Wortfindungstweets

Was fehlt: ein mit #wasfehlt verwandter Hashtag für ein Phänomen, das bei Twitter immer wieder auftritt. Englisch-Sprecher, die Schadenfreude, Wanderlust, Zeitgeist und Leitmotiv kennen. Die sich freuen über ein neu kennengelerntes Backpfeifengesicht, einen Kabelsalat, einen Kummerspeck.

Twitterer, die daraus schließen: Mannmannmann. Dieses Deutsch hat wohl für jeden komplexen Sachverhalt ein Substantiv.
Und dann sowas hier twittern – zum Beispiel aus dem Bereich „Frust und Weltschmerz“.

Schön bei den beiden hier, dass jeweils in den Replies Variationen von „Schadenfreude“ vorgeschlagen werden: Snackenfreude und Foodenfreude.

Und aus diesem hier…

…ist parallel zum Schreiben dieses Blogposts ein kleiner Twitter-Dialog entstanden, aus dem ich dann auch ein neues Wort gelernt habe: hwyl. Scheint nach dieser Erklärung hier sowas wie Schmackes zu heißen.

Ping im Sunnesching

Und dann, wenn Du glaubst, jeder Kalauer mit dem Namen Xi Jinping sei gemacht, fährt beim Kölner Zug ein Motivwagen vorbei. Auf dem steht Chinas KP-Generalsekretär und vorne am Wagen das Motto: „Ming Ping, ding Ping, nix wie Ping“. Ein Wortspiel mit Ping/Schmerz – und mit starken Anleihen bei Kalauern wie „Minge Rhing-Wing sull uch Dinge Rhing-Wing sin“. Respekt!

In China wird derweil über ganz andere Bilder von Xi geredet. Mehr dazu und zu dem Blogger, der sie verbreitet, hier bei AP.

Aussprache-Hilfen für Eigennamen

Mail vom Leser. Bernd Seidel hat eine Frage: Wo findet man online heraus, wie Eigennamen richtig ausgesprochen werden? „Ich denke da an Mike (Meik), strike (streik) – aber Nike (Neiki)“, schreibt er, und wer mal eine Kaffeepause lang über „Liehweiß“ versus „Lewwiss“ diskutiert hat, kennt das Problem. Erst recht in einer Region, wo das Kaufhaus gerne mal „Wollwort“ statt „Wuhlwörf“ gesprochen wird.

Ein Thema, mit dem wir schon vor ein paar Jahren bei Twitter viel Spaß hatten, auch wenn die Twittersuche heute leider nur noch ein paar der Antworten von damals hochspült, nämlich hier, hier und hier. Funktioniert auch in jüngerer Zeit noch:

Die langfristige Variante zur Erkenntnis geht in etwa so: Bei den Öffentlich-Rechtlichen bewerben, genommen werden und auf die famose Aussprachedatenbank zugreifen können. Zu langwierig? Glücklich im aktuellen Job? Dann also online nachschlagen. Forvo kennt Herr Seidel schon, ähnlich funktionieren Hearnames, Inogolo und Pronounceitright: Wort in Suchschlitz tippen, Audiodatei bekommen, anhören. Also ein kurzer Test in drei Teilen: 1. Nike, 2. Louis Vuitton, 3. Gianluca Pagliuca.

Nike kriegen fast alle hin, nur Hearnames fliegt schon in Runde eins raus. Louis Vuitton? Bei Inogolo arbeitet sich ein Nichtfranzose am Nachnamen ab und endet mit hörbarem N statt Genäsel. Ex-Torwart Gianluca Pagliuca (Danke, Sportkollegen, für den Tipp!) ist schließlich auch für Pronounceitright zu viel. Keine Suchergebnisse zum Nachnamen.

Nun ist „richtig“ bei Aussprache ja eh so eine Sache: Bei Menschen geht es oft nach Heimatland und im Zweifel danach, wie sie sich selber sprechen. Aber was ist mit Marken, die sich eingedeutscht eingebürgert haben? Die Mayo mag aus den USA kommen, in der Werbung lässt sie sich „Mirakel Wüpp“ nennen, nicht „Miracle Whip“, das geschlagene Wunder.

Also, Herr Seidel: Komplett lösen lässt sich das Problem nicht. Aber in den meisten Fällen hilft Forvo. Übrigens auch die einzige Seite, die „Bernd Seidel“ richtig ausspricht.

(Dieser Text stand so ähnlich auch als “Netzhaut”-Kolumne in der WAZ-Wochenendbeilage.)

Noch eine Woche bis zum „Messias“ mit dem IFC

Advent, das heißt in Peking: Massive Weihnachtsdeko vor und in Einkaufszentren. Schlange stehen für den Weihnachtsmarkt der deutschen Botschaft. Proben für Händels Messias.

Einerseits saßen neulich bei der Probe des International Festival Chorus in unserer Alt-Reihe, nach Nationen: Kanada, Spanien, Deutschland, Australien, Indonesien, Frankreich. Andererseits ist der Chor geprägt von seinem künstlerischen Leiter Nicholas Smith, der vom OBE hinter seinem Namen über den Akzent, das entfernt Stephen-Fry-eske Aussehen und den Humor Britishness ausstrahlt.

Wenn die Frauenstimmen nicht genug Schmackes bei dramatischen Stellen geben: „That was a schoolgirl sound. I want the full, clotted-cream sound.“ Wenn kein Tenor die Frage beantworten kann, was das gerade für ein Intervall mit dem Bass war: „You’re looking at me and thinking, ‚I didn’t even know we had an interval with the basses‘.“ Wenn ein Kompliment zu machen ist: „You were very, very good at auditions, I was surprised.“ Wenn er ein Konzert mit durchgehend ausgezeichneter Intonation gehört hat: „It was perfectly tuned. Revolting, I was deeply upset.“

Das Messiah-Poster, vermutlich inspiriert von „All we, like sheep“ im zweiten Teil des Werks

Es ist, wie man merkt, ein Fest – auch, weil die Probearbeit extrem sorgfältig und fordernd ist. Weiß nicht, wann ich zuletzt so wenige Fragen beantworten konnte, die der Dirigent den Sängern stellt. Die mit dem Intervall – und jetzt nicht in die Noten gucken – kommt oft, oder gerne auch mal: Na, was für einen musikalischen Witz hat Händel hier eingebaut? Erkannt bisher: einen einzigen – schmutzige Dissonanzen bei der Textstelle „He shall purify“.

Und nebenbei lernt man viel über Musik in China. Was an Formularen, Stempeln, Bescheinigungen vom Arbeitgeber (!) nötig ist, ehe sich Sänger zu einem Auftritt zusammenrotten dürfen. Wie man in einem Land für Konzerte wirbt, in dem Facebook und Twitter gesperrt und Handzettelverteilen ein Garant für polizeiliche Aufmerksamkeit ist. Warum es in China besonders wichtig ist, wann immer im Messias-Text „shall be“ vorkommt, ein deutlich hörbares L zu singen. Offenbar hat es da in vergangenen Jahren Raunen und Gekicher im Publikum gegeben. Vier Proben haben wir noch, um das hinzubekommen.

Zum Weiterlesen: „Bittersweet Symphony“.