Zwei russische Tantchen

Foto: Nadia Sablin
Foto: Nadia Sablin

Sieben Sommer lang hat Nadia Sablin mit ihren Tanten in deren Haus gewohnt. Eine Datscha in der Oblast Leningrad, ohne Heizung oder Wasseranschluss, dafür mit vielen Blümchen. Blümchen auf den Vorhängen, Blümchen auf der Tapete, Blümchen auf der Wachstuchtischdecke und immer wieder auf den Kleidern und Blusen der beiden Tanten.

Eh das jetzt nach Idylle klingt: Das Licht auf Nadia Sablins Fotos mag warm sein, die Atmosphäre im Haus Geborgenheit ausstrahlen. Aber die Bilder zeigen auch, wie hart diese beiden alten Frauen arbeiten, wie sie Wassereimer schleppen und Holz sägen oder dem Garten ein bisschen Obst abtrotzen.

 Foto: Nadia Sablin
Foto: Nadia Sablin

Die komplette Fotoserie „Aunties“ und ein wenig Hintergrund zu ihrer Entstehung gibt es hier im Blog von Nadia Sablin. Anschauen lohnt sich.

Masken in der Metro

Anonymous Moscow metro

Anonym ins WLAN gehen können soll man hier bald nicht mehr, in der U-Bahn haben sie schon mal den Anmeldebildschirm fürs Gratis-Wifi so umgestellt, dass er zum Registrieren animiert. Pflicht ist das aber noch nicht, und auch Anonymous-Masken werden vorerst frei verkauft – so wie hier spät abends am Wochenende in der Metro-Haltestelle Nowoslobodskaja.

Schönes bleibt

Als dieses Foto entstand, gab es WDR 4 noch nicht.
Als dieses Foto entstand, gab es WDR 4 noch nicht.

Ein Lieblingsfoto. Es gibt keinen Anlass, das hier zu posten, außer dass ich es so sehr mag. Es muss aus den Fünfzigern sein, denn das da hinten ist meine Mutter, Jahrgang 1949, und vorne ihre große Schwester, meine Lieblingstante. Es sieht aus nach der Zeit, als die Deutschen anfingen, von Italien zu träumen – oder wie eine WDR4-Werbung aus dieser alten Kampagne. Schönes bleibt.

Für einige Blogposts, die hier in den nächsten Tagen veröffentlicht werden, gibt es ebenfalls keinen Anlass. Nichts aktuell Erlebtes, Gesehenes, Gelesenes, auch keine Wochenendkolumne aus der WAZ, sondern: Wir sind jetzt ein halbes Jahr hier in Russland (doch, wirklich), es gibt sowas wie Alltag – und Zeit, ein paar Dinge aufzuschreiben, nur aus Lust am Thema.

„Zeitlos schön“ sollte das Ganze erst heißen, aber das klingt zu sehr nach Redaktionsjargon, nach „gammelt seit drei Wochen im Stehsatz, müsste dringend mal mit, aber der vorletzte Absatz ist nicht mehr aktuell, und die Autorin ist ja jetzt auch im Urlaub, also vielleicht doch lieber ein Ausfallhonorar zahlen und hoffen, dass der Chef es abnickt“.

Stattdessen also: „Schönes bleibt“, als Schlagwort und als Hashtag. Mehr demnächst.

Ein Metro-Moment

Jeansjackentraeger

Dass sich Hund und Herr nach und nach immer ähnlicher sehen, ist eine Binse. Die zwei hier, die gestern in der Moskauer Ringlinie saßen, forcieren es aber auch noch durch gleiches Styling. So viel Parallelstyling bei Hundchen und Frauchen (die Russen sagen мамочка) – da hab ich mich dann doch getraut, um ein Foto zu bitten.

Sightsmap zeigt Dortmunds meistfotografierte Orte

Treffen sich zwei Datensätze. Der eine aus Google Maps, der andere aus Googles Foto-Sharingseite Panoramio. Zusammen entsteht daraus Sightsmap, eine Heatmap der meistfotografierten Orte der Welt.

Immer, wenn bei Panoramio jemand zu seinem Bild auch Geodaten angibt, trägt er ein Pixel mehr Farbe zur Sightsmap bei. Über Lila, Rot und Orange bis hin zu Knatschgelb an den Orten, wo Fotografen am aktivsten sind.

Also einmal ganz rauszoomen und Überblick verschaffen: Im Herzen von Afrika ist es finster (wenige Fotos oder nur wenige Panoramio-Nutzer?), in den USA ziehen sich schmale gelbe Streifen an beiden Küsten hoch. Auch Neuseeland, Japan, die Ostküsten von Australien und China leuchten. Aber nirgends ist es so strahlend gelb wie in Mitteleuropa.

Mit ein bisschen Gefrickel lässt sich der Kartenausschnitt auch einbetten – so wie hier die meistfotografierten Orte in Dortmund. Dass unter den Top Ten auch so Perlen wie das Vapiano am Hansaplatz liegen, deutet auf kleine absolute Zahlen an Fotos. Interessant ist dir Motivauswahl trotzdem.


Größere Kartenansicht

So lange der Name nicht allzu verwechelbar ist (Springfield dürfte schwierig werden), lässt sich die Kartenansicht für eine einzelne Stadt immer nach demselben Prinzip aufrufen: http://www.sightsmap.com/stadtname.

40723 Hilden

Jahrgang 1977, aufgewachsen in Hilden – das ist Li-Han Lin. Weil uns beides verbindet, wollte ich gern seine Foto-Ausstellung „40723“ in Berlin sehen, benannt nach der Postleitzahl für den Süden unserer Heimatstadt. Bei den Öffnungszeiten der Galerie „Pavlov’s Dog“ stand „…und nach Vereinbarung“, und tatsächlich ergab kurzes Gemaile: Gar kein Problem, gerne auch am Sonntag kommen, wenn die Austellung gerade vorbei ist. Wir sind eh da. (Danke dafür!)

„Eine ganz normale deutsche Kleinstadt“, heißt es im Erklärtext über Hilden. Li-Han habe dort eine Kindheit erlebt, „so normal und unspektakulär wie die Stadt Hilden selbst.“ Haben wir uns gekannt? Nicht, dass ich wüsste – an asiatischen Altersgenossen erinnere ich mich nur an die Tochter einer japanischen Musikschul-Lehrerin. Aber die Bilder fühlen sich treffend an, vertraut. Und ich merke, wie ich in Verteidigungshaltung gehe beim Weiterlesen im Erklärtext: „Gleichzeitig ist Hilden einer dieser Orte, die man nach einer noch so glücklichen und unbeschwerten Jugend dann doch verlassen muss, wenn man nicht unbedingt Sparkassenfilialdirektor werden will.“

Ey!

Aus der Reihe “40723″ von Li-Han Lin

Wenn schon Frotzeleien, dann doch lieber so wie auf den Bildern. Die machen auch nichts schöner, als es ist. Aber sie lassen gelten, dass Provinz das ist, was man draus macht – also eher eine Kopfsache als ein Ort. Humor findet sich, wo man ihn sucht, unabhängig von der Einwohnerzahl. Li-Hans Mutter glaubt man denn auch anzusehen, dass sie sich was besseres vorstellen könnte, als schon wieder fotografiert zu werden. Ist halt, wenn man ehrlich ist, auch nicht die idyllischste aller Kulissen, in der sie da steht.

Aus der Reihe “40723″ von Li-Han Lin

Aber da muss sie durch, denn die Fotos heute sind eine Antwort auf die Fotos damals, gemacht von der Mutter: Li-Han Lin beim Entenfüttern, Li-Han Lin vor allerlei blühenden Sträuchern, Li-Han Lin beim Wettrennen auf dem Sportplatz (Bezirkssportanlage am Bandsbusch?). Und nun muss eben die Mutter herhalten, vor dem Haus, auf dem Balkon, vorm Bett. Bei Pavlov’s Dog hingen die alten und die neuen Bilder nebeneinander, ziemlich geschickt.

Am besten gefallen hat mir aber dieses Bild. Zum einen, weil Forsythiensträuche in der Tat zu meinen Hildener Erinnerungen gehören. Zum anderen, weil dieses Bild nur eine Deutung zulässt: Dieser Monsterstrauch hat die Mutter von Li-Han Lin verschlungen. Und dann die Schuhe akkurat wieder rausgerülpst. So ist es nämlich, das Leben in der Kleinstadt: wild und voller Abenteuer.

Aus der Reihe „40723“ von Li-Han Lin

Eine größere Auswahl an „40723“-Fotos gibt es bei Zeit Online.