Das British Museum ist das einzig wahre WM-Orakel

Wenig an der Fußball-Weltmeisterschaft ist so nervig wie die diversen Orakel. Wie schön, wenn sich das erledigt hätte, jetzt wo Paul selig im Tintenfischhimmel ist, aber nein: Pinguine, Schildkröten, Gürteltiere müssen herhalten für die Vorhersage.

Als bestes Orakel hat sich beim Spiel Deutschland-Portugal allerdings eine Institution entpuppt, die den Anspruch selbst gar nicht erhebt: das British Museum. Vom Stein von Rosette über den Lindow Man bis zu den Elgin Marbles gibt es Gründe satt, bei jedem London-Besuch dorthin zu gehen – und dann haben wir noch gar nicht über das Gefühl gesprochen, wenn man im Innenhof steht und durch die Glasdecke von Sir Norman Foster nach oben guckt. Hach.

Jedenfalls. Das British Museum hat einen riesigen Fundus, mit Weltberühmtem und weniger Bekanntem. Und während der WM hat sich ein kluger Social-Media-Mensch nun überlegt, zu jeder Begegnung die passenden Stücke aus dem Bestand zu twittern. Immer als Duo, eins pro Land der jeweiligen Begegnung.

Eine klasse Idee, die überraschend gut funktioniert und sich gar nicht zurechtgebogen anfühlt. Stattdessen macht es Spaß, Parallelen unter den Exponaten zu entdecken und über Unterschiede zu sinnieren:

Mit dem Tweet vor dem Anpfiff des Deutschland-Portugal-Spiels jedenfalls beweist das British Museum seherische Fähigkeiten. Denn welche Chancen hat schon ein Obstverkäufer gegen ein Nashorn?

Der bisher schönste Tweet des Tages (III)

…ist dieser hier. Auch, wenn er schon ein paar Tage alt ist – und auf den ersten Blick kryptisch. Trotzdem. Wirklich.

Warum, zeigt sich erst im Zusammenhang mit den drei Tweets, die bisher über diesen Account veröffentlicht wurden. Man beachte den Abstand zwischen dem vorletzten Tweet und dem aktuellen.


Und während ich noch staune über so viel Hingabe und Geduld für eine einzige Pointe (ob sich Frank Furter eine Erinnerung im Kalender eigestellt hat?), hat David Weiner schon auf den Punkt gebracht, was da gerade passiert ist.

Wer jetzt noch nicht die Stimme eines ’sweet transvestite from Transsexual, Transylvania‘ im Ohr hat, für den hier noch mal kurz der Clip.

Warten lohnt sich eben.

Gesichter des #euromaidan

Was Douglas Adams die Kondome sind, das ist Clare Balding der #Sochitrolley

Anfang der Neunziger hat Douglas Adams in Göttingen aus „Last Chance To See“ gelesen, seinem Buch über bedrohte Tierarten. In einer Anekdote geht es um Delphine im Jangtsekiang. Adams ist mit einem Fernsehteam unterwegs und will Unterwasseraufnahmen machen, um zu verdeutlichen, wie laut es dort im Fluss ist – die Delphine macht der Lärm orientierungslos.

Der BBC-Toningeneur hat kein Unterwassermikro dabei, aber eine Idee. Mit einem Kondom soll ein normales Mikro wasserdicht gemacht werden. Also: Kondomkaufen in Shanghai, ohne Chinesischkenntnisse. Mit Pantomime können sie ihr Anliegen zwar vermitteln, bekommen aber statt Kondomen Verhütungspillen ausgehändigt.

„Not want rubberover, pill better!“ – „No“, Mark said, „we definitely want rubberover, not pills.“ – „Why want rubberover? Pill better!“ – „You tell him“, said Mark. „It’s to record dolphins“, I said, „or, not the actual dolphins, in fact – what we want to record is the noise in the Yangtze that… it’s to do with the microphone…“ – „Oh, just tell him you want to fuck somebody“, he said, „and you can’t wait.“

Am Ende kaufen sie neun Kondome, sicherheitshalber. Die Unterwasseraufnahme gelingt.

Was eine ziemlich lange Anekdote ist, um zu vermitteln, wie kreativ gerade Fernsehleute bei Einsätzen manchmal sein müssen. Und seit gestern weiß ich, wer die legitimen Nachfolgen von Douglas Adams und seinem BBC-Team sind: Reporterin Clare Balding und ihr Team – auch von der BBC. Sie sind in Sochi im Einsatz, samt Arbeitsgerät: dem Sochitrolley.

Irgendeinem Supermarkt fehlt jetzt ein Einkaufswagen. Dafür hat das BBC-Team eine eigene Schaltzentrale auf Rädern, mit Scheinwerfern, Monitor, Getränkehalter, Rucksackhaken, BBC-Logo, Regenschirmen – ein Einsatzwagen. Und neuerdings auch ein Renner bei Twitter.

Mehr als 2500 Tweets mit dem Hashtag #Sochitrolley gab es in den ersten 24 Stunden, seit der Trolley erstmals erwähnt und gezeigt wurde, mindestens einmal war der Begriff auch schon trending topic.

Ziemlich sympathisch, dieser Spaß am Improvisieren und am Möglichmachen. Und klar, dass die BBC nun regelmäßig dafür sorgt, dass der Einkaufswagen im Bild ist. Mal sehen, wie lange der Ruhm des #Sochitrolley noch reicht – der Nachfolger lauert schon.

Sotschi 2014 – das twittern die Freiwilligen

Noch eine Woche bis zum Beginn der Winterspiele in Sotschi. Kann sein, dass die ein oder andere Baustelle noch ein bisschen Armschmalz braucht. Kann sein, dass sich das Wetter noch nicht so recht auf Schnee eingependelt hat. Kann sein, dass auch Geldabzweigen eine olympische Disziplin ist.

Fest steht jedenfalls, dass in diesen Tagen die Freiwilligen in Sotschi eintrudeln. Helfen, Lächeln, Wege weisen – sie machen einen Job, der Aufstiegschancen bis in den Hochadel bietet. Theoretisch.

Praktisch scheint das Freiwilligenleben eine Woche vor dem Start vor allem aus Orga zu bestehen. Gabriele Cesarini will aus Italien anreisen, aber seine Flüge wurden gestrichen. Kimberly Evering aus den USA packt gerade für ihre zweiten Volunteer-Einsatz nach den Spielen in Vancouver.

Isma Monfort aus Spanien ist schon vor Ort, er wird im Pressezentrum helfen. Er twittert nicht nur, sondern sammelt auch auf Tumblr Eindrücke vom Leben in Sotschi: „Keine besonders schöne Stadt“, schreibt er dort lakonisch. Infos zur Eröffnungsfeier, Beispiele fürs russische Kantinenessen, der phonetische Spicker für Freiwillige, die kein Englisch sprechen – Monfort liefert reichlich Details.

Wer Daniel Ustjan folgt, bekommt einen Sotschi-Countdown in Instagram-Bildern. Alexandra Schupahina gehört zu den fleißigsten Twitterern unter den Volunteers – und hat offenbar einen guten Blick auf das deutsche Haus in Sotschi:

Und wer sich das Grauen, das die offiziellen Outfits sind, noch mal kurz vor Augen führen möchte, ist bei Yvonne Batal richtig:


Eine kleine Liste twitternder Olympia-Freiwilliger gibt es hier
. Über Tipps zur Ergänzung freue ich mich.

#Massivemoscowmove – zum Abschied ein Candystorm

Abschied ist, wenn ansonsten dialektfreie Kollegen einen plötzlich „Spatzerl“ nennen. Wenn alle gucken, wer als erster weint. Wenn ein tapferer Video-Mann Abschiedsgrüße auf „Wind of Change“ zusammenschneidet. Und wenn sich Kollegen und Freunde bei Twitter unter einem gemeinsamen Hashtag versammeln. Ich würde mehr dazu bloggen, bin aber ausgelastet mit Rührung. Außerdem sprechen die Tweets eh für sich. Danke allen, die mitgemacht haben!


Spaß mit Facebook und dem BVB

Als Schalke-Fan den Tag mit einem Text über den BVB zu beginnen, sucht man sich nicht einfach so aus. Aber was Sebastian Cario da in seinem Blog thematisiert hat, betrifft nun mal viele Leute: Wer immer einen Link zur Homepage von Borussia Dortmund bei Facebook posten will, bekommt seit gestern Abend eine Fehlermeldung.

Sachlage beschreiben, Stimmen sammeln, mit dem BVB sprechen. Bei der Grafik (wo gerade ein BVB-Fan Dienst hat) eine schnelle Montage bestellen und dann alles zu einem Artikel zusammenführen. Das war der einfache Teil.

Der schwere Teil: diesen Artikel weiter verbreiten. Kein Problem bei Twitter und bei Google plus, bloß bei Facebook: Fehlermeldung. Geguckt, ob im Text auch nirgends auf die BVB-Homepage verlinkt ist, noch mal versucht: Fehlermeldung. Link durch den Facebook-Debugger gejagt: Fehlermeldung. Den Begleittext zum Link so verändert, dass nicht mehr die Facebookseite von Borussia Dortmund getaggt ist: Fehlermeldung. Statt auf den Artikel auf unsere BVB-Themenseite verlinkt: Fehlermeldung. Stattdessen auf den Tweet verlinkt oder auf unser Profil bei Google plus: Fehlermeldung. Nur einen Text zur Sachlage posten, mit einem Tipp, wie man an den Link kommt: ja, genau. Fehlermeldung.

Aus dem Stand kann ich mir das nur so erklären, dass bei gesperrten Seiten bestimmte Keywords zu der Seite mit gesperrt werden. Denn das mit der Fehlermeldung hat erst aufgehört, als nicht nur der Link fehlte, sondern auch die Worte „Facebook“, „Borussia Dortmund“, „BVB“ und „blockiert“ nicht mehr im Post vorkamen. (Wenn jemand eine bessere Erklärung hat, immer her damit.)

Nun denn, Faceboook: Danke für die sportliche Herausforderung. Wir machen das dann mal so.

Update: Seit etwa 12 Uhr lässt sich der Text bei Facebook posten.

Wartezeit überbrücken mit #FakeNobelDelayReasons

Während die Verkündigung des Physik-Nobelpreises in Stockholm in Viertelstundenhäppchen nach hinten verschoben wird, gibt es bei Twitter als Zeitvertreib die #FakeNobelDelayReasons. Denn dass es nur daran liegt, dass man einen Preisträger noch nicht ans Telefon bekommen hat, ist viel zu wahr, um schön zu sein. Hier ein paar ausgewählte bessere Gründe.

Respekt, Kollegen! Und, der schönste von allen:

There’s a special place on Twitter for Madeleine Albright

Von den Dreharbeiten zur ersten Staffel von „The West Wing“ wird kolportiert: Der Dreh war nachts, er war laut, und plötzlich stand dem Team rund um Autor Aaron Sorkin eine Dame im Bademantel gegenüber. Was denn der Lärm solle, sie brauche ihren Schlaf, wichtiger Termin morgen früh. Ach, Aufnahmen für „The West Wing“? Der Serie fehle ja wohl eine hochrangige Politikerin, sagen wir mal, eine Außenministerin. In der nächsten „West Wing“-Staffel gab es dann die Rolle der NSA-Chefin Nancy McNally.

Die Frau im Bademantel war Madeleine Albright, und wer an einem Ort lebt, wo man die frühere US-Außenministerin nicht einfach schlaftrunken auf der Straße antrifft, hat als zweitbeste Möglichkeit nun Twitter, wo Albright von der Gründerin der Huffington Post gleich mit einem passenden Zitat (mehr dazu hier oder hier) begrüßt wurde:

Seit dem Tag nach der Bundestagswahl twittert Albright – das ist noch nicht lang, aber es hat schon für ein paar sehr unterhaltsame Tweets gereicht. Sie überlegt, Henry Kissinger zu Twitter zu locken, postet ein Video, auf dem sie den Trompeter Chris Botti am Schlagzeug begleitet.

Am interessanten aber ist ihr Schulzeugnis anno 1952, als Albright 15 war: „Gut in Englisch, bis auf die Zeichensetzung“, ausgezeichnet in Geschichte, aber in Französisch nur mittelprächtig – Madeleine soll mehr auf die richtigen Formen achten. „Sie übernimmt Verantwortung in der Gruppe für Internationale Beziehungen“, heißt es dann noch. Der Rest ist Geschichte.

(Sowas Ähnliches wie dieser Text stand auch als „Netzhaut“-Kolumne in der Wochenendbeilage der WAZ.)