Die besten Threads aus dem März

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Dieser Blogpost muss unbedingt heute veröffentlicht werden. Denn sonst ist plötzlich der 31., also Wahl in der Ukraine, und dann nützt euch das ganze Wissen nichts mehr, das Polina Ivanova zusammengetragen hat. Außerdem geht es diesmal auch um Fledermäuse, Fahrräder, den Brexit (gleich zweimal) und um Masern. Und wie immer gilt: Ein Klick auf den hier eingebundenen ersten Tweet öffnet jeweils den ganzen Thread. Viel Spaß!

1. Hintergrundwissen zur Ukraine-Wahl

Wer sind die Kandidaten, wofür stehen sie und was ist das für ein Land, in dem da gewählt wird? Worauf achten die Wähler in einem Land, in dem in den letzten Jahren 13.000 Menschen in einem bewaffneten Konflikt gestorben sind? All das zusammenzutragen war eine echte Fleißarbeit – ein Thread, nach dem man schlauer ist.

2. Brexit-Kuchen

Deutlich weniger klar terminiert als die Ukraine-Wahl ist der Brexit. Anstelle eines ähnlich klugen, hintergründigen Brexit-Threads gibt es also dies hier:

3. Brexit-Suche

Und hier erklärt ein Abgeordneter anhand der Zuschriften aus seinem Wahlkreis, warum es nicht so leicht ist „einfach für leave zu stimmen“. Denn: Welches „leave“ genau wollen die Wähler denn wohl?

4. Mehr als bloße Deutschtümelei

Als ich in Dortmund studiert habe, gab es Walter Krämer und seinen Verein Deutsche Sprache auch schon. Damals war mein Eindruck, dass da jemand nicht ganz ungeschickt seine Position an der Uni nutzt, um seinem Nicht-Uni-Projekt zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen. Krämers Klub machte so Sachen wie der Deutschen Bahn einen „Sprachpanscher“-Preis zu verleihen, weil der Infostand dort „Service Point“ heißt. Ehrlicherweise habe ich mich seitdem nicht mehr groß für Krämer interessiert – was möglicherweise ein Fehler war. Denn aus der Deutschtümelei ist eine sehr viel deutlichere Rechtsneigung geworden. Man kann das bei Übermedien nachlesen oder im folgenden Thread (vor dem es sich lohnt, einmal hier zu klicken).

5. Impfpflicht oder nicht?

Weil wir im Moment ja mal wieder über Masern und das Impfen reden bzw. reden müssen. Und weil mir bisher die Idee einer „Impfpflicht“ auch ganz einleuchtend erschien. Leute, die zu dem Thema forschen, sehen das naturgemäß ein wenig differenzierter:

6. Zwei Weltraumschildkröten

Es ist 1968. Nummer 22 und Nummer 37 sind bereit. Sie werden die Reise rund um den Mond und zurück zur Erde antreten. Endlich würdigt ma jemand diese beiden Weltraumschildkröten, wenn auch nur in einem Thread:

7. Weibliche Schamhaare im Wandel der Zeit

Wer das englische Wort „merkin“ nicht kennt, für den dürfte dieser Thread besonders lehrreich sein. Faszinierend und lustig und abseitig ist er ohnehin. „I didn’t want to be the only one who knew this“ – ja, das kann eine gute Begründung für einen Thread sein.

8. Frauen, Fahrräder und Selbstbestimmung

„Fahrräder gehörten zu den ersten Dating-Apps“. Schön pointiert, wenn auch auf Anhieb nicht so leicht nachvollziehbar. Es geht darum, dass das Rat es Frauen ermöglicht hat, etwas freier zu entscheiden, wie und mit wem sie ihre Zeit verbringen wollen. Das kam bei einigen männlichen Zeitgenossen nicht gut an:

9. Das MERL mal wieder

Wenn ich groß bin, werde ich Social-Media-Redakteurin beim Museum of English Rural Life. Die haben einfach so einen Spaß an ihrem Thema und am Geschichtenerzählen, es ist eine Wonne. Jüngstes Beispiel hier, einschließlich Bildungsauftrag: Woran erkennt man, ob eine Fledermaus männlich oder weiblich ist? Natürlich am Albino-Igel.

10. Wenn Frauen baden…

…dann haben sie natürlich eines dieser schicken Tabletts, die man quer auf die Wanne legen kann. Und darauf stehen die abwegigsten Dinge.

Die besten Threads aus dem November

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Der November war ein guter Monat für Threads. Schon allein deshalb, weil Alex de Campi mal wieder unter Alkoholeinfluss ein Geschichtsthema aufgegriffen hat. Das Ergebnis: eine neue Folge #alexdrunkhistory, diesmal über Burgen und wie man sie richtig belagert.

Wie immer gilt: Zu sehen ist hier im Blogpost immer nur der erste Tweet eines Threads. Wer mehr zum Thema lesen will, muss nur draufklicken.

1. In tiefer Sorge

Soviet Sergey – ein Twitter-Account, der den russischen Außenminister Lawrow parodiert – dokumentiert das diplomatische Floskelfeuerwerk, nachdem die russische Marine in der Meerenge von Kertsch drei ukrainische Schiffe festgesetzt und beschlagnahmt hat.

2. Der Alltag als Kostüm

Ja, Halloween fühlt sich schon ziemlich weit weg an. Aber dieser Thread mit Menschen, die sich statt als Superhelden lieber als normale Menschen in Alltagssituationen verkleiden, ist großartig – egal, wann man ihn ansieht.

3. Ein Katapult namens Warwolf

4. Die Sowjet-Kopie des Space Shuttle

Buran, das klingt wie die nächste Disneyprinzessin, heißt aber „Schneesturm“ und war der Name der sowjetischen Raumfähre. Sie flog nur ein einziges Mal – dann kollabierte die Sowjetunion und keiner wollte mehr für das irrsinnig teure Projekt bezahlen. Was bei Buran vom Space Shuttle abgeguckt war und was deutlich besser gelöst als beim amerikanischen Modell, das erzählt hier Matt Bodner.

5. Floppies im Weltall

Wem Matts Thread noch nicht nerdig genug ist, der kann ja den hier mal lesen. Und weiß dann, was es einmal gekostet hat, eine 17 Gramm schwere Floppy-Disc auf die ISS zu befördern.

6. Alle bekloppt hier

Jedenfalls diejenigen, die sich ausgedacht haben, Gewicht in Unzen, Steinen und Tassen zu messen. Jedes Mal, wenn ich in Zukunft ein amerikanisches Rezept in Gramm und Kilo umrechner, werde ich an diesen grandiosen Wutanfall hier denken:

7. Die Frau, die neben Putin im Regen stand

Ihr erinnert euch an die Bilder nach dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft: Über Moskau ging ein Sturzregen herab, Putin hatte einen Schirm samt Schirmhalter, Kolinda Grabar-Kitarovic wurde klatschnass. Kroatiens Präsidentin feierte den zweiten Platz für ihr Land, und für so viel gute Laune unter widrigen Bedingungen flog ihr nicht nur online viel Begeisterung entgegen.

Was man über die Frau politisch wissen sollte, vor allem aktuell, steht in diesem Thread:

8. Zum Thema Masernimpfung

Viele Argumente dafür hat man aus dem Stand parat, wenn einen das Thema interessiert. Dieser Bericht der Mutter eines krebskranken Mädchens ist besonders eindringlich.

9. Licht, Zeit und Raum

Ein Thread über Sternenlicht, das so alt ist, dass es sich kurz nach dem Urknall auf den Weg zu uns gemacht hat. Und darüber, wie alt das Bild ist, das wir sehen, wenn wir auf unsere eigenen Hände blicken.

10. Der Erfinder des Katzenklaviers

Athanasius Kircher also, soso. Nie von gehört, trotzdem mit Begeisterung über ihn gelesen. Die Sache mit dem Katzenklavier war ja wohl Rohmaterial für Monty Python! (Lieblingssatz im ganzen Thread: „It was almost all *entirely* wrong, but his excited, consistent approach would inspire later generations.“)

11. Hängt ein Vogel am Baum fest

Warum diese Kakadu-Rettungsaktion kein weltweites Viraldings geworden ist, wird ein ewiges Rätsel bleiben.

12. Berliner Stadtplanung

Warum sehen Straßen am Prenzlauer Berg so aus, wie sie aussehen? Warum dieses Bauen in die Tiefe, mit Hinterhof und Hinterhaus? Weshalb die viele Erker? Bitte hier entlang:

Fliegen zwei Wellensittiche von Moskau nach München

Wellensittiche handgepäck

Wie schnell er wohl so fliegt, der gemeine Wellensittich? Bis zu 120 Kilometer pro Stunde, behaupten Wellensittichbesitzer in einschlägigen Wellensittichforen. Und was er wohl so macht vor dem Abflug? Ein paar Jod-S11-Körnchen snacken, aufplustern, noch mal zum Klo?

„Seit Tagen sammle ich jetzt jeden Morgen Vogelkot“, sagt K., „wär schon schön, wenn sich die Tierärztin endlich mal zurückmelden würde.“ (Sie sagt nicht wirklich Kot, aber dafür, dass ich diese Geschichte hier erzählen darf, bin ich mal höflich und schreibe: Kot.) Es ist nämlich so, dass K. und ihr Mann doppelte Vogelbesitzer sind und dass alle vier – zwei Menschen, zwei Wellensittiche – demnächst Moskau verlassen werden. Das Menschenpaar in ein paar Wochen, die Vögel gerne schon eher, jedenfalls wenn es nach ihren Erziehungsberechtigten geht. Die wollen ihre Haustiere bei einem Besuch in der Heimat schon mal mit nach Deutschland nehmen, um sicherzugehen, dass es auch alles klappt, mit den Papieren und dem Kot.

Drei Kotproben in Folge braucht die Tierärztin, um zu prüfen, ob die Wellensittiche auch gesund sind, um aus Russland raus und nach Deutschland reingelassen zu werden. Nur, dass es deutlich mehr als nur drei Tage her ist, seit sich die Ärztin zum letzten Mal gemeldet hat. K.s Tag beginnt also nicht bloß damit, dass sie mit gezücktem Löffel an den Käfig ranschleicht, beruhigende Worte spricht, während sie Vogelschiss aufsammelt, abfüllt und etikettiert. Sie hat dann auch noch das Vergnügen, nun den jeweils vier Tage alten Kot wegzuwerfen. Denn die Ärztin, wann immer sie kommt, braucht ja nur die drei jüngsten Objekte in der Kollektion.

***

Ein paar Tage später sitzen wir gemeinsam im Taxi zum Flughafen. K. als Vogelbesitzerin mit Reisekäfig auf dem Schoß, ich als Backup: Wenn das seitenlange Dokument, das die irgendwann erschienene Tierärztin aufgrund der Kotproben ausgefüllt hat, beim Amtstierarzt am Flughafen in Scheremetjewo trotzdem nicht verfängt, dann werden die beiden Wellensittiche und ich wieder zurück in die Stadt fahren, während ihr Frauchen nach München reist.

Die erste Hürde ist schon die Sicherheitsschleuse beim Betreten des Flughafengebäudes: Der Durchleuchtekasten, wo die Koffer durchfahren, würde die Wellensittiche sicherlich nachhaltig traumatisieren, undurchleuchtet darf ihr Käfig aber auch nicht ins Gebäude. Der Sicherheitsmann bespricht sich mit der Sicherheitsfrau, dann telefonieren sie einen Sicherheitskollegen mit Handscanner herbei.

Keine fünf Minuten dauert das, bis zum Büro vom Flughafentierarzt sind es nur ein paar Schritte, dann vielleicht noch mal fünf Minuten Gewarte. Die Vögel lassen, nur sicherheitshalber, noch ein par Kotproben fallen. Ein Aushang vor der Tür informiert darüber, dass inzwischen so viele Menschen ihre Hunde und Katzen auf Reisen mitnehmen wollen, dass in Moskau und im Moskauer Umland die Regeln dafür vereinfacht worden sind. Der Aushang und seine Unteraushänge haben acht Seiten.

Drinnen dann ein Raum mit drei Tischen, nur zwei haben einen Computer und nur einer einen Menschen. Der Arzt, dessen Uniformjacke über dem Stuhl hängt, spricht leise. So recht weiß er wohl auch nicht, ob er gerade ein Amt ist oder nur still lächeln will über diese Frau, die da vor ihm sitzt, Vogelkäfig auf dem Schoß, und diese andere Frau in der Ecke, deren Rolle nicht so ganz klar ist. Für die deutschen Behörden musste die russische Tierärztin ein deutschsprachiges Protokoll ausfüllen, das nun dieser russische Arzt sich wieder zurückerschließt und die entscheidenden Passagen in seinen Computer tippt.

– „Und das sind also…?“
– „Wellensittiche.“
– „Und Sie reisen nach…?
– „München.“
– „Die Farben hier, wie heißen die auf Russisch?“
– „Blau und… (kurzes Suchen nach dem russischen Wort für türkis, das so ähnlich, aber eben nicht ganz wie das Wort klingt für etwas, das aus Birkenholz ist. Schön, dass man dieses Fachwissen endlich mal braucht.)
– „Und wie alt sind die?“
– „Der eine ein Jahr, der andere zwei.“
– „Und die heißen wirklich… Willi und Helge?“
– „Ja, genau. Wissen Sie, das sind traditionelle deutsche Namen.“

Der Amtstierarzt tippt, der Drucker druckt: eines dieser wunderschönen offiziellen Dokumente, wie sie in Russland nun mal auszusehen haben. Mit breiter, schnörkeliger Bordüre, einem blassen Wappen im Hintergrund und oben rechts sogar einem Hologramm. Vier Seiten, eine amtlicher als die andere.

Wellensittiche urkunde

Scheint ja alles geklappt zu haben, also schnell noch ein bisschen höfliche Überbrückungskonversation, bis er’s auch unterschrieben hat: „Ist das oft oder selten, dass Menschen mit Vögeln hier ausreisen?“. Der Tierarzt blickt hoch, sein Lächeln gewinnt nun endgültig gegen sein Amt. „Ich hab das bisher nur zweimal erlebt,“ sagt er, „und ich arbeite hier jetzt schon seit drei Jahren.“

***

Im Café vor dem Check-In bewundern wir noch ein wenig unser schönes Dokument. In der Spalte „Tierart“ weist ein Sternchen darauf hin, bei Bienen sei doch bitte zu unterscheiden zwischen ganzen Bienenvölkern, Bienenlarven oder allein reisenden Bienenköniginnen.

„Villy“ und „Helge“ steht schließlich auf der Seite, die mit ihrem offiziellen Rahmen ein bisschen aussieht wie eine Urkunde, von den Bundesjugendspielen oder so. Der gemeine Wellensittich mag mit seinen 120 km/h vielleicht 16 Stunden brauchen von Moskau nach München. Willi und Helge schaffen die Strecke heute in nur 3.

Russball, Folge 39: Komm, wir spielen Find-den-Ball!

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Worum es diese Woche nicht geht: Darum, auf welche Handgepäckregeln sich deutsche Fans einstellen müssen, wenn sie im Sommer mit Aeroflot nach Russland fliegen wollen. Das Thema ist zwar interessant, aber zu komplex, um es in zwei, drei Absätzen aufzuschreiben. Mehr dazu also hier, und schon geht’s los!

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⚽ Ihr kennt das Gefühl: Vom Einkaufen für die Party nach Hause kommen, in der Küche stehend die Tüten auspacken – und dann, beim Blick in den Kühlschrank, der Geistesblitz: Mist, ich hab vergessen, Bier zu kaufen! So ging das am Wochenende auch beim Lokalderby zwischen Lokomotive Moskau und Spartak Moskau, bloß nicht mit Bier. Es hatte ziemlich geschneit, frischer Schnee ist für gewöhnlich weiß – da hat es sich eingebürgert, anstelle eines schwarz-weißen Balles einen roten Ball zu nehmen.

Auf den offiziellen Nahaufnahmen ist der Ball meist zu sehen. Von der Tribüne aus sah das ganz anders aus. (Foto: Lokomotive Moskau)
Auf den offiziellen Nahaufnahmen ist der Ball meist zu sehen. Von der Tribüne aus sah das ganz anders aus. (Foto: Lokomotive Moskau)

Den hatte bloß leider niemand besorgt – offizielle Sprachregelung: Der Sponsor stellt leider nur weiße und gelbe Bälle zur Verfügung. „Wir konnten vor lauter Schnee den Ball nicht sehen“, berichtet eine Freundin, die im Stadion war. „Wie kann man vergessen, sich um rote Bälle zu kümmern in einem Land, wo es im Winter fast permanent schneit?“ Sie ist nicht der einzige genervte Fan – erst recht nicht unter denen, die zwei Stunden im Stadion in der Kälte standen, ohne das Spiel richtig verfolgen zu können. Aber immerhin, ein schönes Spott-Format ist aus dem Fußball-Fail entstanden: „Finde den Ball“ bei Sports.ru – meine Lieblingslösung, wenn auch nicht die richtige, ist Nummer 3.

⚽ Dieser Text ist mir durchgegangen, als er im Februar veröffentlicht wurde, aber er hat sich gut genug gehalten, um ihn auch heute noch zu verlinken. Okay, die letzten vier Absätze fühlen sich etwas seltsam und drangeklatscht an. Aber der restliche Artikel wirft einen gründlichen Blick auf mögliche Gewalttaten russischer Hooligans bei der Fußball-Weltmeisterschaft.

Die Einschätzung von Autor Marc Bennetts in kurz: Hooligan-Attacken bei der WM sind nicht auszuschließen, aber zumindest im großen Maßstab doch eher unwahrscheinlich. Weil nun mal bei solch einem Renommierprojekt mit massiver Innen- und Außenwirkung ganz genau darauf geachtet wird, dass niemand die schöne Inszenierung ramponiert.

⚽ Was macht eigentlich Miroslav Klose? Er passt, mit Umweg über Thomas Brolin, zu Wladimir Putin, der darauf hin zu Gianni Infantino passt. Klingt nach Fiebertraum, ist aber das offizielle FIFA-Video anlässlich von nur noch 100 Tagen bis zur Fußball-Weltmeisterschaft.

Ein Fußball spielender Putin, das ist eher selten in der präsidialen Selbstinszenierung. Normalerweise zeigt er sich lieber beim Judo oder beim Eishockey.

⚽ Stanislaw Tschertschessow ist der Joachim Löw von Russland, Anfang des Jahrtausends waren sie sogar mal beim gleichen Verein, Tschertschessow allerdings damals noch als Spieler. Noch heute spricht Russlands Nationaltrainer super Deutsch, was er neulich genutzt hat, um mit Löw ein bisschen über die Probleme zu frotzeln, die man als deutscher oder als russischer Coach vor der WM so hat.

„Wir haben die gleichen Symptome, aber die Diagnose ist eine andere: Er hat zu viele Spieler, ich habe zu wenige“, hat Tschertschessow das Gespräch in einem dpa-Interview zusammengefasst. Ein rundum lesenswertes Stück, in dem es auch um die Chancen von Roman Neustädter und Konstantin Rausch geht, bei der Weltmeisterschaft für Russland auflaufen zu dürfen.

⚽ Ach komm, dann direkt noch ein Update zu einem anderen russischen Trainer: Leonid Sluzki, letztes Jahr ehrenhaft bei Hull City gescheitert, könnte bald schon in die Niederlande wechseln, genau genommen nach Gelderland. Vitesse Arnheim hat bestätigt, dass Sluzki sein Lieblingskandidat ist, um Henk Fraser abzulösen. Der Club ist aktuell Tabellensechster in der Eredivisie, also der obersten Liga. Sluzkis Kalkül, sich mit dem Job in Hull für andere internationale Positionen zu empfehlen, scheint also aufzugehen.

⚽ So, jetzt denke ich mal an einen Moskauer Fußballverein und ihr ratet, an welchen, okay? Als kleinen Tipp gibt es hier das Logo.

kscheib russball logo tschertanowo

Okay, das ist erkennbar weder Lokomotive noch Spartak oder ZSKA – zu wenig Rot. Von den Farben her könnte es Dynamo sein, aber deren Logo sieht auch anders aus. Torpedo also? Nein, nein, nein, falsch, falsch, falsch. Der Verein, zu dem die Raute mit den Teufelshörnern gehört, ist Tschertanowo Moskau.

Wenn euch das nichts sagt: Das ging mir bis vor ein paar Tagen genau so. Dann las ich dieses Vereinsporträt und erfuhr: Tschertanowo stellt prinzipiell ausschließlich Spieler auf, die an der eigenen Fußball-Akademie ausgebildet wurden. Kommt man so in die oberen Ligen? Bisher nicht. Ist es ein interesanter Ansatz in einem Land, das bei der Nachwuchsförderung der internationalen Konkurrenz hinterherhinkt? Ganz bestimmt.

⚽ „Ich werde eine große Mauer bauen – und niemand baut Mauern besser als ich, glauben Sie mir – und ich baue sie sehr kostengünstig. Ich werde eine große, große Mauer (…) bauen und ich werde Russland für diese Mauer bezahlen lassen.

Okay, das ist jetzt ein bisschen überspitzt, war aber das erste, was mir zu dieser Meldung hier einfiel: „England Requests 6-Meter Wall Around Training Pitch for World Cup in Russia“. Wohlgemerkt: Eine Zwei-Meter-Mauer gibt es schon (Fotos hier zum Blättern), die ist den Engländern bloß nicht hoch genug.

In Moskau kann einem die englische Nationalmannschaft dieser Tage schon mal auf der Straße begegnen, während der WM will sie sich aber mit einer hohen Mauer abgrenzen
In Moskau kann einem die englische Nationalmannschaft dieser Tage schon mal auf der Straße begegnen, während der WM will sie sich aber mit einer hohen Mauer abgrenzen

⚽ Gibt es Gesetze in diesem Land, die Schwule und Lesben diskriminieren? Sind Pride-Paraden verboten? Herrscht in der Bevölkerung schwulenfeindliche Stimmung? And diesen und anderen Fragen orientieren sich die Macher des Gay Travel Index. In der gerade veröffentlichten Ausgabe für 2018 schneidet Kanada am besten ab, Deutschland ist eines von mehreren Ländern auf Platz drei.

Wer Russland finden will, muss auf die vorletzte Seite der Liste runterscrollen – dahin, wo die Ländernamen rot hinterlegt sind. Da kann Alexei Smertin noch so sehr betonen, dass LGBT-Fußballfans ohne Sorgen zur WM kommen können. Solange hier so viele Fans schwulenfeindlich sind und Fußball-Offizielle unwidersprochen Hass-Sprüche raushauen können, hat Russland seinen 157. Platz leider verdient.

⚽ Zum Schluss noch ein bisschen Wolfscontent: Alma lebt im Zoo der WM-Gastgeberstadt Rostow am Don, und neulich haben die Tierpfleger ihr einen Fußball ins Gehege gelegt. Das Ergebnis macht großen Spaß zu gucken, jedenfalls, wenn man das penetrante Musikbett ausschaltet.

Etwas gehässig verkauft das Video TV Swesda, der offizielle Fernsehsender des russischen Verteidigungsministeriums. (Doch. Wirklich. Ja. Ich weiß.) „Wölfin zeigt russischer Nationalmannschaft, wie man richtig Fußball spielt“, heißt dort die Überschrift.

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Eh wir uns verabschieden noch schnell die Lösung für ein Problem, das euch sicherlich auch schon länger beschäftigt: Russball gibt es bekanntlich nur einmal in der Woche, das reicht natürlich nicht, wenn man jeden Tag was Neues über das Fußball-Land Russland lesen will.

Darum blogge ich ab sofort für die Kollegen drüben bei n-tv einen täglichen WM-Countdown – ein Format, auf das ich mich schon deshalb freue, weil man da auch mal etwas mehr in die Tiefe gehen kann als in einem Newsletter. Was wir mit dem Countdown genau vorhaben, steht hier, die erste richtige Folge erscheint dann im Laufe des Mittwochs hier.

Wenn es Themen gibt, zu denen ihr dort etwas lesen wollt: Sagt gerne Bescheid!



 

Moskaus Zoologisches Museum – Zeitreise mit Tierskeletten

Zoologisches Museum Moskau 1

Und plötzlich steht dir ein Kleinsäuger gegenüber, die Pfoten in Ich-ergebe-mich-Haltung nach oben gereckt. Genutzt hat das dem Tier (vielleicht ein Katzenbaby?) nichts, die Wissenschaft hatte nun mal ein Anliegen. Und so steht das Tierchen nun in einer Vitrine, sein flauschiges Fell vom Bauch zu den Seiten weggefaltet, und zeigt seine inneren Organe. Euch trennt eine Glaswand.

Draußen ist die Bolschaja Nikitskaja, eine von Moskaus schönsten Straßen, die gerade aufgehübscht wurde. Fahrbahn frisch verengt, Bürgersteige frisch verbreitert, Fahrradwege frisch angelegt, viele Gebäude frisch gestrichen. Hier drinnen im Zoologischen Museum dagegen ist alles alt, altertümlich, altmodisch. Im Treppenhaus ein Mammutskelett, an den Wänden arg nachgedunkelte Gemälde von Tieren in der Wildnis. Oben dann zwei Säle, im einen Glasvitrinen mit ausgestopften Tieren, im anderen Glasvitrinen mit Tierskeletten und dem ein oder anderen Tierteil in Formaldehyd.

Gerade wird eine Kindergruppe durchgeschleust, vorbei an den lebensgroßen Büffeln, den lebensgroßen Pinguinen und dem eher lieblos arrangierten Satz Schwalben, die ausgestopft auf einem Brett liegen. Seit 1791 gibt es das Museum, damals lernten hier Studenten Anatomie. Nach dem Umzug an die Bolschaja Nikitskaja Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es zwar in den späten Siebzigern noch mal renoviert, doch das Wort „Museumspädogik“ scheint damals noch keiner gekannt zu haben.* Kinder, die hier quengeln, haben Recht.

Trotzdem waren die 200 Rubel für das Ticket keine schlechte Investition. Ein Schädel unter einer goldverzierten Glaskuppel neben zwei Chamäleons, die über die Jahre all ihre Farben verloren haben. Ein Vogelskelett, aufgebaut wie eine Aufforderung zum Ententanz. Und vor allem dieses alte, düstere Gebäude mit dem abgeschrappten Fliesenboden und den straßendrecksgrauen Gardinen. Es ist ein Panoptikum, nicht mehr und nicht weniger. Ein Kuriositätenkabinett aus einer anderen Zeit, das man heute noch durchstöbern kann.

*Ein Blick in Googles Ngram Viewer zeigt, dass der Begriff „Museumspädagogik“ im Deutschen tatsächlich schon in den Sechzigern populär wurde. Auch in Russland könnte man es also bei der jüngsten Überarbeitung des Museums gekannt haben. Könnte.

Bieberfieber! Bieberbashing! Biebergate!

Das ZDF hat sich mit einem kleinen Tweet heute Nachmittag viel Aufmerksamkeit beschert – und, wenn man so die Reaktionen liest, wahrscheinlich mehr neue Freunde als Feinde. Und das kam so:

Kurz darauf kam schon der (leicht frankophone? Oups?) Korrekturtweet

Natürlich war das alles ein bedauerliches Versehen. Schließlich sind wie hier beim ZDF und nicht bei ProSieben. Und ich fürchte fast, auf freudianisch-unterbewusstem Level haben wir das den Mainzer Kollegen eingebrockt – mit diesem Tweet hier, ein paar Stunden früher:

Wer leidensfähig genug ist für eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Mann, der neulich in Dortmund alle warten ließ, und seinem nun wohl Ex-Affen, kann das mit diesem Text von Anna Lampert für KStA.de. Und plusminus ein paar Pöbler hat das ZDF anständig Rücklauf auf die Panne und die Korrektur bekommen – das zeigt der getwitterte Screenshot:

Biebergate? Shitstorm? Aufschrei? Sonst irgendwas mit !!!111einself? Leider nein. Aber unterhaltsam war’s. Vielen Dank, lieber Bieber.