Dass zum Monatswechsel das Sichten von Twitter-Threads gehört, ist inzwischen eine schöne Routine geworden. Und so gut wie jedes Mal begegnen mir dabei Threads derselben Art: US-Bürger, die im (meist europäischen) Ausland waren, dort ärztliche Hilfe brauchten und dann fassungslos waren, wie schnell und wie preiswert sie sie bekommen haben. Jeden Monat könnte ich so einen Thread hier einbauen, aber für Leser in Deutschland ist der Erkenntniswert vermutlich nicht so hoch.
Irgendwie weiß man grob, dass das Krankenversicherungssystem in den USA viele Probleme hat – aber das auserzählte „so einfach war mein Arztbesuch in Großbritannien/Schweden/Italien“ hat nur für die Menschen einen echten Aha-Effekt, die das US-System gewohnt sind. Trotzdem wollte ich diesmal auf einen dieser Threads verweisen, weil er für viele ähnliche steht. Für ihn wie für alle gilt: Den ersten Tweet anklicken, und es öffnet sich der ganze Thread.
1. You found a lump
When I lived in Iceland, I found a lump. I had no idea how to navigate finding a doctor, so I went to our show's production manager.
Me: I found a lump. Can you help me find a doctor?
PM: Just go to the cancer center.
Me: Okay. How do a get a referral?
PM: What's a referral?— Mary Robinette Kowal (@MaryRobinette) June 3, 2019
2. „Lieber Albert Camus“
Post-vom-Wagner-Parodie ist zwar ein recht weit verbreitetes Genre, aber die hier sind wirklich gut:
Lieber G.W.F. Hegel,
Sie kommen aus Stuttgart, der schwäbischen Motor City. Sie schreiben dicke Bücher. Aber mit Büchern kann man keine Autos betanken. Denn Deutschland soll mobil bleiben. Menschen müssen zur Arbeit oder zum Frisör.
Herzlichst,
Ihr F.J. Wagner— Nils Markwardt (@FJ_Murau) May 30, 2019
3. Polizeigewalt
Auch diesen Monat ist wieder das passiert, wofür ich Twitter-Threads so mag: Dass mir ein Geschichts-Thread in die Timeline gespült wird zu einem Thema, von dem ich noch nie gehört hatte. Diesmal geht es um eine extrem dunkle Begebenheit aus den Achtzigern.
On this date – May 13, 1985 – Philadelphia Police dropped a bomb from a helicopter on a home owned by radical black nationalist group MOVE, destroying the house, killing 5 adults and 6 children, and causing a fire that burned down 61 black middle class homes. 1/ pic.twitter.com/WJQmJwbsbG
— Nick Kapur (@nick_kapur) May 14, 2019
4. Warum Büchereien wichtig sind
Was man lernt, wenn man in einer Bücherei arbeitet. Diese Liste fängt lustig an, ist aber ein Thread mit viel Tiefe, der zeigt, wen es trifft, wenn Büchereien klein- oder plattgespart werden.
Things I have learned about the general public whilst working at the library:
1. A huge number of people under 20 can't read face clocks, having grown up with only digital one.
2. Many people don't know how to spell "library." It's in our email address. This causes problems— Secret Library Gorgon 🐍 (@grumpwitch) May 15, 2019
5. Fagottogott
Winzigkleiner Thread, aber wer wollte nicht schon immer wissen, wie ein Fagott mit Verstärker klingt?
This is a thread of interest to barely anyone, but that’s what Twitter’s all about, right? So, this is my bassoon. I’ve had it for 30-odd years. I don’t play it very often because there’s not much call for it. 1/5 pic.twitter.com/F2VTTMdpwI
— Rhodri Marsden (@rhodri) May 11, 2019
6. „I am the last survivor of the war“
Im Mai 1980 ist der Mount St. Helens ausgebrochen, der im US-Bundesstaat Washington liegt. Rund vier Autostunden entfernt verbrachte ein Wissenschaftler allein die Nacht in einem Observatorium. Als er wach wurde und nur von Asche und Dunkelheit umgeben war, dachte er. es habe einen Atomschlag gegeben – es waren die Achtziger, er konnte also nicht mal eben auf dem Handy nachsehen, was passiert war. Die ganze Geschichte hier:
"Hours lost: 6. Reason: Volcano"
Doug Geisler's telescope log from 39y ago today – he was the sole person at Manastash Ridge Observatory when Mt. St. Helens erupted!
I interviewed Doug earlier this year for #TheLastStargazers and got to hear the full tale… pic.twitter.com/6V4PGQiSQU
— Emily Levesque ✨️ (@emsque) May 18, 2019
7. Bilder und ihre Macht
Ein Denkanstoß zum Thema journalistisches Handwerk: Warum Bildauswahl wichtig ist. Bei Slate oder beim Guardian ist mir schon öfter positiv aufgefallen, dass da bei Symbolfotos manchmal einfach jemand im Rollstuhl sitzt/eine Frau ist/nicht weiß ist, ohne dass das Thema des Textes ist. Weil eben das jeweilige Thema nicht nur weiße, männliche Menschen betrifft, die nicht im Rollstuhl sitzen. Mehr als ein kurzes, wohlwollendes Bemerken war bei mir da nie, darum fand ich diesen Thread in seiner Ausführlichkeit so gut:
Für mich ist das gerade ein riesen Moment. @zeitonline schafft es etwas zu tun, dass ich eigentlich so kaum gesehen habe. Es schafft eine unfassbare Repräsentation, die mich grad fast zu Tränen gerührt hat pic.twitter.com/2lLGC525oD
— Vanessa Spanbauer (@VanSista) May 19, 2019
8. All kinds of Data
„Big Data“-Memes kannte ich, aber hier hat jemand wirklich unverhältnismäßig viel Zeit und Kreativität in Data-Witze inverstiert. Ich begrüße das.
data pic.twitter.com/i9aPml7r3l
— D.I.S.C.Ourse (@mistertim) May 23, 2019
9. WLAN in Londons U-Bahn
Wer in der Londoner U-Bahn das WLAN nutzt, muss in Zukunft damit rechnen, dass geloggt wird, wie er von A nach B kommt. Bisher gab es nur die Daten vom Betreten und Verlassen der jeweiligen Bahnhöfe, wo man seine Oystercard an ein Lesegerät halten muss. Nun erfährt das Transportunternehmen einiges mehr über seine Passagiere. Ein Thread darüber, warum das auch heikel sein kann, und welche Datenschutzregeln gelten sollen.
1/ BIG news today for London: TfL is announcing that it is rolling out technology to track passengers using wifi full time from July 8th.
I’ve written about this story for some time, so if you’ll forgive me, a little thread on why this is cool but also… controversial!
— James O'Malley (@Psythor) May 22, 2019
10. Eine Krähe hackt der anderen… oh.
Wer bei Twitter ist und sich für schwarze Vögel interessiert, folgt vermutlich dem Ravenmaster und erfährt so viel über die Raben im Londoner Tower. Diesen Momat ist mir aber auch ein Thread über Krähen begegnet, den ich interessant fand. Von wegen „kein Auge aushacken“ – Krähen tun einander manchmal sehr viel Schlimmeres an:
I’ve been getting a lot of questions lately on the theme of “did I really just see crows killing another crow?!” so let me dedicate a quick thread to the topic. pic.twitter.com/MpuF0T8QX8
— Kaeli Swift, PhD (@corvidresearch) May 29, 2019
11. Eine Art Nachruf
Vielleicht les nur ich als Journalistin gerne über andere Journalisten, aber das hier hat mich berührt. Robert Pear war so ein einfluss- und kenntnissreicher Mann, das sich sogar Nancy Pelosi zu seinem Tod geäußert hat. Diesen Alltagsblick einer deutlich jüngeren Kollegin finde ich aber noch bemerkenswerter:
There are a handful of bylines I remember from looking at NYT front pages as a little kid. Robert Pear is one of them. Then I got hired as a copy editor at NYT and got to work with him. 1/x https://t.co/aDOGLrIgYY
— Maggie Astor (@MaggieAstor) May 8, 2019
12. Wissenschaft 1, Marketing 0
Pseudo-Gesundheitswasser und wie man es mit ein wenig Wissenschaft als Schwachsinn entlarvt:
Alkaline water is a high priced hoax that will not change the pH of your blood and tissues. However, I am very curious if this water is actually pH 10 As stated on the bottle. STAY TUNED FOR LAB TESTING! pic.twitter.com/6YUFPyrEzY
— Cheryl Keller Capone (@KellerCaponePhD) May 21, 2019
13. Der letzte Arbeitstag
Zum Beinahe-Schluss noch ein bisschen was aus der Reihe warm-ums-Herz:
THREAD: Floyd Martin retires after nearly 35 years as a mailman tomorrow. I went with him on his route today. pic.twitter.com/qZhUVY7Sz8
— Jennifer Brett (@Jennifer__Brett) May 22, 2019
14. Theresa Shampoo
Im wahrscheinlich letzten Monat mit ihr als Premierministerin gehört der Schluss-Thread diesmal Theresa May. Und ein paar Flaschen Shampoo.
Theresa May as bottles of Tresemmé. A thread: pic.twitter.com/vEjHEHveSG
— Sam (@sam_bambs) May 21, 2019