bling spezialisiert hat.

Begleitung: Die Basiliuskathedrale, der Kreml, alles schön aus Gold.

Text: „V.V. Putin, 2018“. Dazu eine Produktbeschreibung: Das Rot soll an die russische Verfassung erinnern. Die ganze Handy-Hülle schließlich stehe für „die Wünsche und Hoffnungen derjenigen, die bereit sind, Wladimir Putins Kandidatur bei der kommenden Präsidentschaftswahl zu unterstützen“.

Subtext: Samstag hat der Präsident Geburtstag, und bisher bekommt er nur eine Oppositionsdemo geschenkt. Komm, da fällt uns doch was besseres ein. Handyzubehör für seine Unterstützer – los, wir schreiben „limitierte Auflage, nur 65 Stück“. Lustig, das merkt der nie!

Oben-Ohne-Punkte: 0/10

Garry Kasparov bei der #rp17: Links zum Weiterlesen

Garry Kasparov bei der re:publica, das ist nur eine von vielen Sessions, bei der ich dieses Jahr gerne gewesen wäre. Aber in Kiew ist Eurovision und man kann nur eines haben. Stattdessen habe ich also, nach mehrfachen „Interessiert dich bestimmt“-Hinweisen von Freunden, den Kasparov-Auftritt bei YouTube geguckt (ab 7:19) , mehrfach genickt, ein paar mal gegrinst, und vor allem gedacht: Das reicht noch nicht.

Foto: re:publica/Jan Zappner
Foto: re:publica/Jan Zappner

Zu wenig Zeit war das, um in die Tiefe zu gehen – auch, weil er sich die Session mit Claudio Guarnieri von Amnesty International teilte, was nur so halbgut zusammen passte. Andererseits: Wie schön eigentlich, wenn eine Session endet und man sich wünscht, sie wäre noch nicht vorbei. Für alle, denen das auch so ging, habe ich einige Kasparov-Zitate ausgesucht und zu ihnen Links zum Weiterlesen zusammengestellt.

Darüber, warum mit der Verbreitung des Internets nicht auch automatisch die Meinungsfreiheit wächst:

„Many of these devices allow governments to go after people, to find those who are spreading dissenting views, and eventually to prosecute them.“

„Devices“ ist ein bisschen umständlich formuliert, konkret sieht man diesen Mechanismus in Russland in den sozialen Netzwerken. Alexander Biwschew hat das am eigenen Leib erlebt – er ist Lehrer und Dichter und wurde zu 300 Stunden Arbeit verurteilt, weil er online ein Gedicht veröffentlichte, in dem er Russlands Annektion der Krim kritisierte. Andere Fälle, in denen ihr Verhalten in sozialen Netzwerken Russen vor Gericht brachte, dokumentiert die Serie „Jailed For A Like“. Und Pavel Durov, der Gründer von VKontakte, hat das Land verlassen, der eigenen Sicherheit zuliebe. 2011 hatte er sich geweigert, die VK-Seiten von Oppositionellen zu sperren. Danach war er zunehmend ins Visier der Behörden geraten.

Darüber, welche Unternehmen sich den Internet-Regelungen autoritärer Staaten beugen:

„…the double standards in the behaviour of big corporations, that are expressing their concerns about individual privacy in the free world, but at the same time are ready to comply with draconian regulations in countries like Russia, China or elsewhere, by protecting their business and endangering, at the same time, the lives, real lives, of people who are relying on these technologies to spread their message.“

Russland versucht seit einiger Zeit, durchzusetzen, dass große Internetunternehmen die Daten ihrer Nutzer auf russischen Servern speichern. Eine Petition dagegen hat knapp 45.000 Stimmen bekommen, vor allem wegen Sorgen, dass die russische Obrigkeit dann frei auf die Daten (kritischer) Nutzer zugreifen kann. (Vielleicht sind die Behörden es leid, vergeblich bei Twitter anzufragen, wenn sie solche Nutzerdaten bekommen wollen.)

Von Facebook konnte man lesen, dass es sich diesem Anliegen verweigert hat – trotzdem ist es bis heute in Russland erreichbar. LinkedIn hingegen ist in Russland geblockt, seit es den Server-Umzug verweigerte. Google wiederum hat tatsächlich einige seiner Server nach Russland umgezogen, Apple hat ähnlich reagiert, Twitter prüft das offenbar gerade.

Über die Prioritäten im russischen Staatshaushalt.

„Putin is making cuts on social security, on housing, on education, on everything except military, security and propaganda. That’s a war budget.“

Russland spart zwar inzwischen selbst am Rüstungsbudget, es ist aber immer noch einer der großen Batzen im Etat. Die Washington Post rechnet vor: 30 Prozent des Staatshaushalts gehen an Militär und Geheimdienste, für die Gesundheitsversorgung sind nicht einmal 3 Prozent eingeplant.

Vor einem knappen Jahr blamierte sich Dimitri Medwedjew beim Versuch, einer alten Frau zu erklären, warum es bei den Renten nicht mal einen Inflationsausgleich gibt. Besonders sichtbar wird das Sparen auch bei Medikamenten für HIV-positive Patienten. Bei der Palliativmedizin ist die Situation in Russland so katastrophal, dass sich immer wieder Schwerkranke das Leben nehmen.

Über Pro-Putin-Trolle:

„…look at the ratio of investment and return: It’s much cheaper than buying tv ads, and what’s also important is a huge amount of deniability. So you do these things, but technically, you can always deny: This is not us.“

Wer sich dafür interessiert, was ein Troll so kostet: Ljudmilla Sawtschuk hat das publik gemacht. Sie hat knapp zwei Monate in einer „Troll-Fabrik“ in St. Petersburg gearbeitet, für ein Monatsgehalt zwischen 40.000 und 50.000 Rubel. Im Gespräch mit Spiegel Online hat sie berichtet, dass es noch weitere Troll-Fabriken gebe, dort würden auch Pro-Putin-Kommentare auf Deutsch verfasst.

Journalisten, die über diese Trolle berichten, riskieren, selber zum Ziel zu werden, wie Jessikka Aro erlebt hat. Und, auch wichtig: Nicht jeder, der Kommentarbereiche mit Pro-Putin-Beiträgen zuspammt, wird dafür auch aus dem russischen Machtapparat heraus bezahlt.

Steve Jobs als Abendprogramm bei der re:publica?

Noch gibt es kein offizielles Programm für die re:publica im Mai, nur diese Beta-Version. Also lohnt es sich hoffentlich noch, eine Idee anzubringen. Vorschlag also: Liebe Macher der #rp13, bitte ladet doch Andreas Beck ein! Nicht als Redner, sondern fürs Abendprogramm, als Gastspiel.

Andreas Beck in „Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs“ (Foto: Theater Dortmund)
Beck spielt seit Herbst 2012 am Theater Dortmund die Haupt- und einzige Rolle in „Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs„. Letzten Samstag hatten wir endlich Karten, und es waren 90 grandiose Minuten. Theater, erzählte Reportage, Kabarett. Irgendsowas ist das, ein Monolog jedenfalls, über Apple, Globalisierung, das Leben als Nerd, Steve Jobs und die Arbeitsbedingungen bei Foxconn.

Wer jetzt Betroffenheitstheater erwartet, liegt leider falsch. Der Abend geht von komisch bis beklemmend, und wenn der Text zur Predigt wird, merkt man, dass Mike Daisey durchscheint. Von ihm stammt das englische Original des Textes, und ja, er ist erkennbar ein Mann mit Mission.

Tischdeko bei der Aufführung im Studio des  Dortmunder Theaters
Tischdeko bei der Aufführung im Studio des Dortmunder Theaters
Mike Daisey war in China, er hat mit Foxconn-Arbeitern gesprochen, und seitdem empört er sich. Er kritisiert Steve Jobs – und profitiert mit seinem Theaterprojekt zugleich von dessen Prominenz. (Zur Debatte, ob Daisey wegen seiner Arbeitsweise nun ein zweifelhafter Journalist ist oder einfach ein Künstler, der sich Freiheiten nimmt, kann man hier und hier und in Daiseys Blog einiges lesen).

In der Dortmunder Aufführung geht Andreas Beck zwischen den Zuschauern herum, die in kleinen Gruppen sitzen. Holt hier was aus dem Regal, legt dort einem Gast ganz päpstlich die Hand auf den Kopf. Ein Kraftakt sind diese 90 Minuten, hinterher gibt es Lesematerial zum Mitnehmen, man soll doch mal an Tim Cook mailen, wird da vorgeschlagen. Vor allem aber sorgt Beck mit seinen Schlussworten dafür, dass es sich nach dem Theater anders anfühlt als vorher, das Handy rauszuholen, zu entsperren und auf den Bildschirm zu tippen.

Also, liebe re:publica: Habt ihr für dieses Stück und diesen Schauspieler nicht vielleicht Platz im Abendprogramm? Kann ja nicht jeder in Dortmund wohnen. Da steht „Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs“ im April wieder auf dem Spielplan.

Die siebte China-Woche in Links

Seltsame Woche. Peking entwickelt sich allmählich Richtung Pleasantville, nur mit mehr Uniformierten. Alles hübsch und mit Blumenschmuck hier, bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen. Mehr dazu hier. Zugang zum Internet wird schwieriger, ruckeliger. Gestern die Praktikums-Absage von Xinhua, vielleicht geht noch was zu einem späteren Termin, nun ja. Und dann heute auch noch Schnee, was selbst für die Einheimischen was Besonderes ist.

An interview from 2000 with China’s Vice President Xi Jinping – kann ein zwölf Jahre altes Interview noch interessant sein? Ja, wenn es eines der wenigen Gespräche mit dem künftigen Staats- und Parteichef Xi Jinping ist. Carsten Boyer Thøgersen and Susanne Posborg haben das Interview im Auftrag des Nordic Institute of Asian Studies übersetzt.

Vor kurzem hat Apple seinen größten Laden Asiens in Peking eröffnet. Wer hier ein iPhone kauft, darf nicht auf Siris Hilfe bei der Suche nach Sex hoffen

Apple blocks Siri’s prostitute-finder function – möglicherweise am schönsten an dieser Xinhua-Meldung ist der Hinweis auf die knallharte Hintergrund-Recherche: „Previous research conducted by Xinhua reporters in Shanghai’s Baoshan District found that of the 12 locations listed by Siri upon the „escort services“ inquiry, some did provide such services.“

As Handover Looms, China Enters Extreme Lockdown – Yueran Zhang hat Weibo-Stimmen dazu gesammelt, was für Verbote den Pekingern derzeit so begegnen. „Although “stability preservation” (“维稳”) is always a high priority in China, it has now become the singular priority, affecting the lives of countless Chinese officials and citizens.“

China moves toward registering citizens‘ fingerprints – nochmal Xinhua, diesmal über ein massives Datensammelprojekt, das die Polizei plant: „According to the statement, citizens applying for ID cards for the first time as well as those applying for replacement cards will be required to have their fingerprints recorded.

China’s incoming first lady a challenge for the image makers – Julie Makinen über die Vermarktung von Peng Liyuan, die als Sängerin bereits berühmt ist und nun bald die First Lady von China wird. „Crafting a public role for Peng will require Communist Party image makers to delicately navigate millenniums-old suspicion of women near the center of power in China, the party’s own squeamishness about making officials‘ private lives public, and a gossipy media culture increasingly critical of elites‘ lifestyles and behavior.“

For Complainers, A Stint In China’s ‚Black Jails‘ – Frank Langfitt besucht mit einer früheren Insassin eines von Chinas Geheimgefängnissen. „Local officials use secret detention centers to protect their standing in the bureaucracy. Every time a citizen goes to Beijing to complain, the central government gives local officials a black mark.“

Forced shopping in Hong Kong makes a return on cheap tour packages – He Huifeng und Amy Nip über Butterfahrten nach Hongkong mit Kaufzwang. „While it is illegal for agencies to organise tours at prices that cannot cover costs (…)  it is easy to buy tourist coupons online through various mainland websites at ultra-low prices of between 200 yuan and 500 yuan.“

Peking regelt Organspende neu – Petra Kolonko erklärt, wie es mit dem bisherigen System der Organ-„Spende“ von Hingerichteten weitergehen könnte. „Während pro Jahr in China etwa 1,5 Millionen Kranke auf eine Transplantation wartete, würden nur etwa 10.000 vorgenommen. Die hohe Nachfrage führt zu illegalem Organhandel.“

Wary of Future, Professionals Leave China in Record Numbers – Ian Johnson beschreibt den „brain drain“ unter gebildeten jungen Chinesen. „Most migrants seem to see a foreign passport as insurance against the worst-case scenario rather than as a complete abandonment of China.“ Lustiger Bonus: die Sache mit dem Aufmacherfoto.

Die dritte China-Woche in Links

China’s ‚New Left‘ Grows Louder – Brian Spegele über die Unruhe unter den Anhängern von Bo Xilai und warum es für die Parteispitze schwierig ist, gegen die Neue Linke vorzugehen. „The new leftists act as defenders of the vision Mao once laid out for China: Rejecting them outright would risk exposing party leaders to sensitive questions around the very foundation the party is built on.“

Daddy Dearest: Disgraced Chinese Politician Bo Xilai’s Son Defends Him – Hannah Beech über Bo Guagua, der für seinen Vater in die Bresche springt – und die Frage, warum er das für seine Mutter nicht getan hat. „Does the son’s defense of his father (…) provide hints that Bo père will be fighting the allegations in a way that his wife did not when she admitted to her crimes at her sentencing? “

Foxconn workers on iPhone 5 line strike in China, rights group says – Adam Gabbatt über die drei- bis viertausend Arbeiter, die nach Angaben von China Labor Watch im Foxconn-Werk in Zhengzhou streiken. „The majority of Foxconn employees taking part in the strike worked on the „onsite quality control line“, according to China Labor Watch. It said the strike meant iPhone 5 production lines were „in a state of paralysis for the entire day“.“

Line Dancer aus Zeulenroda in China ausgezeichnet – Heidi Henze schreibt über die Tanzgruppe, mit denen wir in München auf unseren Flug nach Peking gewartet haben. Dort haben sie zwischen den Stuhlreihen am Gate getanzt, später in Luoyang dann einen Preis mitgenommen.

On investment, China politics aren’t black and white – Joseph J. Schatz über China als Thema in der Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten. „Black-and-white campaign slogans don’t easily translate into economic policy, including the exquisitely complex U.S.-China economic relationship.“

Tencent
Yujia Lee, Medienbotschafter-Alumna, arbeitet bei Tencent.

Skypes Konkurrenz aus China: Der Chatdienst Weixin – Felix Lee über den Erfolg des Internet-Unternehmens Tencent (bei unserem Besuch dort letzte Woche hatten unsere Gastgeber viel Spaß mit der im Text erwähnten „Schüttelfunktion“). „Auslandschinesen sind (…) nicht nur kräftige Kapitalgeber. Zuweilen verhelfen sie auch chinesischen Online-Unternehmen zum Welterfolg.“

Volunteer Coders Team Up to Fix China’s Horrid Online Train Ticketing Site – David Wertime über Pläne, unter  12306NG.org eine besser funktionierende Alternative zur chinesischen Bahn-Buchungsseite 12306.cn zu programmieren. „Among the site’s most vexing new features is the ability (read: requirement) that users wait in a “virtual line.” “

Why China Lacks Gangnam Style – Evan Osnos kommt zu dem Schluss, dass es Chinesen schwer fällt, ihrer eigenen Kultur mit Humor zu begegnen. „In Chinese cultural circles there is a name for this: the “ ‘Kung Fu Panda’ problem,” named for the 2008 DreamWorks movie.“