Wenn Russen bei Yandex deutsche Fangesänge suchen

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„Googeln“ wollte ich erst in der Übschrift schreiben, „Wenn Russen deutsche Fangesänge googeln“. Aber haben sie ja nicht, sie haben sie geyandext, weil hier eben nicht alles Google ist, sondern Yandex. Nicht nur die Suchmaschine, sondern auch Yandex Maps, Yandex Translate, Yandex Music, Yandex Taxi.

Nun hat Yandex also allerlei Daten veröffentlicht, die es während der Fußball-Weltmeisterschaft über seine Nutzer gesammelt haben. Wann sie sich wo aufgehalten haben, in welchen Städten nach welchen Sehenswürdigkeiten gesucht wurde, sowas. Den ganzen Überblick gibt es hier, mir ist vor allem ein Aspekt dabei aufgefallen: Die vielen russischen Nutzer, die ausländische Fans irgendwas singen oder rufen gehört haben, aber es nicht genau verstanden. So, wie ich mir beim Russland-Spanien-Spiel versucht habe, zurecht zu googeln, was die russischen Fans in der Kneipe so skandieren, gibt es ähnliche Suchanfragen auch bei Yandex.

Das Ergebnis ist eine Liste von Suchanfragen mit einem Hauch von „Der weiße Neger Wumbaba“. Weil eben Suchmaschinen inzwischen so gut darin sind, auch aus nur halb Richtigem, Verhörtem, Vertippten die passenden Ergebnisse zu liefern – und weil Menschen das wissen und darauf vertrauen, das aus den Fetzen unserer Anfrage ein schönes Ganzes als Suchergebnis entsteht. Auch, wenn wir vom Text nur „lalalalala“ oder „schuweeee“ oder „mos mos“ kennen. Darum also hier: ein Auszug aus den Yandex-Suchanfragen russischer Nutzer zu ausländischen Fan-Gesängen bei der WM.

– „schlachtruf australischer fans kommon austrejl“
– „schlachtruf england-fans i dont wanna go to work“
– „schlachtruf argentinische fans vamos messi maradonna“
– „lied lalalalala belgische fans“
– „supe deutschland lied deutscher fans“
– „lied fußballfans dänemark dam daram dam“
– „schlachtruf ägyptischer fans mos mos“
– „islands fans rufen wu“
– „el tigro falcao fans der kolumbianischen mannschaft lied“
– „schlachtruf der fans costa rica sisebell“
– „was rufen marokkanische fans si si“
– „lied mexikanischer fans ai jai jai“
– „arriva peru vamos peru was rufen peruanische fans“
– „lied polnischer fans bjelo krasnije“
– „serbische fans rufen bratja nawjeki“
– „tunesische fans rufen schuweeee“
– „was rufen französische fans ole lebljo“
– „vorwärts schweiz schlachtruf fans hoi schwiz“
– „karnabo singen schwedische fans“
– „lied japanischer fans we japon“

Yandex hat übrigens auch aufgedröselt, was die populärsten Suchthemen zu den einzelnen WM-Teilnehmerländern waren. Also, was hat die Russen an den Deutschen am meisten interessiert? Es war die Geschichte mit dem Fan, der mit dem Traktor nach Russland gefahren ist. Häufigste Frage: „Wie lange war er unterwegs?“

Confed-Cup in Russland: Angenommen, man wollte ein Fußballspiel sehen…

Noch zwei Monate bis zum Confed-Cup in Russland, und Witali Mutko ist unzufrieden. Statt 700.000 Eintrittskarten erst rund 200.000 verkauft, berichtete der frühere Sportminister und aktuelle Chefplaner des Turniers, und das zwei Monate vor dem Eröffnungsspiel.

Es mag daran liegen, dass die Karten nicht gerade günstig sind, erst recht gemessen an einem russischen Durchschnittsgehalt. Zwar ist die „Kategorie 4“ mit den die billigsten Tickets für Russen reserviert, zu ihr gehören aber auch nur wenige Plätze. Es mag an der kleinen Besetzung eines Confed-Cups mit gerade mal acht Mannschaften liegen. Oder an all den Hürden, die man als Fan so nehmen muss, um bei einem Spiel dabei zu sein.

Wer beim Confed-Cup (oder nächstes Jahr bei der Fußball-WM) ins Stadion will, der muss nicht bloß eine Karte kaufen – und dabei online innerhalb von 15 Minuten mehr personenbezogene Daten preisgeben als man braucht, um etwa einen Flug von Moskau nach Düsseldorf zu buchen. Geld und Datensatz reichen der FIFA nicht, es braucht zusätzlich noch die sogenannte Fan-ID.

FIFA Russland FAN-ID

Die erteilt die FIFA im Tausch gegen, na klar: noch mehr Daten, einschließlich Foto. „Der Hintergrund,“ mahnt sie, „muss das Gesicht hervorheben sowie gleichmäßig und wünschenswerterweise hell sein“. Aber gerne doch. Hochgeladen. Und tatsächlich kommt keine 24 Stunden später die SMS: Die Fan-ID ist fertig.

Wer sich nicht auf die russische Post verlassen will (und wer will das schon), muss die Fan-ID abholen. Nicht etwa an einem der großen Fußballstadien, in einem Einkaufszentrum oder einem Büro irgendwo am Roten Platz, das wäre ja einfach. Nein, das „Fan ID Distribution Center“ ist in einer dieser Nebenstraßen, die niemand findet, der nicht gründlich sucht. Nicht weit von der Metrostation „Pawelezkaja“ und dem dazu gehörenden Fernbahnhof – mit genug Ausgängen, um erst mal zwei, drei falsche zu erwischen. Darum hier ein kleiner Laufzettel:

Auf dem Metro-Bahnsteig an den Schildern Richtung Domodedowo (auch in kyrillischer Schrift gut zu erkennen) orientieren. Es geht die Rolltreppe hoch…

FAN-ID Russland Confed Cup Metro

…durch die Schleusen…

FAN-ID Russland Confed Cup Aeroexpress

…und dann hinaus aus dem Gebäude. Netterweise zeigt ein Automat der Alfa-Bank im WM-Design den Weg.

FAN-ID Russland Confed Cup Bahnhof

Apropos Banken: Draußen rechts abbiegen, und nach ein paar Schritten sieht man bereits das Gebäude der Rosinterbank. Da drauf zuhalten, bis man sieht, dass im Erdgeschoss…

FAN-ID Russland Confed Cup Bankgebäude

…Burger verkauft werden. Hier muss der Confed-Cup-Möchtegern-Fan rechts um die Ecke.

FAN-ID Russland Confed Cup Burger King

Jetzt sind wir auf der Letnikowskaja-Straße und suchen nach Hausnummer 10, Gebäude 4. (Hausnummern sind in Russland oft noch mal unterteilt). Wer links den Wikimart sieht, ist richtig…

FAN-ID Russland Confed Cup Wikimart

…wer vor dieser Leitung steht, zu weit.

FAN-ID Russland Confed Cup Gasleitung

Das liegt daran, dass ausgerechnet Haus Nummer 10 ein Stück von der Straße zurück liegt. Alles nicht so einfach. Also: zurück, und dann an dem großen Gebäude mit der 10 links vorbei.

FAN-ID Russland Confed Cup abholen

FAN-ID Russland Confed Cup Eingang

Natürlich ist, im Gegensatz zum Geldautomaten, das Fanzentrum nicht im Design der WM und des Confed-Cup gestaltet, das wäre ja auch zu einfach. Trotzdem beginnt nun der leichte Teil der Exkursion. Am Eingang ein Automat, an dem ich Fan in fünf Sprachen eine Nummer ziehen kann. Sicherheitshalber steht auch noch ein Helfer daneben, der einem den einzig nötigen Tastendruck abnimmt. Betreutes Warten.

FAN-ID Russland Confed Cup Schalter

35 Schalter, eine Handvoll von ihnen besetzt, außer mir will sich gerade nur ein anderer Fan von der FIFA bescheinigen lassen, dass er existiert. Auf Bildschirmen läuft der russische Sportsender „Match“, Ufa spielt gegen Spartak. Keine zwei Spielzüge, schon blinkt meine Nummer auf, eine freundliche Frau lässt sich den Pass zeigen und lobt das hochgeladene Foto: „Ja, das geht, da müssen wir kein neues machen. Dann mache ich die ID jetzt fertig und rufe Sie wieder auf.“ Großartiges Englisch, professionelle Freundlichkeit. Wer es als Fan einmal bis hierher schafft, der muss sich über den Rest keine Gedanken mehr machen.

Kurz darauf stehe ich vor dem Haus und verstaue die laminierte Karte samt Umhängeband in der Tasche, als mich die Frau vom Schalter anspricht. „Na, gefällt Ihnen Ihr Ausweis?“ Sie stellt sich als Alex vor und erzählt eine dieser Biografien, wie ich sie schon oft in Russland gehört habe (fast immer von Frauen, die sich mit Vehemenz und viel Initiative hinter ihre Ausbildung geklemmt haben): Im zweiten Schuljahr habe sie beschlossen, dass Englisch die Sprache ihres Lebens sei und alles daran gesetzt, sie perfekt zu beherrschen. Nein, keine Auslandsaufenthalte, alles nur Selberlernen.

In Zukunft, sagt sie noch, soll man seine Fan-ID dann auch am Flughafen abholen können – und meint damit wohl eher bei der Fußball-Weltmeisterschaft als noch beim Confed-Cup. Spätestens dann muss also niemand mehr diesen Hinterhof in einer Seitenstraße finden, bloß um ein Fußballspiel besuchen zu dürfen. „Vielleicht sehen wir uns ja im Stadion, wenn unsere Mannschaften gegeneinander spielen“ sagt Alex zum Abschied. „Hoffentlich im Finale“, antworte ich.

FAN-ID Russland Confed Cup Bändel

Wie ich mich mal von einem israelischen Ministerium überwachen ließ

israel handy 
Israel, Heimat des logischen Zirkels: „Bitte seid drei Stunden vorher am Flughafen, wegen der Sicherheitskontrolle.“ – „Ich hab Sie zur Kontrolle rausgewunken, weil ich gesehen hab, dass Sie noch Zeit haben.“

Aber das ist ja erst beim Abflug. Noch stehe ich in der Schlange zur Einreise-Passkontrolle, vor mir eine Frauengruppe aus Kasachstan, hinter mir ein dänisches Rentnerpaar. Seit 90 Minuten geht das hier nun schon so, langsamer als an allen anderen Schaltern. Denn unsere Kontrollfrau scheint noch zu lernen, telefoniert viel rum, öffnet ständig die Durchreiche zum Kabuff nebenan, um Fragen zu stellen.

Wir sind also leichte Beute, die Kasachinnen, die Dänen und ich, für den Mann, der außen an unserem Pferch entlanggeht. Er möchte uns etwas Gutes tun (klar), aber nichts verkaufen (ach?). Im Auftrag des Tourismusministeriums verteilt er hier Handys, einschließlich kostenlose Gespräche, SMS und Internet und dem Versprechen von 50 Dollar als Duty-Free-Gutschein. Einzige Bedingung: Man muss das Handy immer dabei haben und drauf achten, dass es noch Saft hat. Wo wir sind und wie wir dort hinkommen, beides will das Ministerium wissen.

Darf es gerne. Wir sind hier als Journalistengruppe, alles Alumni von IJP-Austauschsprogrammen. Unterstützt wird die Reise vom Auswärtigen Amt – viel offizieller, und damit öffentlicher, kann ein Reiseprogramm nicht sein. Auch die Frau am Schalter lässt sich als erstes den Programmablauf vorlegen, winkt dann aber ab: „Das ist ja auf Deutsch, dann erzählen Sie’s mir mal.“ Normal bin ich kein Fan von „Ich hab nichts zu verbergen“-Argumentationen, aber beim Ablauf dieser fünf Tage stimmt’s. Viel Neues, außer den Routen von A nach B, wird das Handy nicht ermitteln können.

LG Handy Israel  

Was das Ministerium bei der Sache gelernt haben kann:

– dass, wer mit dem Hält-an-jeder-Milchkanne-Shuttle vom Flughafen in die Stadt fährt, sich auf dem Rückweg garantiert für ein anderes Verkehrsmittel entscheidet. Taxi, Tretroller, von Schildkröten gezogener Rennschlitten. Alles ist schneller als das.

– dass wir einen Tag in Ramallah waren, unter anderem in der deutschen Vertretung, bei der palästinensischen Autonomiebehörde und bei einer Gesprächsrunde mit palästinensischen Journalisten. Wäre irgendwas davon eine Neuigkeit für die israelischen Behörden, würde mich das ernsthaft überraschen. Mal sehen, so oder so, ob das bei der nächsten Einreise irgendwann ein Thema wird.

– dass sich bei vier Tagen Regen am Stück auch die Halter von Leihhandys bevorzugt drinnen aufhalten und sich auf Kichererbsenbasis ernähren, dabei aber keine besonders spektakulären Datenspuren hinterlassen.

– dass von dem Telefon aus einmal gesmst wurde, zweimal telefoniert und einmal kurz im Internet was nachgeschlagen, die verloren geglaubte Jacke dann aber letztlich doch nicht im Hotel lag, sondern in Moskau auf der Fensterbank.

– dass im Abendstau von Tel Aviv auch der vollste Akku irgendwann leer ist.

Und das habe ich gelernt:

– Wer ein wandelnder persönlicher Hotspot ist, muss im Bus nie alleine sitzen.

– So ein persönlicher Hotspot ist auch nützlich, wenn man selber sich nicht vom Leihtelefon in allerlei persönliche Accounts einloggen will, sondern vom eigenen. Auf wirklich Sensibles hab ich auch so nicht zugegriffen, aber zum Twittern war’s schon nützlich.

– Wenn das, wie von frotzelnden Kollegen behauptet, doch ein Mossad-Handy war, dann habe ich den verpeiltesten Agenten aller Zeiten als Ansprechpartner gehabt. Fast hätte er das Handy nicht mal zurückbekommen, weil er nicht rechtzeitig am vereinbarten Ort war. Reifenpanne, soso.

– für 50 Dollar kann man im Duty-Free-Shop so viel Kosmetik aus Schlamm kaufen, dass das Tote Meer danach einen halben Meter tiefer ist.

– mein nächstes Handy wird auf gar keinen Fall eines von LG. Gott, die Benutzeroberfläche – das Gegenteil von intuitiv. Einen eingehenden Anruf anzunehmen hat erst im zweiten Versuch geklappt, und wie man im Browser eine Seite zurück geht, hab ich bis zum Schluss nicht herausgefunden. Das lern ich dann irgendwann beim nächsten Israel-Besuch – falls das Ministerium dann wieder Handys verteilt.

„Mr Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ in fünf Zitaten

Mr PenumbraDas Schöne an Taschenbüchern ist ja die niedrige Hemmschwelle. Mit dem Bleistift was anstreichen, oben eine Ecke umfalten als Markierung – alles erlaubt, im Gegensatz zu Hardcovern.

Bei „Mr Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ hat es sich besonders gelohnt, die Taschenbuch-Ausgabe zu kaufen. So viele Stellen hab ich lange nicht mehr in einem Buch markiert, einfach weil es so viel Grund gab zum Freuen und Nochmallesen. Es geht, sehr vereinfacht, um Bücher, um das Internet, um das Leben und was man draus macht.

Clay zum Beispiel macht gerade seinen Job als Buchladenhüter, programmiert ein bisschen vor sich hin, da betritt Kat den Laden und will gucken, was er am Laptop so tippt.

She’s scrolling fast through my code, which is a little embarassing, because my code is full of comments like Hell, yeah! and Now, computer, it is time for you to do my bidding. „This is great,“ she says, smiling. „And you must be Clay?“ It’s in the code – there’s a method called clay_is_awesome. I assume every programmer writes one of those.

Robin Sloan (der vorher so Dinge wie „Fish“ gemacht hat und von dem sich auch diese Kurzgeschichte zu lesen lohnt) bringt beiläufig viele anschauliche Beschreibungen unter. Wenn Clay zum Beispiel vor schlechtem Gewissen ganz hibbelig ist, beschreibt Sloan das so:

If fidgets were Wikipedia edits, I would have completely revamped the entry on guilt by now, and translated it into five new languages.

So zeichnet er das Gesicht von jemandem, dessen Welt gerade aus den Fugen geraten ist:

He has the strangest expression on his face – the emotional equivalent of 404 PAGE NOT FOUND.

Und auch wenn sich Clay ein bisschen in Kat verguckt hat, gibt er ihr als Erzähler beim gemeinsamen Ausflug nach New York einen Seitenhieb mit:

Kat bought a New York Times but couldn’t figure out how to operate it, so now she’s fiddling with her phone.

Die Leistung daran ist, dass hier beides klappt: Sloan findet eine neue Art, Dinge zu sagen. Aber es klingt nicht bemüht, nicht mit Gewalt auf Was-mit-Internet getrimmt.

Sowieso ist das ein Buch, das an vielen Stellen kippen könnte, aber nicht kippt. Google zum Beispiel ist hier zwar ein mächtiger Konzern, aber dessen Riesenambitionen kommen eher absurd rüber, nicht wie ein ernsthaftes Streben nach Weltherrschaft. Ein Text über Google, in dem niemand „Datenkrake“ schreit – war mir nicht klar, dass das auf dem deutschen Markt überhaupt erlaubt ist.

Clay kann eine gelungen programmierte Datenvisualisierung ebenso bewundern wie ein historisches Buch mit dicker Staubschicht auf dem Rücken. Es gibt in „Mr Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ auch keinen Gewinner, kein „Das Internet ist das Ende aller Bücher“ und kein „Was Bücher können, wird das Web nie schaffen“. Es gibt nur eine Geschichte um Daten, um Geheimnisse und Versuche, sie zu lösen.

Dass sich zwei Welten begegnen können, ohne zu kollidieren, zeigt vielleicht am besten die Stelle im Roman, in der mit Google-Technologie ein geheimnisvolles altes Buch vollautomatisch eingescannt wird:

There’s a low, gut-rumbling hum, then a high warning chime, and then the book scanner leaps into action. The floodlights start strobing, turning everything in the chamber into a stop-motion movie. Frame by frame, the scanner’s spidery arms reach down, grasp page corners, peel them back. It’s mesmerizing. I’ve never seen anything at once so fast and so delicate. This thing loves books.

Sightsmap zeigt Dortmunds meistfotografierte Orte

Treffen sich zwei Datensätze. Der eine aus Google Maps, der andere aus Googles Foto-Sharingseite Panoramio. Zusammen entsteht daraus Sightsmap, eine Heatmap der meistfotografierten Orte der Welt.

Immer, wenn bei Panoramio jemand zu seinem Bild auch Geodaten angibt, trägt er ein Pixel mehr Farbe zur Sightsmap bei. Über Lila, Rot und Orange bis hin zu Knatschgelb an den Orten, wo Fotografen am aktivsten sind.

Also einmal ganz rauszoomen und Überblick verschaffen: Im Herzen von Afrika ist es finster (wenige Fotos oder nur wenige Panoramio-Nutzer?), in den USA ziehen sich schmale gelbe Streifen an beiden Küsten hoch. Auch Neuseeland, Japan, die Ostküsten von Australien und China leuchten. Aber nirgends ist es so strahlend gelb wie in Mitteleuropa.

Mit ein bisschen Gefrickel lässt sich der Kartenausschnitt auch einbetten – so wie hier die meistfotografierten Orte in Dortmund. Dass unter den Top Ten auch so Perlen wie das Vapiano am Hansaplatz liegen, deutet auf kleine absolute Zahlen an Fotos. Interessant ist dir Motivauswahl trotzdem.


Größere Kartenansicht

So lange der Name nicht allzu verwechelbar ist (Springfield dürfte schwierig werden), lässt sich die Kartenansicht für eine einzelne Stadt immer nach demselben Prinzip aufrufen: http://www.sightsmap.com/stadtname.

Being Manuel Saiz

Was wir über Manuel Saiz wissen:

Manuel Saiz ist ein Künstler, der sich unter anderem mit dem Thema Sprache befasst.

Eines der Werke von Manuel Saiz wird gerade im Dortmunder U gezeigt.

Das Video von Manuel Saiz dauert keine zwei Minuten. Das Staunen und Nachdenken über zeitliche Abfolgen dauert länger.

Manuel Saiz lässt es sich 7,95 Euro im Monat kosten, dass andere seine Videos nicht einbetten können.

Specialized Technicians Required: Being Luis Porcar from Manuel Saiz on Vimeo.

Was wir über John Malkovich wissen: Er ist ne coole Sau.

Eine Woche zum Thema Kundendaten bei hr info

Prism und Tempora sind im Moment die prominentesten, aber lange nicht die einzigen Daten- und Datenschutz-Themen. Der Hessische Rundfunk kümmert sich diese Woche um Kundendaten. Also darum, was Firmen aus dem machen, was ich ihnen verrate. Und was sie sich zusammenreimen, wenn sie gerade mal meinen Namen und meine Adresse kennen. „Der geschätzte Kunde“ heißt die Themenwoche bei hr info.

Zum Start macht Henning Steiner*, Redakteur bei hr info, einen Umschlag auf. Von Amazon hat er sich alles schicken lassen, was dort über ihn bekannt ist. Vieles davon konnte man so erwarten – was wurde bestellt, wann, wohin geliefert. Anderes ist überraschend: Dass ein Kunde zum Beispiel eine Lieferadresse löscht, heißt noch lange nicht, dass Amazon das auch tut. Und wer anschaulich mal durchspielen will, mit wem Firmen unsere Daten alles so teilen, der braucht eine ziemlich große Grafik:

Und was sagt der Datensatz? Was ist er denn nun für einer, der Henning? „Er kommt wohl ursprünglich aus Niedersachsen, (…), Vater wahrscheinlich Arzt. Er mag sehr gerne Krimis, vor allem in den letzten zwei Jahren englischsprachige Krimis, er hat vielleicht bis Mitte 2005 oder sowas studiert. Er wird so Anfang Mitte 30 sein, älter nicht.“ So analysiert der Marketingmann, den der HR interviewt hat, Hennings Amazon-Daten. (Wie gut er mit diesen und weiteren Tipps lag, zeigt diese Tabelle.)

Anschaulich ist das alles und vor allem: angenehm sachlich. Bisher hat noch keiner „Datenkrake“ gesagt, nichts wird zur künstlichen Empörung hochgejazzt. Kein erzböses Unternehmen, das uns als Feindbild aus der Pflicht nimmt, mal selbst über unser Verhalten nachzudenken. Stattdessen darf ich mir beim Zuhörern selbst meine Meinung bilden – und mich in Hennings gescheitertem guten Vorsatz, nicht mehr bei Amazon zu bestellen, wiedererkennen. Wer in Frankfurt ist (oder am Rechner mit Livestream), kann das am Mittwoch Abend auch mit ihm diskutieren.

*Disclaimer: Henning und ich haben zusammen studiert. Wir waren damit beide deutlich vor 2005 fertig, er sogar noch etwas deutlicher.

Was Alibaba.com an Daten zu bieten hat

In der Onlineredaktion gehört der Blick auf allerlei Statistiken zum Tagesgeschäft. Google Analytics, Omniture, ComScore, ATI Internet – irgendein Programm halt, das sagt: Welcher Text wird wie gut gelesen? Wie stehen wir gerade da im Vergleich zu letzter Stunde, zu gestern, zu letzter Woche? Wie kommen die Leser zu uns?

In den meisten Redaktionen guckt man sich sowas auf dem Rechner an, vielleicht auch auf einem Bildschirm an der Wand. Beim Internethändler Alibaba.com, dessen Hauptsitz in Hangzhou wir neulich besucht haben, gibt es dafür zusätzlich ein eigenes Zimmer, in der Größe eines Konferenzraums. Daten aller Art, öffentlichkeitswirksam visualiert als Tabellen, Laufbänder, Ticker und Karten, auf denen kleine Lichtpunkte hin und her sausen.

Wer weiß, wo auf der Wand er hingucken muss, erfährt zum Beispiel: Nach welchen Produkten suchen Kunden gerade? In welchen chinesischen Provinzen sind käufer und Verkäufer derzeit wie aktiv? Zwischen welchen Städten blüht im Moment der Handel?

Die Medienbotschaftergruppe vor der Datenwand bei Alibaba.com

Ein paar Zahlen, die für die Datenwand nicht wichtig genug sind – für deutsche Leser aber erwähnenswert: 365 000 Nutzer hat die Plattform in Deutschland (Unternehmenszahlen aus dem Juni). Sie kaufen vor allem Waren aus China (79 Prozent), Indien liegt auf Platz zwei, kommt aber nur noch auf 2 Prozent. Interessant ist auch, wenn man guckt, was Alibaba-Nutzer deutschen Anbietern abkaufen. Am häufigsten (17 Prozent) sind das Waren aus dem Bereich Auto und Motorrad.

Und noch eine Zahl zu Alibaba. In den Unternehmenszielen hat Gründer Jack Ma festschreiben lassen, dass es seine Firma mindestens 102 Jahre geben soll. Warum? Weil sie 1999 gegründet wurde und dann drei Jahrhunderte gesehen hätte.

Die siebte China-Woche in Links

Seltsame Woche. Peking entwickelt sich allmählich Richtung Pleasantville, nur mit mehr Uniformierten. Alles hübsch und mit Blumenschmuck hier, bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen. Mehr dazu hier. Zugang zum Internet wird schwieriger, ruckeliger. Gestern die Praktikums-Absage von Xinhua, vielleicht geht noch was zu einem späteren Termin, nun ja. Und dann heute auch noch Schnee, was selbst für die Einheimischen was Besonderes ist.

An interview from 2000 with China’s Vice President Xi Jinping – kann ein zwölf Jahre altes Interview noch interessant sein? Ja, wenn es eines der wenigen Gespräche mit dem künftigen Staats- und Parteichef Xi Jinping ist. Carsten Boyer Thøgersen and Susanne Posborg haben das Interview im Auftrag des Nordic Institute of Asian Studies übersetzt.

Vor kurzem hat Apple seinen größten Laden Asiens in Peking eröffnet. Wer hier ein iPhone kauft, darf nicht auf Siris Hilfe bei der Suche nach Sex hoffen

Apple blocks Siri’s prostitute-finder function – möglicherweise am schönsten an dieser Xinhua-Meldung ist der Hinweis auf die knallharte Hintergrund-Recherche: „Previous research conducted by Xinhua reporters in Shanghai’s Baoshan District found that of the 12 locations listed by Siri upon the „escort services“ inquiry, some did provide such services.“

As Handover Looms, China Enters Extreme Lockdown – Yueran Zhang hat Weibo-Stimmen dazu gesammelt, was für Verbote den Pekingern derzeit so begegnen. „Although “stability preservation” (“维稳”) is always a high priority in China, it has now become the singular priority, affecting the lives of countless Chinese officials and citizens.“

China moves toward registering citizens‘ fingerprints – nochmal Xinhua, diesmal über ein massives Datensammelprojekt, das die Polizei plant: „According to the statement, citizens applying for ID cards for the first time as well as those applying for replacement cards will be required to have their fingerprints recorded.

China’s incoming first lady a challenge for the image makers – Julie Makinen über die Vermarktung von Peng Liyuan, die als Sängerin bereits berühmt ist und nun bald die First Lady von China wird. „Crafting a public role for Peng will require Communist Party image makers to delicately navigate millenniums-old suspicion of women near the center of power in China, the party’s own squeamishness about making officials‘ private lives public, and a gossipy media culture increasingly critical of elites‘ lifestyles and behavior.“

For Complainers, A Stint In China’s ‚Black Jails‘ – Frank Langfitt besucht mit einer früheren Insassin eines von Chinas Geheimgefängnissen. „Local officials use secret detention centers to protect their standing in the bureaucracy. Every time a citizen goes to Beijing to complain, the central government gives local officials a black mark.“

Forced shopping in Hong Kong makes a return on cheap tour packages – He Huifeng und Amy Nip über Butterfahrten nach Hongkong mit Kaufzwang. „While it is illegal for agencies to organise tours at prices that cannot cover costs (…)  it is easy to buy tourist coupons online through various mainland websites at ultra-low prices of between 200 yuan and 500 yuan.“

Peking regelt Organspende neu – Petra Kolonko erklärt, wie es mit dem bisherigen System der Organ-„Spende“ von Hingerichteten weitergehen könnte. „Während pro Jahr in China etwa 1,5 Millionen Kranke auf eine Transplantation wartete, würden nur etwa 10.000 vorgenommen. Die hohe Nachfrage führt zu illegalem Organhandel.“

Wary of Future, Professionals Leave China in Record Numbers – Ian Johnson beschreibt den „brain drain“ unter gebildeten jungen Chinesen. „Most migrants seem to see a foreign passport as insurance against the worst-case scenario rather than as a complete abandonment of China.“ Lustiger Bonus: die Sache mit dem Aufmacherfoto.

Quantified Self Beijing – wenn Menschen sich messen

Zweimal am Tag horcht Polly Yang in sich hinein. Ob sie gerade froh ist oder traurig, vertraut die 17-Jährige aus Peking dann einem kleinen Panda an. „Mood Panda“ heißt das Programm, mit dem Polly ihre Gefühle festhält und sich so einen Überblick verschafft. „Meine Stimmung verändert sich oft“, erzählt sie, zum Beispiel, wenn eine schlechte Schulnote sie runterzieht. „Drei Tage fröhlich am Stück, das war in diesem Monat bisher das längste.“

Polly Yang

Kennengelernt haben wir uns bei „Quantified Self Beijing„, der ersten chinesischem Konferenz nach dem „Quantified Self„-Prinzip. Bei dieser Idee der beiden Wired-Mitarbeiter Gary Wolf und Kevin Kelly geht es darum, dass Menschen ihr Leben protokollieren. Ihre Herzfrequenz, ihre Ernährung, ihre Schlafzeiten, ihre Stimmung wie Polly.

Seth Roberts zum Beispiel – Psychologieprofessor an der Tsinghua-Universität, Diät-Erfinder, Bestsellerautor und Eröffnungsredner bei der Konferenz heute in Peking – hat täglich Leinöl gegessen und parallel festgehalten, wie gut er auf einem Bein die Balance halten kann. Weltbewegend? Vermutlich nicht. Interessant aber allemal, die Akribie, mit der sich „Quantified Self“-Leute selbst zum Forschungsthema machen.

„Wir alle lieben Daten“, sagt Polly über sich und die vier Mitschüler, mit denen sie unter Anleitung ihres Lehrers Wallen Mphepö die Konferenz organisiert hat. Ein Großprojekt, kurz vor dem Schulabschluss. Es soll sich gut auf dem Lebenslauf machen, wenn Polly sich für einen Studienplatz an amerikanischen Unis bewirbt. „Perfekt wäre, wenn ich nach Berkley gehen könnte“, sagt sie. Dann gäbe es bei ihrem „Mood Panda“-Account mehr als nur drei fröhliche Tage in Folge.