40723 Hilden

Jahrgang 1977, aufgewachsen in Hilden – das ist Li-Han Lin. Weil uns beides verbindet, wollte ich gern seine Foto-Ausstellung „40723“ in Berlin sehen, benannt nach der Postleitzahl für den Süden unserer Heimatstadt. Bei den Öffnungszeiten der Galerie „Pavlov’s Dog“ stand „…und nach Vereinbarung“, und tatsächlich ergab kurzes Gemaile: Gar kein Problem, gerne auch am Sonntag kommen, wenn die Austellung gerade vorbei ist. Wir sind eh da. (Danke dafür!)

„Eine ganz normale deutsche Kleinstadt“, heißt es im Erklärtext über Hilden. Li-Han habe dort eine Kindheit erlebt, „so normal und unspektakulär wie die Stadt Hilden selbst.“ Haben wir uns gekannt? Nicht, dass ich wüsste – an asiatischen Altersgenossen erinnere ich mich nur an die Tochter einer japanischen Musikschul-Lehrerin. Aber die Bilder fühlen sich treffend an, vertraut. Und ich merke, wie ich in Verteidigungshaltung gehe beim Weiterlesen im Erklärtext: „Gleichzeitig ist Hilden einer dieser Orte, die man nach einer noch so glücklichen und unbeschwerten Jugend dann doch verlassen muss, wenn man nicht unbedingt Sparkassenfilialdirektor werden will.“

Ey!

Aus der Reihe “40723″ von Li-Han Lin

Wenn schon Frotzeleien, dann doch lieber so wie auf den Bildern. Die machen auch nichts schöner, als es ist. Aber sie lassen gelten, dass Provinz das ist, was man draus macht – also eher eine Kopfsache als ein Ort. Humor findet sich, wo man ihn sucht, unabhängig von der Einwohnerzahl. Li-Hans Mutter glaubt man denn auch anzusehen, dass sie sich was besseres vorstellen könnte, als schon wieder fotografiert zu werden. Ist halt, wenn man ehrlich ist, auch nicht die idyllischste aller Kulissen, in der sie da steht.

Aus der Reihe “40723″ von Li-Han Lin

Aber da muss sie durch, denn die Fotos heute sind eine Antwort auf die Fotos damals, gemacht von der Mutter: Li-Han Lin beim Entenfüttern, Li-Han Lin vor allerlei blühenden Sträuchern, Li-Han Lin beim Wettrennen auf dem Sportplatz (Bezirkssportanlage am Bandsbusch?). Und nun muss eben die Mutter herhalten, vor dem Haus, auf dem Balkon, vorm Bett. Bei Pavlov’s Dog hingen die alten und die neuen Bilder nebeneinander, ziemlich geschickt.

Am besten gefallen hat mir aber dieses Bild. Zum einen, weil Forsythiensträuche in der Tat zu meinen Hildener Erinnerungen gehören. Zum anderen, weil dieses Bild nur eine Deutung zulässt: Dieser Monsterstrauch hat die Mutter von Li-Han Lin verschlungen. Und dann die Schuhe akkurat wieder rausgerülpst. So ist es nämlich, das Leben in der Kleinstadt: wild und voller Abenteuer.

Aus der Reihe „40723“ von Li-Han Lin

Eine größere Auswahl an „40723“-Fotos gibt es bei Zeit Online.

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