Die Liebe und Lake Wobegon

Liebe ist schwer zu erklären. Darum wird dies hier ein eher ungelenker Versuch, auf eine neulich erst gehörte Folge eines meiner Podcast-Favoriten hinzuweisen. Das hat sicher auch mit Sentimentalität zu tun, wir Rheinländer können das ja gut, dazu muss man nicht mal „En unserem Veedel“ kennen.

Nostalgie, Sentimentalität, Heimatgefühl, die drei sind gerne zusammen unterwegs. Und nach diesem Prinzip funktioniert auch einer der schönsten Podcasts, den ich kenne: die „News from Lake Wobegon“ von Garrison Keillor. Ein Ausschnitt aus dem „Prairie Home Companion“, einer Radiosendung, die so speziell und so bezaubernd altmodisch ist, dass Robert Altman sie in seinem letzten Film verewigt hat:

Die „News from Lake Wobegon“ berichten aus einem kleinen, überzeugend erfundenen Kaff in den USA, das von europäischen Einwanderern, Frömmigkeit, kaltem Wetter und spleenigen Menschen geprägt ist. Die deutschstämmigen Bewohner beten in der Kirche „Our Lady of Perpetual Responsibility“, die Bewohner mit skandidavischen Wurzeln sind Protestanten, zum Einkaufen gehen sie zu „Ralph’s Pretty Good Grocery“ und ihr Männerchor heißt „Sons of Pitches“.

Man kann das albern, lustig oder satirisch finden, auch gleichzeitig. Jedenfalls habe ich beim Nachhören verpasster Folgen die vom 8. September 2012 gefunden, in der es um Mozart geht, um Fauré, ums Singen im Chor und um die Liebe eines Bassbaritons zur schönen Mary Jo, die im Schulchor in der Reihe vor ihm steht. Einmal gehört und seitdem noch mehrfach, weil sie einfach so viele Knöpfe bei mir drückt. Chor! Americana! Radio! Hach!

Zum Nachhören hier die ganze Folge. Direkt zu Beginn kommt das Lied über Mary Jo, wer danach aussteigt, verpasst die schmerzhaft akkurate Beschreibung, wie sich ein Akkord langsam durch einen Chor ängstlicher Sänger stiehlt. Wer dagegen bis zum Ende durchhört, erfährt, wie das mit Mary Jo ausging und kann danach über die immer gleiche Abmoderation grinsen, die inzwischen sogar in die Wissenschaft eingegangen ist: „That’s the news from Lake Woebegon, where all the women are strong, all the men are good-looking, and all the children are above average.“

Hoffnung und Käsebrot

„Dein Blog verwaist“, sagt der Lieblingsbruder, „so langsam weiß ich, wo der Weihnachtstinnef herkommt„. Er sagt das, während wir Spanplatten auf einen Boden schrauben; die Sorte von Tätigkeit, bei der man gut reden kann.

Darüber, wie es sich anfühlt, wenn man normalerweise mit Sprache hantiert und plötzlich sprachlos ist. Über das tiefstmögliche Tief, auf einen Schlag 120 Kollegen zu verlieren. Über das höchstmögliche Hoch, noch mal Tante zu werden. Darüber, dass der Januar vermutlich von jemandem entworfen wurde, der in der Drehbuchschule ein paar Mal zu oft das Wort „Fallhöhe“ gehört hat.

Worüber schreibt man nach sowas? Vielleicht über Hoffnung. Und über Käsebrot.

Alle paar Monate gibt es bei uns an der Journalistenschule ein Online-Seminar, für Volontäre ist es Pflicht. Tag eins und zwei lehrt ein Kollege, an Tag drei darf ich abklatschen. Darf mit Volos darüber reden, wie wir in der Redaktion Facebook nutzen, Twitter und deren kleinen Nerdbruder Google Plus. Und darf das erleben, was wir Referenten den Käsebrot-Moment getauft haben: Auf die Frage, wer einen Twitter-Account hat, sagt früher oder später ein Volo: Hab ich nicht, brauch ich auch nicht. Mir ist egal, wer sich gerade ein Käsebrot macht.

Stimmt, es gibt bei Twitter viele überflüssige Einträge. Während dieser Blogpost entsteht, ist der letzte Tweet, in dem das Wort „Käsebrot“ vorkommt, neun Minuten her. Der davor 30 Minuten, und nein, der geht mit seiner blässliche Schrippe nicht mal als Foodporn durch.

Der Käsebrot-Spruch im Seminar ist trotzdem kein Zeichen von Erkenntnis, sondern von Dünkel. Alte Journalistenkrankheit, auch bei jungen Journalisten. Dabei haben wir doch gerade erst beim Stichwort #aufschrei gesehen, dass Twitter auch Substanz kann, Denkanstöße sogar. Grund zum Reinschauen, Umgucken, Anrecherchieren gibt es da genug.

Und das scheint auch die aktuelle Volo-Generation so zu sehen: Als wir 2010 mit diesem Seminar anfingen, fiel das Stichwort „Käsebrot“ meist gleich morgens am dritten Seminartag. Nach und nach wurde es später, und diesen Monat war es endlich so weit: Niemand hat das Wort „Käsebrot“ in den Mund genommen. Zum ersten Mal. Das macht Hoffnung.

(Hinweis: Ein Teil dieses Textes stand am vergangenen Samstag so ähnlich als „Netzhaut“-Kolumne in der WAZ-Wochenendbeilage.)

Wo der Weihnachtstinnef herkommt

Strohsterne, Kugeln, Engelchen, vielleicht auch noch Lametta: Wenn es nicht gerade Geerbtes oder Selbstgebasteltes ist, dann stehen die Chancen gut, dass euer Christbaumschuck aus Yiwu kommt. 50.000 Menschen drängen sich dort täglich auf einem Gelände, das sich selbst den „Weltgrößten Großmarkt für Massenartikel“ nennt. Groß, größt, Massen – der Name passt: 340.000 Quadratmeter Fläche, 9000 Läden auf mehreren Etagen, jeweils mit Warenmustern einer Fabrik.

Massenartikel, das kann alles heißen von Backformen bis Hüten, von Modellschiffen bis Teekannen, von Standuhren bis Handtaschen. Und eben Weihnachtsdeko. Das ganze Jahr lang ist sie in Yiwu im Angebot – nach offiziellen Angaben kommen Kunden aus 219 Ländern hierher. Kein Wunder also, dass sich auf dem Großmarkt von Yiwu sogar Läden halten, deren komplette Produktpalette nur aus Lametta und Girlanden besteht.

Was wir im Winter an unsere Bäume hängen, dafür werden in Yiwu im Frühjahr die Verträge ausgehandelt und abgeschlossen. „Jetzt im Herbst verkaufen wir nur noch innerhalb von China“, hat einer der Händler uns beim Besuch dort im November erzählt. Das sind dann oft Restposten, für die es keinen anderen Abnehmer gab: „Bei uns ist Weihnachten nicht so wichtig, die Leute haben deshalb nicht so hohe Ansprüche an ihre Dekorationen.“

Von der Finanzkrise, so eine Verkäuferin, merken die Weihnachtshändler übrigens noch nicht viel: Die Bestellungen aus Europa laufen immer noch gut, einzige Ausnahme: „Nach Spanien verkaufen wir kaum mehr etwas.“

Wer sich für China interessiert, sollte diesen Twitterern folgen

Twitterer aus China empfehlen – das müssen natürlich acht Stück sein. Ist schließlich die chinesische Glückszahl. Also los:

Alexa Olesen ist für Associated Press in Peking. Eine gute Quelle für Tagesaktuelles und für Hintergründiges – seien es eigene Links oder interessante Retweets.

Mehr als 20 Jahre ist Andreas Landwehr dpa-Korrespondent in Peking. Seine Tweets liefern aber nicht nur einen deutschen Blick auf das Land, sondern auch viele Links internationaler Medien.

Bill Bishop teilt seinen chinesischen Alltag bei Twitter – und ist außerdem der Mann hinter dem großartigen „Sinocism“-Newsletter. Jeden Vormittag eine komplette China-Presseschau, auf Englisch und auf Chinesisch:

Edward Wong, Korrespondent der New York Times, twittert als „Genosse Wong“. Über seine Retweets habe ich viele andere gute China-Twitterer entdeckt.

Wer in China das Internet nutzt oder wissen will, wie das Netz in China funktioniert, sollte Fishjourner folgen. Er hat einen guten Überblick, was gerade gesperrt oder einfach langsam ist – immer nützlich zum Gegencheck, wenn bei einem selbst nichts läuft.

Politik, Popkultur, Podcasts – Kaiser Kuo ist Musiker und Autor und arbeitet bei Baidu. Und hat viel Spaß daran, mit anderen Twitterern zu diskutieren.

Louisa Lim ist für NPR in China. Auch sie ist eine kluge Kuratorin mit guten Links und Retweets. Spannend sind aber auch ihre Blicke hinter die Kulissen, die zeigen, wie Journalistenhandwerk in China manchmal aussieht.

Patrick Chovanec, Wirtschafts-Prof an der Tsinghua-Uni und Blogger, postet vor allem Links zu Wirtschafts-, Politik- und Gesellschaftsthemen. Und sowas hier:

Noch nicht genug? Mehr Vorschläge in der China-Twittererliste.

Sieben nützliche China-Apps

Was muss aufs Handy eines China-Reisenden? Diese sieben Apps helfen, sich einzuleben, von A nach B zu kommen oder mit anderen ins Gespräch. Die meisten dieser Apps sind kostenlos – und die, die was kosten, ihr Geld wert.

Das Zeichen für „Frau“ in der Schrifterkennung von KTdict

Pleco und KTdict C-D sind von vielen ausprobierten die besten Wörterbuch-Apps. Einfach zu bedienen, großer Wortschatz, Aussprache-Hilfen, alles da. Einmal Chinesisch/Englisch, einmal Chinesisch/Deutsch – wer doch mal eine Vokabel in der einen App nicht findet, kann mit der anderen ausgleichen.

Besonders gut an KTdict: Man kann mit dem Finger auf dem Display Schriftzeichen nachmalen und bekommt sie dann übersetzt.

Hinter Beijing on a Budget steckt Daniel McCrohan, der in China lebt und hier für den „Lonely Planet“ schreibt. In der App gibt er Tipps, wie man kostenlos oder für kleines Geld das Alltagspeking kennenlernt – zum Beispiel das Kaufhaus Tian Yi, in dem Chinesen Schnäppchen shoppen. Schal, Mütze, Notizblöcke, Handy-Hülle – ich bin mit zwei vollen Tüten rausmarschiert. Wer die App offline benutzen möchte, braucht die Bezahlversion.

MotionX-GPS ist keine spezifische China-App, aber seit zwei Jahren meine Begleitung. Nicht nur, weil man so von jedem neuen Ort eine Landkarte in der Tasche hat (vorher im WLAN runterladen). MotionX nutzt das GPS-Signal, um einem auf dieser Karte auch zu zeigen, wo man ist – und zeichnet den gelaufenen Weg auf. Heißt also: Einfach loslaufen in der neuen Stadt. Wenn jegliche Orientierung verschütt geht, kann man immer noch den getrackten Pfad zurücklaufen.

Besonders hohe Werte bei der Luftverschmutzug schickt die App auf Wunsch auch als Push-Meldung

Die Luft in Peking ist vielleicht nicht ganz so schlecht wie in Delhi, aber immer noch so ungesund, dass man es merkt. Brennen im Rachen, juckende Augen. Wie schlimm ist es heute? Atemmaske anziehen? Die Infos liefert CN Air Quality.

Während offizielle Daten zur Luftverschmutzung oft überraschend positiv sind, verwendet diese App als Quelle unter anderem Messwerte der Pekinger US-Botschaft. Die gibt es auch hier bei Twitter.

Von den zahlreichen U-Bahn-Plänen bin ich mit Explore Metro immer gut gefahren. Leicht zu bedienen, übersichtlich – außerdem gibt es Nutzer-Tipps, was man an den einzelnen Haltestellen unternehmen kann. Wenn jetzt bitte jemand noch was ähnlich Gutes für Busse programmieren könnte.

Keine Lust auf Körperkontakt in der U-Bahn? Taxis sind in Peking lächerlich billig. Allerdings müssen Aussprache-Anfänger mit Dialogen wie diesem leben: „Bitte nach Dongzhimen.“ – „Dongzhimen?“ – „Nach Dongzhimen.“ – „Dongzhimen?“ – „Dongzhimen!“ – „Ach DONGzhimen!“ (Folgt Wortschwall, der wohl grob bedeutet: Komische Ausländerin, hätte se ja auch mal direkt sagen können.)

Manchmal ist das lustig, für alle anderen Fälle zeigt TaxiBook gut lesbar auf dem Handybildschirm an: „Guten Tag, bitte bringen Sie mich nach…“ Bei der Liste der Ziele fehlt die Deutsche Botschaft, aber die Kanadische direkt nebenan ist drin.

Und hier ein paar Apps, die ihr euch sparen könnt: City Weekend (zeigt bei der Suche nach Veranstaltungen in Peking welche in Shanghai an), Beijing Guide (arg spärlicher Inhalt), Doodle Chinese (langweilig), Every Trail (hakelige Handhabung, ungenaue Ortung), China Goggles (tut’s nicht), Lost in China (tut’s nur selten).

 

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Wer Schrift und Typografie liebt, kann sicher sein: In chinesischen Papierfabriken sitzen verwandte Seelen. Menschen, die Texte als Gestaltungselemente zu schätzen wissen. Zusammengeklaubt, irgendwoher. Gerne mit westlichem Bezug, um die ganzen Union Jacks und Freiheitsstatuen zu ergänzen, die hier auf Blöcke, Hefte, Ordner gedruckt werden.

Drei Beispiele, gekauft im Tian-Yi-Markt:

Heft 1: „Following the success of „Go Slow England“, this new edition delves into the pleasures of Slow food, Slow travel and Slow living – from Land’s End to Llandenny.“ Kommt aus dem Klappentext für ein Buch über Slow Food in Großbritannien aus dem Jahr 2010. Hier bei Amazon.

Heft 2: Da hat „W. Willirm Shakesperre“ wohl ein Stück namens „The Hamlet“ geschrieben. Der Text ist schmerzhaft schlicht à la „Hamlet has fascinated audiences and readers for centuries, and the first thing to point out about him is that he is enigmatic.“  Mehr bei SparkNotes, einer Seite mit, naja, nennen wir es mal Lernhilfen für Schüler.

Heft 3: „Dumbledore said to Harry,Youth,live with more fun“ – J.K. Rowling hat viel geschrieben, aber das dann doch nicht. Dennoch gibt es allerlei Google-Fundstellen für diesen Satz. Fanfiction? Dummytext? Schwer zu sagen.

Mein allerliebster Lieblingsliebling überhaupt in Sachen Text als Ornament ist aber diese Kladde. Blindtext als Deko. Ein Journalistentraum.

PS: Ja, in Deutschland laufen dafür Menschen rum, die sinnlose chinesische Schriftzeichen auf Shirts, Jacken oder Taschen mit sich tragen. Vielleicht haben sie sogar, wie Penny aus The Big Bang Theory, das Zeichen für „Suppe“ auf den Hintern tätowiert.

Die zwölfte China-Woche in Links

Eine Woche mit vielen lesenswerten Texten mit Nobelpreis-Bezug. Einer davon ist ein massiver Scoop der Pekinger AP-Redaktion.

AP Exclusive: China Nobel wife speaks on detention – schon die Umstände, unter denen es AP gelang, mit Liu Xia zu sprechen, sind abenteuerlich. Die Frau von Bürgerrechtler Liu Xiaobo, der derzeit eine elfjährige Haftstrafe absitzt, erzählte, wie sich ihr Leben verändert hat, seit ihrem Mann der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde: „I really never imagined that after he won, I would not be able to leave my home. This is too absurd. I think Kafka could not have written anything more absurd and unbelievable than this.“

Beijing approves 72-hour visa waiver for tourists – sehr nützliche Regelung, die sicher einiges mehr an Tourismus-Geld nach Peking bringen wird. „The policy is aimed at making Beijing more accessible to the world and is expected to attract more overseas travelers.“ Eine nützliche Regelung, wie gesagt – es sei denn, man kommt aus einem bestimmten europäischen Land:

China Just Snubbed Norway In The Most Petty Way Possible – für Norweger gilt die neue Visums-Regel nicht. Und wer da nun einen Zusammenhang zum Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo vermutet, liegt sicher nicht falsch. „One official the FT spoke to said that certain countries that had not been included were left off as citizens or government are ‚of low-quality‘ or ‚badly behaved‘.“

China, EU conclude Year of Intercultural Dialogue – aus purer Praktikumsfreude hier eingebaut: ein Text von Xinhua, zu dem ich Zitate zugeliefert habe. Hat großen Spaß gemacht und die Lust geweckt, wieder mehr auf Englisch zu schreiben. „China and the EU will pay particular attention to (…) the development of online media.“

Censorship is a must, says China’s Nobel winner – seit Mo Yan als Träger des Literaturnobelpreises 2012 verkündet wurde, gibt es Streit um die Auszeichnung. Ist er zu sehr auf Linie der chinesischen Regierung? Sollte man Kunst von Politik trennen? Kann man das überhaupt? Nun positioniert er sich bei einer Pressekonferenz in Stockholm als Verteidiger der Zensur: „Mo likened it to the thorough security procedures he was subjected to as he traveled to Stockholm.“

Notwendiges Übel stößt übel auf – die Kritik an Mo Yan und seiner Äußerung hat die taz gesammelt: „ ‚Wir alle sollten uns fragen, ob ein solcher Schriftsteller den höchsten Literaturpreis der Welt verdient hat‘, sagte der Direktor des Hongkonger PEN-Zentrums unabhängiger chinesischer Schriftsteller, Patrick Poon.“

What Bart Simpson Might Say to Mo Yan – Nailene Chou Wiest war eine der interessantesten Referentinnen in unseren Uni-Wochen. Hier zieht sie eine Parallele zwischen zwei Menschen, in deren Leben das Abschreiben eine wichtige Rolle gespielt hat. „Mo Yan often writes about the world in which ordinary people have to deal with capricious authority, but he has yet to explore how he embodies the paradox and the meaning of being entrapped in it.“

Drei Monate China in Fragen

Letztes Wochenende kam eine Anfrage von Newsroom.de ob wir mal übers Medienbotschafter-Programm reden können. Haben wir gemacht – und dabei auch das Thema gestreift, welche Fragen Chinesen mir in den letzten drei Monaten über Deutschland gestellt haben. Das waren allerdings deutlich mehr, als ins Interview gepasst haben:

Ist es in Deutschland teuer, zum Arzt zu gehen? Stimmt es, dass sich bei euch Fremde auf der Straße zulächeln? Bist Du verheiratet? Warum nicht? Ist „Sissi“ ein amerikanischer Film? Mögt ihr Frau Merkel?

Warum habt ihr so viel Grammatik? Hat Deutschland auch eine Kommunistische Partei? Bist Du religiös? Stimmt es, dass in Deutschland die Finanzkrise nicht so schlimm ist? Kennen alle Deutschen Oberst Stauffenberg? Bist Du Amerikanerin, Deutsche sollen doch ernst und still sein?

Kannst Du mit Stäbchen essen? Wie kriegt ihr für eure Tweets viele Replies? Gibt es bei euch auch „The Voice“? Du willst also Journalistin werden? Was verdient bei euch ein Ingenieur?

Hast Du Geschwister? Wie ist das Essen in eurer Kantine? Fahren alle Deutschen deutsche Autos? Wie spricht man Jürgen Klinsmann richtig aus? Stimmt es, dass man bei euch kostenlos studieren kann? Kennst Du Wuppertal?

Was Alibaba.com an Daten zu bieten hat

In der Onlineredaktion gehört der Blick auf allerlei Statistiken zum Tagesgeschäft. Google Analytics, Omniture, ComScore, ATI Internet – irgendein Programm halt, das sagt: Welcher Text wird wie gut gelesen? Wie stehen wir gerade da im Vergleich zu letzter Stunde, zu gestern, zu letzter Woche? Wie kommen die Leser zu uns?

In den meisten Redaktionen guckt man sich sowas auf dem Rechner an, vielleicht auch auf einem Bildschirm an der Wand. Beim Internethändler Alibaba.com, dessen Hauptsitz in Hangzhou wir neulich besucht haben, gibt es dafür zusätzlich ein eigenes Zimmer, in der Größe eines Konferenzraums. Daten aller Art, öffentlichkeitswirksam visualiert als Tabellen, Laufbänder, Ticker und Karten, auf denen kleine Lichtpunkte hin und her sausen.

Wer weiß, wo auf der Wand er hingucken muss, erfährt zum Beispiel: Nach welchen Produkten suchen Kunden gerade? In welchen chinesischen Provinzen sind käufer und Verkäufer derzeit wie aktiv? Zwischen welchen Städten blüht im Moment der Handel?

Die Medienbotschaftergruppe vor der Datenwand bei Alibaba.com

Ein paar Zahlen, die für die Datenwand nicht wichtig genug sind – für deutsche Leser aber erwähnenswert: 365 000 Nutzer hat die Plattform in Deutschland (Unternehmenszahlen aus dem Juni). Sie kaufen vor allem Waren aus China (79 Prozent), Indien liegt auf Platz zwei, kommt aber nur noch auf 2 Prozent. Interessant ist auch, wenn man guckt, was Alibaba-Nutzer deutschen Anbietern abkaufen. Am häufigsten (17 Prozent) sind das Waren aus dem Bereich Auto und Motorrad.

Und noch eine Zahl zu Alibaba. In den Unternehmenszielen hat Gründer Jack Ma festschreiben lassen, dass es seine Firma mindestens 102 Jahre geben soll. Warum? Weil sie 1999 gegründet wurde und dann drei Jahrhunderte gesehen hätte.