Ein selbstgemachtes Geschenk, von Freunden und Familie – drei Wochen vor dem Start nach Moskau. Kunst-Kollaboration trifft Dortmunder Lokalpatriotismus. Abschieds-Wehmut beginnt: jetzt.
Autor: Katrin Scheib
Blogstatistik 2013 – ihr sucht was?
Träge auf der Couch hängen und in der WordPress-Statistik rumtauchen – so ist das halt, zwischen den Jahren. Damit ihr auch was davon habt steht unten eine Auswahl der Dinge, die Menschen in Suchmaschinen eigegeben haben und damit hier im Blog gelandet sind.
WordPress listet diese Suchbegriffe nicht nur auf, es sortiert sie auch, danach, wie oft sie einen Suchenden auf kscheib.de geführt haben. Die schönsten, weil abwegigsten, stehen dabei am untersten Ende der Skala – jeder nur mit einer einzigen Suchanfrage. Wo ich ihn weiß, hab ich den Grund für den Treffer verlinkt.
Hintereinander gereiht taugen sie als moderne Lyrik – oder einfach als kleine Erinnerung daran, wie vielfältig das Leben so ist.
2013 – das Jahr in Büchern
Ein gutes Lesejahr, dieses 2013. Mit ausreichend Gelegenheit, neue Titel alter Lieblingsautoren zu lesen. Mit ein paar Neuentdeckungen, an denen ich dranbleiben will. Und, gottseidank, mit so gut wie keinen Totalausfällen, sondern nur ein paar mittelprächtigen Kandidaten.
Darum hier, grob chronologisch: meine Bücherliste des Jahres, inspiriert von der Kaltmamsell, deren Leselisten ich seit Jahren bewundere. Die verlinkten Titel kann ich guten Gewissens weiterempfehlen. Die anderen finden sicher auch ihre Leser, aber ich möchte nicht für sie haften. Eine kurze Begründung lässt sich jeweils per Klick ausklappen.
“The Innocent” von Ian McEwan.So viele Gründe, dieses Buch zu lesen: Weil man Journalist ist. Weil man Onliner ist. Weil man Musik liebt. Weil man gerne Hintergründiges zu Wikileaks und zur Zusammenarbeit mit Julian Assange wissen will. Weil man in irgendetwas Amateur ist und trotzdem versucht, es so gut wie möglich zu können.
Das Internet hat uns die Debatte darüber gebracht, welchen Beitrag Nicht-Journalisten zur Öffentlichkeit leisten. Anhand von „Play it Again“ kann man noch einen Schritt abstrakter über Amateurmusiker, Amateursportler, Amateurblogger nachdenken. Und über den Wert, etwas so gut wie möglich zu tun, auch wenn man nie zu den Besten gehören wird. (Das Ergebnis als Video: Alan Rusbridger spielt die Ballade Nr.1.)
Wer mit den Begründungen etwas anfangen kann, dringend widersprechen möchte oder Lesetipps für 2014 hat: Immer her damit in den Kommentaren!
Danke für Buchempfehlungen an Andrea, Clare, Dorothee, James, Markus, Monika, Sabine, Stephan und Uli.
Pou, das Häufchen fürs Handy
Da ist ein Häufchen auf meinem Handy. Ich habe dafür 1,79 Euro bezahlt. Nach einer Party, wie das halt so ist.
Familienfeier, ringsum Schwippschwiegercousinen und -cousins im Schüler- und Studentenalter. Sie haben Häufchen auf dem Handy und erzählen, was da alles geht: mit dem Häufchen spielen, damit es fröhlich ist. Es schlafen schicken, wenn es müde ist. Ihm Kleidung kaufen und die Wohnung tapezieren. Es füttern, bis das Häufchen ein Häufchenchen macht. Wie ein Tamagotchi (Ältere werden sich erinnern), nur halt bunter, und nicht ei-, sondern häufchenförmig. In braun.
Dass das Wesen – laut App-Beschreibung ein Alien – auch noch „Pou“ heißt zeigt allen, die Englisch sprechen, das Humorniveau der App-Entwickler: Seht, wir haben ihn endlich gefunden – den Weg, aus Scheiße Geld zu machen.
Denn die 1,79 habe nicht nur ich bezahlt. Kollege und Chef verweisen bei Pou-Fragen an ihre jeweiligen Töchter. Fragen im Freundeskreis ergeben: Nicht nur Nichten und Neffen sind Experten in der Häufchenpflege. Auch Erwachsene melden sich, ihr Häufchen sei seinerseits schon fast volljährig. Und falls sie alle ihrem Pou mal was gönnen wollen, gibt es ja In-App-Käufe. Zaubertränke zum Beispiel, für schnell ausgegebene Kleckerbeträge wie 89 Cent. Es läppert sich.
Eine Kollegin, die anonym bleiben möchte, gesteht dann noch: Sie müsse dringend mal wieder nach dem Häufchen schauen. Lange her, dass sie es gefüttert hat: „Aber die sterben ja nicht.“
(Dieser Text ist so ähnlich auch in der Wochenendbeilage der WAZ erschienen. Möglicherweise so gar einschließlich der Formulierung „aus Scheiße Geld machen“.)
U-Bahn-Schilder wie in London mit Tubesign
Hilfe! Ein riesiger Roboter-Yeti in der Londoner U-Bahn!
Uh-oh. pic.twitter.com/bmxWwwCKL6
— Graham Sleight (@grahamsleight) November 18, 2013
Und furchtbar schlechte Musiker – Verzeihung, bitte:
Fantastic sign at the underground today @TfLOfficial #xfactor #london #JamesArthur #buskers #busking #cannotsing pic.twitter.com/bRhwvApF3a
— Piers Mitchell (@totalprat) November 18, 2013
Gosh! Loving this London Underground service information sign….. -it's fake, though- pic.twitter.com/yvRKfI3U1L
— Laurel Winner (@LaurelWinner) November 18, 2013
Immerhin gibt es die Chance auf einen kostenlosen Tee, schließlich sind wir in Großbritannien. Wer dort ab und zu ist, kennt die typischen Schilder aus der Tube in London. Normal steht hier in krakeligen Filzstift auf Whiteboard, wo die Circle Line gerade blockiert ist, warum die Bakerloo Line am Wochenende nicht fährt. Jetzt hat Tim Waters ein kleines Dings gebaut, mit dem man solche Schilder faken kann. Genau richtig für Anglophile. A great time was had by all:
Oh I like this Underground Service Notice generator thingy http://t.co/0fOc9ZzOtm pic.twitter.com/LS4wc8YA6P
— Philip R Holden (@pwotg) November 18, 2013
Wise tube station advice (via http://t.co/lgLJgjHISI) pic.twitter.com/Ol8StEtejm
— Mark Pack (@markpack) November 18, 2013
Alert: don’t trust photos of handwritten tube information boards, they’re rather easy to fake http://t.co/D0NkZ7U2JU pic.twitter.com/fMuGERjlLt
— Us Vs Them (@UsVsTh3m) November 18, 2013
Und hier das London-Underground-Schild für die aktuelle Dienstwoche bei @DerWesten /cc @Hubrich_S pic.twitter.com/ZL8Qm7OiVh
— kscheib (@kscheib) November 18, 2013
Zehn Dinge, die man beim Lesen dieses Blogposts lernen kann
- Nachricht, Reportage, Interview, Feature, Glosse, Kommentar. Diese geläufigen journalistischen Formate haben Gesellschaft bekommen. Vor allem online begegnen einem immer mehr Texte nach dem Prinzip „Fünf Dinge, die Sie über den Kanal-TÜV wissen müssen“, „Zehn Knackpunkte bei den Koalitionsverhandlungen“ oder „Elf Karnevalskostüme zum Selbernähen.“
- Die Form selbst ist nicht neu (zehn Gebote, 95 Thesen) und auch kein Online-Phänomen, sondern von Frauenzeitschrift (die sieben besten Kürbisrezepte) bis Autoheft (zehn Tipps zum Spritsparen) verbreitet. Aber dadurch, dass online die Längen- und Gestaltungsvorgaben weniger strikt sind als im Print, blühen solche Texte dort besonders.
- Kaum jemand ist da so weit vorne wie Buzzfeed. Dort gibt es auf der Startseite kaum Überschriften, in denen keine Zahl vorkommt.
- Häufig benutzte Zahlen bei diesem Format: drei, fünf, sieben, zehn, zwölf, zwanzig, hundert.
- Eher selten: vier, sechs, achtundzwanzig.
- Extrem selten: eins.
- Auch wir bei DerWesten beteiligen uns daran, zum Beispiel mit den „Zehn Irrtümern über…„. Und der Guardian ist natürlich längst auf der Meta-Ebene angekommen.
- Der Name für diese Art von Text ist „listicle“, entstanden aus den englischen Wörtern „list“ und „article“.
- Er ließe sich also auch problemlos zu „Listikel“ eindeutschen.
- Ihr habt gerade einen gelesen.
(Eine gar nicht mal so unähnliche Variante dieses Texts ist in der Wochenendbeilage der WAZ erschienen.)
Wir sind Journalisten
Tag zwei und schon sind die mitgebrachten Vokabelkarten alle vollgeschrieben. Wo kann man die denn nachkaufen? Olga korrigiert erst mal von Karte auf Kärtchen, schließlich sind die Russen ähnlich große Fans des Diminutivs wie die Niederländer. Also: Wo kaufen, die Kärtchen? „In Kaliningrad? Nirgends“, sagt sie. „Das ist ein Problem.“
Problematisch fühlen sich auch manche Übungen an: ein langhaariger Mann im T-Shirt, mit Bart und prominenter Nase, daneben ein Anzugträger mit Schnäuzer – und die Aufgabe, sie aufgrund der Bilder zu beschreiben. Geliefert werden dazu nicht nur Vokabeln für Haare, Augen, Gesicht, sondern auch direkt für den Charakter. Seltsam, das. Als kleinstmögliche Form von Gegenwehr also die Sätze zur Optik zwar mit „Er hat…“ angefangen, die zum Wesen dagegen mit „Ich glaube, dass…“ Keine Ahnung, ob das irgendwas besser macht.
Dann doch lieber die Klischees über einen selbst. In der Übung zu Possesivpronomen tauchen Berufe und ihre zugehörigen Gegenstände auf, nach dem Sparkassenspot-Prinzip: Du bist Sekretär. Dein Stuhl, Dein Fax, Deine Dokumente. Sie sind Direktor. Ihr Auto, Ihre Idee, Ihr Geld.
Besonders schön, und darum hier als komplette Liste: Was bei der Übung auf „Wir sind Journalisten“ folgt.
Unsere Zeitschrift.
Unsere Zeitung.
Unser Computer.
Unsere Nachrichten.
Unser Geld.
Unsere Zigaretten.
Auf Nachfrage liefert Olga dann noch das Wort für „Kartenspiel“ nach. Und („Das gehört zum russsischen Journalisten-Klischee!“) den Begriff Кожаная куртка. Auf Deutsch: Lederjacke.
Allein, allein
Wir sind zu zweit, Olga und ich. Mini-Gruppe war gebucht in der Sprachschule, um aus fünf Tagen Bildungsurlaub möglichst viel rauszuholen. Also sitzen wir beide hier, um 9 Uhr, am Anfang von fünf Zeitstunden. Olga ist die Lehrerin. Ich bin ihre Gruppe. Mini, in der Tat. „Einsteiger mit Spuren von Vorkenntnissen“ ist im Moment wohl keine allzu populäre Kategorie bei Sprachschülern.
Keine Ahnung, ob Olga darum zum Einstieg eine Lektion zu Singular und Plural ausgesucht hat. Fragen geht nicht, auf Deutsch ist es gegen die Schülerehre, auf Russisch fehlen noch ein paar Worte, also: alle außer „warum“. Aber das ist ohnehin nicht das größte Rätsel an diesem Tag.
Dass es manche Worte nur als Plural gibt, lernen die meisten im Englischunterricht: scissors, trousers, glasses. Auf Russisch ist das genau so, Hosen, Jeans, Shorts. Auch das umgekehrte Prinzip – nur Singular, kein Plural – ist für Deutsche nichts Neues: Polizei. Eis. Die Regeln dafür sind im Russsischen allerdings so wundervoll absurd wie das Gefühl, plötzlich allein eine ganze Lerngruppe stellen zu müssen. Denn ausschließlich Singular sind:
1. Abstrakte Begriffe wie Freude, Trauer, Neid, Kosmos. Klar.
2. Sammelbegriffe wie Geschirr, Kleidung, Waffen, Kunst. Leuchtet ein.
3. Alle Lebensmittel, die man gießen kann. Oder schneiden. Oder streuen. Tee und Milch, Brot und Käse, Salz und Zucker. Bisschen speziell, aber okay.
4. Gemüse. Im Prinzip. Bis auf fünf Ausnahmen, die man halt auswendig lernen muss: Die Gurke hat dann doch einen Plural, die Zucchini, die Aubergine. Und, eh hier einer glaubt, ein Muster zu erkennen: die Tomate. Ach ja, und der Pilz. Soso.
5. Obst, aber nur kleines. Erdbeere, Himbeere, Weintraube. Alles Einzelgänger. Aber sonst geht’s noch?
Vielleicht trau ich mich morgen nach dem Unterricht mal in den kleinen Lebensmittelladen. Im Gegensatz zum Supermarkt muss man dort mit Menschen reden, wenn man was kaufen will. Was kostet die Erdbeere, werde ich sagen. Oder, als gute Dortmunderin: Gib mich die Kirsche. Dann nehme ich sie mit heim. Und wir unterhalten uns darüber, wie es ist, allein zu sein, wo andere eine Gruppe haben.
Wer wird Volontär
Zwei Tage Assessment-Center, um neue Volontäre auszusuchen. Wäre einen langen Blogpost wert, aber erst mal muss sich alles setzen. Bis dahin, für Genießer, ein Zitat aus der letzten Runde an Tag 2.
– „Und in welchen Sozialen Netzwerken sind Sie so aktiv?“
– „StudiVZ und Myspace.“
– „…“
– „War ein Scherz.“
Nenn es Nerdhumor. Wir haben, nach einer Schrecksekunde, sehr gelacht.
Crowdfunding und Castrop-Rauxel
Was machen heute die Journalisten, die mal die Redaktion der Westfälischen Rundschau waren? Bei manchen kann man es nachlesen, im Blog oder in einem Dossier in der „ZEIT“. Bei manchen kann man es ansehen, und bei einem kann man es mitfinanzieren.
Dennis Betzholz war Redakteur im Mantel der WR, und wenn man heute am Newsdesk in Essen seinen Namen erwähnt, sagen Kollegen Dinge wie „Oh, der Dennis“ (Tonfall etwa wie „Oh, Du hast Kuchen mitgebracht“) oder „Wenn ihr das nächste Mal sprecht, musst Du ihm von mir mal ganz zärtlich auf den Oberarm boxen“ (sic).
Dennis hat über EU-Richtlinen gschrieben, über Döner, über ein Leben ohne Internet. Ein Allrounderjob halt. Und nach der WR ist er – jung, mobil, ungebunden – in eine Zwanziger-WG-nach Bonn gezogen und arbeitet da jetzt beim Generalanzeiger. Das wäre für mich der Punkt, mich mal zu sammeln und zu sortieren. Für ihn war es der Punkt, mit einem Freund zusammen ein Buch zu schreiben – finanziert per Crowdfunding über die Plattform Startnext.
Und nein, das auf dem Video-Vorschaubild ist er nicht – aber in dem Film erklären er und sein Ko-Autor, worum es in ihrem Buch „Palmen in Castrop-Rauxel“ gehen soll: Um Menschen, die sich trauen, etwas Ungewöhnliches zu tun. Zum Beispiel eben, in Castrop-Rauxel eine Palmenzucht zu starten. Zu 26 Prozent ist das Projekt finanziert, 48 Tage bleiben für den Rest. Da geht noch was.