Herr Ober, da ist ein Ladebalken auf meinem Dessert

Ein paar Monate war hier Blogstille, aus technischen Gründen. Es war etwas kaputt, und ich wusste nicht, wie man es repariert – bis mich die geduldigen und auch sonst famosen Leute von Uberspace an die Hand genommen haben und es laientauglich erklärt haben. Danke dafür! Und dann passt es ja auch, dass es im ersten Blogpost nach der technischen Pause um ein Technikthema geht.

Wir waren in Moskau, diesmal nur zu Besuch, und dort an einem Ort, der mich vorher nie gereizt hatte: im White Rabbit, einem Restaurant mit allerlei Auszeichnungen und mit einem Chefkoch, dem man bei Netflix dabei zuschauen kann, wie er Elchlippen zubereitet. Spitzenküche und dann auch noch in Moskau – ich hatte schlimmstes Chichi erwartet, alle Gäste Insta-ready und die Kellner mit auf Kinnhöhe festgetackerten Mundwinkeln. Dass wir es trotzdem versucht haben, liegt an einer Freundin, die dort schon mehrfach gut, aber vor allem auch entspannt gegessen hatte.

„Kontrast“ heißt das Probiermenü, die Gänge „Weder Fisch noch Fleisch“ (Speck-Ersatz aus Kokos mit einer kandierten Lindenblüte oben drauf), „Reich – Arm“ (angebratener Weißkohl in einer Sauce aus Champagner und Kaviar) oder „Ende – Anfang“ (mit einer Wachtel und einem Ei, Variation des „Was war zuerst da“). Es ist unglaublich lecker und das Ambiente für Moskauer Verhältnisse auch nur normal schick: sehr gestylte Einheimische, aber auch das Bewusstsein, dass man Touristen und anderen Ausländern halt nicht dasselbe Niveau abverlangen kann, leiderleider.

Eine freundliche Kellnerin erklärt die Gänge und ihre Zutaten, außerdem bringt sie Regieanweisungen aus der Küche mit: „Our chef suggests that you eat this in one bite“ – „Our chef suggests that you eat this together“ – „Our chef suggests that you eat this with emotion“. Zwischendurch baut sie gelegentlich Spökes ein: Anfangs pipettiert sie uns Schnaps auf die Handflächen, zum Verreiben und Einatmen. Später verschenkt sie hauseigene Parfüms in Lebensmittelduftnoten – ein schöner Gedanke, demnächst den Kolleginnen am Newsdesk als Schokoladentrüffel entgegenzuriechen.

Der Kohl und der Kaviar, die Wachtel mit dem Ei, das sind zwei von acht herzhaften Gängen. Es folgen vier Desserts (Respekt für diese Gewichtung) und die Erkenntnis, dass ich keine kandierten Salatblätter mit Aloe-Glibber mag. Sowas. Dafür klingt die Komibination aus Birkenbast und süßer, eingedickter Kondensmilch super, aber ehe wir die serviert bekommen, möchte die Kellnerin wissen, ob wir denn auch unsere Handys dabei haben. Dann bitte hier mal gerade diese App runterladen, die wird jetzt gleich wichtig.

Es folgt: ein eckiges Tellerchen für jeden, auf dem eine Art Kondensmilch-Taler liegt, zwischen Oblaten aus Birkenbast mit einem Blütenlogo. App öffnen, mit der Kamera auf die Blüte zielen, und auf dem Nachtisch erscheint erst ein Ladebalken und dann:

Metka heißt die App, das bedeutet so viel wie Markierung oder Tag (im Sinne von tagging). Sie soll als „Augmented-Reality-Browser Informationen in einem völlig neuen Format präsentieren“, ihre Macher dachten demnach vor allem an Kleinwagen, Flugzeuge oder auch animinierte Raumschiffe. Aber hier, im White Rabbit, beim elften von zwölf Gängen, wächst dank der App nun also eine bunte Blume aus meinem Nachtisch.

Das Ganze ist so gut gemacht, dass sie ihre Blüte mir sogar ein bisschen entgegenneigt, als ich mit dem Löffel versuche, ein Stückchen vom Nachtischtaler abzutrennen. Blume im Blick, Kondensmilchcreme im Mund, ob man nächstes Mal wohl auch einfch nur dieses Dessert bestellen kann?

kscheib moskau white rabbit augmented reality metka

Braucht man die Augmented Reality zum Dessert? Nein. Man braucht auch keinen Schnaps auf den Handflächen, kein Schokotrüffelparfum, kein White Rabbit und keine Spitzenküche als solche. Macht es Spaß, es auszuprobieren und damit rumzuspielen? Aber ja. Der ÖPNV-Ring, das Cappuccino-Selfie, die Riesenschneeräummaschine: Moskau ist halt die Technik-Staunen-Stadt Nummer 1.

So viel Spaß für wenig Geld: 2000 Rubel

Keine WM mehr, das heißt: Endlich Zeit, das zu bloggen, was in den letzten Wochen liegengeblieben ist. Dazu gehört ein 2000-Rubel-Schein, der hier auf dem Schreibtisch lag, damit ich ihn nicht versehentlich ausgebe.

Der 2000er und der 200er sind beide noch recht neu im russischen Banknotensortiment. Ich wusste also, dass sie bunter sind als die anderen, mit leuchtenderen Farben, und dass sie irgendwelche tollen Sicherheitsmerkmale haben. Auf der einen Seite des 2000ers ist das Kosmodrom Wostotschny zu sehen, der Weltraumbahnhof, der mal Baikonur ablösen soll:

2000 rubel augmented reality wostotschny

Die andere Seite zeigt die Russki-Brücke von Wladiwostok:

2000 Rubel augmented reality

Das war mein Kenntnisstand, bis wir mit ein paar Leuten in einem Café saßen und P., meine frühere Sprachtandem-Partnerin, sagte: Jetzt passt mal auf, ich zeig euch was. Handy raus, App geöffnet, Ergebnis: Fünf Menschen machen große Augen. Denn zu den Geldscheinen gibt es eine Augmented-Reality-Version. Also hab ich nachgeschlagen, wie man das Bild auf seinem Handybildschirm mitschneidet, und dann auf der Fensterbank ein kleines Experiment gestartet.

Okay, das ruckelt ein bisschen, wenn ich zu nah dran gehe, aber ansonsten ist das schon sehr schick gemacht: Wie die Planeten da um die Sojus-2-Rakete kreisen, die auf dem Weltraumbahnhof auf ihren Start wartet. Habt ihr die Erde gesehen? Warte, da kommt sie wieder vorbeirotiert!

Dann die Rückseite, das mit den Autos auf der Brücke ist auch ziemlich klasse – auch, wenn beim Rauszoomen irgendwann die Bereiche der Straße ins Blickfeld kommen, wo die animierten Autos plötzlich verschwinden. Unterm Strich aber eine feine Spielerei, und die Zutaten – Geld und Handy – hat man ja meistens dabei. Nächstes Mal bin also ich diejenige, die im Café sagt: Jetzt passt mal auf, ich zeig euch was.

(Mit Dank an Matt fürs Identifizieren der Rakete und an Iuliia für Hilfe beim Video.)

Mein Adventskalender ist besser als deiner

Wir müssen da nicht lange drumrum reden. Mein Adventskalender ist besser als deiner, dabei kann man ihn nicht mal anfassen. Er ist komplett digital, ein Screenshot pro Tag, den mir mein Bruder per Threema schickt.

Besagter Bruder hat auf seinem Handy Joom – eine App, mit der man chinesischen Ramsch kaufen kann. Das Unternehmen scheint ziemlich suspekt zu sein, ich bin also froh, deren App nicht selber installieren zu müssen.

Stattdessen bekomme ich nun jeden Tag ein Bild eines Produktes, das ich auf keinen Fall haben möchte – aber zu gleichen Teilen perplex und glücklich bin, zu erfahren, dass es existiert. Hier also meine bisherigen Lieblingsstücke. Wer braucht schon Buzzfeed, wenn er so einen Bruder hat.

1. Kreuzstich-Ikonen zum Selbermachen

kscheib joom adventskalender DIY-Ikonen

2. Ein Teebeutelausquetscher

kscheib joom adventskalender teeausquetscher

3. Ein aufblasbares Trump-Riesenhühnchen

kscheib joom adventskalender aufblastrump

4. Ein Band, mit dem man sich selbst einen Ball ins Gesicht hauen kann

kscheib joom adventskalender ballstirnband

5. Ein Stehpinkeltrainingstöpfchen

kscheib joom adventskalender stehpinkeltöpfchen

6. Aufkleber, die gleichzeitig beleidigend und patriotisch sind

kscheib joom adventskalender aufkleber

7. Ein Ohrenschmalzrauspröckler

kscheib joom adventskalender Ohrwachsrauspröckler

8. Eine Kloschüsselbeleuchtung

kscheib joom adventskalender WC-Beleuchtung

Einleben in Moskau – sieben Links für Neuankömmlinge

kremlmauer moskau

Moskau ist wie Uni, im September kommen die Neuen. Job, Wohnung, Registrierung, Internet, Handy – es ist ziemlich viel, was man sich hier in den ersten Wochen organisieren muss. Als kleine Hilfestellung für die Neuzugänge aus Deutschland und anderswo hier also eine Ladung Links. Manche, die mir beim Einleben geholfen haben – und manche, von denen ich wünschte, ich hätte sie damals™ schon gekannt.

A Girl and Her Travels: Meine Moskauer Lieblings-Bloggerin Polly ist vor kurzem hier weggezogen. Seitdem hat sie sich aber die Zeit genommen, all ihre Einblicke in das Leben in Moskau nach Themen zu sortieren und zu bündeln. Das Schöne an Pollys Posts ist, dass sie durch ihren Mann und die Schwiegerfamilie viel russischen Alltag erlebt und beschreibt. Besonders empfehlenswert also für Leute, die nicht des Jobs, sondern der Liebe wegen hierher kommen. Hier geht es zur „Moscow Master-List“, und hier zu einem meiner persönlichen Favoriten: „Russia, I love you, but you’re bringing me down.“

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App-Sammlung: Eine Reihe nützliche Russland-Apps habe ich Anfang des Jahres mal zusammengestellt. Zusätzlich muss man seitdem noch Yandex Transport erwähnen, das man inzwischen auch aus dem deutschen App-Store runterladen kann. Die russischsprachige ÖPNV-App zeigt live, wie weit der nächste Bus noch von eurer Haltestelle entfernt ist. Sehr nützlich in einer Stadt, in der die ausgehängten Fahrzeiten eher selten stimmen.

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Einkaufszettel: Gerade am Anfang, wenn man viel um die Ohren hat, fehlt oft die Zeit fürs Vokabellernen. Um trotzdem ein bisschen Übung zu bekommen, bietet sich der Einkauf im Laden oder auf dem Markt an, da geht man schließlich sowieso regelmäßig hin. Jennifer Eremeeva, Bloggerin und Moskauer Expat-Instanz, hat sich darum nützlich gemacht und Einkaufsvokabelzettel zusammengestellt, als PDFs, nach Lebensmittelgruppen. Damit euch sowas hier nicht passiert.

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Moscow Expats: Alles, worüber ihr als Neuankömmlinge euch gerade Gedanken macht, hat sich vorher schon mal jemand anderes gefragt, von „Funktionieren Amazon-Lieferungen nach Moskau“ bis „Wo steht ein Geldautomat, an dem ich mehr als nur 7500 Rubel auf einmal abheben kann?“ In dieser Facebook-Gruppe teilen Moskau-Immis ihre Erfahrungen miteinander, außerdem gibt es Wohnungs-, Sprachkurs- und Flohmarkt-Untergruppen. Wichtige Netikette: Vor dem Posten bitte mit der Suchfunktion schauen, ob eure Frage schon einmal gestellt wurde.

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Moskau-Tipps für Einsteiger: Die Broschüre der Deutschen Gruppe Moskau beantwortet Alltagsfragen von „Wie funktionieren hier öffentliche Verkehrsmittel“ über „Wo finde ich einen Tierarzt“ bis „In welchen Stadtteil ziehe ich am besten.“ Eine echte Fleißarbeit, diese Sammlung an Tipps, und rundum hilfreich. Gerade wird sie aktualisiert,  hier gibt es das aktuelle Heft als PDF.

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Russland letzte Woche: Diese wöchentliche Kollektion an Russland-Meldungen von Pavel Lokshin ist pointiert, komplett subjektiv und gerade darum so unterhaltsam. Halb Newsletter, halb Kolumne, mit aktuellen Links und Pavels Einordnung in die größeren Zusammenhänge. Hier kann man das Ganze abonnieren, um es regelmäßig gemailt zu bekommen.

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Sprachkolumne: Michele Berdy lebt seit Jahrzehnten in Moskau und schreibt eine wöchentliche Kolumne über die russische Sprache – anekdotenreich, anschaulich und meist mit aktuellem Aufhänger. Zuletzt hat sie zum Beispiel über Sanktionen und Gegensanktionen geschrieben. Oder über Warenje, was im Prinzip so eine Art russische Marmelade ist, nur eben mit anderer Konsistenz, anderem Konsumverhalten und anderem, speziellem Geschirr. It’s complicated. Gut, dass Michele das alles aufdröselt.

„Archanoid“- das Handy-Spiel zu Moskaus verlorener Architektur

„Sie haben Chamowniki zerstört – Glückwunsch!“ Egal, ob die da gutes Bier brauen, egal, ob man da schön spazieren gehen kann, egal, ob eine nette Kollegin da wohnt. Chamowniki ist hin. Mal wieder. Denn seit ein paar Tagen machen die Leser der Nachrichtenseite Meduza Moskauer Stadtteile platt, mit dem Handy. Und Chamowniki ist eines der Level, das man in der App kostenlos spielen kann.

Archanoid Khamovniki

Das eigentliche Spiel ist alt – Gameboy-Kinder kennen es als „Alleyway“, davor hieß es schon „Breakout“ oder auch „Arkanoid“. Man lenkt einen Ball gegen Steine, angetitschte Steine verschwinden, der Ball kommt zurück, man muss ihn wieder in Richtung der Steine schlagen.

Weil in „Archanoid„, der Moskauer Variante, abgeschossene Steine für historische Gebäude stehen, die hier in den letzten Jahrzehnten abgerissen wurden, erscheint mit jedem Stein oben auf dem Bildschirm der Name des Hauses, das man soeben zerstört hat.

Archanoid Gameplay

In dieser Ansicht ist das eher ein Gimmick – wer nicht gerade im Anfängermodus spielt, hat einfach keine Zeit, ständig hochzublicken und Gebäudeinfos nachzulesen. Das Spiel über einen Smartphone-Touchscreen zu steuern wird ab einem gewissen Tempo ebenfalls zur Herausforderung, weil nur bei extrem trockenen Fingerspitzen alles funktioniert.

Aber abseits von Bällen und Steinen enthält die App eine Enzyklopädie mit Details dazu, wie viel an historischer Architektur in Moskau verloren gegangen ist. Mit Infos zu jedem Bauwerk, das man gerade auf dem Handy weggeballert hat; oft auch mit Fotos. Das erste Haus, das Fjodor Schechtel in Moskau bauen ließ. Moskaus einzige Moschee aus Sowjetzeiten. Das Trubetskoi-Anwesen, ältestes Holzgebäude der Stadt.

Archanoid Enzyklopädie

Und die Achievements, die man im Laufe des Spiels so erreichen kann, sprechen Bände: Zerstöre alle historischen Gebäude, die Moskau unter Bürgermeister Luschkow verloren hat. Zerstöre alle historischen Gebäude, die Moskau unter Bürgermeister Sobjanin verloren hat. Werde Bauunternehmer und kauf Dir das Recht, Moskaus historische Gebäude zu zerstören.

Der Trailer fürs Spiel (zählt das jetzt als Hochkantvideo?) zeigt, welche Bonusse und Spielvarianten es noch so gibt. Aber im Zweifel lohnt, Spiel hin oder her, schon die Architektur-Enzyklopädie die 99 Cent für den Download der Vollversion.

Nützliche Russland-Apps für Touristen und andere Zugereiste

startupstockphotos best russia apps

Welche Apps braucht man in Russland, vor allem in Moskau? Was muss drauf aufs Handy? Zum Start zwei Tipps, die banal klingen, aber viel Zeit sparen: Google Translate als App statt im Browser ist mobil um vieles einfacher zu handhaben. Auch Chrome lohnt sich, wegen derselben Google-Technologie: Eine russische Website mit einem Klick übersetzen zu können, das ist schon sehr nützlich.

Metropolitan App ScreenshotWas noch? Einen Metro-Plan, zum Beispiel „Metropolitan“ oder „Yandex Metro„. Sie schlagen Routen vor, helfen bei der Orientierung und verschaffen Durchblick bei Spezialitäten, wie sie Moskaus Metronetz reichlich hat: Teatralnaja, Ochotni Riad und Ploschad Revolutsii? Dieselbe Haltestelle auf unterschiedlichen Linien. Arbatskaja in Hellblau und Arbatskaja in Dunkelblau? Unterschiedliche Haltestellen, an denen man also auch nicht in die jeweils andere umsteigen kann. Nur auf die Fahrtdauer-Prognosen sollte man sich besser nicht verlassen, es dauert eigentlich immer länger.

Neben der Metro gibt es Busse, Straßenbahnen, Oberleitungsbusse und kleine Marschrutki – bloß keine gute Fahrplan-App dafür. Selbst Mosgortrans, der ÖPNV-Betreiber in der Hauptstadt, verweist für Fahrplanauskünfte schlicht auf Google Maps, viele Russen nutzen auch dieselbe Funktion in Yandex Maps. Speziell bei Bussen schlägt Rusavtobus auch schon mal gute Alternativen vor, kann also nicht schaden.

GetTaxi ScreenshotOder Taxifahren? Wer an einer großen Moskauer Straße die Hand raushält, vor dem hält schnell der erste Privatwagen und fordert zwei Fähigkeiten ein: den TÜV-Prüfer-Blick, ob man sich diesem Menschen und diesem Auto anvertrauen will, und ausreichende Russisch-Kenntnisse, um Ziel und Preis auszuhandeln. Ob sich der Fahrer dort dann noch erinnern wird oder behaupten, man habe sich auf das Doppelte geeinigt, ist Glückssache. Die Alternative sind deshalb Apps wie YandexTaxi und GetTaxi (englische Menüführung), mit festen, transparenten Preisen und einem Bewertungssystem für Fahrer. Bloß Finger weg von CityMobil, das sind ekelige Rassisten.

WordLens ScreenshotNützlich zur Orientierung unterwegs ist auch WordLens – eine App, die Schriftzüge erfasst und auf dem Handy-Bildschirm eine Übersetzung anzeigt. Einmal eingerichtet (erst die App runterladen, die Sprachpakete gibt es dann als In-App-Käufe, aber zum Preis von null Euro) taugt das für alles von Straßenschildern bis zu Joghurt-Etiketten an der Milchtheke. Auch eine App zum Scannen von QR-Codes lohnt sich, denn viele Sehenswürdigkeiten in Moskau haben großformatige Codes an der Fassade.

Friendly Moscow ScreenshotZum Weggehen hat Afisha sicher den besten Terminkalender, allerdings gibt es die App bisher nur auf Russisch. Keinen Kalender, aber viele Ideen abseits der gängigen Touri-Ecken bietet Friendly Moscow. Dort hab ich zum Beispiel vom Spielautomaten-Museum gehört und da großen Spaß gehabt. Nur die Suche nach einer geheimen Bar endete mit einem bocklosen Wirt, der nicht mal zum Fenster rausrufen wollte, als wir im Innenhof standen, aber den Eingang nicht fanden. Nun ja. Größere Restaurant- und Cafébetreiber haben außerdem oft Sammel-Apps für ihre verschiedenen Läden – aus dem Angebot von FriendsForever lohnt sich zum Beispiel das Breakfast Café, bei iGinza das Sixty und die Mercedes Bar.

memrizeWas Apps zum Russischlernen angeht, hat mich bisher nur wenig überzeugt. VOCLab (falsch übersetzte Vokabeln), Bravolol (keinerlei Methodik), Babbel (ziemlich strammes Bezahlmodell), irgendwas war immer. Hängengeblieben bin ich schließlich bei memrize. Die App ist zum Lernen generell gedacht – Hauptstädte, Jahreszahlen, Sprachen – und legt einem systematisch und in kleinen Gruppen Vokabeln und Floskeln zum Wiederholen vor. Dazu gibt es so bekloppte Eselsbrücken, dass sie aus purem Schmerz hängenbleiben. Zwei Häkchen allerdings auch hier: Erklärt wird das Russische aus dem Englischen, das macht die Aussprachetipps manchmal verwirrend. Und neue Kurse kann man nicht innerhalb der App laden, nur per Umweg über die Website.

ponsZum Schluss noch ein Tipp zu Wörterbüchern: Für die Pons-App in der Größe „Kompakt“ (285.000 Einträge) zahlt man aktuell 14,99 Euro. Dafür liest sie Begriffe vor, liefert bei Verben die Konjugation und bei Substantiven die Deklination als Tabelle mit und kann noch einiges mehr, was ich noch nicht ausprobiert habe (Handschrifterkennung, Vokabelkärtchen). Für einen Urlaub in Russland sicher nicht nötig, aber fürs Leben hier eine gute Sache.

Für weitere Reisen hier noch ein paar nützliche China-Apps.

(Foto: Startup Stock Photos)

Eine Konzert-Saison mit ForScore

Die Mitsängerinnen hatten Fragen, als die neue Saison begann. Denn auf den Tipp eines holländischen Dirigenten-Bekannten hin (Danke, Danny!) hatte ich diesmal keine Chormappe dabei, sondern nur das iPad Mini, und darauf die App „ForScore“. 5,99 Euro für das Privileg, nicht jede Woche anderthalb Kilo Noten zur Arbeit und dann zur Probe zu schleppen? Definitiv den Versuch wert. Hier eine kleine Bilanz.

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„Hast Du keine Angst, dass die App abstürzt?“

Nein, jetzt nicht mehr. Aus dem Stand wäre ich sicher nicht von analog zu digital gewechselt, aber nachdem in den Proben immer alles gut ging, hat sich ForScore auch in den vier Konzerten zum Ende der Saison bewährt. Die größten Schwierigkeiten hatte ich anfangs noch mit dem schlichten Umblättern, denn wer wischt, landet damit schon mal in einer anderen Ansicht.

Der Trick ist – vorher mal die Anleitung lesen hätte geholfen – einfach auf die Seite zu tippen. Rechts blättert vor, links zurück, fehlerfrei.

„Woher weißt Du dann, welche Takte wir gestrichen haben?“

Eine Stärke von ForScore ist, wie leicht man Anmerkungen machen kann. Denn damit aus einem Notenblatt in einer Sängerhand auch Musik wird, braucht es in der Praxis viele Ergänzungen: Wo atmen wir? Wie artikulieren wir ab, also: Sprechen wir die Schlusskonsonanten auf die Eins oder auf Eins-und? Ist das Forte ein Forte oder doch eher ein Fortissimo? Diese 16 Takte Überleitung brauchen wir aber nicht, oder? Deutsches Latein [Ag-nus dee-i] oder italienisches Latein [An-jus dää-i]? (Oder, Gott behüte, russisches Latein, eine inoffizielle, aber populäre Mischung aus italienischen Vokalen und prinzipiell deutschen, aber im Hals weiter nach hinten gerutschten Konsonanten?)

Eine Textmarker-Funktion, um die eigene Stimme hervorzuheben, eine Tastatur für ausformulierte Anmerkungen und eine große Kollektion gängiger Musikzeichen hat ForScore als Menüpunkte. Und wer seine Legatobögen nun partout gefettet und türkis haben will, kann sich selbst das einstellen.

forScore App Preview from forScore App on Vimeo.

„Und wenn im Konzert der Akku plötzlich leer ist?“

Selbst mit Bildschirm auf hellster Stufe braucht das Notenblättern nicht viel Strom. Mit 100 Prozent zum Konzert kommen, kurz noch mal ein paar Stellen ansingen, später das ganze Konzert, und noch nicht mal die 70 Prozent erreicht – so war das diese Saison, und unser Programm war nicht gerade kurz.

„Fühlt sich das nicht komisch an?“

Jetzt nicht mehr. Klar ist alles Gewohnheit, und manche Anmerkungen hätte ich mit dem Bleistift sicherlich besser hinbekommen als mit dem Finger auf dem Display. Dafür ist es extrem einfach, die Noten in die App zu laden und für verschiedene Konzert-Abläufe Setlists mit dem jeweiligen Ablauf der Titel zu machen.

Außerdem ist das iPad nicht nur leichter, sondern auch leiser: „Nicht in die Pianostellen reinblättern“ muss jedenfalls kein Dirigent mehr zu mir sagen.

Alltagsrassismus, oder: Warum man nicht mit „City Mobil“ Taxi fahren sollte

Woran ich mich auch nach fast an einem Jahr in Russland nicht gewöhnt habe (und auch nicht gewöhnen möchte), ist der Alltagsrassismus. Du unterhältst dich mit jemandem, den Du seit Monaten kennst, über seine Wohngegend: „Wär ne gute Ecke, wenn die ganzen Tadschiken nicht wären.“ Jemand anderes, mit dem Du regelmäßig Zeit verbringst, fasst seinen Urlaub zusammen: „Gutes Wetter, aber das war voller Türken da, und du weißt ja, wie die stinken.“

Jedes andere Gespräch bis zu diesem Punkt war komplett normal, es sind Bekanntschaften entstanden, Freundschaften – und dann kommt so eine Aussage. Ansprechen hilft auch nicht: „Ach komm, Du weißt doch, wir Russen haben es nicht so mit der politischen Korrektheit.“ Als wäre das die Baustelle.

Von der Alltags-Homophobie („der Typ ist mir suspekt, sein Name klingt schwul“) und dem Alltags-Antisemitismus („in Wirklichkeit ist nicht Putin an der Macht, sondern die jüdische Weltverschwörung“) haben wir dann noch nicht mal angefangen; geschweige denn von der Tatsache, dass das keineswegs hinter vorgehaltener Hand geäußerte Meinungen sind, durch den Filtermechanismus gedrungen nach vier Glas Wodka.

Kein Innehalten, kein betretenes „das ist mir so rausgerutscht“, keine Anzeichen dafür, dass man gerade etwas Schlimmes oder auch nur Ungewöhnliches gesagt haben könnte.

Was genau der Punkt ist, denn solche Sprüche sind tatsächlich Alltag – auch von gebildeten Menschen, Menschen mit Auslandserfahrung. Menschen, bei denen ich einen weiteren Horizont erwartet hätte. Das geht Hand in Hand mit dem Hurra-Patriotismus, der um so sichtbarer ist, je mehr den Russen ein gemeinsames Feindbild präsentiert wird; sei es nun die Regierung in der Ukraine oder die westliche Sanktionspolitik.

Ich wünschte also, ich wäre überrascht gewesen, bei Facebook auf den folgenden Post zu stoßen. Er zeigt einen Screenshot aus der App, mit der man sich einen Wagen von „City Mobil“ kommen lassen kann. Auf der Liste der Zusatzleistungen: Klimaanlage, Kindersitz, Raucher-Auto, slawischer Fahrer.

 

Ja, tatsächlich, einen slawischen Fahrer kann sich der geneigte Passagier herbeirufen, sogar kostenlos, im Gegensatz zum Kindersitz, der immerhin 100 Rubel kostet. In der englischen Fassung der App ist von „slavonic“ statt „slavic“ die Rede, weshalb ich mich kurz gefragt habe, ob wohl „russischsprachig“ gemeint sein könnte.

Taxi City Moskau Rassismus 

Aber nein, das russische Original sagt eindeutig „slawisch“ – und bei einem russischen Taxi-Unternehmen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man „russischsprachig“ extra buchen muss, ja auch eher gering. Bisher hat hier noch jeder Taxifahrer russisch gesprochen, viele waren aber keine Russen. Sondern Turkmenen, Usbeken, Kasachen.

Zentralasiaten fegen Moskaus Straßen, schaffen den Müll weg, ackern auf Baustellen – und sind hier die Hauptzielscheibe für Ausländerfeinlichkeit. City Mobil kennt also seine Kunden, wenn es ihnen anbietet, sich auf Wunsch lieber von einem Russen (Polen? Serben? Bulgaren?) fahren zu lassen.

Was bleibt, sind eine Frage und eine Antwort. Die Frage ist, wie Apple eigentlich Apps mit rassistischen Inhalten behandelt. Grundsätzlich gibt es durchaus Vorschriften, besonders stringent scheinen sie aber nicht zu sein.

Und die Antwort? Bei Bekannten entdeckt man manchmal erst nach einiger Zeit, woran man ist. Bei City Mobil wissen wir es jetzt alle. Die Antwort kann also nur heißen: anderswo bestellen.

(Hat tip an Grace, durch die der FB-Post in meiner Timeline erschienen ist, und an Sebastian für Infos zu Apples Regelungen.)

The Ministry of Silly Walks – die App zur Monty-Python-Reunion

St. Paul's, das London Eye, ein roter Briefkaste - und John Cleese und sein silly walk.
St. Paul’s, das London Eye, ein roter Briefkaste – und John Cleese.

Drei Wochen noch bis zur letzten gemeinsamen Show von Monty Python. John Cleese ist schon mal losgelaufen, allerdings nur auf dem Handy-Bildschirm. In der App „Monty Python’s The Ministry of Silly Walks“ geht Cleese albernen Fußes durch London – und der Spieler sorgt dafür, dass er in nichts reinläuft.

Links tippen und der kleine Cleese hüpft, rechts tippen und er wirft sich auf den Boden, dabei wird alles immer schneller und das korrekte Ducken und Hüpfen immer schwieriger. Ein Jump ’n‘ Run in 2D, ganz schlicht. Im Prinzip.

Dass es trotzdem schwer ist, die einmal geöffnete App wieder zu schließen, hat mehrere Gründe. Erstens ist sie nur auf den ersten Blick schlicht. Schon beim zweiten fallen Python-Anspielungen auf, gewollt oder ungewollt. Die Teelache zum Beispiel, über die Cleese in Ministeriumsgebäude hüpfen muss, hat natürlich Mrs Twolumps hinterlassen, die im Originalsketch „Ministry of Silly Walks“ eine Spur von Tee und Geschirrscherben hinterlässt.

Auf den Straßen Londons marschiert der App-Cleese gelegentlich an Statuen vorbei, die selber gerade alberne Laufschritte machen. An den Ladenlokalen stehen kalauerige Namen wie „All Abroad“ für das Reisebüro, und wann immer das Figürchen über einen roten Briefkasten hüpft, erinnert das an den Monty-Python-Sketch, in dem Michael Palin mit großem Tamtam und einer Tribüne voller Gäste genau so einen neuen Briefkasten einweiht. Dreisprachig.

Den meisten Spaß macht die App übrigens mit eingeschaltetem Ton. Von Anfang an, weil die Spielfigur dann zur Titelmelodie von „Monty Python’s Flying Circus“ durch London marschiert. Und besonders am Ende, weil nicht nur ein „Codswallop!“, „Twaddle!“ oder „Poppycock!“ eingeblendet wird, wenn die Figur wieder mal mit irgendwas kollidiert ist, sondern sich John Cleese selbst beschwert: „That hurt, you know.“ Oder: „Distracted, are we?“

Was man sonst noch wissen muss? Nicht viel. Wer beim Jumpen und Runnen ordentlich Münzen sammelt, kann sich davon Dinge kaufen – zum Beispiel einen Anzug im Union-Jack-Muster für die Cleese-Spielfigur. Außerdem hängen nach alter Computerspieleväter Sitte gelegentlich Unverwundbarkeits-Nupsis in der Luft oder bluhmenkohloide Kugeln, die Cleese für ein paar Sekunden langsamer gehen lassen.

Bis er dann doch irgendwo gegenklatscht – vor einen Papierkorb, eine Parkbank, eine tief fliegende Taube (nein, kein Papagei). Und John Cleese mit allem Leid der Welt in der Stimme sagt: „You’ve let me down, you’ve let the Prime Minister down, and God forbid, you’ve let the Queen down too, bless her.“

Pou, das Häufchen fürs Handy

Da ist ein Häufchen auf meinem Handy. Ich habe dafür 1,79 Euro bezahlt. Nach einer Party, wie das halt so ist.

Familienfeier, ringsum Schwippschwiegercousinen und -cousins im Schüler- und Studentenalter. Sie haben Häufchen auf dem Handy und erzählen, was da alles geht: mit dem Häufchen spielen, damit es fröhlich ist. Es schlafen schicken, wenn es müde ist. Ihm Kleidung kaufen und die Wohnung tapezieren. Es füttern, bis das Häufchen ein Häufchenchen macht. Wie ein Tamagotchi (Ältere werden sich erinnern), nur halt bunter, und nicht ei-, sondern häufchenförmig. In braun.

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Dass das Wesen – laut App-Beschreibung ein Alien – auch noch „Pou“ heißt zeigt allen, die Englisch sprechen, das Humorniveau der App-Entwickler: Seht, wir haben ihn endlich gefunden – den Weg, aus Scheiße Geld zu machen.

Denn die 1,79 habe nicht nur ich bezahlt. Kollege und Chef verweisen bei Pou-Fragen an ihre jeweiligen Töchter. Fragen im Freundeskreis ergeben: Nicht nur Nichten und Neffen sind Experten in der Häufchenpflege. Auch Erwachsene melden sich, ihr Häufchen sei seinerseits schon fast volljährig. Und falls sie alle ihrem Pou mal was gönnen wollen, gibt es ja In-App-Käufe. Zaubertränke zum Beispiel, für schnell ausgegebene Kleckerbeträge wie 89 Cent. Es läppert sich.

Eine Kollegin, die anonym bleiben möchte, gesteht dann noch: Sie müsse dringend mal wieder nach dem Häufchen schauen. Lange her, dass sie es gefüttert hat: „Aber die sterben ja nicht.“

(Dieser Text ist so ähnlich auch in der Wochenendbeilage der WAZ erschienen. Möglicherweise so gar einschließlich der Formulierung „aus Scheiße Geld machen“.)