An ihm hier bin ich bei Ikea in Peking mehrfach vorbeigelaufen, in Zehn-Minuten-Abständen. Bis klar war, dass er da nicht einfach rumliegt und kurz die Augen geschlossen hat. Dieser Mann schläft. Während um ihn rum Menschen auf Matratzen rumdrücken und Notizen mit Ikea-Stiften auf Ikea-Zetteln machen.
Schläfer beim Möbelschweden? „Ist hier ganz normal“, sagt ein Kunde, „die Verkäufer scheint das nicht zu stören.“ Genau wie die Dauersitzer in der Couch-Abteilung, die sich Bücher mitgebracht haben. Einer arbeitet gerade einen Aktenordner durch. Keiner, der ihn dabei stört.
Laowai ist ein chinesischer Begriff für Ausländer – wobei es in diesem Clip um diejenigen geht, die schon länger in China sind und sich hier eingelebt haben. Zwischendurch gibt’s auch Bilder vom Campus der Tsinghua-Universität, an der wir Medienbotschafter unsere Uni-Wochen absolvieren. Das große rote Ufo bei 0:33 ist das Audimax.
Maschinengewehrsalven zum Start. Noch bevor der Zug in Shanghai losfährt, läuft auf den Bildschirmen an der Decke ein Ballerfilm. Der Ton steht auf laut, soll ja keiner was verpassen. Man kann diese Strecke prima fliegen. Aber über 1200 Kilometer mit dem Zug zurücklegen und dafür nicht mal fünf Stunden brauchen? Einfache Entscheidung.
Stehplätze gibt es keine, jeder hat hier seinen festen Sitz, vermerkt auf der Fahrkarte, wie auch die Nummer aus dem Pass. Ohne Ausweis keine Zugfahrt. Ein Hauch von Klarnamenpflicht in der Bahn.
Rechts von mir ein Laptoparbeiter, links Wasserbüffel. Keine Schaf-, dafür kleine Ziegenherden. Erst Reisfelder, dann Maisernte. Viele kleine Felder, auf manche passen gerade zehn Reihen Mais. Später dann große, frisch gepflügte Äcker, trockene dunkle Erde. Zwischen dem großen Braun immer mal wieder ein paar Quadratmeter Salat oder Gemüse, wie ein einsamer Schrebergarten mittig auf dem Platz des Himmlischen Friedens.
Und dann ist es plötzlich kurz vor Mittag und auf den Bildschirmen läuft Sissi. Graf Andrássy gesteht der Kaiserin seine Liebe. Sissi ist krank und kuriert sich auf Korfu (Betonung auf dem Fu) aus. Sissi und Franz fahren mit dem Boot durch Venedig und keiner jubelt. Dazwischen erscheint eine Chinesin im weißen Blazer, die vermutlich die langweiligen Dialog-Passagen zusammenfasst.
Sissi-Destillat für Reisende, das Opulenteste vom Opulenten. Ausstattungsschlachten bei Bällen. Schwenks übers knatschblaue Mittelmeer. Und eben die Schiffsfahrt durch Venedig, wo die Bürger das Kaiserpaar anschweigen. „Ich wollte, ich könnte es Dir ersparen“, sagt Franzl zu Sissi. Wären sie mal mit dem Zug gefahren.
Ein Mann möchte gerne von Wuppertal nach Peking reisen, hat aber Flugangst. Also fragt er am Bahnhof nach einer Fahrkarte nach Peking. Geht nicht, heißt es da – von hier können Sie nur eine Karte nach Berlin buchen. In Berlin dasselbe, es gibt nur ein Ticket bis nach Moskau. So bucht er nach und nach weiter und kommt irgendwann in Peking an.
Nach zwei Woche in der Stadt packt ihn das Heimweh und er will zurück. Geht also in Peking an den Fahrkartenschalter: „Guten Tag, ich hätte gerne ein Ticket nach Wuppertal.“ Sagt der Verkäufer: „Balmen oder Elbelfeld?“
Was da an Stereotypen über umständliche Deutsche und effiziente Chinesen mitschwingt. Dortmund – Peking sind mit dem Zug jedenfalls 170 Stunden. Bestimmt eine schöne Reportage. Die aber bitte jemand anders schreiben soll.