Moskauer Warenkorb, Dezember 2014

kaboompics.com_baglesUnter den bekloppten Ideen des Monats war die, am 30. Dezember noch schnell im Supermarkt ein paar Preise nachzusehen, schon sehr weit vorne. Schließlich ist hier in Russland Silvester und nicht Weihnachten das wichtige Fest zum Jahresende, meist mit großem, selbst gekochtem Essen im Familienkreis.

11,5 Millionen Menschen lebten bei der letzten offiziellen Zählung in Moskau; sie und alle, die seitdem hinzugekommen sind, waren gleichzeitig mit mir im Supermarkt, plus bereits angereister Gäste. Und einer von denen war sogar so nett, den halbvollen Einkaufswagen leer zu machen und wegzuräumen, als ich ihn kurz aus dem Auge gelassen habe, um was aus dem Regal zu nehmen. Danke dafür.

Auffällig sind bei der Preisentwicklung diesmal zwei Dinge. Zum einen, dass das Sortiment in unserem großen Supermarkt immer kleiner wird. Parmesan gibt es jetzt endgültig nicht mehr, rote Paprika waren auch aus, Brie nur noch ein teurer Rest aus der Schweiz. Das heißt nicht, das man das hier in Moskau überhaupt nicht mehr bekäme – aber man muss eben die Läden abtingeln oder in den Luxus-Markt gehen und entsprechend viel bezahlen. Das macht den Russen den Alltag schwer und mir das Vergleichen von Monat zu Monat.

Das andere ist die Sache mit dem Brot. Brot ist, wie eine Tausendermarke beim DAX, psychologisch wichtig, auch wenn die Formulierung abgenudelt ist. Brot ist ein Grundnahrungsmittel, Brot gehört zum Tagesablauf, bei manchen Leuten zu zwei von drei Mahlzeiten. Die russischen Behörden geben sich darum große Mühe, die Brotpreise stabil zu halten (mehr dazu hier und hier). Trotzdem sind diesen Monat die Brotpreise im Warenkorb gestiegen, zum ersten Mal seit einem Vierteljahr.

4,4 Prozent beim Graubrot, 10 Prozent beim Toast. Ob das nun ein Trend wird, muss sich zeigen – blickt man aber auf den August, als das Einfuhrverbot für westliche Lebensmittel beschlossen wurde, so ist Brot seitdem insgesamt 7,8 Prozent (Graubrot) bzw. 13,5 Prozent (Toast) teurer geworden.

Und hier die ganze Übersicht:

Supermarktpreise:

Möhren für 69 Rubel/Kilo (November: 34,90)
Tomaten für 165 Rubel/Kilo (November: 99,00)
Weißkohl für 39 Rubel/Kilo (November: 21,00)
Äpfel für 94 Rubel/Kilo (November: 44,90)
Birnen für 269 Rubel/Kilo (November: 65,00)

Milch (2,5%) für 57 Rubel/Liter (November: 63,44)
Butter für 36,11 Rubel/100g (November: 27,22)
Brie für 329 Rubel/100g (November: 111,20)

Hähnchenbrust für 429 Rubel/Kilo (November: 179,00)
Schweinekotelett für 319 für Rubel/Kilo (November: 369,00)

Onlinehändlerpreise

Kartoffeln für 32,00 Rubel/Kilo (November: 29,00)
Zwiebeln für 33,00 Rubel/Kilo (November: 27,00)
Gurken für 299,00 Rubel/Kilo (November: 207,00)
Zucchini für 255,00 Rubel/Kilo (November: 153,00)
Auberginen für 519,00 Rubel/Kilo (November: 199,00)
Rote Bete für 22,50 Rubel/Kilo (November: 21,00)
Eisbergsalat für 148,00 Rubel/Stück (November: 210,00)
Kohlrabi für 265,00 Rubel/Kilo (November: 215,00)

Zitronen für 123,00 Rubel/Kilo (November: 98,00)
Papaya für 610,00 Rubel/Kilo (November: 455,00)
Mango für 315,00 Rubel/Kilo (November: 315,00)
Bananen für 99,50 Rubel/Kilo (November: 59,90)
Orangen für 94,00 Rubel/Kilo (November: 72,00)
Grapefruit für 97,00 Rubel/Kilo (November: 78,00)
Kiwi für 154,00 Rubel/Kilo (November: 115,00)

Milch für 58,13 Rubel/Liter (November: 66,74)
Butter für 52,22 Rubel/100 g (November: 50,39)

Graubrot, geschnitten, für 82,50 Rubel/Kilo (November: 79,06)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (November: 82,40)

Rinderhack für 398,00 Rubel/Kilo (November: 398,00)
Ganzes Hähnchen 158,00 für Rubel/Kilo (November: 119,00)
Durchwachsener Speck für 1010,00 Rubel/Kilo (November: 747,50)

Kabeljau (TK) für 502,00 Rubel/Kilo (November: 251,00)
Lachssteak (TK) für 640,00 Rubel/Kilo (November: 640,00)

Was heißt das zusammengerechnet? Der Supermarkteinkauf ist um 101,8 Prozent teurer geworden, was zum größten Teil an den Birnen lag (313,8 Prozent teurer als im November). Der Online-Einkauf kostet 28,9 Prozent mehr, hier sind die Preistreiber Auberginen, Kabeljau, Zucchini und Bananen. Mal sehen, ob das Brot im Januar ein größerer Faktor wird.

(DAS KLEINGEDRUCKTE: DER WARENKORB IST NICHT REPRÄSENTATIV. AUSSERDEM GIBT ES IN UNSEREM SUPERMARKT JETZT NICHT MAL MEHR GERIEBENEN PARMESAN UND AKTUELL AUCH KEINE ROTE PAPRIKA. BEIDE SIND ALSO AUS DER WERTUNG RAUSGEFLOGEN.)

(Foto: Kaboompics)

2014 – das Jahr in Büchern

buchruecken 2014 
Mehrere Monate in einer Übergangswohnung, während der eigene Lesestoff in Kisten darauf wartet, endlich auch nach Russland zu reisen. Buchläden, die mit internationalen Titeln eher mittelmäßig sortiert sind. Potschta Rossii, eine direkte Abkürzung in den Päckchen-Orkus.

Es gibt viele Gründe, warum die Lesemischung 2014 ein bisschen bunter war als sonst, nach dem Prinzip: Gelesen wird, was da ist. Auch viele Leihgaben waren dabei – nur ein Teil von dem, was unten steht, ist also auch oben auf dem Foto zu sehen.

Zeit zum Lesen war dafür viel da. Wie das halt so ist, wenn die Zahl der Freunde in Reichweite plötzlich wieder einstellig ist, draußen ständig Schnee liegt und das Pendeln zur Arbeit mindestens 60 Minuten dauert, eine Strecke.

Was bleibt, sind ein paar Trends: Die wiederentdeckte Liebe zu Christopher Isherwood. Die drei „Lucifer Box“-Bücher von Mark Gatiss, so großartig überzeichnet und liebevoll trashig. Zum ersten Mal seit ewig wieder Kurzgeschichten lesen, von Hilary Mantel, gefolgt vom Vorsatz, das wieder öfter zu tun. Stephen Frys neuen Autobiographie-Band ganz okay finden, aber zwei andere Bücher von ihm deutlich besser. Ilf und Petrow als schmerzfreier Einstieg in die russische Literatur. Zum zweiten Jahr in Folge ein richtig gelungener „Inspektor Rebus“, wobei der Dienstgrad nicht mehr stimmt. Hier also die komplette Liste:

“Crap Dates: Disastrous Encounters From Single Life” von Rhodri Marsden.
crap datesGelesen für eine Kolumne in der WAZ. Das Format „Komm, wir dengeln aus Tweets ein Buch zusammen“ ist ja bekannt, das hier ist trotzdem originell und ein Grinsen wert. Muss man aber nicht kaufen, es reicht auch, @Rhodri Marsden bei Twitter zu folgen.
 

“The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society” von Mary Ann Shaffer/Annie Barrows.
guernsey potao peelEines dieser Bücher, wo bei Titel und Design komplett klar ist, dass es an Frauen vermarktet werden soll. War dann aber doch ganz lesenswert und hat mich besonders interessiert, weil es im Zweiten Weltkrieg auf Guernsey spielt, unter deutscher Besatzung. Im echten Leben gehörte damals mehrere Jahre lang mein Opa zu diesen Besatzern, der diese durchweg ruhige Zeit immer als „wir haben da die Tomaten gehütet“ beschrieben hat. Wenn er Heimaturlaub hatte, fuhr er dagegen „in den Krieg“.
 

“Sehnsucht ist ein Notfall” von Sabine Heinrich.
9783462046212Sabine Heinrich finde ich schon so lange so gut, dass ich ein bisschen Sorge hatte, ob das denn auch was wird mit dem Buch und ich sie hinterher bitte immer noch mögen kann. Am Anfang, als sich dann ein Frau-zwischen-zwei-Männern-Plot auftat und sich eine Oma mit potentiell gutem Rat abzeichnete, hatte ich kurz ernsthaft Sorge. Aber dann war das doch gar keine altersweise Rosa-Bäckchen-Oma, und es ging auch nicht um die Suche nach dem einen, wahren Mann als Lebensentwurf. Stattdessen ist das Buch ein Roadmovie, in der Italo-Variante. Schwein gehabt.
 

“Journey To A War” von W.H. Auden/Christopher Isherwood.
Steinbeck und Capa in Russland, Ilf und Petrow in den USA – solche Reisereportagen mit zwei Protagonisten funktionieren im Idealfall gleich doppelt: Man erfährt was über das Reisen und darüber, wie die beiden Reisenden sich miteinander arrangieren. Isherwood_and_Auden_by_Carl_van_Vechten,_1939Hier sind die beiden Reisenden Christopher Isherwood und W.H. Auden, die jahrzehntelang Freunde waren, gelegentlich auch Liebhaber und außerdem als Künstler viel Wert auf die Meinung des anderen gelegt haben. Die zwei, zusammen unterwegs im Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg, mal britisch-kolonial zum Tee beim Botschafter, mal im Dreck und Matsch kurz hinter der Front, das liest sich einfach großartig. Eines der Highlights 2014.
 

“Drei Männer im Schnee” von Erich Kästner.
Die ganze Zeit beim Lesen Heinz Erhardt als Geheimrat Tobler vor Augen gehabt, dabei wurde das Buch gar nicht mit ihm verfilmt. Aber dieser Stil, die Geschichte um den reichen Mann mit goldenem Herzen, der sich als Armer tarnt – alles bekannt, alles oft gesehen. Und trotzdem hat das Buch ein bisschen gewärmt, im schneematschigen März.
 

“My Trade” von Andrew Marr.
Download (1)Schon ein bisschen alt, diese Ausgabe von Andrew Marrs Bestandsaufnahme der britischen Medienlandschaft. Aber mitten in der Zeit des Lebens-aus-dem-Koffer war das immer noch gute Lektüre, anekdotenreich, reflektiert und anschaulich. Und nebenbei auch ganz nützlich, um für den neuen Job das englischsprachige Redaktions-Vokabular wieder aufzupolieren.
 

“There Is No Dog” von Meg Rosoff.
Download (2)Joah. Auf eine Empfehlung hin gelesen, und die Idee, dass Gott ein hormongetriebener Jugendlicher ist, der sich leicht ablenken lässt, würde sicher das ein oder andere an dieser Welt erklären. Trotzdem: Normalerweise hab ich gelesene Bücher ganz gerne hinterher im Regal, das hier konnte ich ohne Trennungsschmerz anschließend wegtauschen.
 

“I Feel Bad About My Neck” von Nora Ephron.
Nora Ephron hat viele Drehbücher geschrieben, darunter das für „Harry and Sally“, was als Ansporn reichte, dieses Buch hier zu ertauschen. Und ja, das ist alles geschickt gemacht, eine gute Mischung zwischen Pointen und den großen Themen des Lebens. Aber „die kann ihr Handwerk“ ist eben nicht dasselbe Gefühl beim Lesen wie „das berührt mich“. Also auch wieder weggetauscht, ebenfalls schmerzfrei.
 

“The Vesuvius Club” von Mark Gatiss.
the vesuvius clubWenn mir ein Künstler liegt, dann hangel ich mich ja ganz gerne durchs Gesamtwerk. Mark Gatiss schreibt Drehbücher für „Sherlock“, spielt darin Mycroft Holmes, und stand dieses Jahr am Donmar Warehouse in „Coriolanus“ auf der Bühne. (Unter Pseudonym hat er außerdem mal Geld als Autor von historisch angehauchter Pornographie verdient – die Amazon-Rezensionen zu lesen, lohnt sich!) Gatiss‘ „Lucifer Box“-Trilogie ist schon ein paar Jahre alt, aber „Wortspielerei-lastiger Roman um einen jungen, attraktiven Lebemann und Spion, der Männer, Frauen und schöne Kleidung liebt, gerne mal beim Dinner jemanden erschießt und um 1900 das Schicksal zweier untoter Wissenschaftler ermittelt und dabei wenn nicht die Welt, dann doch zumindest Italien rettet“ ist ja ein zeitlos schönes Genre. Gekonnter Trash, perfekte Pose. Jeder Bond würde sich über so einen Plot freuen. (Schönste Namen, neben Lucifer Box: Mrs Midsomer Knight, Charlie Jackpot und Miss Bella Pok.)
 

“The Devil in Amber” von Mark Gatiss.
devil in amberAuch „Wortspielerei-lastiger Roman um einen leicht gealterten Lebemann und Spion, der Männer, Frauen und schöne Kleidung liebt, in den Zwanzigern eine Vereinigung amerikanischer und britischer Faschisten unterwandert und schließlich dem Teufel selbst entgegentritt“ ist ein Genre, das Aufmerksamkeit verdient. (Schönste Namen: Percy Flarge, Sal Volatile und Agnes Dei.)
 

“Black Butterfly” von Mark Gatiss.
black butterflyEbenfalls ein schönes Genre: „Wortspielerei-lastiger Roman um einen vor der Pensionierung stehenden Lebemann und Spion, der Männer, Frauen und schöne Kleidung liebt, in den Fünfzigern eine heimtückische Pfadfinder-Vereinigung auffliegen lässt, der auch sein Sohn angehört“. Am besten von den drei Bänden ist aber definitiv der erste. (Schönste Namen: Kingdom Kum und die Anarcho-Criminal Retinue of Nihilists, Incendiarists and Murderers, abgekürzt A.C.R.O.N.I.M.)
 

“All Russians Love Birch Trees” von Olga Grjasnowa.
51rBGlTlY2L._SY344_BO1,204,203,200_Eigentlich gibt es keinen Grund, das Buch auf Englisch zu lesen – Olga Grjasnowa hat es auf Deutsch geschrieben, der Originaltitel heißt „Der Russe ist einer, der Birken liebt.“ Aber gut, im Buchladen gab es das eben auf Englisch, und die Stimmung, das pralle Leben und die tiefe Trauer, sind genau so, wie die „Zeit“ es hier bejubelt.
 

“No Place to Hide” von Glenn Greenwald.
no place to hideDas Buch zum Snowden. Liest sich mit Journalistenblick erst spannend (Kontaktaufnahme, Treffen, Interview, alles hinter dem Rücken der US-Behörden), dann bedrückend (das schiere Ausmaß der Überwachung), zwischendurch lustig (wer glaubt, bei ihm im Büro würden schlimme Präsentationen gehalten, hat die NSA-Powerpoints noch nicht gesehen) und zum Schluss langatmig, wenn Greenwald wieder und wieder die etablierte Medienlandschaft verurteilt, weil sie ihm zu ängstlich, zu langsam und zu regierungsnah ist. Das ist, bei allen guten Argumenten, dann doch eher anstrengend, immer wieder zu lesen. Trotzdem, unterm Strich, gute Lektüre – erst recht, wenn man in Snowdens neuer Heimat lebt.
 

“Thank you, Jeeves” von P.G. Wodehouse.
Ein Klassiker der britischen Literatur! Feinsinniger Humor! Die Briten und ihre Klassengesellschaft, so klug parodiert! Und endlich, endlich hab ich auch mal was von ihm gelesen und… fand’s ganz okay. Doch, ja, nett.
 

“Hammer and Tickle” von Ben Lewis.
Die vielen Pointen mitnehmen, ohne sich vom Ton des Erzählers irritieren zu lassen, das ist der Trick, um dieses Buch gerne zu lesen. Mehr hier.
 

“Juliet, Naked” von Nick Hornby.
juliet nakedEin Buch über Fan-Sein, Besessenheit und das Internet, und natürlich über Musik. Und klar, der Seitenhieb gegen „Let It Be Naked“ und ähnliche Vermarktungstricks ist deutlich. Die Mythenbildung und der Hype um einen Star sind hier genau so schlau beschrieben wie das komplett unspektakuläre Leben als Mitarbeiterin eines Heimatmuseums im möglicherweise langweiligsten Ort Großbritanniens. Und dann begegnen sich diese zwei Welten, und gottseidank lässt Nick Hornby das nicht gutgehen.
 

“Palmen in Castrop-Rauxel” von Dennis Betzholtz/Felix Plötz.
palmen in castrop-rauxelZu den guten Journalisten, die durch die Kündigungswelle bei der WAZ-Mediengruppe (heute Funke) ihre Stelle verloren haben, gehört auch Dennis Betzholtz aus der Dortmunder WR-Redaktion. Er hat daraufhin, parallel zum neuen Job, ein Buchprojekt auf die Beine gestellt und per Crowdfunding finanziert – mehr dazu hier. Der Schreibstil lag mir nur teilweise – ich kann das nicht gut haben, wenn mich ein Sachbuchautor direkt anspricht und mir erklärt, was ich für Schlüsse ziehen soll. Aber für die Porträts und für das Projekt selber – Respekt.
 

“Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag” von Katrin Bauerfeind.
zwischen sonntag und montagHat eigentlich jeder Journalist so eine Geschichte im Block, anrecherchiert und dann doch nie geschrieben? Meine ist jedenfalls ein Interview mit Katrin Bauerfeind, ca. 2005, als sie noch „Ehrensenf“ in Köln moderiert hat. Im Vergleich zu dieser Einfach-mal-machen-Atmosphäre damals ist dieses Buch manchmal ein bisschen routiniert (ich glaube, jedes einzelne Kapitel hat eine inhaltliche Klammer vom ersten zum letzten Satz, wie beim Spiegel), aber trotzdem schräg und unterhaltsam. In einem Jahr mit sehr viel Wartezeit auf dem Weg von oder zu diversen Flughäfen war das hier ein guter Griff als Reiselektüre.“
 

“Fucking Moscow” von Chris Helmbrecht.
fucking moskauWer diesen Titel mit „Verdammtes Moskau“ übersetzen möchte, liegt leider falsch. Stattdessen vögelt sich hier jemand durchs Hauptstadtleben, halb athlethisch, halb blasiert, gerne auch mal frauenfeindlich und rundum mit der Erotik einer Runde Zirkeltraining.
 

“Mr Penumbra’s 24-Hour Bookstore” von Robin Sloan.
„Ein Gesicht wie ein Fehler 404“ ist nur eines von vielen sprachlichen Bildern, die das Buch bei mir hinterlassen hat. Mehr dazu hier.
 

“Das eingeschossige Amerika” von Ilja Ilf/Jewgeni Petrow.
das eingeschossige amerikaDas wahrscheinlich berühmteste Autorenduo der Sowjetunion bestand aus den Satirikrn Ilja Ilf und Jewgeni Petrow. In den Dreißigerjahren sind sie zusammen durch die USA gereist, chauffiert in (natürlich) einem Ford, und haben für ihre Leser zuhause alles aufgeschrieben: was ein drugstore ist und was „downtown“, wie allgegenwärtig die Werbung für Coca-Cola und wie es ist, Henry Ford zu einer Audienz treffen zu dürfen. Und ja, das ist ein kapitalismuskritischer, sowjetisch geprägter Blick aufs Land, aber vor allem ein neugieriger mit viel Interesse am Alltag und einem Blick für Details. Die 2011er Ausgabe ist schon wieder vergriffen, aber es gibt sie bei Amazon für den Kindle.
 

“The Ode Less Travelled” von Stephen Fry.
ode less travelledEines der Bücher, an denen ich 2014 den meisten Spaß hatte. Im Urlaub auf der Wiese, im Regionalexpress in NRW, in Moskau am Schreibtisch. Mehr dazu hier (zuerst lesen) und hier (danach).
 

“Internet-Meme” von erlehmann/plomlompom.
internet-memeNützlich, anschaulich, sprachlich manchmal recht drüsch – aber dafür reißt das bunte Thema es immer wieder raus: Wer sich für die Geschichte der Meme interessiert oder dafür, unter welchen Bedingungen sie gedeihen, ist nach diesem Buch auf Stand und hat (Kopierpaste! Snowclones!) auch gleich noch ein paar neue Vokabeln gelernt.
 

“Christopher and His Kind” von Christopher Isherwood.
christopher and his kindNochmal Christopher Isherwood (für 2015 liegt noch mehr auf dem Lesestapel), diesmal über seine Zeit in Berlin, das schwule Nachtleben, den Aufstieg der Nazis und Isherwoods Versuch, seinen deutschen Partner Heinz außer Landes in Sicherheit zu bringen. Viele Versuche, auf halblegalen Wegen an ein Visum für ihn zu kommen, scheitern; die beiden hangeln sich von Land zu Land, bis die Gestapo Heinz fasst.
 

“The Rosie Project” von Graeme Simison.
rosie projectDon ist 39, Wissenschaftler mit ausgeprägten autistischen Zügen und auf der Suche nach einer Frau im Sinne von Ehefrau – per Liste mit strengen Kriterien. Als Folge eines verunglückten Dates sortiert Don zum Beispiel alle Frauen aus, die glauben, es mache einen Unterschied, ob man zum Nachtisch Pfirsich- oder Aprikoseneis isst. Und ja, das ist sehr lustig, aber nicht auf Dons Kosten, sondern dadurch, dass unterschiedliche Vorstellungen davon, was „normal“ oder „richtig“ ist, miteinander kollidieren. Sony will es verfilmen, das macht mir ein bisschen Angst, aber gut. Mal abwarten.
 

“Great Britain's Great War” von Jeremy Paxman.
great warIn einem Jahr, wo die Tische in den Buchläden voll liegen mit Literatur zum Ersten Weltkrieg, war das hier das eine, an das ich mich gewagt habe – wegen des Autors. Interessant war vor allem seine Einschätzung, wie der Krieg die britische Gesellschaft verändert hat.
 

“Making History” von Stephen Fry.
making history„Schockierend geschmacklos“ fand die New York Times (bzw. ihre Autorin Michiko Kakutani) dieses Buch, in dem zwei Männer mit sowas ähnlichem wie Zeitreise-Technologie zu verhindern versuchen, dass Hitler geboren wird. Ich bin immer noch baff, wie sie zu dem Verriss kommt, denn abgesehen vom britischen Humor schneidet dieses Buch Fragen an, über die man gut und lange diskutieren kann: Wie entscheidend war Hitler als Person? War er der eine Mensch, der ein Volk verführen konnte, oder war die Stimmung in der deutschen Bevölkerung so, dass das auch anderen gelungen wäre? Welche Mittel sind gerechtfertigt im Kampf gegen das Böse? Und wenn sich das Böse in einem Menschen manifestiert, wird ohne ihn dann alles gut oder ist das, möglicherweise, ein Kinderglaube? Der Moment, in dem es Hitler nie gegeben hat, ist darum hier im Buch auch nicht der Schluss.
 

“Diaries 1969 - 1979” von Michael Palin.
michael palin diaries600 Seiten, ein Brocken von einem Buch, und trotzdem durfte es mit ins Flugreisegepäck, weil Michael Palin einfach so unterhaltsam schreibt. Weil es faszinierend ist, wie Kreativität bei Monty Python funktioniert, auch wenn sich immer mal wieder lästige Orga-Aufgaben und Promotermine dazwischendrängen (und im Zweifel immer an Palin hängenbleiben und nie an John Cleese). Und auch, weil das ganze Umfeld einem erst recht klar macht, wie revolutionär dieser Humor zu seiner Zeit war, und wie viele Instanzen, von Fernsehsendern bis zu Filmverleihern, versucht haben, ihn einzudampfen, damit er doch bitte gefälliger und weniger provokant wird.
 

“Stuff White People Like” von Christian Lander.
Ein Buch gewordenes Blog, ursprünglich erkennbar ausgerichtet auf amerikanische Leser. Aber ja, auch als Europäerin hab ich mich oft erwischt gefühlt.
 

“Alltag in Moskau” von Lois Fisher-Ruge.
alltag in moskauIst wahrscheinlich für niemanden sonst heute noch interessant, aber der Vergleich zwischen Journalistenalltag in Moskau damals und heute kann schon helfen, sich 2014 an manchem weniger festzubeißen. Die durften damals noch nicht mal eine Kanu-Tour machen, ohne ihre Route vorher zur Genehmigung einzureichen, und Klopapier haben sie sicherheitshalber beim Umzug direkt mitgebracht. Dagegen sind der heutige Formularwahn und das Importverbot für genießbaren Käse dann doch kleinere Baustellen.
 

“More Fool Me” von Stephen Fry.
more fool meNicht so gut wie „Moab Is My Washpot“ und „The Fry Chronicles“, und ich glaube, es liegt daran, dass es weniger um Stephen Frys Innenleben und seine Suche danach geht, wo in der Welt er so hingehört. Auch „More Fool Me“ ist immer noch unterhaltsam, aber jetzt eher eine Sammlung von Döneken rund um britische Promis. „Wie ich mal bei einem sympathischen Fremden befürwortet habe, dass er Mitglied in meinem Club werden darf, und dann war das doch der soundso aus der Band soundso und ich kannte den gar nicht.“ Hm.
 

“The Peculiar Life of a Lonely Postman” von Denis Thériault.
the peculiar lifeJa, okay, ich hab das wegen des Covers gekauft. Was kein Fehler war, die kleine Geschichte über Liebe, Dichtung und Identität liest sich schnell mal so weg – und hat bei allem Flausch am Schluss dann sogar noch einen klugen Dreh, sowas mag ich ja gern.
 

“The Assassination of Margaret Thatcher” von Hilary Mantel.
mantel thatcherIm September hat der Guardian die Titelgeschichte der Kurzgeschichtensammlung veröffentlicht, und ja, am Ende ist Thatcher tot, aber darum geht es nur bedingt. Die ersten paar Geschichten sind alle auf ihre Art düster, da bleibt vor allem die Stimmung als Eindruck. Und dann „Harley Street“, deren Schlusspointe ich sowas von gar nicht habe kommen sehen, dass ich sie direkt noch mal lesen musste und gar nicht fassen konnte, was mir alles durchgegangen war. Aber auf sowas war ich nach dem ganzen Bedrückenden einfach nicht gefasst. Ein klasse Buch jedenfalls, und überhaupt: Kurzgeschichten werden 2015 mehr gelesen!
 

“Moranthology” von Caitlin Moran.
moranthologyGesammelte Kolumnen von Caitlin Moran, viele gut, manche ausgezeichnet. Schon allein für den Text darüber, was für sie als Außenseitermädchen aus der wahrscheinlich ärmsten und sicher unkonventionellsten Familie im Ort die Stadtbücherei bedeutet hat, ist eine Hymne aufs Lesen, die das ganze Buch lohnt.
 

“The Elegance of the Hedgehog” von Muriel Barbery.
elegance hedgehogWochen später, und ich weiß immer noch nicht, ob das nun ein intelligentes, philosophisch angehauchtes Buch ist oder doch ziemlich exakt kalkulierter Edelkitsch. Besonders hängengeblieben: das oberflächliche Oberschichts-Paar, dass seine Töchter „Colombe“ und „Paloma“ nennt (zwei Täubchen), die Katzen aber „Constitution“ und „Parliament“. Nach diesem hier und dem einsamen Postmann weiter oben muss ich jedenfalls so schnell kein drittes Buch mehr lesen, in dem westliche Seelen durch Begegnung mit japanischer Kultur Erlösung finden.
 

“Saints of the Shadow Bible” von Ian Rankin.
saints of the shadow bibleBei John Rebus geht es ja gerne mal um die großen moralischen Fragen. Diesmal auch, und der Ton ist für seine Verhältnisse manchmal regelrecht heiter. Er hat mehr als sonst die Zügel in der Hand, und man gönnt ihm das so, dem ollen, abgeklärten Sack.
 

“Russki Extrem” von Boris Reitschuster.
russki extremSchon ein paar Jahre alt, taugt aber immer noch als kleines Russland-Einsteigerbuch. Der Stil ist mir manchmal ein bisschen zu betulich (hab mich gefragt, ob das mal Kolumnen waren, und ob da ein Redakteur den berüchtigten Satz gesagt hat, man solle beim Leser nicht so viel voraussetzen), aber ja, kann man gut mal lesen.
 

“Comfort and Joy” von India Knight.
comfort and joyGekauft bei Oxfam in London – das Buch konnte ja nur gewinnen. India Knight kannte ich bisher nur von Twitter, hier schreibt sie über eine Weihnachts-Perfektionistin, und nein, das ist nicht so klischeeig, wie es gerade klingt. Aber nachdem jahrelang die englische Tradition gewahrt werden muss, ist das schönste Fest im Buch dann das im sonnigen Ausland. Vermutlich hat die Geschichte eine Moral, das stört aber nicht weiter.
 

“How To Be A Woman” von Caitlin Moran.
how to be a womanWer sich noch mal vergewissern möchte, wie das alles war mit dem Feminismus, warum das Thema weiter wichtig ist und man keine anstrengende Spaßbremse ist, wenn man es wichtig nimmt: Das hier ist euer Buch. Es ist das wahrscheinlich bestgelaunte Buch über Sexismus und was man dagegen tun kann, es hat eine Haltung und einen unverwechselbaren Ton.
 

“Das goldene Kalb oder die Jagd nach der Million” von Ilja Ilf/Jewgeni Petrow.
Noch mal Ilf und Petrow, diesmal Roman statt Reisereportage, und ich hab mich ein bisschen schwer damit getan. Einerseits ist die Sprache ungewohnt, fantasievoll, anschaulich und viele Formulierungen so, dass man sie dringend laut vorlesen muss. Andererseits ist diese Episodenform mit immer neuen Protagonisten, immer neuen Situationen, auf Dauer doch ein bisschen „Harald und Eddi“.
 

“An Armenian Sketchbook” von Vasili Grossman.
armenian sketchbookNachdem der KGB das Manuskript für seinen jüngsten Roman beschlagnahmt hatte, reiste Vasili Grossman Anfang der Sechziger nah Armenien, um dort einen Roman zu übersetzen. Nebenher entstand dabei dieses Buch, eine Mischung aus Reisebericht und lautem Nachdenken über Stalins Politik, über Nationalismus und Propaganda, über innere Emigration und Selbstmord. Ohne große Struktur – Grossman schreibt sich alles von der Seele – aber in klarer Sprache und bei allem Ernsten auch mit viel Humor, Wärme und Selbstironie. (Im Anhang gibt es ein kleines Glossar, was bei den vielen literarischen und historischen Anspielungen auch wirklich hilfreich ist.)
 

Danke an alle Buch-Empfehler, an meine Book-Club-Mädels, die netten Leute vom Moscow Book Swap und an alle, die direkt oder über Umwege Bücherbote gespielt haben, damit alles gut in Moskau ankommt. Ihr habt einen gut!

Alltagsrassismus, oder: Warum man nicht mit „City Mobil“ Taxi fahren sollte

Woran ich mich auch nach fast an einem Jahr in Russland nicht gewöhnt habe (und auch nicht gewöhnen möchte), ist der Alltagsrassismus. Du unterhältst dich mit jemandem, den Du seit Monaten kennst, über seine Wohngegend: „Wär ne gute Ecke, wenn die ganzen Tadschiken nicht wären.“ Jemand anderes, mit dem Du regelmäßig Zeit verbringst, fasst seinen Urlaub zusammen: „Gutes Wetter, aber das war voller Türken da, und du weißt ja, wie die stinken.“

Jedes andere Gespräch bis zu diesem Punkt war komplett normal, es sind Bekanntschaften entstanden, Freundschaften – und dann kommt so eine Aussage. Ansprechen hilft auch nicht: „Ach komm, Du weißt doch, wir Russen haben es nicht so mit der politischen Korrektheit.“ Als wäre das die Baustelle.

Von der Alltags-Homophobie („der Typ ist mir suspekt, sein Name klingt schwul“) und dem Alltags-Antisemitismus („in Wirklichkeit ist nicht Putin an der Macht, sondern die jüdische Weltverschwörung“) haben wir dann noch nicht mal angefangen; geschweige denn von der Tatsache, dass das keineswegs hinter vorgehaltener Hand geäußerte Meinungen sind, durch den Filtermechanismus gedrungen nach vier Glas Wodka.

Kein Innehalten, kein betretenes „das ist mir so rausgerutscht“, keine Anzeichen dafür, dass man gerade etwas Schlimmes oder auch nur Ungewöhnliches gesagt haben könnte.

Was genau der Punkt ist, denn solche Sprüche sind tatsächlich Alltag – auch von gebildeten Menschen, Menschen mit Auslandserfahrung. Menschen, bei denen ich einen weiteren Horizont erwartet hätte. Das geht Hand in Hand mit dem Hurra-Patriotismus, der um so sichtbarer ist, je mehr den Russen ein gemeinsames Feindbild präsentiert wird; sei es nun die Regierung in der Ukraine oder die westliche Sanktionspolitik.

Ich wünschte also, ich wäre überrascht gewesen, bei Facebook auf den folgenden Post zu stoßen. Er zeigt einen Screenshot aus der App, mit der man sich einen Wagen von „City Mobil“ kommen lassen kann. Auf der Liste der Zusatzleistungen: Klimaanlage, Kindersitz, Raucher-Auto, slawischer Fahrer.

 

Ja, tatsächlich, einen slawischen Fahrer kann sich der geneigte Passagier herbeirufen, sogar kostenlos, im Gegensatz zum Kindersitz, der immerhin 100 Rubel kostet. In der englischen Fassung der App ist von „slavonic“ statt „slavic“ die Rede, weshalb ich mich kurz gefragt habe, ob wohl „russischsprachig“ gemeint sein könnte.

Taxi City Moskau Rassismus 

Aber nein, das russische Original sagt eindeutig „slawisch“ – und bei einem russischen Taxi-Unternehmen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man „russischsprachig“ extra buchen muss, ja auch eher gering. Bisher hat hier noch jeder Taxifahrer russisch gesprochen, viele waren aber keine Russen. Sondern Turkmenen, Usbeken, Kasachen.

Zentralasiaten fegen Moskaus Straßen, schaffen den Müll weg, ackern auf Baustellen – und sind hier die Hauptzielscheibe für Ausländerfeinlichkeit. City Mobil kennt also seine Kunden, wenn es ihnen anbietet, sich auf Wunsch lieber von einem Russen (Polen? Serben? Bulgaren?) fahren zu lassen.

Was bleibt, sind eine Frage und eine Antwort. Die Frage ist, wie Apple eigentlich Apps mit rassistischen Inhalten behandelt. Grundsätzlich gibt es durchaus Vorschriften, besonders stringent scheinen sie aber nicht zu sein.

Und die Antwort? Bei Bekannten entdeckt man manchmal erst nach einiger Zeit, woran man ist. Bei City Mobil wissen wir es jetzt alle. Die Antwort kann also nur heißen: anderswo bestellen.

(Hat tip an Grace, durch die der FB-Post in meiner Timeline erschienen ist, und an Sebastian für Infos zu Apples Regelungen.)

Moskaus Metro in Karten

Das Metro-Netz der Moskauer Innenstadt, Screenshot aus der "Metropolitan"-App
Das Metro-Netz der Moskauer Innenstadt (Screenshot aus der „Metropolitan“-App)

Moskaus Metro zeichnet sich durch vieles aus: Durch prunkvolle Stationen, durch WLAN auf viele Strecken, durch vorbeiwabernde Geruchsblasen aus Alkohol und verschwitztem Polyester zu beliebiger Tageszeit. Auch – hier liebevoll und im Detail dokumentiert – durch Fossilienfunde in den Steinsäulen, zum Beispiel in der Haltestelle Pawelezkaja.

Was ihr allerdings fehlt, sind Metropläne, jedenfalls die aus Papier. Was man in London an jeder Haltestelle nachgeworfen bekommt, gibt es in Moskau nicht mal auf Nachfrage beim Fahrscheinkauf. Auch auf den Bahnsteigen hängen selten Netzpläne – dann schon eher an die Wand geflieste Listen der nächsten Stationen. Online gibt es dafür Metro-Pläne satt, und viele von ihnen zeigen mehr als bloß Linien und Haltestellen.

Die offizielle Karte

Official Moscow Metro map

Ende 2012 hat die Moskauer Stadtverwaltung einen Wettbewerb fürs beste Design eines Metroplans ausgeschrieben. Gewonnen hat das Designstudio von Artemy Lebedev, der hier noch mal genauer erklärt, was er sich dabei gedacht hat. Geschwungene Linien, sanfte Kurven. Kreise statt bloß Punkte, wo sich mehr als zwei Linien treffen. Übersichtlich.

Die Partisanenkarte

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Im Jahr drauf klebte in einigen Metro-Wagen plötzlich die sogenannte „Partisanenkarte“- kein Spaßprojekt, sondern ein gezieltes Statement. Die Gruppe „Partisaning„, die Kunst im öffentlichen Raum und politische Inhalte kombiniert, wollte darauf aufmerksam machen, was ihrer Meinung nach in der Moskauer Verkehrspolitik alles falsch läuft: Dass zum Beispiel teure neue Metrolinien gebaut werden, anstatt andere ÖPNV-Möglichkeiten geschickter zu kombinieren, oder dass Autos die Moskauer Innenstadt und die Ausfallstraßen verstopfen.

Bei der Guerilla-Aktion plakatierten die Aktivisten darum ihre eigene Karte, auf der unter anderem angegeben war, wie schnell man zu Fuß von A nach B kommt – und wie langsam mit dem Auto. Finanziert wurde das Projekt nach Angaben der Macher mit Spenden aus Deutschland.

Die Aussprachekarte

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Käse an dein prüdes Ohr! Eiche heiß nah Ratte! Park kühl zu lesen! Was klingt wie eine Kombination aus Wodka und Dada wird deutlich sinnvoller, wenn man sich die englische Originalfassung anschaut. Denn auf dieser Karte sind alle Metrohaltestellen so geschrieben, dass jeder mit Englischkenntnissen sie aussprechen kann.

„Cheese to your prude ear“ statt „Chistye Prudy“ also, „Oak hot near rat“ statt „Okhotny Ryad“ und „Park cool to read“ statt „Park Kultury“. Eine Idee, genau mittig zwischen kreativ und bekloppt – und eng verwandt mit zwei Aussprache-Tipps, die ich immer klasse fand: „Hey, ya forgot la yoghurt“ und „I’m a dinner jacket.“

Die historische Karte

Схемы линий / Картинки / Схемы и карты метро

Keine drei Dutzend Haltestellen, ein paar gezeichnete Sehenswürdigkeiten, so sah der Metroplan kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Einige Haltestellen heißen heute anders, andere – Kurskaja, Taganskaja – haben bis heute denselben Namen. Irreführend ist höchstens, dass diese Karte im Gegensatz zur Gewohnheit den Norden rechts hat, also um 90 Grad gedreht ist.

Von den Dreißigern bis in die Gegenwart reicht die Karten-Kollektion auf Metro.ru – da kann man sich gut mal festlesen.

Die Zeitreise-Karte

Interactive History of Moscow Metro

Leider nicht richtig einbetten lässt sich diese Seite, aber das Anklicken lohnt: Hier geht die Übersicht an Moskauer Metrokarten noch mehr ins Detail. Wer den Regler ganz nach links schiebt, der sieht die allererste, rote Linie mit ihren 13 Haltestellen.

Zum Kriegsende sind es schon drei Linien, in den Fünfzigern ist die Ringlinie nicht mal ein Halbkreis… Selber gucken geht hier in der „Interaktiven Metro-Geschichte“.

Die Frauenkarte

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Andere gucken in die Wolken und sehen Schäfchen, Alexei Sobolevsky guckt auf den Metroplan und sieht Frauen. Posiert wie der Verlauf der Linien, mal stramm diagonal, mal geschwungen. Alle Bilder gibt es hier als Galerie oder auf Sobolevskys Instagram-Account.

Die Zukunftskarte

Moscow metro in 100 years map

Zum Schluss darf noch mal Artemy Lebedev ran, denn er hat in die Zukunft geblickt. Sicherheitshalber direkt bis ins Jahr 2100 – kürzer wäre auch fatal, 2033 treiben sich in der Metro ja noch allerlei Mutanten rum.

Moskau hat inzwischen dreimal so viele Haltestellen, dazu eine zweite Ringlinie, einen zusätzlichen Flughafen und eine Problem: Langsam werden die Farben für neue Linine knapp, inzwischen gibt es sogar eine regenbogenfarbene. Das Ergebnis sieht, sagt Lebedev zu Recht, „ziemlich verrückt und wunderschön“ aus.

(Hier gibt es übrigens die Metro-Systeme einiger Weltmetropolen im Größenvergleich. Gehört nicht ganz hierher, ist aber auch interessant.)

Moskauer Warenkorb, November 2014

November – Zeit, Plätzchenzutaten zu kaufen auf dem Dorogomilowski-Markt, nicht weit vom Kiewer Bahnhof. Ein Gelände mit Markthalle und kleinen Buden, dessen Atmosphäre sich am besten genießen lässt, wenn man vergisst, je das Wort „Kühlkette“ gekannt zu haben. Dann ist es wirklich interessant zwischen all den Metzgern, den drei Dutzend Sorten Honig, den duftenden Bäckereiständen und den Fischen, die unter freiem Himmel auf Eis liegen, während über ihnen die Tauben schweben.

„Mandeln, geschnitten?“ Die Händlerin nickt, telefoniert, kurz danach bringt ihr jemand einen Kilobeutel. Okay, sie sind gehobelt, taugen also nicht für Wespennester. Aber da findet sich schon was, einfach improvisieren.

Das ist diesen Monat auch das Stichwort für den Warenkorb. Denn auf Dauer macht Preislistenlesen wahrscheinlich genau so wenig Spaß wie Preislistenschreiben. Eigentlich sollte es hier darum allerlei schicke Diagramme geben – und für mich die Gelegenheit, mit ein paar Programmen rumzuspielen. Nach einigen Stunden Frickeln und Frust mir Datawrapper und Tableau hier also der Versuch einer Erklärgrafik mit Piktochart.

Empfehlungen für laientaugliche Datenvisualisierungs-Programme gerne in den Kommentaren posten, dann versuch ich mich in den kommenden Monaten mal daran. Und wer sie ernsthaft vermisst, findet die ausführlichen Preislisten weiter unten.

Moskauer Warenkorb November 2014 kscheib

Supermarktpreise:

Möhren für 34,90 Rubel/Kilo (Oktober: 28,00)
Tomaten für 99,00 Rubel/Kilo (Oktober: 99,90)
Rote Paprika für 185,00 Rubel/Kilo (Oktober: 194,00)
Weißkohl für 21,00 Rubel/Kilo (Oktober: 11,90)
Äpfel für 44,90 Rubel/Kilo (Oktober: 69,90)
Birnen für 65,00 Rubel/Kilo (Oktober: 69,90)

Milch (2,5%) für 63,44 Rubel/Liter (Oktober: 63,44)
Butter für 27,22 Rubel/100g (Oktober: 41,66)
Brie für 111,20 Rubel/100g (Oktober: 111,20)
Parmesan für 96,66 Rubel/100g (Oktober: 91,90)

Hähnchenbrust für 179,00 Rubel/Kilo (Oktober: 199,00)
Schweinekotelett für 369,00 für Rubel/Kilo (Oktober: 369,00)

Onlinehändlerpreise

Kartoffeln für 29,00 Rubel/Kilo (Oktober: 29,00)
Zwiebeln für 27,00 Rubel/Kilo (Oktober: 27,00)
Gurken für 207,00 Rubel/Kilo (Oktober: 145,00)
Zucchini für 153,00 Rubel/Kilo (Oktober: 139,00)
Auberginen für 199,00 Rubel/Kilo (Oktober: 195,00)
Rote Bete für 21,00 Rubel/Kilo (Oktober: 18,50)
Eisbergsalat für 210,00 Rubel/Stück (Oktober: 210,00)
Kohlrabi für 215,00 Rubel/Kilo (Oktober: 188,00)

Zitronen für 98,00 Rubel/Kilo (Oktober: 93,00)
Papaya für 455,00 Rubel/Kilo (Oktober: 455,00)
Mango für 315,00 Rubel/Kilo (Oktober: 299,00)
Bananen für 59,90 Rubel/Kilo (Oktober: 63,00)
Orangen für 72,00 Rubel/Kilo (Oktober: 72,00)
Grapefruit für 78,00 Rubel/Kilo (Oktober: 99,00)
Kiwi für 115,00 Rubel/Kilo (Oktober: 142,00)

Milch für 66,74 Rubel/Liter (Oktober: 63,40)
Butter für 50,39 Rubel/100 g (Oktober: 45,35)

Graubrot, geschnitten, für 79,06 Rubel/Kilo (Oktober: 79,06)
Toastbrot für 82,40 Rubel/Kilo (Oktober: 82,40)

Rinderhack für 398,00 Rubel/Kilo (Oktober: 336,00)
Ganzes Hähnchen 119,00 für Rubel/Kilo (Oktober: 150,00)
Durchwachsener Speck für 747,50 Rubel/Kilo (Oktober: 498,33)

Kabeljau (TK) für 251,00 Rubel/Kilo (Oktober: 251,00)
Lachssteak (TK) für 640,00 Rubel/Kilo (Oktober: 640,00)

(Das Kleingedruckte: Der Warenkorb ist nicht repräsentativ. Außerdem gibt es in unserem Supermarkt jetzt keinen Parmesan am Stück mehr – dafür aber frischen geriebenen in der Tüte, zum fast exakt gleichen Rubelpreis pro Kilo. Darum habe ich mir erlaubt, den geriebenen hier in die Wertung zu nehmen.)

Moskauer Warenkorb, Oktober 2014

Wenn der letzte Warenkorb-Blogpost mit Parmesan aufgehört hat, darf der hier auch mit Parmesan anfangen. Genau genommen mit einem Drama in zwei Akten – der berühmte szenische Einstieg.

– „Entschuldigung, wo ist der Parmesan?“
– „Weiß ich nicht.“ (geht weg)
– „Wer weiß das denn?“
– (kneift die Lippen zusammen und geht schneller)

– „Entschuldigung, wo ist der Parmesan?“
– „Weiß ich nicht.“ (geht weg)
– „Wer weiß das denn?“
– (bückt sich hinter eine Palette H-Milch)

Der Klarheit halber sollte man sagen, dass es zwei verschiedene Gesprächspartnerinnen waren, wenn auch kurz hintereinander. Beide angetroffen im selben Biotop, zwischen zwei Kühltheken. Ein Kunde mit einer Frage und eine Servicekultur mit armdicken Wurzeln im Sozialismus, das ist schon eine unterhaltsame Kombination. Also, es sei denn, es ist einem wichtig, eine Antwort zu bekommen.

Parmesan Perekrestok Oktober 2014 

Dass trotzdem im Oktober-Warenkorb noch ein Stück Parmesan drin ist, liegt an dem kleinen Menschenauflauf (keine Gratin-Witze jetzt, bitte) vor einem schmalen Kühlregal, einschließlich Beiseitestoßen mit Hüften und Ellenbogen. Für mich oberhalb der Augenhöhe, außerdem ganz hinten an der Wand, lagen sie: die letzten Parmesanstücke im ganzen, großen Perekrestok-Laden. Und dazu auch noch günstig – vermutlich Reste aus dem Lager, die abverkauft werden mussten.

Und sonst? Hier die Supermarkt-Liste.

Möhren für 28,00 Rubel/Kilo (September: 17,90)
Tomaten für 99,90 Rubel/Kilo (September: 44,00)
Rote Paprika für 194,00 Rubel/Kilo (September: 189,00)
Weißkohl für 11,90 Rubel/Kilo (September: 9,90)
Äpfel für 69,90 Rubel/Kilo (September: 32,00)
Birnen für 69,90 Rubel/Kilo (September: 129,00)

Milch (2,5%) für 63,44 Rubel/Liter (September: 56,99)
Butter für 41,66 Rubel/100g (September: 37,22)
Brie für 111,20 Rubel/100g (September: 111,20)
Parmesan für 91,90 Rubel/100g (September: 232,67 )

Hähnchenbrust für 199,00 Rubel/Kilo (September: 195,00)
Schweinekotelett für 369,00 für Rubel/Kilo (September: 384,00)

Wer kein Ladenlokal betritt, sondern bei Utkonos.ru online bestellt, tut das im Oktober zu diesen Preisen:

Kartoffeln für 29,00 Rubel/Kilo (September: 21,50)
Zwiebeln für 27,00 Rubel/Kilo (September: 21,50)
Gurken für 145 Rubel/Kilo (September: 99,90)
Zucchini für 139,00 Rubel/Kilo (September: 36,00)
Auberginen für 195,00 Rubel/Kilo (September: 178,00)
Rote Bete für 18,50 Rubel/Kilo (September: 19,00)
Eisbergsalat für 210,00 Rubel/Stück (September: 148,00)
Kohlrabi für 188,00 Rubel/Kilo (September: 188,00)

Zitronen für 93,00 Rubel/Kilo (September: 139,00)
Papaya für 455,00 Rubel/Kilo (September: 417,00)
Mango für 299,00 Rubel/Kilo (September: 759,00)
Bananen für 63,00 Rubel/Kilo (September: 57,50)
Orangen für 72,00 Rubel/Kilo (September: 75,00)
Grapefruit für 99,00 Rubel/Kilo (September: 99,50)
Kiwi für 142,00 Rubel/Kilo (September: 225,00)

Milch für 63,40 Rubel/Liter (September: 66,11)
Butter für 45,35 Rubel/100 g (September: 49,89)

Graubrot, geschnitten, für 79,06 Rubel/Kilo (September: 79,06)
Toastbrot für 82,40 Rubel/Kilo (September: 82,40)

Rinderhack für 336,00 Rubel/Kilo (September: 412,00)
Ganzes Hähnchen 150,00 für Rubel/Kilo (September: 150,00)
Durchwachsener Speck für 498,33 Rubel/Kilo (September: 650,00)

Kabeljau (TK) für 251,00 Rubel/Kilo (September: 228,00)
Lachssteak (TK) für 640,00 Rubel/Kilo (September: 640,00)

Die Listen sind lang, die Erkenntnisse aus ihnen lassen sich kurz fassen: Knapp die Hälfte der Preise sind, verglichen mit September, weiter gestiegen – im Schnitt wurde der Supermarkt-Warenkorb um 20 Prozent teurer, der Online-Einkauf um 11,6 Prozent. Das ist in beiden Fällen aber ein geringerer Preisanstieg als von August auf September. Bei einigen Lebensmitteln in dieser Stichprobe sind die Preise sogar gefallen – Birnen zum Beispiel, Butter und auch Rinderhack waren im Oktober alle günstiger.

Gleichzeitig sind einige Dinge, die Utkonos im September noch als „nicht auf Lager“ markiert hatte, nun wieder lieferbar, wobei sich oft die Marken geändert haben. Beides zusammen legt eine Deutung nahe: Nach dem überstürzt verkündeten Einfuhrverbot für westliche Lebensmittel haben russische Händler inzwischen Lieferanten aus anderen Ländern gefunden, die zum Teil sogar billigere Ware anbieten.

Zum Beispiel darf China neuerdings wieder Schweinefleisch nach Russland einführen – das war seit zehn Jahren aus Angst vor Krankheitserregern verboten gewesen. In Namibia planen die Rinderzüchter für künftige Bestellungen aus Russland, und auf den Philippinen gucken die Krokodile mit Tränen in den Augen in die Zukunft.

Krokodile Pixabay 

(Das Kleingedruckte: Der Warenkorb ist nicht repräsentativ. Er ist auch kein Beleg dafür, dass das Lebensmittel-Importverbot als alleiniger Faktor die Preise hochtreibt – im Spätherbst haben halt nicht mehr allzu viele Obst- und Gemüsesorten Saison. Außerdem sind nach dem Naturjoghurt nun auch die Nektarinen aus der Wertung geflogen, weil es bei Utkonos keine mehr gab. Damit der Vergleich nicht hinkt, hab ich die beiden Produkte auch aus den Warenkorb-Summen für August und September rausgerechnet.)

Der Putin des Monats (I)

Der erste "Putin des Monats" - genug Material gibt es hier definitiv.
Der erste „Putin des Monats“ – genug Material gibt es hier definitiv.

Gesehen: Im Kaufhaus GUM, neben einem Stand mit Putin-Sweatshirts, Putin-T-Shirts und Putin-Handyhüllen

Begleitung: russischer Adler im Hintergrund, eine Friedenstaube auf jeder Schulter. Im Größenverhältnis zu Putin sind die Tauben ein wenig klein geraten.

Text: „14 Jahre erfolgreiche Politik – das ist erst der Anfang“

Subtext: Friedensfürst/irgendwas mit Vögeln

Oben-Ohne-Punkte: 1/10 für fehlende Krawatte und einen geöffneten Knopf

Mosfilm und das alte Moskau (Berlin, Paris, etc.)

Mosfilm Dinosaurier 

Wenn ein Dinosaurier einen Rolls-Royce bewacht, der seinerseits schon mal ein Postwagen war, dann ist das entweder Kino oder zumindest sowas Ähnliches. In diesem Fall heißt „sowas Ähnliches“, dass wir gerade in einer Gruppe über das Gelände von Mosfilm laufen, der Mutter der sowjetischen (und inzwischen russischen) Filmstudios.

Hier ist, noch ohne Ton, der Panzerkreuzer Potemkin entstanden. Hier gibt es ein Filmset, das je nach Anspruch das historische Moskau, das historische Paris oder auch gern das historische Berlin darstellt, bei konstantem Kopfsteinpflaster. Spektakuläre Perücken, Requisiten für jede Epoche, Masken, Kostüme, dazu Räume, in denen gerade Dreharbeiten vorbereitet werden und darum Fotoverbot herrscht.

So sehenswert die Ausstellungsstücke aus fast 100 Jahren Filmgeschichte sind, Glamour darf man hier keinen erwarten, im Gegenteil, die ganze Präsentation ist eher lieblos. Eine Halle voller Oldtimer, darunter Vorkriegsmodelle, alle mit ihren eigenen, abenteuerlichen Geschichten – aber so eng geparkt, mit Pollern umstellt und von Gegenlicht beschienen, dass man sie kaum fotografieren kann.

Vielleicht können die Mosfilm-Kulissenbauer, die von Stadtwohnung bis Palast so ziemlich alles zusammendübeln können, ja mal eine richtige Ausstellungshalle bauen? Bis dahin lohnt sich der Besuch wegen der Geschichten, die man auf der Tour so erzählt bekommt – und für die Gelegenheit, einmal durchs historische Moskau, Berlin und Paris zu gehen, während der Wind die Schaumstoff-Glocken im Turm der Kulissenkirche schaukeln lässt.

Moscow Blogger Meet-Up

Drei Wochen nicht in Moskau, das ist wie kleine Semesterferien, einschließlich dem Gefühl bei der Rückkehr, hier allmählich wohl wirklich dazuzugehören. Freunde zufällig im Supermarkt treffen, in der Metro eine Abkürzung kennen, beim Trinkwasserbestellen eine Kundennummer haben und bei der Chorprobe die Liste anschaulicher, wenn auch nicht unbedingt schmeichelhafter Dirigentenkommentare fortschreiben: „Ihr solltet wie Engel klingen, aber ihr klingt wie ein Zahnarztbohrer.“ Echt, Soprane! Dem Alt wäre das nie passiert.

Und dann die Einladung von Polly, der wahrscheinlich fleißigsten Bloggerin der Stadt, die nebenbei gerade noch eine Reisezeitschrift auf die Beine gestellt hat: Komm, wir machen mal ein Bloggertreffen. Moscow Blogger Meet-Up, im Re:Forma, einem der vielen Moskauer Anticafés.

home-office-336373_1280Wir sind acht, alle Frauen, alle bis auf eine bloggen auf Englisch. Und es ist, von Anfang an, genau richtig. „Ach, Du bist doch die mit ihrem eigenen Oligarchen!“ – „Von Deinem Blog hab ich mir die ganzen Einkaufszettel-Vorlagen runtergeladen, eine große Hilfe.“ – „Wirkt das nur so oder bist Du ständig auf Reisen?“

Kuchen und Linktipps. Restauranthinweise und Ausflugspläne. Unverhoffte gemeinsame Bekannte und Vokabeln quer durch die Sprachen („Sagt ihr auf Deutsch wirklich ‚Blümchensex‘?“). Ich glaube, wir haben zwei Stunden am Stück durchgequatscht, oft auch gleichzeitig.

Was jetzt auch heißt, dass der schon ewig halbfertige Blogpost mit Moskauer Blog-Tipps nun endgültig keinen Grund mehr hat, weiter aufgeschoben zu werden, sondern hier noch diesen Monat veröffentlicht wird. Echt jetzt.

Also, Jessica, Sarah, Lisa, Anna, Polly, Kate und Jennifer: Danke für den Anfang. Zu euch gehör ich gerne.

(Foto: Pixabay)