Mit den Teletubbies im Supermarkt

Teletubbies in Dosen

Teletubbies in Dosen, das war dann doch ungewohnt. Wo doch sonst der Einkauf im Supermarkt hier gar nicht so weit von der deutschen Version entfernt ist, einschließlich der immer gleichen Kassendialoge. Nein, danke, keine Kundenkarte. Ja, bitte, eine Plastiktüte. Bloß Obst und Gemüse abwiegen darf ich Kundin hier nicht. Доверяй, но проверяй. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Die Teletubbies jedenfalls wohnen in der Milchtheke und entpuppen sich als Babynahrung, Geschmacksrichtung Rindfleisch mit Zucchini. Was die These bestätigt, dass es gar nicht so sehr die Waren sind, die einen russischen von einem deutschen Laden unterscheiden. Oft ist es auch – und ich wünschte, ich wüsste ein besseres Wort – die Darreichungsform.

Babynahrung in Konservendosen. Feta im Tetrapack (Fetrapack? Sorry.) Spinat als gefrorene Platte statt in Quadern.

Und dieses schwachsinnige Jungen-vs-Mädchen-Marketing gibt er hier auch. Von Lego, Playmobil und Überraschungseiern kannte ich das schon, hier liegen in der Kühltheke gesonderte Hähnchennuggets für Prinzessinnen und für Piraten. Dank Twitter-Hilfe weiß ich jetzt, dass das Pinkification heißt.

Und noch etwas kommt auf die „neu gelernt“-Liste: Das Datum auf der rusischen Butter, den rusischen Nudeln, dem russischen Käse? Das ist der Tag, an dem sie abgepackt wurden – nicht das Haltbarkeitsdatum. Macht das Einkaufen deutlich leichter, wenn man das weiß.

Was Douglas Adams die Kondome sind, das ist Clare Balding der #Sochitrolley

Anfang der Neunziger hat Douglas Adams in Göttingen aus „Last Chance To See“ gelesen, seinem Buch über bedrohte Tierarten. In einer Anekdote geht es um Delphine im Jangtsekiang. Adams ist mit einem Fernsehteam unterwegs und will Unterwasseraufnahmen machen, um zu verdeutlichen, wie laut es dort im Fluss ist – die Delphine macht der Lärm orientierungslos.

Der BBC-Toningeneur hat kein Unterwassermikro dabei, aber eine Idee. Mit einem Kondom soll ein normales Mikro wasserdicht gemacht werden. Also: Kondomkaufen in Shanghai, ohne Chinesischkenntnisse. Mit Pantomime können sie ihr Anliegen zwar vermitteln, bekommen aber statt Kondomen Verhütungspillen ausgehändigt.

„Not want rubberover, pill better!“ – „No“, Mark said, „we definitely want rubberover, not pills.“ – „Why want rubberover? Pill better!“ – „You tell him“, said Mark. „It’s to record dolphins“, I said, „or, not the actual dolphins, in fact – what we want to record is the noise in the Yangtze that… it’s to do with the microphone…“ – „Oh, just tell him you want to fuck somebody“, he said, „and you can’t wait.“

Am Ende kaufen sie neun Kondome, sicherheitshalber. Die Unterwasseraufnahme gelingt.

Was eine ziemlich lange Anekdote ist, um zu vermitteln, wie kreativ gerade Fernsehleute bei Einsätzen manchmal sein müssen. Und seit gestern weiß ich, wer die legitimen Nachfolgen von Douglas Adams und seinem BBC-Team sind: Reporterin Clare Balding und ihr Team – auch von der BBC. Sie sind in Sochi im Einsatz, samt Arbeitsgerät: dem Sochitrolley.

Irgendeinem Supermarkt fehlt jetzt ein Einkaufswagen. Dafür hat das BBC-Team eine eigene Schaltzentrale auf Rädern, mit Scheinwerfern, Monitor, Getränkehalter, Rucksackhaken, BBC-Logo, Regenschirmen – ein Einsatzwagen. Und neuerdings auch ein Renner bei Twitter.

Mehr als 2500 Tweets mit dem Hashtag #Sochitrolley gab es in den ersten 24 Stunden, seit der Trolley erstmals erwähnt und gezeigt wurde, mindestens einmal war der Begriff auch schon trending topic.

Ziemlich sympathisch, dieser Spaß am Improvisieren und am Möglichmachen. Und klar, dass die BBC nun regelmäßig dafür sorgt, dass der Einkaufswagen im Bild ist. Mal sehen, wie lange der Ruhm des #Sochitrolley noch reicht – der Nachfolger lauert schon.

Ponys, Bücher, Kuscheltiere – ein Hausflur als Wohnzimmer

Seit wir in Moskau wohnen, teilen wir uns mit den Nachbarn ein Wohnzimmer. Anders kann man den Raum nicht nennen, in den man durch die Haustür kommt und durch den es ins Treppenhaus geht. „Hausflur“ ist zu prosaisch für die Kombination aus Pförtnerloge und ungebremstem Gestaltungswillen, der sich hier Bahn bricht.

Das ist zwar nur ein Flur, aber man kann es sich ja trotzdem nett machen – so ähnlich muss die Logik wohl gewesen sein. Dass Wohnblocks Pförtnerlogen oder, weniger edel, -kabuffs haben, ist so unüblich nicht. Aber in Sachen Ausstattung macht unserem Übergangs-Wohnhaus so schnell keiner was vor. Pflanzen (im weitesten Sinne), Tiere (aus Plüsch und Papier), Weltliteratur. Alles da.

Aber seht selbst – ich hab mal mit Thinglink versucht, dem gerecht zu werden. Wem das Foto zu fitzelig ist: Hier geht es zur großen Version.

Dann halt was mit Medien

Despite having a first-class degree and having read an unfeasibly large number of books, it began to dawn on me that I couldn’t really do anything. I couldn’t sing, act, tell jokes, play any musical instrument, hit, kick or catch a ball, run for more than a few yards without panting, speak another language, or assemble things without them falling apart immediately. I was a scientifically illiterate innocent with the entrepreneurial instincts of a thirteenth-century peasant and the iron determination of a butterfly. Journalism seemed the only option.

(Andrew Marr, „My Trade“)

Was man in einer Woche Moskau lernen kann

  • Das Gefühl in der Nase, wenn man bei -27 Grad aus der Haustür tritt – als hätte man den ganzen Tag Staub eingeatmet oder spontan alle Nasenschleimhäute voller Schorf: Das sind die Nasenhaare, die gerade kollektiv gefroren sind.
  • Mit warmen Fingern die Nase zusammendrücken und sie taut wieder auf. Nachteil: Dazu muss man die Handschuhe ausziehen.
  • Sieben Kleidungsschichten übereinander passen durchaus unter eine gängige deutsche Winterjacke.
  • Genau so wichtig wie das Warmanziehen ist es auch, ein paar Dinge möglichst schnell wieder ausziehen zu können. Schließlich ist die Metro voll und gut geheizt.
    Park Pobedy, der Siegespark. Die U-Bahn-Station darunter hat die angeblich längste Rolltreppe Europas.
    Park Pobedy, der Siegespark. Die U-Bahn-Station darunter hat die angeblich längste Rolltreppe Europas.
  • Apropos Metro: Gerade ist hier eine neue Linie eingeweiht worden, sie verbindet unsere Haltestelle Wystawotschnaja mit dem Park Pobedy. Das ermöglicht einen schlauen Schlenker stadtauswärts, um dann beim Stadteinwärtsfahren einen garantierten Sitzplatz zu haben.
  • Und apropos geheizt: Winterwetter + Heizwahn = 50 Grad Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen. Zum Vergleich: Zwischen Wüstenhitze in Las Vegas und Hotel-Klimaanlage am amerikanischen Anschlag sind es bestenfalls 30 Grad.
  • Möglicherweise wurde dieses ganze Russland nur erfunden, um uns Deutschen vor Augen zu führen, wie deutsch wir sind. Zwei 250-ml-Flaschen vom selben Shampoo kosten in unserem Supermarkt „Grüne Kreuzung“ weniger als eine 500-ml-Flasche. Anarchie!
  • Auch eine 16-Millionen-Metropole kann ein Kaff sein: In zwei Chören probegesungen, an zwei Enden der Stadt. Beide hatten denselben Pianisten, im selben Pulli.
  • Diese Bretter, die da am Wäscheständer hängen? Das sind T-Shirts. Ja, das Wasser ist hier so hart.
  • Wenn das Kino direkt gegenüber Deiner Haustür ist, heißt das gar nichts. Moskau gehört den Autos, also lauf gefälligst 500 Meter die Straße entlang bis zur nächsten Unterführung. Dann durch. Dann zurück bis zum Kino. (Hat sich für „Inside Llewyn Davis“ aber gelohnt.)
  • Sotschi 2014 – das twittern die Freiwilligen

    Noch eine Woche bis zum Beginn der Winterspiele in Sotschi. Kann sein, dass die ein oder andere Baustelle noch ein bisschen Armschmalz braucht. Kann sein, dass sich das Wetter noch nicht so recht auf Schnee eingependelt hat. Kann sein, dass auch Geldabzweigen eine olympische Disziplin ist.

    Fest steht jedenfalls, dass in diesen Tagen die Freiwilligen in Sotschi eintrudeln. Helfen, Lächeln, Wege weisen – sie machen einen Job, der Aufstiegschancen bis in den Hochadel bietet. Theoretisch.

    Praktisch scheint das Freiwilligenleben eine Woche vor dem Start vor allem aus Orga zu bestehen. Gabriele Cesarini will aus Italien anreisen, aber seine Flüge wurden gestrichen. Kimberly Evering aus den USA packt gerade für ihre zweiten Volunteer-Einsatz nach den Spielen in Vancouver.

    Isma Monfort aus Spanien ist schon vor Ort, er wird im Pressezentrum helfen. Er twittert nicht nur, sondern sammelt auch auf Tumblr Eindrücke vom Leben in Sotschi: „Keine besonders schöne Stadt“, schreibt er dort lakonisch. Infos zur Eröffnungsfeier, Beispiele fürs russische Kantinenessen, der phonetische Spicker für Freiwillige, die kein Englisch sprechen – Monfort liefert reichlich Details.

    Wer Daniel Ustjan folgt, bekommt einen Sotschi-Countdown in Instagram-Bildern. Alexandra Schupahina gehört zu den fleißigsten Twitterern unter den Volunteers – und hat offenbar einen guten Blick auf das deutsche Haus in Sotschi:

    Und wer sich das Grauen, das die offiziellen Outfits sind, noch mal kurz vor Augen führen möchte, ist bei Yvonne Batal richtig:


    Eine kleine Liste twitternder Olympia-Freiwilliger gibt es hier
    . Über Tipps zur Ergänzung freue ich mich.

    #Massivemoscowmove – zum Abschied ein Candystorm

    Abschied ist, wenn ansonsten dialektfreie Kollegen einen plötzlich „Spatzerl“ nennen. Wenn alle gucken, wer als erster weint. Wenn ein tapferer Video-Mann Abschiedsgrüße auf „Wind of Change“ zusammenschneidet. Und wenn sich Kollegen und Freunde bei Twitter unter einem gemeinsamen Hashtag versammeln. Ich würde mehr dazu bloggen, bin aber ausgelastet mit Rührung. Außerdem sprechen die Tweets eh für sich. Danke allen, die mitgemacht haben!