Die neue Moschee in Moskau – ein Rundgang auf Socken

Sicherheitsschleuse, Tasche durchleuchten lassen, quer über den Hof zum Fraueneingang der Moskauer Moschee. Schuhe ausziehen und ins Regal, Kopftuch aus der Handtasche kramen – als Frau in Moskau ist das ein vertrauter Griff.

Kann schließlich immer sein, dass man an einer orthodoxen Kirche vorbei kommt und sie gerne besichtigen würde. Wer dann ein eigenes Tuch dabei hat, muss sich nicht auf eines der Leihexemplare einlassen, die am Eingang verteilt (und anschließend an die nächste unbetuchte Besucherin weitergereicht) werden.

Heute also mal keine Kirche, sondern die riesige neue Kathedralmoschee. Keine fünf Monate ist die Eröffnung her, trotzdem war es eine andere Welt, in der wir damals lebten: Putin und Erdogan im Schulterschluss beim gemeinsamen Rundgang – so viel Eintracht zwischen den beiden ist heute schwer vorstellbar.

Ein Blick durch den Innenraum der Moschee

 

Sulfija Ismailowa, die uns herumführt, erzählt von den unterschiedlichen Nationalitäten, die am Bau der Moschee beteiligt waren. Ja, die prächtige Kuppel mit ihren Blautönen haben türkische Künstler ausgemalt: Koranverse in goldener Schrift, weiter unten eine Auswahl der Namen Allahs, „leider nur 40, für alle hat der Platz nicht gereicht.“

Die alte Moschee war längst zu klein geworden, zur neuen hat Sulfija allerlei Zahlen mitgebracht. 1500 Kilo schwer der Kronleuchter, 79 Meter hoch das Minarett, 57 Meter die Kuppel, oben drauf 12 Kilo Blattgold, innen drin Platz für 10.000 Gläubige und daher, mit denen in Rom und London, eine der größten Moscheen Europas. In den Teppich unter unseren Sockenfüßen ist ein Muster eingewebt, das für ordentliche Reihen an Betenden sorgt, alle mit demselben Abstand.

Noch interessanter als die Zahlen zum Bau und dem Auffrischungskurs zum Thema Islam (die fünf Säulen sind hier im Gebäude tatsächliche Säulen, neben jeder steht eine kleine Vitrine, etwa mit einem hellen und einem dunklen Faden für den Ramadan) ist aber, was Sulfija nebenbei erwähnt.

Dass „Allah“ schlicht „Gott“ bedeutet und nicht auf den Islam begrenzt ist – Schulwissen, klar. Aber dass arabische Christen „Allah“ sagen und damit die Dreifaltigkeit meinen, ist schon sehr viel anschaulicher. Als Sulfija die Regel erwähnt, dass man anderen Menschen nur das wünschen soll, was man sich selber wünscht, stehe ich plötzlich in Gedanken wieder an Kants Grab in Kaliningrad.

Zum Schluss gibt es nicht nur ein Wiedererkennen, sondern auch noch ein kleines Russisch-Erfolgserlebnis: „Wir dürfen nicht behaupten, dass unsere Religion besser ist als andere“, erklärt Sulfija, „Nur Gott ist der Richter.“ Den Nachsatz verstehe ich, ehe er aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt wird. Schließlich haben wir ihn vergangenes Jahr im Chor gesungen – als Teil eines Rachmaninow-Stücks mit russisch-orthodox geprägtem Text.

Wie mein Vater einmal kein Russisch lernte

russisch lernen alphabet

Familienbesuch über Weihnachten in Moskau, das heißt auch: Es kommen Geschichten zutage, die ich noch nicht kannte.

Zum Beispiel die, wie mein Vater sich damals an seiner Schule im Rheinland gemeldet hatte, weil er Russisch lernen wollte – dreimal die Woche, als AG, in der nullten Stunde. Der Lehrer, erinnert er sich, war ein Sprachgenie, und eine ganze Reihe Schüler hatte Interesse. Nach den Sommerferien sollte es losgehen.

Als die Schule wieder begann, fasste sich der Lehrer kurz: „Nach dem, was diesen Sommer passiert ist, werdet ihr Russisch nie mehr gebrauchen können. Kommt, wir machen stattdessen Niederländisch.“ Es war 1961, und in Berlin war während der großen Ferien die Mauer gebaut worden. Sein Niederländisch braucht mein Vater bis heute regelmäßig.

Mehr als dreißig Jahre später habe ich an meiner Schule im Rheinland die ersten Wörter Russisch gelernt. Als AG, in der nullten Stunde.

Phallsche Freunde

дылда russisch

Was beim Russisch lernen ja sehr hilft: Freunde, die sprachlich schon ein Stück weiter sind und deshalb die wirklich unterhaltsamen Vokabeln kennen. Neulich kamen Frances, die seit Jahren hier lebt und mit einem Russen verheiratet ist, und ich aufs Thema „falsche Freunde“. Auf Wörter also, die klingen, als ob sie eine Sache beschreiben, in Wirklichkeit aber ganz etwas anderes bedeuten.

Ein paar Beispiele: Das russische „шлагбаум“ [schlagBAUM] bezeichnet tatsächlich eine Schranke und ist damit ein echter Freund. Aber „ангел“ ist keine Angel, sondern ein Engel, „фамилия“ nicht die Familie, sondern der Nachname, und „шах“ nicht Schach, sondern ein Schah. Ziemlich falsche Freunde.

Um Frances‘ Vokabel zu verstehen, muss man wissen, dass ein unbetontes O im Russischen als A gesprochen wird. (Das macht die Chorproben immer sehr feminin, wenn wir pianissimo, gesprochen [piaNIssima], singen und der Dirigent am Ende bravo, gesprochen [BRAva], ruft.) Was also würde man von einem russischen Wort erwarten, das [DILda] gesprochen wird? Klar, ein Dildo. Ist es aber nicht – дылда nennt man einen großen, schlanken Menschen. Einen Schlaks, einen langen Lulatsch.

Noch schöner – und komplett unmissverständlich – ist übrigens das Wort, das Russen benutzen, wenn sie wirklich „Dildo“ meinen: фаллоимитатор. Gesprochen: [fallaimiTAtar]. Und was machen Sie so beruflich? Ach, ich bin Phalloimitator.

Der Chorworkshop mit Voces8 in acht Highlights

Milton Abbey Summer School Scores

Kein Ausschlafen, Essen in der Kantine, jeden Tag stundenlange Probenarbeit, abends Konzerte und wenn man gerade ins Bett gefallen ist, weckt einen der Feueralarm. Man muss schon eine besondere Sorte Musik-Nerd sein, um so seinen Urlaub zu verbringen.

Wir sind 150, und jeder einzelne ist froh, einen Platz ergattert zu haben. Denn die Dozenten bei diesem Chorworkshop in der südenglischen Pampa sind Voces8. Wenn man sich als Sänger von jemandem etwas abgucken möchte, dann sind die acht schon keine so ganz schlechte Wahl. (Hier singen sie das ohnehin ziemlich großartige „Ubi Caritas“ von Ola Gjeilo.)

Sportler fahren ins Trainingslager. Wir sind hier, in Milton Abbey, einer Schule im historischen Gebäude. Die Highlights der Woche, natürlich in acht Punkten:

1. Das Einsingen

Das mag komisch klingen, aber ja, die Einsingübungen waren für mich tatsächlich einer der Höhepunkte. Wahrscheinlich, weil der Kontrast so groß ist zum Chor hier in Moskau, wo die Devise „im Zweifel forte und marcato“ gilt und das Aufwärmen chronisch zu kurz kommt.

Die halbe Stunde Wachwerden jeden Morgen – Körper, Atmung, Stimme – war gerade deshalb eine super Sache. Erst recht, weil jeder von den acht Sängern/Dozenten seine eigenen Methoden mitgebracht hatte.

Gähnen, Hecheln, Explosivlaute, Tonfolgen, das kennt man ja. Luftgitarre spielen (und hinterher zerdreschen) war mir dagegen neu – genau wie das allmorgendliche Gefühl, dass eine halbe Stunde mehr Schlaf der Auge-Hand-Koordination vielleicht ganz gut getan hätte. („Try not to hit yourself in the face“, siehe Video, bringt es ganz gut auf den Punkt.)

So sorgfältig betreut hat die Stimme dann auch tatsächlich sechs Tage Proben, drei Konzerte, zwei Gottesdienste und allerlei abendliches Spontangesinge gut überstanden.

2. Das Zuhören

Töne angeben? Ach komm, ihr seid doch schon groß, der Grundton reicht. So in etwa war die Haltung, egal, mit wem von Voces8 wir gerade gearbeitet haben. Fiel mir am Anfang schwer, weil es lange keiner mehr eingefordert hatte. Noch ein Grund also, sich zu konzentrieren. Und ein Erfolgserlebnis, je verlässlicher es nach und nach wieder klappte.

3. Der Ort

Schon sehr englisch, unser Zuhause für eine Woche – die Architektur, der perfekte Rasen, die zermatschten Erbsen beim Mittagessen, die Unterbringung in den verschiedenen Schulgebäuden („In welchem Haus bist Du denn?“ – „Slytherin.“).

Milton Abbey

In einem Aufenthaltsraum hängt noch die Liste, welches Haus im letzten Schuljahr die meisten Punkte gesammelt hat. Ein junger Tenor sieht aus wie Neville Longbottom. Und wie heißt der Gastmusiker, der mit uns am zweiten Tag etwas einstudiert? Alexander L’Estrange. Keine weiteren Fragen.

4.  Das Repertoire

Jedes Land hat ja für jedes Niveau so seine typischen Chorwerke, und irgendwann hat man die meisten mal gesungen oder zumindest gehört. Die Woche in Dorset war also auch eine Chance, viele neue Stücke kennenzulernen: Fyre, Fyre! von Thomas Morley (Schmackes!), Stephen Paulus‘ Pilgrim’s Hymn (Mystik!), My spirit sang all day von Gerald Finzi (Taktwechsel! Noch einer! Schon wieder!) – und das war nur die Kammermusik.

Außerdem gelernt: Shantys und Lieder aus der Tudorzeit lassen sich problemlos mischen. Henry VIII hat mehr komponiert als nur Greensleeves. Und so eine kleine Mozartmesse kann man im Notfall auch ganz gut vom Blatt singen.

5. Die Atmosphäre

Dass die Leiter eines Workshops bei den Proben und Konzerten ansprechbar sind, ist klar. Wie viel man aber auch sonst mit einigen von Voces8 zu tun hatte – in der Essensschlange, an der Bar, zwischen Tür und Angel – das war schon sehr sympathisch.

Manche waren sogar mit Eltern/Partner/Nachwuchs angereist, und auch sonst war die Atmosphäre durchweg familiär: Gäste wie Alexander L’Estrange und seine Band oder Paul Phoenix kamen also nicht nur zu ihren Proben und Konzerten, sondern blieben länger und gaben ihrerseits Feedback und Tipps („Wenn ihr ‚Falalalala‘ singt, denkt dran: Das haben die damals so getextet, weil sie nicht offen sagen konnten ‚Oh, Baby, ich mag, was Du da gerade tust‘.“). Wahrscheinlich hat es auch denen in der Milton-Abbey-Idylle gefallen.

6. Die Kammermusikgruppen

Endlich mal wieder ein Madrigal singen, und dann auch noch in so einer madrigaligen Atmosphäre: liebliches Südengland, Sommer (jaja, englischer Sommer – Unterhemden, Longsleeves und eine Wärmflasche für nachts, so packt der Profi). Geprobt im Ballsaal mit sehenswerter Decke, aufgeführt in einer Abteikirche, wie man das halt so tut.

 

Milton Abbey Ballroom Ceiling

Alles, was im großen Ensemble unter „passt schon irgendwie“ fällt, hat uns unser Chorleiter hier nicht durchgehen lassen (danke, Chris!).  Schön, mal wieder so konzentriert und in kleiner Besetzung an ein paar Stücken zu arbeiten.

7. Der Französisch-Fail

Kein Gemeinschaftserlebnis, sondern ein komplett persönliches: Wie sehr der Versuch, sich mit den französischen Teilnehmern zu unterhalten, gescheitert ist. Zuhören, verstehen, kein Problem. Aber antworten? J’habite à Moscou, i je rabote chez une gasyetta. Gelächter auf beiden Seiten.

Jedenfalls habe ich beschlossen, das als Erfolgserlebnis zu deuten. Weil die ganzen gepaukten Vokabeln offenbar im Hirn inzwischen gut Wurzeln geschlagen haben.

8. Die anderen Sänger

Was das für eine vielfältige, internationale Gruppe war, fiel vor allem an den Abenden auf, wo alle aufgerufen waren, eine Kleinigkeit aufzuführen – „your party piece“. Hätte ich doch nur mehr Videos gemacht! Von der wahrscheinlich ältesten Kursteilnehmerin, sicher gut in den Siebzigern, als Eliza Doolittle mit „Wouldn’t it be loverly“.

Von den drei Jungs, alle noch diesseits des Bartwuchses, mit Gitarre, Ukulele und einem selbstgebastelten Mash-up aus zwei Pop-Nummern.  Von allem, was da stimmlich zwischen Opernhaus und Fankurve so abging. Und von Händels Halleluja-Chor, kurz vor Mitternacht, ohne Noten, aber mit Vehemenz. Alle zusammen.

 

Fürsorgliche Umschreibung

Texte, die mit „Was ich nicht verstehe“ beginnen, sind ja gerne mal Rants. Der hier nicht, denn ich bin ernsthaft perplex und hoffe auf Erklärungen.

Was ich nicht verstehe: Wenn ich hier im Supermarkt mit Karte bezahle, schickt mir die Bank eine SMS mit Infos über den abgebuchten Betrag, eh ich auch nur den Kassenbon in der Hand halte. Bei der Einrichtung des Kontos muss bei der Bank allerdings jemand ein Häkchen bei „zweifelhafte Russischkenntnisse“ oder zumindest bei „Ausländerin“ gemacht haben, denn die SMS sehen so aus:

SMS transliteriert

Kartennummer, Ort des Einkaufs, bezahlter Betrag, Datum, neuer Kontostand. Aber warum sind das lateinische Buchstaben? Das kyrillische Alphabet ist so ziemlich das Leichteste am Russischen – dann erst kommt das Vokabellernen. Trotzdem glaubt die Bank, mir wäre mit einer Nachdichtung in den gewohnten Buchstaben geholfen. Als würde man als Spracheinsteiger das russische Wort für „Kontostand“ kennen, wenn man es nur bloß endlich lesen könnte.

Dass sich die Raiffeisenbank die Mühe macht, für Ausländer russische Infos in lateinische Buchstaben zu transliterieren, ist nicht nur fehlgeleitet, sondern sogar kontraproduktiv: Wäre die SMS in kyrillischer Schrift, könnte man sie mit zwei Handgriffen rauskopieren, zu Google Translate rüberdengeln und dort wenn nicht in gutes Deutsch, dann doch zumindest in ziemlich solides Englisch übersetzen lassen.

Wer die Nachdichtung au lateinischen Buchstaben nicht versteht, hat dagegen nur zwei Möglichkeiten: die russische Originalversion grob daraus rekonstruieren und hoffen, dass Google Translate sie versteht. Oder die Nachricht jemandem vorlesen, der besser Russisch kann.

Das Problem ist nicht meins allein – Kolleginnen, die ebenfalls keine Russisch-Muttersprachlerinnen sind, bekommen solche SMS auch, ungefragt. Selbst diejenigen, die die Sprache jahrelang studiert haben. In Russland ist mir bisher nur die Bank mit dieser Methode aufgefallen. Der Telefonanbieter, der Online-Supermarkt, das Anticafé – alle verwenden das normale, kyrillische Alphabet.

Auf Reisen dagegen begegnet einem das Prinzip immer wieder: armenische SIM-Karte gekauft, mit der Verkäuferin auf Englisch gesprochen – schon kommen alle SMS vom Anbieter auf Armenisch-in-lateinischen-Buchstaben. Doppelt unnütz, denn ohne Armenisch-Kenntnisse ist Rekonstruieren ja keine Option mehr, und auf der Straße wen ansprechen, der es sich durchliest und übersetzt… nun ja. Alles könnte so einfach sein, mit der normalen armenischen Schrift und Google Translate, aber nein. Und, natürlich: in Georgien genau dasselbe.

sms beeline georgien armenien

Warum also ist das so? Hat sich jemand gedacht, naja, unsere Schrift ist schwer, da kommen wir den Ausländern mal einen Schritt entgegen? Oder glauben die Absender, dass es unter ihren Kunden mehr Leute gibt, die Russisch (Armenisch, Georgisch) verstünden, wenn sie nur in der Lage wären, es sich selbst laut vorzulesen? Ich hab, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Aber vielleicht ja jemand, der das hier liest.

Chorprobe in Babylon

Kraniche Pixabay

Wer glaubt, dass es bei einer Chorprobe ums Musizieren geht, um die richtigen Harmonien, Artikulation, Dynamik, der hat Recht, aber halt nur halb. Es geht auch und vor allem um die Pausen. Das unterscheidet Sänger nicht groß von Bolzplatzhelden und Golfern am 19. Loch.

Beim Moscow International Choir sind die Pausen erst recht wichtig, weil sich da die russischen Sänger Zeit nehmen, uns anderen noch mal zu erklären, was der Dirigent eben gewollt hat, wie ein Wort auf drei U-Laute enden kann oder was Бемоль (beMOLL) bedeutet. (Natürlich nicht b-Moll, das wäre ja einfach.)

Sprachlich treffen wir uns dazu meist im Englischen, auch wenn die wenigsten von uns Muttersprachler sind. Und dann kommt, was ich in all seiner Kreativität und Absurdität liebe: Der Versuch, aus Vokabeln und Anekdoten, aus gemeinsamen Bezügen (also bei Dirty Dancing… also in der Bibel…), aus Pantomime und Ausdruckstanz, aus „Sag das Wort mal in Deiner Sprache“ und „Kennst Du das Wort noch in einer anderen Sprache?“ ein gemeinsames Verständnis zu erreichen. Der folgende Dialog ist echt:

Katja: „Hey, Katrin, I’m trying to explain to Cathérine what this song is about. Are storks and cranes the same birds?“

Katrin: „Don’t think so, no – storks bring babies. Putin flew with cranes.“

Cathérine: „But what are they in French, do you know?“

Katrin: „No idea.“

Cathérine: „Can you say the German words?“

Katrin: „Storch und Kranich.“

Cathérine: „Never heard those before.“

Katja: „There is also a third kind, they are grey and walk on the shore to find food.“

Katrin: „Yes, aren’t they herons? They’re called ‚Reiher‘ in German.“

Cathérine: „Ah, heron, that’s actually the same in French, héron. Is the song about them?“

Katja: „No, the bird on the shore is ‚tsapplya‘ in Russian, but this song is about a flock of zhuravli. May be cranes, may be storks. Can you look it up?.“

Katrin: „Sure… it says ‚grue‘, does that make any sense?“

Cathérine: „Ah, grue – yes of course. And what about them?

Katja: „They fly past and remind the singer of friends who have died in the War.“

Kein Problem, wenn der Lösungsweg komplexer ist als die Ausgangsfrage. Darum sind wir ja hier (und wegen der Musik).

 

Putin der Woche (IV)

Putin der Woche

Gesehen: In einem Russischbuch.

Begleitung: Eine Einstiegsübung zum Thema „Selbstporträt“, in schlichten Sätzen gehalten.

Text: „Guten Tag! Ich heiße Wladimir Wladimirowitsch. Mein Nachname ist Putin. (…) Ich bin in Sankt Petersburg geboren, lebe jetzt aber in Moskau….“ Nicht ganz auf Stand ist das Buch allerdings bei den Familienverhältnissen: Der Mensch, der sich hier in Lektion 1 als Vater von Mascha und Katja vorstellt, ist noch ein verheirateter Mann.

Subtext: Du lernst also Russisch? Okay, fangen wir mit dem Wichtigsten an. Denkerpose und los geht’s!

Oben-Ohne-Punkte: 0/10.

Nützliche Russland-Apps für Touristen und andere Zugereiste

startupstockphotos best russia apps

Welche Apps braucht man in Russland, vor allem in Moskau? Was muss drauf aufs Handy? Zum Start zwei Tipps, die banal klingen, aber viel Zeit sparen: Google Translate als App statt im Browser ist mobil um vieles einfacher zu handhaben. Auch Chrome lohnt sich, wegen derselben Google-Technologie: Eine russische Website mit einem Klick übersetzen zu können, das ist schon sehr nützlich.

Metropolitan App ScreenshotWas noch? Einen Metro-Plan, zum Beispiel „Metropolitan“ oder „Yandex Metro„. Sie schlagen Routen vor, helfen bei der Orientierung und verschaffen Durchblick bei Spezialitäten, wie sie Moskaus Metronetz reichlich hat: Teatralnaja, Ochotni Riad und Ploschad Revolutsii? Dieselbe Haltestelle auf unterschiedlichen Linien. Arbatskaja in Hellblau und Arbatskaja in Dunkelblau? Unterschiedliche Haltestellen, an denen man also auch nicht in die jeweils andere umsteigen kann. Nur auf die Fahrtdauer-Prognosen sollte man sich besser nicht verlassen, es dauert eigentlich immer länger.

Neben der Metro gibt es Busse, Straßenbahnen, Oberleitungsbusse und kleine Marschrutki – bloß keine gute Fahrplan-App dafür. Selbst Mosgortrans, der ÖPNV-Betreiber in der Hauptstadt, verweist für Fahrplanauskünfte schlicht auf Google Maps, viele Russen nutzen auch dieselbe Funktion in Yandex Maps. Speziell bei Bussen schlägt Rusavtobus auch schon mal gute Alternativen vor, kann also nicht schaden.

GetTaxi ScreenshotOder Taxifahren? Wer an einer großen Moskauer Straße die Hand raushält, vor dem hält schnell der erste Privatwagen und fordert zwei Fähigkeiten ein: den TÜV-Prüfer-Blick, ob man sich diesem Menschen und diesem Auto anvertrauen will, und ausreichende Russisch-Kenntnisse, um Ziel und Preis auszuhandeln. Ob sich der Fahrer dort dann noch erinnern wird oder behaupten, man habe sich auf das Doppelte geeinigt, ist Glückssache. Die Alternative sind deshalb Apps wie YandexTaxi und GetTaxi (englische Menüführung), mit festen, transparenten Preisen und einem Bewertungssystem für Fahrer. Bloß Finger weg von CityMobil, das sind ekelige Rassisten.

WordLens ScreenshotNützlich zur Orientierung unterwegs ist auch WordLens – eine App, die Schriftzüge erfasst und auf dem Handy-Bildschirm eine Übersetzung anzeigt. Einmal eingerichtet (erst die App runterladen, die Sprachpakete gibt es dann als In-App-Käufe, aber zum Preis von null Euro) taugt das für alles von Straßenschildern bis zu Joghurt-Etiketten an der Milchtheke. Auch eine App zum Scannen von QR-Codes lohnt sich, denn viele Sehenswürdigkeiten in Moskau haben großformatige Codes an der Fassade.

Friendly Moscow ScreenshotZum Weggehen hat Afisha sicher den besten Terminkalender, allerdings gibt es die App bisher nur auf Russisch. Keinen Kalender, aber viele Ideen abseits der gängigen Touri-Ecken bietet Friendly Moscow. Dort hab ich zum Beispiel vom Spielautomaten-Museum gehört und da großen Spaß gehabt. Nur die Suche nach einer geheimen Bar endete mit einem bocklosen Wirt, der nicht mal zum Fenster rausrufen wollte, als wir im Innenhof standen, aber den Eingang nicht fanden. Nun ja. Größere Restaurant- und Cafébetreiber haben außerdem oft Sammel-Apps für ihre verschiedenen Läden – aus dem Angebot von FriendsForever lohnt sich zum Beispiel das Breakfast Café, bei iGinza das Sixty und die Mercedes Bar.

memrizeWas Apps zum Russischlernen angeht, hat mich bisher nur wenig überzeugt. VOCLab (falsch übersetzte Vokabeln), Bravolol (keinerlei Methodik), Babbel (ziemlich strammes Bezahlmodell), irgendwas war immer. Hängengeblieben bin ich schließlich bei memrize. Die App ist zum Lernen generell gedacht – Hauptstädte, Jahreszahlen, Sprachen – und legt einem systematisch und in kleinen Gruppen Vokabeln und Floskeln zum Wiederholen vor. Dazu gibt es so bekloppte Eselsbrücken, dass sie aus purem Schmerz hängenbleiben. Zwei Häkchen allerdings auch hier: Erklärt wird das Russische aus dem Englischen, das macht die Aussprachetipps manchmal verwirrend. Und neue Kurse kann man nicht innerhalb der App laden, nur per Umweg über die Website.

ponsZum Schluss noch ein Tipp zu Wörterbüchern: Für die Pons-App in der Größe „Kompakt“ (285.000 Einträge) zahlt man aktuell 14,99 Euro. Dafür liest sie Begriffe vor, liefert bei Verben die Konjugation und bei Substantiven die Deklination als Tabelle mit und kann noch einiges mehr, was ich noch nicht ausprobiert habe (Handschrifterkennung, Vokabelkärtchen). Für einen Urlaub in Russland sicher nicht nötig, aber fürs Leben hier eine gute Sache.

Für weitere Reisen hier noch ein paar nützliche China-Apps.

(Foto: Startup Stock Photos)

Wie man dem FC Schalke das Russischsprechen abgewöhnt

Und dann kam plötzlich der Tag, an dem der FC Schalke begann, Russisch mit mir zu sprechen. Jedenfalls auf Facebook.

Schalke Facebook Russisch

Dass da was von Schalke steht, gehört so. Dass es auf Russisch ist, eher nicht. „Unser Kapitän Benedikt Höwedes,“ okay, aber dann? Irgendwas mit Movember, verdammt langes Adjektiv, und dann „mehr zum Movember unter diesem Link.“ Es ist derselbe Rechner wie immer, er hat dieselbe IP-Adresse. Wieso also auf Russisch?

Der Grund sind die „Global Pages“, die es Unternehmen ermöglichen, über eine einzelne Firmen-Facebookseite viele verschiedene Versionen auszuspielen; je nachdem, wo der Leser sitzt. Eine auf Deutsch für Fans in Deutschland und Österreich, eine auf Schwedisch für Fans in Schweden, eine auf Russisch für Fans in Russland und so weiter.

Was diese Variante für Vor- und Nachteile für die Firmen hat, kann man hier ziemlich detailliert nachlesen. Muss man aber auch nicht. Entscheidend ist, dass diese gar nicht mehr so neue Seitenstruktur bei Facebook neuerdings auch Sportvereinen offen steht.

Wer also demnächst im Ausland plötzlich von Schalke, den Bayern oder diesem einen Dortmunder Verein, auf den ich gerade nicht komme, in der Landessprache angesprochen wird, sollte wissen: Das gehört so. Wer es nicht mag, der klickt im Header der Facebookseite oben rechts auf die drei Pünktchen und sucht sich eine andere Sprache aus. Dann ist Höwedes wieder Kapitän statt капитан.

Schalke Facebook

…sagt doch über den Charakter gar nichts aus

Guerlain Mief 
Zu den großen Freuden des In-Russland-Lebens gehört der Aha-Moment, wenn sich aus fremd wirkenden kyrillischen Buchstaben ein bekanntes Wort erschließt.

Besonders schön sind dabei Lehnwörter, gerne aus dem Französischen: Lecker, diese Pistazienpralinen von Комильфо => Komilfo => Comme il faut. Oh, zum Tag der Frau ein Kosmetikgutschein von Рив Гош => Riw Gosch => Rive Gauche, wäre doch nicht nötig gewesen. Also, wirklich nicht.

Und dann heute im GUM, eine freundliche Sprühfrau, die Papierstreifchen mit dem neuen Duft von Guerlain verteilt. Die Pappkameradin neben ihr hält ein Schild hoch, mittig ein groß geschriebenes Wort: МИФ, gesprochen [mif]. Was, okay, das russische Wort für „Mythos“ ist, und der Slogan gehört offenbar zu einem Parfum namens „L’Homme Idéal“, das nicht nur in Russland mit dem Satz „Der perfekte Mann – Mythos oder Wirklichkeit?“ beworben wird.

Mein Einwandererhirn merkt sich das neue Guerlain-Produkt dennoch bis auf weiteres unter dem Namen „Mief“. Und verdrängt schamhaft den kurzen Moment, in dem es glaubte, eine große Parfum-Marke habe ihr neues Angebot tatsächlich „MILF“ genannt.