Es gab eine Zeit, da landete man in Kiew am Flughafen und sah nach der Zollkontrolle als erstes eine Wand mit der Aufschrift #freesavchenko. Nadija Sawtschenko, die in einem paramilitärischen Bataillon kämpfte, war im Sommer 2014 von russsischen Truppen gefangengenommen worden. Es folgten monatelange Haft, eine Anklage wegen Mordes, ein Schuldspruch und immer wieder Hungerstreik.
22 Jahre sollte Sawtschenko in Haft bleiben, stattdessen wurde sie gegen zwei russische Soldaten ausgetauscht, die ihrerseits in der Ukraine festgenommen und zu langen Haftstrafen verurteilt worden waren. Für Russland ist Sawtschenko eine verurteilte Mörderin, für die Ukraine eine Heldin, die nun an ihrer politischen Karriere feilt.
Eine Kriegsgeschichte, ernst bis düster. Insofern war es gelinde gesagt eine Überraschung, als deren Protagonistin sich gestern Abend bei Twitter zu Wort meldete. Eine Kollegin hatte mir handgeschnitzten russischen Christbaumschmuck geschenkt, ich hängte ihn an den Baum und twitterte ein Bild. Kurz darauf die Reaktion von Sawtschenko: Ganz offensichtlich gefiel ihr das weiße Häuschen mit dem blauen Dach – Herzchen-Augen-Emoji!
„Seltsam“ war mein erster Gedanke, aber hey, der Account ist verifiziert, gehört laut Twitter also tatsächlich der Nadija Sawtschenko. Zweiter Gedanke also: „Oh Mann, die hat sich jemanden für Social Media geholt, der nicht viel Ahnung hat.“
Die Wahrheit ist, das haben die Kollegen von Meduza herausgefunden, wohl etwas komplizierter. Der Account wurde verifiziert, als er noch einer „Elena Subrakowa“ gehörte. Sie bekam das blaue Häkchen, mit dem Twitter inzwischen sehr viel freigiebiger ist als noch vor einem Jahr. Später wurde der Account dann umbenannt – fertig war die verifizierte Nadija Sawtschenko, ukrainische Volksheldin mit Faible für russische Weihnachtsdeko.
Die letzte fälschlich verifizierte Person, an die ich mich erinnere, war Wendi Deng, damals lag der Fehler klar bei Twitter. Diesmal wurde Twitter überlistet – und ist nun unter Zugzwang. Mal sehen, wie lange die falsche Sawtschenko noch online ist. Einstweilen jedenfalls twittert sie weiter, mit großer liebe für kleine Gesichter: Clown-Emoji, anyone?
(Danke an Julia Smirnova für den Meduza-Hinweis!)