Dann halt was mit Medien

Despite having a first-class degree and having read an unfeasibly large number of books, it began to dawn on me that I couldn’t really do anything. I couldn’t sing, act, tell jokes, play any musical instrument, hit, kick or catch a ball, run for more than a few yards without panting, speak another language, or assemble things without them falling apart immediately. I was a scientifically illiterate innocent with the entrepreneurial instincts of a thirteenth-century peasant and the iron determination of a butterfly. Journalism seemed the only option.

(Andrew Marr, „My Trade“)

Was man in einer Woche Moskau lernen kann

  • Das Gefühl in der Nase, wenn man bei -27 Grad aus der Haustür tritt – als hätte man den ganzen Tag Staub eingeatmet oder spontan alle Nasenschleimhäute voller Schorf: Das sind die Nasenhaare, die gerade kollektiv gefroren sind.
  • Mit warmen Fingern die Nase zusammendrücken und sie taut wieder auf. Nachteil: Dazu muss man die Handschuhe ausziehen.
  • Sieben Kleidungsschichten übereinander passen durchaus unter eine gängige deutsche Winterjacke.
  • Genau so wichtig wie das Warmanziehen ist es auch, ein paar Dinge möglichst schnell wieder ausziehen zu können. Schließlich ist die Metro voll und gut geheizt.
    Park Pobedy, der Siegespark. Die U-Bahn-Station darunter hat die angeblich längste Rolltreppe Europas.
    Park Pobedy, der Siegespark. Die U-Bahn-Station darunter hat die angeblich längste Rolltreppe Europas.
  • Apropos Metro: Gerade ist hier eine neue Linie eingeweiht worden, sie verbindet unsere Haltestelle Wystawotschnaja mit dem Park Pobedy. Das ermöglicht einen schlauen Schlenker stadtauswärts, um dann beim Stadteinwärtsfahren einen garantierten Sitzplatz zu haben.
  • Und apropos geheizt: Winterwetter + Heizwahn = 50 Grad Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen. Zum Vergleich: Zwischen Wüstenhitze in Las Vegas und Hotel-Klimaanlage am amerikanischen Anschlag sind es bestenfalls 30 Grad.
  • Möglicherweise wurde dieses ganze Russland nur erfunden, um uns Deutschen vor Augen zu führen, wie deutsch wir sind. Zwei 250-ml-Flaschen vom selben Shampoo kosten in unserem Supermarkt „Grüne Kreuzung“ weniger als eine 500-ml-Flasche. Anarchie!
  • Auch eine 16-Millionen-Metropole kann ein Kaff sein: In zwei Chören probegesungen, an zwei Enden der Stadt. Beide hatten denselben Pianisten, im selben Pulli.
  • Diese Bretter, die da am Wäscheständer hängen? Das sind T-Shirts. Ja, das Wasser ist hier so hart.
  • Wenn das Kino direkt gegenüber Deiner Haustür ist, heißt das gar nichts. Moskau gehört den Autos, also lauf gefälligst 500 Meter die Straße entlang bis zur nächsten Unterführung. Dann durch. Dann zurück bis zum Kino. (Hat sich für „Inside Llewyn Davis“ aber gelohnt.)
  • Sotschi 2014 – das twittern die Freiwilligen

    Noch eine Woche bis zum Beginn der Winterspiele in Sotschi. Kann sein, dass die ein oder andere Baustelle noch ein bisschen Armschmalz braucht. Kann sein, dass sich das Wetter noch nicht so recht auf Schnee eingependelt hat. Kann sein, dass auch Geldabzweigen eine olympische Disziplin ist.

    Fest steht jedenfalls, dass in diesen Tagen die Freiwilligen in Sotschi eintrudeln. Helfen, Lächeln, Wege weisen – sie machen einen Job, der Aufstiegschancen bis in den Hochadel bietet. Theoretisch.

    Praktisch scheint das Freiwilligenleben eine Woche vor dem Start vor allem aus Orga zu bestehen. Gabriele Cesarini will aus Italien anreisen, aber seine Flüge wurden gestrichen. Kimberly Evering aus den USA packt gerade für ihre zweiten Volunteer-Einsatz nach den Spielen in Vancouver.

    Isma Monfort aus Spanien ist schon vor Ort, er wird im Pressezentrum helfen. Er twittert nicht nur, sondern sammelt auch auf Tumblr Eindrücke vom Leben in Sotschi: „Keine besonders schöne Stadt“, schreibt er dort lakonisch. Infos zur Eröffnungsfeier, Beispiele fürs russische Kantinenessen, der phonetische Spicker für Freiwillige, die kein Englisch sprechen – Monfort liefert reichlich Details.

    Wer Daniel Ustjan folgt, bekommt einen Sotschi-Countdown in Instagram-Bildern. Alexandra Schupahina gehört zu den fleißigsten Twitterern unter den Volunteers – und hat offenbar einen guten Blick auf das deutsche Haus in Sotschi:

    Und wer sich das Grauen, das die offiziellen Outfits sind, noch mal kurz vor Augen führen möchte, ist bei Yvonne Batal richtig:


    Eine kleine Liste twitternder Olympia-Freiwilliger gibt es hier
    . Über Tipps zur Ergänzung freue ich mich.

    Skin So Soft, oder: Nennt mich Avon-Lady

    Was bleibt beim Aufbruch Richtung Moskau: Gummi-Reste, wenn man den Wohnzimmerteppich aufrollt. Fast auf der ganzen Größe bleibt die Rückseite des Teppichs am Laminat kleben. Zu viel, um es mit den Fingernägeln abzuknibbeln. Zu riskant, um es mit Wasser zu versuchen. Ob Fett hilft? Ja, Bodylotion bringt erste Erfolge – aber wie trägt man die jetzt auf so eine Fläche auf?

    Zeit für einen kleinen Exkurs in die Geschichte der Körperpflege-Produkte.

    Avon-Kosmetik wird traditionell zuhause verkauft, von adretten, freundlichen Avon-Beraterinnen. Alles sehr Fünfzigerjahre. Was vielleicht erklärt, warum ich das einzige Avon-Produkt meines Lebens erst mit 36 gekauft habe, auf einem Leuchtturm in Schottland. Denn da standen sie, neben Postkarten und Keksen: ein halbes Dutzend Fläschchen „Skin So Soft“. Direkt nach Nessie ist dieses Sprühzeugs der größte Mythos der Highlands: Ihm sagt man nach, das einzig wirksame Mittel gegen die fiesen einheimischen Mücken zu sein. 

    avon skin so softDie Mythenbildung findet nicht nur in allerlei Foren statt (hier, hier und hier zum Beispiel). Selbst „The Scotsman“ berichtet über das angebliche Wundermittel von Avon und zitiert immerhin einen Sprecher der Royal Navy: „Es gehört zwar nicht zur offiziellen Austattung. Aber nichts funktioniert besser, und die Marinesoldaten kaufen es sich selbst.“ Und die, so der Scotsman, sind immerhin für die britischen Atomwaffen zuständig.

    Auch bei uns hat das Zeug gewirkt – keine weiteren Mückenstiche. Das mag daran liegen, dass „Skin So Soft“ sich auf dem Geruchsspektrum irgendwo zwischen „Ömchen“ und „polnische Praline“ befindet – plausibel, dass Mücken sowas nicht mögen. Jedenfalls steht seitdem diese Sprühflasche im Bad. Das heißt, sie stand, bis zu der Nummer mit dem Teppich.

    Drei Tage lang habe ich alle paar Stunden „Skin So Soft“ auf das Gummizeugs gesprüht. Dann das eingeweichte Gummi abgerubbelt. Dann wieder gesprüht. Dann gerubbelt. Und dabei die Bummsbirnen von Ikea für ihren Teppich verflucht. Aber immerhin: Es hat geklappt. Skin so soft, Gummi so weg.

    Was für eine Erfindung: ein Kosmetikprodukt, das gegen Mücken und Klebegummi wirkt. Nennt mich Avon-Lady.

    #Massivemoscowmove – zum Abschied ein Candystorm

    Abschied ist, wenn ansonsten dialektfreie Kollegen einen plötzlich „Spatzerl“ nennen. Wenn alle gucken, wer als erster weint. Wenn ein tapferer Video-Mann Abschiedsgrüße auf „Wind of Change“ zusammenschneidet. Und wenn sich Kollegen und Freunde bei Twitter unter einem gemeinsamen Hashtag versammeln. Ich würde mehr dazu bloggen, bin aber ausgelastet mit Rührung. Außerdem sprechen die Tweets eh für sich. Danke allen, die mitgemacht haben!


    Sightsmap zeigt Dortmunds meistfotografierte Orte

    Treffen sich zwei Datensätze. Der eine aus Google Maps, der andere aus Googles Foto-Sharingseite Panoramio. Zusammen entsteht daraus Sightsmap, eine Heatmap der meistfotografierten Orte der Welt.

    Immer, wenn bei Panoramio jemand zu seinem Bild auch Geodaten angibt, trägt er ein Pixel mehr Farbe zur Sightsmap bei. Über Lila, Rot und Orange bis hin zu Knatschgelb an den Orten, wo Fotografen am aktivsten sind.

    Also einmal ganz rauszoomen und Überblick verschaffen: Im Herzen von Afrika ist es finster (wenige Fotos oder nur wenige Panoramio-Nutzer?), in den USA ziehen sich schmale gelbe Streifen an beiden Küsten hoch. Auch Neuseeland, Japan, die Ostküsten von Australien und China leuchten. Aber nirgends ist es so strahlend gelb wie in Mitteleuropa.

    Mit ein bisschen Gefrickel lässt sich der Kartenausschnitt auch einbetten – so wie hier die meistfotografierten Orte in Dortmund. Dass unter den Top Ten auch so Perlen wie das Vapiano am Hansaplatz liegen, deutet auf kleine absolute Zahlen an Fotos. Interessant ist dir Motivauswahl trotzdem.


    Größere Kartenansicht

    So lange der Name nicht allzu verwechelbar ist (Springfield dürfte schwierig werden), lässt sich die Kartenansicht für eine einzelne Stadt immer nach demselben Prinzip aufrufen: http://www.sightsmap.com/stadtname.

    Blogstatistik 2013 – ihr sucht was?

    Träge auf der Couch hängen und in der WordPress-Statistik rumtauchen – so ist das halt, zwischen den Jahren. Damit ihr auch was davon habt steht unten eine Auswahl der Dinge, die Menschen in Suchmaschinen eigegeben haben und damit hier im Blog gelandet sind.

    WordPress listet diese Suchbegriffe nicht nur auf, es sortiert sie auch, danach, wie oft sie einen Suchenden auf kscheib.de geführt haben. Die schönsten, weil abwegigsten, stehen dabei am untersten Ende der Skala – jeder nur mit einer einzigen Suchanfrage. Wo ich ihn weiß, hab ich den Grund für den Treffer verlinkt.

    Hintereinander gereiht taugen sie als moderne Lyrik – oder einfach als kleine Erinnerung daran, wie vielfältig das Leben so ist.

  • wie wird woolworth ausgesprochen
  • schweinefüsse exportieren
  • schmutzige gedanken
  • possesivpronomen übungen
  • sachen die man online lernen kann
  • ich möcjte chinesisch zeichen auf malen undd goggle mus s deutdch übersetzen
  • käsebrot gedicht
  • chinesen schlafen ikea
  • pferde längliches format
  • sex pflichttag ehe
  • eidechsen auf dem zürcher hauptbahnhof
  • clotted cream
  • 3te brustwarze
  • menschenfleisch suchma
  • tom buhrow kommunismus
  • unmögliche wortspiele
  • raufaserwerbung im hörfunk
  • geschichte über tischtennisbaelle
  • wie kan ich einen panda bär adoptieren
  • who played in sissi graf andrasy
  • 2013 – das Jahr in Büchern

    Lesetoff 2013 - die Bücher, die fehlen, waren Leihgaben oder sind gerade verliehen.
    Lesetoff 2013 – was fehlt, war geliehen oder ist gerade verliehen.

    Ein gutes Lesejahr, dieses 2013. Mit ausreichend Gelegenheit, neue Titel alter Lieblingsautoren zu lesen. Mit ein paar Neuentdeckungen, an denen ich dranbleiben will. Und, gottseidank, mit so gut wie keinen Totalausfällen, sondern nur ein paar mittelprächtigen Kandidaten.

    Darum hier, grob chronologisch: meine Bücherliste des Jahres, inspiriert von der Kaltmamsell, deren Leselisten ich seit Jahren bewundere. Die verlinkten Titel kann ich guten Gewissens weiterempfehlen. Die anderen finden sicher auch ihre Leser, aber ich möchte nicht für sie haften. Eine kurze Begründung lässt sich jeweils per Klick ausklappen.

    “The Innocent” von Ian McEwan.
    Zwei Drittel mit der gleichen Hingabe gelesen wie jedes Buch von ihm. Ach, die Figuren! Ach, die Sprache! Ach, das Leben als Geheimdienstler, kein Stück glamourös, eher auf Sachbearbeiter-Niveau. Dann vom großen Wendepunkt komplett genervt, weil er so unvermittelt reingeschoben wirkt. Einige Seiten eher quergelesen und am Ende auch nur so halb versöhnt gewesen. McEwan sieht das mit dem Wendepunkt im Rückblick übrigens ähnlich.
    “Only Beautiful, Please” von John Everard.
    Alltag im bestabgeschottetsten Land der Welt – John Everard berichtet aus der Zeit (2008 bis 2010), als er britischer Botschafter in Nordkorea war. Gedanklich wie sprachlich stellenweise leider manchmal arg schlicht, trotzdem ein Einblick, wie man ihn selten bekommt. Welches Argument da nun schwerer wiegt, muss jeder selbst entscheiden.
    “On China” von Henry Kissinger.
    So ein absurd großes Projekt, ganz China zu erklären, und dann auch noch chronologisch – das hätte verdammt drüsch werden können. Und wurde genau das Gegenteil. Struktur und Sprache, Dönekes und Analyse, bei „On China“ passt alles. Extrem lesenswert, egal, ob man Kissingers politische Haltung teilt oder nicht.
    “Zehn” von Franka Potente.
    Was hängenbleibt: die am culture clash gescheiterte Liebe zwischen einem Japaner und der schönen Skandinavierin Ingeborg. Der sterbende Herr Masamori, der auf seinem letzten Weg von einem sanftmütigen TV-Wrestler begleitet wird. Viele andere Geschichten waren mir aber zu zeigefingerig, zu sehr “Landeskunde: Japan”.
    “The Orphan Master’s Son” von Adam Johnson.
    Wie ein Buch gleichzeitig so leicht und so grausam sein kann, ist schwer zu verstehen. Manche Folter-Szenen sind mir Wochen später noch eingefallen, so eindringlich, dass ich die Arme verschränken musste, um mich nicht so ungeschützt zu fühlen. Das Wortspiel mit dem Namen des Protagonisten hab ich (im Gegensatz zu gefühlt jedem Rezensenten) erst begriffen, als es im Buch thematisiert wurde. Egal. „The Orphan Master’s Son“ war für mich eines der Bücher des Jahres.
    “Was denkt China” von Mark Leonard.
    Dieses “ich ich ich” des Autors die ganze Zeit nervt und hemmt beim Lesen. Trotzdem kann man das Buch mal in die Hand nehmen, wenn man sich für China interessiert (und den Kissinger von weiter oben schon durch hat).
    “A Billion Wicked Thoughts” von Ogi Ogas und Sai Gaddam.
    Kurzweilig, populärwissenschschaftlich, detailliert. Mehr, als ich jemals über Sex und das Internet wissen wollte – taugt für einen langen Party-Abend als Smalltalk. Schon allein, um der deutschen Fassung ihre dümmliche Verkaufe nicht durchgehen zu lassen, sollte man dieses Buch im Original lesen. Mehr hier.
    “Sweet Tooth” von Ian McEwan.
    Noch mal McEwan, noch mal eine Spionage-Geschichte. Diesmal aber, im Gegensatz zu „The Innocent“, rundum gelungen. Und dann, wenn schon alles erzählt zu sein scheint, hat „Sweet Tooth“ noch eine Pointe, die das komplette Buch auf den Kopf stellt. Lesen!
    “A Concise Chinese-English Dictionary For Lovers” von Xiaolu Guo.
    Wie weit genau hat Amy Tan dieses Buch gelesen, eh sie das lobende Zitat fürs Cover gespendet hat? Für mich hat sich das genau so künstlich angefühlt, wie es hier steht. (Dieser Link ist die Ausnahme zur Regel, also keine Empfehlung. Aber die Kritik im Guardian trifft’s einfach so gut.)
    “The Great Gatsby” von F. Scott Fitzgerald.
    Liest sich wie die amerikanische Variante von “Room At The Top”, was natürlich Quatsch ist, weil Gatsby zuerst da war. Und ja, das ist sicher tolle Literatur, aber ich hatte die ganze Zeit so ein Gefühl von “Aha, Autor, ich sehe, was Du gerade tust.” War wohl ein Literaturwissenschaften-Seminar zu viel.
    “Memories, Dreams and Reflections” von Marianne Faithfull.
    Was für ein Null-Titel. Menschen, Tiere, Sensationen. Das Buch fühlt sich dann auch an wie ein Interview, bei dem anschließend die Fragen wegredigiert wurden. Nur was für Hardcore-Fans.
    “Tausend Jahre frommes Beten” von Yiyun Li.
    Auf gut Glück in der Redaktion mitgenommen, weil ein Kollege es aussortiert hatte. In einem Rutsch alle zehn Geschichten gelesen und genossen. “Tausend Jahre frommes Beten” hat sich deutlich stimmiger angefühlt als “Zehn” (s.o.)
    “Play It Again” von Alan Rusbrider.
    Als Chefredakteur des Guardian ist Alan Rusbridger gut ausgelastet. Trotzdem gibt er sich ein Jahr Zeit, Chopins Ballade Nr. 1 auf dem Klavier einzustudieren. Das bedeutet unter anderem Üben am Klavier einers Hotel mitten im libyschen Bürgerkrieg und Gespräche mit Menschen wie Condoleezza Rice übers Klavuíerspielen in ihrer Suite im Adlon. Und daneben die Redaktionsarbeit, mit dem Guardian ganz vorne bei der Berichterstattung zu WikiLeaks.
    So viele Gründe, dieses Buch zu lesen: Weil man Journalist ist. Weil man Onliner ist. Weil man Musik liebt. Weil man gerne Hintergründiges zu Wikileaks und zur Zusammenarbeit mit Julian Assange wissen will. Weil man in irgendetwas Amateur ist und trotzdem versucht, es so gut wie möglich zu können.
    Das Internet hat uns die Debatte darüber gebracht, welchen Beitrag Nicht-Journalisten zur Öffentlichkeit leisten. Anhand von „Play it Again“ kann man noch einen Schritt abstrakter über Amateurmusiker, Amateursportler, Amateurblogger nachdenken. Und über den Wert, etwas so gut wie möglich zu tun, auch wenn man nie zu den Besten gehören wird. (Das Ergebnis als Video: Alan Rusbridger spielt die Ballade Nr.1.)
    “Dear Lupin” von Charlie Mortimer.
    So, wie man sich Schulbuch-England vor ein paar Jahrzehnten vorstellt. Bisschen Klassengesellschaft, bisschen Rebellion, bisschen Exzentrik. All das als Briefwechsel. Kann man gut mal im Zug lesen, aber vermutlich kein zweites Mal.
    “Standing In Another Man’s Grave” von Ian Rankin.
    Endlich wieder ein Rebus, und dann auch noch ein richtig guter! Eigentlich war Ian Rankins Ermittler schon pensioniert, jetzt darf er noch mal ermitten. Und bewegt sich in einer Welt, die nur noch bedingt seine ist (Handyfotos, Internet) trotzdem so, dass es nicht krampfig wirkt.
    “The Last Girlfriend On Earth” von Simon Rich.
    Boy Meets Girl. Boy Gets Girl. Boy Loses Girl. Eine Frechheit, dass jemand so Junges wie Simon Rich so clever und pointiert schreiben kann. Bei manchen seiner Geschichten merkt man, dass er mal für „Saturday Night Live“ gearbeitet hat. Eine Leseprobe gibt’s hier.
    “The Fault In Our Stars” von John Green.
    Möglicherweise ein Jugendbuch. Taugt aber – wie “The Curious Incident Of The Dog In The Night-Time” oder “Harry Potter” – auch für Erwachsene. Es gab ein paar Wochen, in denen das mehrere Kollegen in der Redaktion gelesen haben, und alle hatten wir früher oder später Pippi inne Augen. “The world is not a wish-granting factory.” Indeed.
    “All Them Cornfields And Ballet In The Evening” von John Miller.
    Berichte aus dem Leben eines Moskau-Korrespondenten zu Zeiten der Sowjetunion. Lesenswert für die Anekdoten, leider schlecht lektoriert und mit einem Erzähler, der als Kalter Krieger in permanenter Siegerpose rüberkommt. Das nervt.
    “Let’s Explore Diabetes with Owls” von David Sedaris.
    Australien ist Kanada in knapper Unterwäsche, eine Darmspiegelung, die ist lustig, und manche Sprachen klingen so hart, dass man sich fragt, ob es in ihnen überhaupt ein Wort für “Geburtstagstorte” gibt . Viel besser als der Vorgänger “Squirrel Seeks Chipmunk”. Und auch hier gibt es bei NPR eine Leseprobe.
    “Was zusammengehört” von Markus Feldenkirchen.
    Klassenfahrt-Liebesgeschichte, Bankenkrise, Irland, Mauerfall. Ein anfangs eher unsympathischer Bankerfuzzi, der einem dann bei seiner Reise in die eigene Vergangenheit doch nach und nach ans Herz wächst. Nachdem hier der Titel frei nach Willy Brandt ist und beim zweiten Feldenkirchen-Buch (s.u.) nach Adenauer, bin ich gespannt auf Nummer drei. Kleine Lesung hier.
    “Berlin – Baku” von Christiane Rösinger.
    Gut für Osteuropa-Interessierte, dieser Reisebericht von einer Autofahrt zum Eurovision Song Contest. Leicht, skurril, lakonisch. Kann man in einem Rutsch weglesen – und die Anekdoten dann weitererzählen. Das Video hier gibt eine gute Vorstellung vom Ton, in dem Christiane Rösinger schreibt. Schön.
    “Frühling der Barbaren” von Jonas Lüscher.
    Finanzkrise und Anarchie in der Wüste, wobei ein Kamel und die Grundregeln zivilisierten Zusammenlebens dran glauben müssen. Gelesen, genossen, seitdem schon mehrfach verschenkt. Mehr hier.
    “Trieb” von Jochen Rausch.
    Wenn ein Gerichtsprozess das Ende einer Geschichte ist, dann erzählt Jochen Rausch die Anfänge. Großartige Kurzgeschichten, von einem Abgrund zum nächsten. Ganz schön doof, das zwei Jahre ungelesen im Regal liegen zu haben.
    “Luzifer” von Connie Palmen.
    “Ganz der Ihre” hab ich vor ein paar Jahren gern gelesen, “Luzifer” ist sprachlich und handwerklich genau so gut gemacht. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass es unlauter ist, wie hier aus einer echten Begebenheit Literatur gemacht wird. Schlüsselroman in Ehren, aber das hat sich eher nach einer langen, übergriffigen Boulevardreportage angefühlt.
    “In Between the Sheets” von Ian McEwan.
    Eine Sammlung von Kurzgeschichten, Fingerübungen aus McEwans Anfangsjahren als Schriftsteller. Ein paar davon hat er später in “Sweet Tooth” (siehe oben) nochmal verwendet. Beides zu lesen und zu vergleichen, da lacht das Anglistenherz. Aber schon diese ersten Versionen sind so gut, dass sich „In Between the Sheets“ auch separat lohnt.
    “The Kid” von Dan Savage.
    Dan Savage ist Amerikas Kummerkastenonkel für Sex- und Beziehungsfragen aller Art. Unter anderem steckt er hinter der Initiative „It gets better„, hat den Begriff „monogamish“ geprägt und dafür gesorgt, dass Rick Santorum wahrscheinlich eher ungern seinen eigenen Nachnamen googelt. In „The Kid“ beschreibt er, wie er und sein Partner (heute Mann) Terry sich ein Kind wünschen, für den Bewerbungsprozess als Adoptiveltern ihre Beziehung schönlügen und schließlich tatsächlich Eltern werden. Lustig, rührend, politisch, ehrlich. Auch schon mehrfach erfolgreich weiterempfohlen.
    “Keine Experimente” von Markus Feldenkirchen.
    Im selben Urlaub von zwei Generationen Scheib-Frauen gelesen. Beide können es empfehlen. Nur Sauerländer Lokalpatrioten könnten bei „Keine Experimente“ seelischen Schaden nehmen.
    “Britten” von David Matthews.
    Zum Britten-Jahr ein gutes Einsteigerbuch, wenn man sich für Musik und Musikerpersönlichkeiten interessiert. Besonders interessant: alles zu Brittens Zusammenarbeit mit W.H. Auden und zu seiner Beziehung mit dem Tenor Peter Pears.
    “Russische Reise” von John Steinbeck und Robert Capa
    Ein Autor, der mal den Literaturnobelpreis bekommen sollte, und einer der besten Fotoreporter seiner Zeit reisen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Sowjetunion. Das ist genau so faszinierend, wie es klingt – mehr hier.
    “One Of Our Thursdays Is Missing” von Jasper Fforde
    Wer noch nichts von Jasper Fforde gelesen hat, fängt bitte so bald wie möglich mit „The Eyre Affair“ an. Denkt euch Douglas Adams, nur ohne Weltall, dafür mit Literatur, Parallelwelten, Wortspielen und geklonten Dodos. Und wirklich, wie kann man einen Autor nicht lieben, der ein jährliches Fest rund um seine Bücher die „Fforde Fiesta“ nennt? Und der nebenbei wahrscheinlich dafür sorgt, dass sich verpeilte Buchkäufer auf der Suche nach einem Mummyporn-Bestseller durch ein paar Hundert Seiten farbenfrohen dystopischen Roman lesen.
    “Der Freitag nach dem Freitag nach dem Sonntag” von Clare Sambrook
    Gelesen dank einer Empfehlung, und dann auch direkt an einem Tag durch. Guter Lesestoff fürs Flugzeug, weil die Geschichte von Harry, dessen kleiner Bruder Dan verschwindet, einen so reinzieht. Clare Sambrook nimmt man diese Kinderperspektive ab.
    “The Woman Who Died A Lot” von Jasper Fforde
    Direkt noch eine Folge „Thursday Next„. Klug wäre vermutlich gewesen, sich diesen Band fürs kommende Jahr aufzubewahren, damit die Zeit bis zum nächsten nicht so lang wird. Aber dazu sind die Bücher einfach zu gut.
    “Snobs” von Julian Fellowes
    Genau weiß ich immer noch nicht, was mir an dem Buch gefallen hat. Von den Figuren ist keine so richtig sympathisch, trotzdem will man wissen, wie es mit ihnen weitergeht. So richtig viel Plot gibt es aber auch gar nicht – eine Ehe, eine Trennung, eine Versöhnung, ansonsten viele Veranstaltungen, auf denen sich die feine Gesellschaft halt so rumtreibt. Die Handlung von „Pride and Prejudice“ hat mal jemand zusammengefasst als „man changes his manners and a young lady changes her mind“. Genau so geht es auch bei „Snobs“ nicht ums Was, sondern ums Wie – und das erzählt Julian Fellowes anschaulich und satirisch.
    “Unerlaubte Gespräche mit Moskauer Frauen” von Carola Hansson und Karin Liden
    Dafür, dass das Buch erst ein paar Jahrzehnte alt ist, hat es sich oft sehr weit weg angefühlt, was Ljala, Mascha, Lida und die anderen Moskauerinnen Ende der Siebziger heimlich zwei schwedischen Autorinnen erzählt haben: Von einer Gleichberechtigung, die bedeutet, dass Frauen natürlich berufstätig sind – in den schlechter bezahlten Jobs. Vom Haushalt, der genau so selbstverständlich Frauensache ist, zusätzlich zum Beruf und in einem System, in dem Einkaufen vor allem stundenlanges Anstehen bedeutet. Von kaum einer Chance, zu kontrollieren, ob sie schwanger werden: Kondome gibt es nur in schlechter, unzuverlässiger Qualität; die Spirale bekommt höchstens, wer Kontakte hat. Und die Pille, nein, da haben die meisten Moskauerinnen doch diese Geschichte gehört aus Deutschland, wo Frauen die Pille genommen und dann Kinder ohne Arme bekommen haben. Wo Informationen aus dem Ausland nur gefiltert zu bekommen sind, blühen die Gerüchte. Eindringliche Berichte, deren Mitschnitte heimlich aus dem Land geschmuggelt wurden.
    “The Sense of an Ending”von Julian Barnes
    Mein letzter Barnes („England, England“) ist schon ein paar Jahre her, mir war nur noch diffus in Erinnerung, dass das Buch klug und komplex war. Das ist „The Sense of an Ending“ auch, nur leider zu klug für mich. Dass es in dem Buch darum gehen soll, wie belastbar unsere Erinnerungen sind – erkannt. Dass der Erzähler zunehmend verschroben und weniger alltagstauglich wird – gemerkt. Dann allerdings habe ich ihm so misstraut, dass ich die Auflösung am Schluss gar nicht als solche erkannt habe – hätte genau so gut eine weitere seiner schrulligen Ideen sein können. Auch geduldige Erklärungen aus dem Freundeskreis (Danke, Kiki!) und die zahlreichen ergoogelten Leser, die von dem Buch ähnlich verwirrt haben, lassen den Frust nicht so recht verschwinden.
    “Map Addict”von Mike Parker
    100 Seiten weniger und das wäre ein klasse Buch für jedermann gewesen. So sind es viele interessante Fakten über Landkarten, ihre Geschichte, ihr Design, ihre Tricks und ihre bewussten Lügen. Mike Parker erzählt mit Leidenschaft bis hin zum Spleen – aber eben auch manchmal mit einer Detailtiefe, für die man wohl selber ein Map Addict sein muss, um sie würdigen zu können.

    Wer mit den Begründungen etwas anfangen kann, dringend widersprechen möchte oder Lesetipps für 2014 hat: Immer her damit in den Kommentaren!

    Danke für Buchempfehlungen an Andrea, Clare, Dorothee, James, Markus, Monika, Sabine, Stephan und Uli.