„Fußball statt Pornostars, oder: Die deutsche Maschine fährt weiter“. Das ist doch mal ein Kracher-Einstieg, leiderleider nicht von mir, sondern von Nikolai Jaremenko. Der Chefredakteur von Sowjetski Sport versucht unter diesem Motto zu erklären, warum deutsche Fußballer derzeit so erfolgreich sind: „Die Deutschen passen sich nicht an das Spiel ihres Gegners an, sie spielen einfach ihren Fußball.“ Oder: „Sie spielen sich nicht einfach einen Pass – sie leben ihn. Sie laufen nicht einfach zum Angriff – sie atmen ihn.“
Und die klickträchtig erwähnten Pornostars? Weiter unten findet sich diese Behauptung: „Die Spieler heiraten keine Fotomodels oder Schönheitskoniginnen. Fast immer sind die Ehefrauen Freundinnen aus der Kindheit, alles ruhige, bescheidene Mädchen.“ Nun ja. Nach solch blumiger Prosa gönnt sich Jaremenko dann noch einen komplett verunglückten Schluss für seine Kolumne. Einfach mal hier gucken und runterscrollen, man muss kein Russisch können.
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⚽ Immer, wenn Twitter mir einen Link der Tageswoche in die Timeline spült, gehen bei mir die Satire-Warnglocken an. Tageswoche, schon klar, haha, lustig. Ist aber offenbar tatsächlich ein ernst gemeinter Name für ein ernst gemeintes Medium. Einer ihrer Mitarbeiter hat eine dieser Reportagen geschrieben, bei denen man froh ist, dass sich andere des Themas annehmen: 60 Stunden kostenlose Zugfahrt von Kasan nach Sotschi, zusammen mit Fußballfans aus allerlei Ländern. Das Ergebnis ist ein Artikel, so lang wie die Fahrt – aber auch so interessant.
⚽ Mannmannmann, dieser Brief von Julian Draxler an die russischen Fans! Wer einen Beleg braucht für den Unterschied zwischen gut gemeint und gut gemacht, kann sich das Schreiben ja mal bookmarken. Klar, sich beim Gastgeberland zu bedanken, beim Personal im Hotel, den Freiwilligen – das ist eine nette Geste, die jedem gut zu Gesicht steht. Die Fans loben, die schönen Stadien, alles gute Ideen, nicht nur um sich Unterstützung im Finale zu sichern. Aber muss das dann gleich so ein unreflektiertes Ranwanzen sein?
Natürlich hattet ihr, lieber Julian, „ein immer vorhandenes Gefühl der Sicherheit“, schließlich hat euer Hotel in Sotschi schön hohe Zäune und reichlich Wachmänner, außerdem sind autoritär regierte Staaten nun mal gut in Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit. Vielleicht hätte man mal überlegen können, wie sicher sich hier im Lande Leute fühlen können, die eine andere Meinung haben als die Kreml-Linie. Oder der im Brief erwähnte Thomas Hitzlsperger, wenn er auf die Idee käme, hier offen als schwuler Mann zu leben. Ohne diese Gedanken jedoch ist ein Schrieb von ärgerlicher Naivität entstanden, irgendwo zwischen „mein schönstes Ferienerlebnis“ („Es schien immer die Sonne.“) und „Ich hab noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen.“ Ist ja alles nur Sport hier, keine Politik. Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.
⚽ Was unterscheidet den russischen Amateurfußball vom deutschen? Oliver Fritsch hat sich für den direktesten Weg entschieden, das herauszufinden, und mitgespielt. Kostprobe: „Auf dem Platz ähnelt der Amateurfußball in Russland dem in Deutschland. Das Niveau ist gut. Mein Eindruck ist, dass in Russland die Einzelaktion – das Dribbling, der Schuss – etwas höher im Kurs steht. In Deutschland wird ein bisschen härter gespielt.“
⚽ Was bleibt sonst noch vom Confed Cup? Ein leicht erhöhter Adrenalinspiegel dank einer Rundmail, die von den russischen Organisatoren kurz vor dem Finale an viele Fans geschickt wurde. Darin hieß es, man hätte ja nun Tickets fürs Finale gekauft (auch wenn man das gar nicht hatte) und solle nun auch bitte rechtzeitig am Stadion sein. In Zeiten von Phishing, Hacking und Identitätsdiebstahl fanden das viele Fans beunruhigend, in der Schweiz bei der FIFA lief die Hotline namensgemäß heiß. Ein Moskauer Bekannter bekam die Mail sogar dreimal – auf Russisch, Deutsch und Englisch. Wenn schon Unruhe stiften, dann bitte auch mit maximaler Reichweite.
⚽ Nach dem Confed Cup ist vor der Fußball-Weltmeisterschaft. Wir können uns in Russland also in den kommenden Monaten auf weitere Vorfälle nach diesem Schema einstellen: Behörden planen Bauprojekt, Umweltschützer protestieren, das hat Konsequenzen – allerdings nur für die Umweltschützer. Das haben wir bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi erlebt, jetzt beim Confed Cup beispielsweise in Kasan. Es wäre leider naiv zu hoffen, dass das anders läuft, wenn Russland im kommenden Jahr die WM ausrichtet.
⚽ Diego Maradona war ein paar Tage in Russland und hat dafür gesorgt, dass die Schlagzeilen nicht knapp werden. „Maradona: Russland, das sind Putin, schöne Frauen und Fußball“ – „Maradona bekommt einen Samowar geschenkt“ – „Diego Maradona: Ich bin bereit, Russlands Nationalmannschaft anzuführen! – „Maradona: Wenn sich die Möglichkeit ergibt, werde ich Eishockey spielen“ – „Diego Maradona möchte die russische Staatsangehörigkeit annehmen“. Alles übrigens Überschriften aus ein und demselben Medium: Sowjetski Sport hat sich über sein Exklusivinterview mit Maradona so gefreut, dass sie innerhalb von einer Woche knapp 50 Artikel mit Maradona-Überschrift veröffentlicht hat.
⚽ Noch zwei Wochen, dann beginnt die Fußball-Europameisterschaft der Frauen. Das russische Team hat gerade seine neue Mannschaftskleidung vorgestellt und wollte von seinen Twitter-Followern wissen, wie ihnen die Auswärtsvariante gefällt:
https://twitter.com/WomenRussia/status/881814159075270657
Die kritischen Reaktionen waren durch die Bank identisch: Пижама! Schlafanzug! Vielleicht liegt es am blassmöglichsten Pastellbleu? Bei Heimspielen jedenfalls wird die Frauen-Nationalmannschaft in Knallrot auflaufen.
⚽ Anfang Mai jubelten die Fans von Spartak Moskau, weil ihr Verein zum ersten Mal seit 2001 wieder russischer Fußballmeister wurde. Nun kam raus, worüber die Vereinsführung außerdem noch jubeln konnte: Zusätzlich zum Titel auch über ein dickes Plus in der Bilanz, denn Gewinnen ist lukrativ: „Ich glaube, dass Spartak damit so um die fünf Millionen Dollar verdient hat“, zitiert Lenta.ru einen Offiziellen des russischen Fußballverbands.
⚽ Es wundert mich schon, wenn immer wieder zu lesen ist, dass die deutsche Nationalmannschaft für die WM 2018 in Russland Moskau als ihr Hauptquartier anpeilt. Inzwischen klingt es allerdings so, als wäre Sotschi ebenfalls im Rennen. Ein paar Argumente dafür kann man hier nachlesen.
Aus eigener Erfahrung würde ich noch hinzufügen: Leistungssportler in einer Stadt mit so hoher Luftverschmutzung unterzubringen wie Moskau, scheint mir nicht allzu leistungsfördernd. Wald- oder Torfbrände tragen dazu bei, Industrie, vor allem aber: 80 Prozent der Luftverschmutzung in Moskau kommt vom Straßenverkehr, will sagen: viele Autos, ständig Stau. Dass das nervt, wenn man zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein muss (sagen wir mal: zum Anpfiff in einem Stadion), weiß nicht nur Kameruns Trainer. ESPN will unterdessen erfahren haben, dass bereits 18 Nationalmannschaften bei der FIFA Interesse angemeldet haben, um kommendes Jahr Sotschi zu ihrem Hauptquartier zu machen.
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Zum Schluss noch ein Gruß nach Schottland. Pedro Caixinha, Trainer der Glasgow Rangers, hat mich diese Woche mit seinem Wunsch nach Bären in Russland verwirrt.
„I Want Bears in Russia“ ist auf den ersten Blick ähnlich sinnvoll wie „I Want Sheep in New Zealand“ oder „I Want a Schwebebahn in Wuppertal“. Man muss Russland keine Bären wünschen, die gibt es hier so reichlich, dass es schon fast ein Klischee ist. Was will uns der Mann also sagen?
Ein wenig Rumgoogeln ergibt, dass die Fußballer der Glasgow Rangers als „Bears“ bezeichnet werden; Caixinha hofft also, dass Spieler seines Vereins bei der Fußball-WM im kommenden Jahr zum Einsatz kommen. Ich wiederum hoffe, dass euch diese Folge „Russball“ gefallen hat. Wenn ja, sagt es gerne weiter – oder abonniert hier den Newsletter: