Die besten Threads aus dem Oktober

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Eine kleine Umfrage unter Wissenschaftlern hat mich diesen Monat beschäftigt. Die Journalistin Anna-Lena Scholz hat diejenigen Forscher, die Twitter nicht nutzen, nach ihren Gründen dafür gefragt. Der Thread mit den Antworten liest sich für mich vor allem deshalb frustrierend: Weil immer wieder das Argument auftaucht, Twitter tauge nicht dafür, in die Tiefe zu gehen.

Mal ganz abgesehen davon, dass viele der Befragten immer noch von 140 Zeichen sprechen – sich also offensichtlich seit längerem nicht mehr mit Twitter befasst haben – fuchst mich vor allem, dass sie ganz offensichtlich die Arbeit ihrer vielen twitternden Kollegen nicht wahrnehmen oder nicht würdigen. Sonst wüssten sie, wie viele Astrophysiker, Historiker und Zoologen, wie viele Radarfachleute und Experten für Gravitationswellen und Menschen, die wissen, wie unser Hirn uns etwas vorlügt man bei Twitter finden und so schlauer werden kann. Also: Wer mit seiner Antwort in dem Umfrage-Thread vorkommt, sollte vielleicht mal ein paar der folgenden Threads lesen.

Ansonsten gilt wie immer auch in diesem Monat die Gebrauchsanweisung: ein Klick auf den hier eingebundenen Tweet öffnet den ganzen Thread.

1. Ein römisches Boot in einem winzigen See

Caligulas Vergnügungsboot. So groß wie ein Airbus A380. Bebaut mit Palästen aus Marmor. Jahrhundertelang auf dem Boden eines winzigen Sees liegend, bis Mussolini ihn trockenlegen ließ, um das Boot zu heben. Die Geschichte, die Paul Cooper hier erzählt, klingt mit jedem Tweet mehr nach Seemannsgarn, ist aber wahr.

2. Kaum Wikipedia-Beiträge von Frauen

Nur so wenige Frauen, die an Wikipedia mitarbeiten? Na, da müssen sich die Frauen wohl mehr anstrengen! Warum diese Argumentation arg schlicht ist, hat Leonhard Dobusch hier detailliert erklärt. Danke dafür.

3. Ein Versandhauskatalog mit politischer Wirkung

Den Willis Tower, zweithöchster Wolkenkratzer der USA, habe ich dank Schulaustausch noch als Sears Tower kennengelernt – Sears wie die großen Kaufhäuser. Dass das Unternehmen mal als eine Art amerikanischer Otto-Katalog begonnen hat, und warum der für schwarze Amerikaner wichtig und vielen weißen ein Dorn im Auge war, erklärt Louis Hyman.

4. Seehofer auf Trumps Spuren

Wohin es führt, wenn ein prominenter Politiker die Medien zu Volksfeinden erklärt, erleben wir gerade in den USA. Insofern bin ich – trotz Tippfehler an entscheidender Stelle – froh über diesen Thread. Was immer Seehofer sich da zusammenfabuliert, Bastian Obermayer lässt es ihm nicht durchgehen:

5. Inktober trifft Geologie

#Inktober ist, wenn Menschen einen Monat lang täglich etwas mit Tinte zeichnen und das Ergebnis posten. Mika McKinnon ist Geophysikerin und hat sich für ihren Inktober allerlei Wissenschaftsthemen vorgenommen. Mein Lieblingsbild ist das vom 21. Oktober – vor allem wegen des Zusammenhangs zwischen Geologie und Käsekuchen.

6. Zombiepräventionsbestattung

„Und was machen wir jetzt, damit der nicht von den Toten wieder aufersteht und als Zombie zurückkehrt?“ – „Na, wir bestatten ihn mit einer Sichel um den Hals/einem Ziegelstein im Mund/einem Pfahl durch die Genitalien/ohne seine Zunge.“ Alles so passiert:

7. Grünen-Bias bei Journalisten?

Ein Diagramm, das immer mal wieder die Runde macht. Allerdings sind die Zahlen dahinter nicht nur veraltet, die Grafik lässt auch einen ganz entscheidenden Balken weg – den größten sogar. Mehr hier:

7. Aus dem Matheheft eines Dreizehnjährigen

Kommt mir das nur so vor, oder sind es vor allem Museen im englischen Sprachraum, denen die Öffentlichkeitsarbeit per Twitter leicht von der Hand geht? Hier zum Beispiel geht es um einen Archivfund des Museums für ländliches Leben in England. Wir sehen das Heft, in dem Ende des 18. Jahrhunderts ein Schüler namens Richard seine Matheaufgaben erledigte – und vor Langeweile zusätzlich alles Mögliche an den Rand malte: seinen Hund, Schiffe, und dann dieses Huhn…

8. Rechteckige Kühe

Dass man sie besser stapeln wollte wie Melonen kann man wohl ausschließen. Was sonst war also der Grund für eine Epoche, in der Kühe (und Schafe!) in England offenbar rechteckig bzw. quaderförmig waren? Oder zumindest so gemalt wurden? Was will uns der Künstler sagen? So viele Fragen:

9. So. Sahen. Damals. Keine Zeitungen. Aus.

Wirklich nicht. Auch wenn ihr das für euren Historienfilm gern so hättet.

Russball, Folge 59: Gibt es ein Fußball-Leben nach der WM?

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So ist das also, einen guten Monat nach Ende der Fußball-Weltmeisterschaft: In Moskau sieht man wieder Bettler auf den Straßen im Zentrum, auf der Nikolskaja Ulitsa trifft man abends keine feiernden Menschen mehr, die WM-Deko ist aus dem Stadtbild verschwunden. Nur in den kleinen Souvenirkiosken in den Unterführungen warten übriggebliebene Maskottchen noch auf ein Zuhause. Neulich habe ich ganz kurz sogar bei Gett, der Taxi-App meines Vertrauens, einen Fahrtpreis angezeigt bekommen, an dem nicht „wegen besonders hoher Nachfrage“ stand. Ich glaube, das habe ich zuletzt irgend wann Anfang Juni gesehen, vor der WM.

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⚽  Wie war das noch zu Beginn der WM? Russland dümpelte irgendwo unten im FIFA-Ranking rum, kein anderes Teilnehmerland war schlechter eingestuft. Und jetzt, nach dem überraschend erfolgreichen Turnier? Ein Sprung nach oben in die Top 50, wo sich nun Russland und Nigeria den 49. Platz teilen. Gleichzeitig ist Deutschland deutlich eingebrochen – Platz 15 statt Platz 1.

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Betriebe man sehr schlichte Statistik und schriebe diese Tendenz so fort (also Russland erneut 21 Plätze rauf und Deutschland erneut 14 Plätze runter), dann stünde schon beim nächsten Update der FIFA-Liste die russische vor der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Platz 28 zu Platz 29. Klar, so einfach ist das nicht mir der Rechnerei hinter dem Ranking. Aber dass die beiden Mannschaften so schnell so nah aneinanderrutschen, hätte vor der WM wohl niemand vorhergesagt.

⚽ Noch eine entscheidene Veränderung nach der WM, auch diesmal geht es um die russische Nationalmannschaft, oder zumindest um einen ihrer Spieler: Fjodor Smolow, der vor dem Turnier als die eine große Hoffnung des Teams galt, dann aber von Mannschaftskameraden wie Artjom Dsjuba in den Schatten gestellt wurde. Smolow jedenfalls spielt nach rund drei Jahren beim FK Krasnodar ab sofort bei Lokomotive Moskau, dem amtierenden Meister.

Wäre es bei der Weltmeisterschaft für ihn besser gelaufen, dann würde er jetzt vielleicht international spielen, vermutet Russian Football News und sagt voraus: Damit wird’s wohl nun nichts mehr, schließlich ist der Mann schon 28. Wer Smolow bei Krasnodar ersetzen könnte, das hat unterdessen Sports.ru aufgeschrieben.

⚽ Besagter Artjom Dsjuba, das soll hier nur kurz erwähnt werden, hat ebenfalls einen neuen Job, allerdings ohne den Verein gewechselt zu haben. Der Mann ist ab sofort Führungskraft, als Stimme bei Yandex Navigator führt er Autofahrer durch den Verkehr,, mit allerlei Anspielungen aus der Fußball-Sprache einschließlich Abpfiff-Jubel beim Erreichen des Ziels. Dsjuba ist als Neuzugang im Navi-Sprechteam in illustrer Gesellschaft: Bisher konnte man sich schon von Darth Vader und von Optimus Prime durch den Verkehr lotsen lassen.

⚽ Was ist der Stoff, aus dem gute virale Inhalte gemacht werden? Die Frage, mit der sich Social-Media-Leute in aller Welt beschäftigen, ist nun endgültig beantwortet, und zwar von einem Fan des FK Rostow. Statt Fahne oder Banner brachte er einen Teppich mit ins Stadion, um seinen Verein beim Spiel gegen Jenissei Krasnojarsk anzufeiern. Erfolgreich, Rostow gewann mit 4:0 und twitterte anschließend ein Foto des Fans samt Jubelteppich. Dazu das Versprechen: „500 Likes, und wir legen so einen Teppich bei uns ins Vereinsheim!“

Die Likes waren schnell zusammen, aktuell sind es bereits über 2000 – der Teppich liegt nun wie versprochen am Ehrenplatz. In einem Interview erzählte Alexej, der Rostow-Fan, dass dies nicht sein erster Ausflug mit dem Teppich war, der normalerweise einfach bei ihm zuhause rumliegt: „Ein paar mal hab ich ihn auch schon mit ans Meer genommen, einfach um da mit ein paar Freunden zu entspannen.“ Rostow hat jetzt noch mal nachgelegt und bietet ab sofort auch ein Fußball-Trikot in Teppichmuster an. Hübsch hässlich – Vorbestellungen gibt es schon ein paar hundert.

Rostow teppich shirt kscheib russball

⚽ Wo wir gerade beim Thema Virales sind und der FK Jenissei schon erwähnt wurde: Bei dem hat neulich ein Fußball-Fan seiner Freundin in der Halbzeitpause einen Heiratsantrag gemacht, verkleidet als das Vereinsmaskottchen. Wer’s mag. Wobei mir die Vorstellung gefällt, dass auf deren Kaminsims daheim nun dauerhaft ein Foto steht, er mit Löwenkörper, sie mit diesem Gesichtsausdruck: „Ich kann nicht fassen, dass du das hier gerade vor all den Leuten machst. Aber ich lächle mal, und den Rest klären wir zuhause.“

⚽ Beim Nachrichtensichten für diese Russball-Ausgabe musste ich kurz daran denken, wie das damals vorm Volontariat war. Ich hab in Dortmund studiert, die Voloplätze wurden über das Institut für Journalistik vergeben. Vor der Beginn des Vergabeverfahrens gab es für jeden Jahrgang eine Abstimmung: Wollt ihr einen Sozialfonds gründen – jetzt, wo ihr noch nicht wisst, wer die anständig bezahlten Plätze bekommt und wer die schlecht bezahlten? Ein bisschen interne Umverteilung, bei der die paar Glücklichen mit Tarifgehalt (was de facto hieß: die Volontäre bei der Rheinischen Post) den Kommilitonen mit dem schlechtesten Gehalt (RTL? Ich weiß es nicht mehr genau) ein bisschen was abgeben. Wir haben dafür gestimmt.

An diese Entscheidung fühlte ich mich erinnert, als ich von einer Idee hörte, die unter den Vereinen der russischen Premjer-Liga kursiert. Dort mitzuspielen, das bedeutet lange, teure Reisen zu Auswärtsspielen, oft halbvolle Stadien – und nicht jeder Verein hat das Privileg, einem Staatsunternehmen oder reichen Unternehmer zu gehören. Russlands oberste Liga spielt daher nun mit dem Gedanken, einen „Stabilisierungsfonds“ einzurichten, um Vereinen bei akuten Geldproblemen unter die Arme zu greifen. In Dagestan werden sie diese Idee sicherlich mit Freude hören: Anschi Machatschkala spielt zwar in der Premjer-Liga, der Verein ist aber bei den Spielergehältern aktuell mit rund drei Millionen Euro im Rückstand.

⚽ Das Problem mit den nur halbvollen Stadien ist aktuell übrigens nicht so ausgeprägt wie sonst. Die Fußball-Begeisterung, angefacht durch Russlands unrwartet gutes Abschneiden bei der WM, hält an, viele Vereine verkaufen derzeit deutlich mehr Tickets als sonst. Mehr als 400.000 Zuschauer bei den ersten 15 Liga-Spielen – „ein großer Sieg für den russischen Fußball“, sagt Vizeministerpräsidentin Olga Golodez. Am vierten Spieltag der aktuellen Premjer-Liga-Saison kamen insgesamt 172 407 Zuschauer in die diversen Stadien, das ist laut Russian Football News nur ganz knapp hinter dem ewigen Liga-Rekord:

⚽  „Es ist inakzeptabel, dass Anlagen, die für solch ein großes Sportereignis gebaut wurden, und in die riesige Summen aus dem Haushalt investiert wurden, so schnell verfallen.“ Das sagt nicht irgendwer, sondern Alexander Wassiljew, Duma-Abgeordneter und hochrangiges Mitglied der Putin-Unterstützungsorganisation „Gesamtrussische Volksfront“.

In einer Pressemitteilung zählt sie Beispiele aus Samara, Wolgograd und Nischni Nowgorod auf, wo Teile der WM-Infrastruktur bereits beschädigt sind, Wege unterspült, gepflanzte Sträucher schon wieder verdorrt. Die Volksfront fordert nun von den Behörden vor Ort Erklärungen, wie es dazu kommen konnte – und wird die angesichts ihrer bekanntermaßen guten Kontakte in den Kreml wohl auch bekommen.

⚽ Was auch in diese August-Ausgabe gehört: Das Spiel zwischen Zenit St. Petersburg und Dinamo Minsk in der Europa League. Ich hab lange überlegt, wie ich dieses Spiel hier knackig zusammenfasse – und dann fiel mir auf, dass mein früherer Kollege Henni das netterweise übernommen hat:

Es war das erste Mal, dass ein russischer Fußballclub in einem europäischen Wettbewerb ein 0:4 aus dem Hinspiel wiedergutgemacht hat. Für Sergei Semak sicher ein Highlight seiner noch nicht allzu langen Zeit als Zenit-Trainer. Da wird man schon mal zum Poeten: „Das war ein heldenhaftes Spiel der Mannschaft, erst recht in Unterzahl“ sagte Semak nach dem Sieg. „Sie haben sich selbst in diese Situation gebracht, und sie haben sich selbst da wieder rausgeholt. Da schmeckt der Sieg um so süßer.

⚽ Dass ihr mit eurer Fan-ID bis Jahresende visafrei nach Russland einreisen dürft, haben diejenigen von euch, die im Sommer hier waren, sicher schon mitbekommen. Schließlich fiel die politische Entscheidung dazu schon Ende Juli, seit 3. August ist die Regelung in Kraft. Und weil Besucher Geld ins Land bringen und es für Hotelbetten, Eintrittskarten, Bier und Pelmeni ausgeben, wird die Sache jetzt noch mal beworben, mit einer Mail an alle, die damals zur WM eine Fan-ID beantragt haben. Eine Mail, die mit dem längsten, verschachteltesten Satz beginnt, den ich seit langem gelesen habe:

kscheib fussball fan id email screenshot

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Zum Schluss noch ein Abstecher nach Weißrussland, quasi „Weißrussball“: Ihr erinnert euch, dass Diego Maradona als Präsident von Dinamo Brest vorgestellt wurde und da zum Auftakt mal ganz dezent mit einem Fahrzeug vorfuhr, das wohl entsteht, wenn sich ein Jeep und ein Panzer sehr, sehr lieb haben.

Seitdem hat sich Präsident Maradona in Brest nicht mehr blicken lassen. Wann oder ob überhaupt er mal mit der Arbeit beginnt – unklar. Wie Maradona den Fanboy für Weißrusslands autoritären Präsidenten Lukaschenko gibt, und was Dinamo-Fans sagen, wenn man sie auf den neuen Vereinschef anspricht, hat Denis Trubetskoy aufgeschrieben.

Die nächste Russball-Folge gibt es Ende September – bis dann!



 

Russball, Folge 47: Ein neuer Job für Witali Mutko

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Zwei Dinge sind geschehen zwischen der letzten Russball-Folge und dieser hier. Erst mal war re:publica in Berlin, eine gute Gelegenheit, den Horizont ein bisschen zu erweitern, Freunde und frühere Kollegen zu treffen. Es gab einen kleinen Talk darüber, wie Podcasts den Sportjournalismus verändern, das fand ich ganz interessant – könnt ihr euch hier ansehen oder anhören.

Außerdem ist eine DFB-Delegation nach Russland gereist, um organisatorische, aber auch sehr viel komplexere Themen anzugehen: Fair Play, Menschenrechte, Gedenken an den Zweiten Weltkrieg. Nach dem, was Präsident Reinhard Grindel dazu am Montag hier in Moskau erzählt hat, nehme ich dem DFB ab, dass er sich ernsthaft bemüht, diesen Themen gerecht zu werden. Warum mich die Haltung zu Russland und Menschenrechten trotzdem nicht überzeugt, habe ich hier aufgeschrieben.

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⚽ Was bedeuten diese vier Emojis? 🚂🏅🔥🙏 Ganz klar: Lokomotive Moskau ist russischer Fußballmeister, und der Mann, der diese Symbole aneinanderreihte, ist deshalb begeistert und dankbar: Ilja Gerkus, Präsident des Vereins, postete kurz nach der Entscheidung diesen Jubeltweet: „Wir sind Meister! Das ist fantastisch, kosmisch, unwirklich. Unglaublich! Aber wir haben es geschafft! Zusammen! Vom allerersten Anfang bis zum Moment des Sieges! Danke an alle, die zu uns gehalten und an uns geglaubt haben. Begreifen werden wir das erst später. Lasst uns uns bis dahin einfach freuen! Lokomotive ist Meister!“ (Bereut schon jemand, dass man bei Twitter heutzutage 280 statt 140 Zeichen hat?)

Seinen Jahresvorrat an Ausrufezeichen hat Gerkus damit aufgebraucht – aber wann denn bitte auch sonst, wenn nicht in diesem Moment? Endlich wieder Meister, nach 14 Jahren Durststrecke, und dann auch noch unter Juri Sjomin, der Jahrzehnte seines Lebens investiert hat, um Lokomotive zu dem Verein zu machen, der er heute ist. Der Mann ist, in den Worten von „Sowetski Sport“, der „letzte russische Toptrainer“. Demnächst wird Sjomin 71. Gerade hat er seinen Vertrag bei Lokomotive verlängert.

⚽ Auch eine Liga weiter unten wird gefeiert: In der WM-Stadt Samara ist der örtliche Klub soeben in die Premjer-Liga aufgestiegen, vor vollem Haus. Und ich möchte dazu gerne mehr lesen und mich mitfreuen und euch hier im Newsletter erzählen, wie begeistert die Fans gefeiert haben. Aber je mehr ich bei Twitter rumsuche, desto lauter plärrt mein pubertierendes Unterbewusstsein dazwischen: „Ziemlich unglücklichen Twitternamen hat der Verein, was? @fckssamara, wer denkt sich denn sowas aus?“ Ich kann so nicht arbeiten.

⚽  Ihr erinnert euch an Witali Mutko und seine vielen, vielen Ämter? In der Politik, als Fußballfunktionär, bei der WM-Vorbereitung? Und wie diese Ämter nach und nach immer weniger wurden, je mehr über das systematische Doping zu seiner Zeit als Sportminister berichtet wurde? Seit dieser Woche hat Mutko nun auch kein Regierungsamt mehr, das irgendwie mit Sport zu tun hat. Bisher war er ja noch Vize-Premierminister mit Zuständigkeit für den Sport.

Witali Mutko bei einem Treffen mit Präsident Putin. Als dieses Bild entstand, war Mutko noch Sportminister.  (Foto: Kremlin.ru)
Witali Mutko bei einem Treffen mit Präsident Putin. Als dieses Bild entstand, war Mutko noch Sportminister.
(Foto: Kremlin.ru)

Nun wurde Wladimir Putin ins Präsidentenamt wiedereingeführt, sein Premierminister Medwedjew stellte die Pläne fürs neue Kabinett vor, und siehe da: Mutko bleibt zwar Vize, muss die Zuständigkeit für den Sport aber abgeben und soll sich stattdessen um Bauprojekte und regionale Entwicklung kümmern. Wenn selbst die staatliche Nachrichtenagentur Tass berichtet, dass die Mutko-Personalie für Unruhe unter den anwesenden Abgeordneten geführt hat, merkt man, wie klar auch den russischen Politprofis ist: Hier wird wieder einmal demonstrativ die Regel bestätigt: Putin ist loyal zu seinen Leuten und sorgt dafür, dass sie versorgt sind.

⚽  Manchmal habe ich das Gefühl, die Berichterstattung über Diskriminierung im russischen Fußball läuft immer in denselben Phasen ab. Erst gibt es einen Vorfall – Affenrufe, beiläufig rassistische Kommentare. Jemand meldet es, gerne Journalisten. Unterdessen Empörungswelle in Russland, das ist ja wohl kein Rassismus, muss man ja wohl noch sagen dürfen, und überhaupt, ich hab nichts gehört. Es folgt meist eine Strafe, die dann recht milde ausfällt. Dann warten alle auf die nächste Runde.

Wer einen tieferen Einblick gewinnen möchte, wie es hier im Land mit Rassismus im Fußball aussieht, der sollte lesen, was Bryan Idowu (Oder Brian? Auch das war ein Aha-Moment) dazu zu sagen hat. Er ist Profifußballer, Sohn eines Nigerianers, in Russland geboren und aufgewachsen, und hat vieles selbst erlebt: Beschimpfungen auf der Straße, Racial Profiling in der Metro, Beleidigungen auf dem Platz. Aber er sieht auch Fortschritt. Faszinierender Mann, das Porträt kann man hier nachlesen.

⚽  Mit dem Wort „Diskriminierung“ fasst auch Sport Express einen Sachverhalt zusammen, von dem ich noch nie gehört hatte. Wer es im russischen Profifußball zu etwas bringen will, der sollte am besten im Januar oder Februar geboren werden, lieber nicht im November oder Dezember. Ich dachte erst, das soll eine Glosse werden – eine statistische Anomalie benennen, dann ein bisschen weiterspinnen, ein oder zwei Pointen finden. Aber nein, Autor Gosha Chernov hat seine statistischen Hausaufgaben gemacht, hat möglicher Verzerrungen durch die Geburtenrate rausgerechnet, es bleibt dabei: Schau dir die besten Spieler beim russischen Fußballnachwuchs an, egal in welcher Altersklasse – sie sind zu Beginn des Jahres geboren.

Warum? Die Auflösung hat mit dem System zu tun, wie Nachwuchsförderung in Russland funktioniert: Vielversprechende Talente werden immer jahrgangsweise gesichtet – und da haben die Januarkinder den Dezemberkindern nun mal ein ganzes Jahr an körperlicher Entwicklung voraus. „Stellen Sie sich das mal vor“, schreibt Chernov, „Sie bringen ihren Sechsjährigen zu einer der besten (Sport)schulen des Landes. Die Trainer schauen sich aufmerksam hundert oder mehr Kinder an, aber Ihr Kind wird nicht angenommen mit den Worten: ‚Kommen Sie nächstes Jahr wieder, der Kleine muss noch wachsen.‘… Und das geschieht dann jedes Jahr.“

Wozu das führt, zeigt eine Grafik, für die Chernov alle Spieler der beiden obersten russischen Ligen nach Geburtsmonat sortiert hat: Der Januar schlägt sie alle, um Längen. Offenbar lässt sich das sogar teilweise auf den deutschen Fußballnachwuchs übertragen, von der Schalker U17 zum Beispiel sind nur vier Spieler in der zweiten Jahreshälfte geboren. Ich hab das dann spaßeshalber auch mal schnell bei der deutschen Nationalmannschaft durchgezählt, am Beispiel des Kaders für das Länderspiel am 27. März. Was soll ich sagen: 26 Mann, die Hälfte davon feiert zwischen Januar und April Geburtstag. Ein Phänomen, von dem ich noch nie gehört hatte, und das mich jetzt ziemlich fasziniert.

⚽ Von den riesigen Entfernungen, die russische Ligafußballer zu ihren Auswärtsspielen zurücklegen müssen, war hier ja schon öfter die Rede. Dass das selbst bei einem Derby gelten kann, zeigt aktuell dieser Tweet:

⚽ Dann hat noch Andrei Arschawin das Ende seiner Spielerkarriere angekündigt, was man vielleicht ein enig einordnen muss. Ja, okay, der Mann spielt aktuell irgendwo in Kasachstan. Aber zu seinen besten Zeiten hat er nicht nur mit Zenit St. Petersburg einen Erfolg nach dem anderen eingefahren, er war auch einer der wenigen russischen Spieler in jüngerer Zeit, die den Durchbruch im internationalen Spitzenfußball geschafft haben.

Als Arschawin 2009 zu Arsenal nach London ging, war er der teuerste Spieler im gesamten Team. Was nun kommt, nach dem Ende der aktiven Karriere? Normalerweise würde man ein Statement erwarten wie „Mehr Zeit mit der Familie“, allerdings scheint Arschawins Frau einen ziemlichen Vollschuss zu haben. Da klingt es ganz plausibel, dass er direkt von möglichen anderen Aufgaben im Profifußball spricht, die er sich vorstellen kann.

⚽ An dieser Überschrift konnte ich einfach nicht vorbeiscrollen: „Wie geht es dem ältesten Fußballclub in Russland – der offiziell schlechtesten Mannschaft des Landes?“ Der Autor verspricht eine Geschichte darüber, „wie eine große Vergangenheit unter dem Druck der harten Gegenwart bröckelt.“ Das ist dann aber auch genug Lyrik, es geht ab nach Orechowo-Sujewo. In Deutschland wäre das eine Großstadt, hier ist es halt irgendein Provinzort, eine Stunde Autofahrt von Moskau. Zehn Jahre vor der Russischen Revolution gründeten Fußballfans hier den Verein „Snamja Truda“, übersetzt heißt das „Das Banner der Arbeit“.

Heute weht das Banner auf Halbmast, bestenfalls: Wer den Verein in einer Tabelle finden will, der muss schon im drittklassigen Bereich gucken – und dann am besten unten anfangen. Die Spieler, berichtet Bombardir, bekommen hier so niedrige Gehälter, dass sie sich anderswo etwas hinzuverdienen müssen – aber immerhin, sie werden pünktlich bezahlt, das ist im russischen Profifußball keineswegs garantiert. Trotzdem ist das hier keine Reportage aus dem Tal der Tränen. Die Fans haben mit ihrem Verein Tragödien überstanden, gegen die die aktuelle Saison mit einer Tordifferenz von -50 kaum erwähnenswert ist. Es ist auch eine Geschichte über Tradition und über Stolz, die sich zu lesen lohnt.

⚽ Zenit St. Petersburg verdient sich ganz gut was dazu, indem es die Spieler, die gerade nicht erste Garnitur sind, an andere Vereine verleiht. So weit, so bekannt. Ein Mitarbeiter von Championat.com hat jetzt mal nachgezählt, und siehe da: In diesem Sommer kommt gleich eine komplette Fußballmannschaft aus der Ausleihe zurück zu Zenit – elf Spieler, die bisher in Frankreich, Griechenland, der Türkei oder anderswo in Russland im Einsatz waren. Das Timing ist auch deshalb interessant, wiel alles danach aussieht, dass Trainer Roberto Mancini bei Zenit aufhört, um die italienische Nationalmannschaft zu übernehmen. Der neue Trainer kann dann also aus dem Vollen schöpfen.

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Zum Schluss verlassen wir noch kurz Russland und blicken über die Grenze rüber, in die Ukraine. Ihr erinnert euch an die vielen russischen Hotels, die dabei erwischt wurden, wie sie rechtzeitig zur Weltmeisterschaft ihre Preise drastisch erhöhten? In Kiew sieht es ganz ähnlich aus: Die ukrainische Hauptstadt ist Ende des Monats Gastgeber für das Champions-League-Finale, auch hier wollen sich Hoteliers damit eine goldene Nase verdienen.

Doch ukrainische Fußballfans halten dagegen, sie wollen die Abzocke verhindern. „Gratis-Unterkunft für Fans“ nennen sie ihren Service, den sie über Facebook organisieren. Anreisenden Fußballfans können sich dort melden und sollen dann einen Schlafplatz bei Fans vor Ort finden. Fußball-Couchsurfing, als Solidaritätsaktion. „Los jetzt“, heißt es auf der Facebookseite unter einer Suchanfrage von vier Liverpool-Fans aus Malta, „zeigen wir ihnen, dass Kiew eine gastfreundliche Stadt ist!“

Nächste Woche mehr – bis dahin könnt ihr eure Freunde, Kolleginnen und Familie gerne auf den Russball-Newsletter hinweisen. Es ist zwar nur mein kleines Spaßprojekt, aber je mehr Leute mitlesen, desto größer die Motivation. Bis dann, macht’s gut!



 

Russball, Folge 19: Würdet ihr mit dieser Frau eine WM-Unterkunft teilen?

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Wenn keiner deiner Freunde dich mehr in Moskau besuchen kommen will, dann weißt du: Es ist Herbst. Zeit, all die Restfahrten auf den zurückgebliebenen Metrotickets aufzubrauchen und statt zweimal nur noch einmal die Woche ins georgische Restaurant zu gehen. Nachsaison.

Was im Privatleben stimmt, sieht im offiziellen russischen Terminkalender allerdings ganz anders aus. Mitte November kommt die spanische Nationalmannschaft zu einem Freundschaftsspiel ins St. Petersburger Stadion – ja, genau, das mit dem Dachschaden. Und für einen noch unklaren Termin vor Jahresende hat sich auch der britische Außenminister Boris Johnson angesagt – ja, genau, der mit dem Dachschaden. Ich weiß jedenfalls, bei welchem Besuch ich lieber dabei wäre.

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⚽ Diese Fußball-Woche hat mit einer ziemlich steilen Lernkurve für mich angefangen. Aus russischen Medien war zu erfahren, dass es eine isländische Website namens „The Reykyavik Grapevine“ gibt, und dass diese wiederum weiß, wo die frisch qualifizierten Isländer während der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland wohnen wollen: Gelendschik soll Islands Fußballverband (Knattspyrnusamband Íslands. Nein, ich denk mir das nicht aus.) sich auserkoren haben, einen Ort nicht weit von Sotschi. Da war ja beim Confed-Cup die deutsche Nationalmannschaft untergebracht und liebäugelt mit der Idee, dort auch nächstes Jahr wieder zu wohnen.

Nicht nur stößt man beim Rumlesen auf „The Reykyavik Grapevine“ auf schwarzhumorige Überschriften wie „Verunglückte Schweine durften sich erst mal ausruhen, ehe sie geschlachtet wurden“. Man erfährt auch, dass das WM-Hotel zwar „nicht ganz wie Walhalla“ ist, aber immerhin von der FIFA empfohlen wird. Auf deren Seite ist das Hotel „Nadeschda“ bereits als komplett ausgebucht markiert. Schnell noch ein Blick auf den Instagram-Account des Hotels: Sowjetsoldaten. Sideboob. Die Frau mit dem blauen Haarnetz. Ich habe so viele Fragen.

⚽ Einem russischen TV-Bericht zufolge sollen neben Island und England (siehe Russball-Folge 18) noch einige weitere Teams bereits wissen, wo sie ihr WM-Quartier einrichten wollen. Russland behält selbstverständlich seinen Standort in Nowogorsk, nordwestlich von Moskau. Der Iran hat sich Kaluga, 200 Kilometer weiter südlich, ausgesucht, während Brasilien und Spanien sich wie die Isländer für die Region Krasnodar, also das Gebiet rund um Sotschi, entschieden haben sollen.

Wäret ihr ein Fußballverband und auf der Suche nach einem Quartier für euer Team, wäre übrigens das hier die Website eurer Wahl: http://tbc-russia2018.com/ – „tbc“ steht für „Team Base Camp“. Dort könnt ihr mehr als 60 mögliche Standorte anschauen, nach Regionen sortieren, nach Sonderwünschen filtern und untereinander vergleichen: Wie viele Zimmer, wie viele Sterne, wie weit vom Flughafen? Aber auch: Wie weit zum Trainingsplatz, und können Paparazzi oder neugierige Fans ihn einsehen? AirBnB für Nationalmannschaften.

⚽  Alisa ist keine Spielerfrau, hat aber trotzdem mit Fußball zu tun. Was Siri für Apple ist und Alexa für Amazon, das soll Alisa für Yandex sein, Russlands großen Technologiekonzern. Man kann die App also zum Beispiel fragen: „Alisa, wie viele Menschen leben in Moskau?“, und Alisa sagt dann „In Moskau leben 12 380 664 Menschen.“ Alles ganz einfach?

Nicht so ganz. Denn bei Fußballfragen bekommt Alisa Loyalitätsprobleme, das ist gleich mehreren Nutzern aufgefallen. „Magst du ZSKA?“, hat jemand sie gefragt – „Ich liebe ZSKA“ – „Und wer wird russischer Fußballmeister?“ – „Zenit.“ Auch auf Fragen nach Spartak antwortet Alisa mit Zenit-Parolen – Details dazu hier. Probehalber habe ich sie dann noch gefragt, ob Russland denn wohl nächstes Jahr Fußball-Weltmeister wird. Diplomatische Antwort: „Das sehen wir ja dann.“

⚽ Wie sehr Zenit St. Petersburg die Premjer-Liga dominiert, davon war hier ja schon das ein oder andere Mal die Rede. Ein Ergebnis vom vergangenen Spieltag verdeutlicht das nun noch mal ganz besonders, obwohl es auf den ersten Blick gar nicht für eine starke Zenit-Leistung spricht: Es war ein 0:1 gegen Arsenal Tula. Das ist ein Verein, den man (ganz im Gegensatz zu Zenit) eher im Mittelfeld der Tabelle findet.

Warum das Resultat trotzdem ein Beleg dafür ist, wie viel stärker Zenit im Vergleich zur Konkurrenz ist? Weil es die erste Niederlage des Vereins in der aktuellen Saison war. Zwölf Spieltage lang nur Siege oder mal ein Unentschieden, erst am 13. musste die Mannschaft sich wieder mit dem Gefühl auseinandersetzen, als Verlierer vom Platz zu gehen.

⚽  Vom Tabellenersten Zenit zum aktuellen Schlusslicht. Bloß neun Punkte hat Anschi Machatschkala in 13 Spielen gesammelt, als einzige in der Liga hat die Mannschaft aus Dagestan damit eine zweistellig negative Tordifferenz, nämlich -17. Russian Football News hat Gründe dafür gesammelt, vom abrupten Trainerwechsel nach nur sechs Spielen über weggekaufte Spieler bis hin zu Problemen bei der Chancenverwertung. Die ganze Analyse, mit allerlei bunten Diagrammen, gibt es hier. Und wer sich beim Blick auf die Überschrift „Anzhi, are you OK?“ fragt, woran die noch mal erinnert: Bitte hier ab 1:40 beim Refrain mal gut zuhören.

⚽  Zur Fußball-Weltmeisterschaft wird in Moskau das Angebot an kostenlosem WLAN weiter ausgebaut. In der Metro, im Bus, in Cafés und Restaurants gehört das schon jetzt zum Standard, nun sollen drei weitere Bereiche mit Gratis-WIFI versorgt werden: Moskaus Straßen, Kultureinrichtungen, und öffentliche Anlagen wie Universitäten und Parks.

Laut Wedomosti sind Ausschreibung und Vergabe soweit erledigt (drei separate Betreiber für die drei Bereiche, das kann noch lustig werden). Interessant ist aber vor allem die Frage, für wen und für wie lange diese Infrastruktur überhaupt sinnvoll ist. Mit den vielen WM-Gästen steige die Belastung der Mobilfunknetze, schreibt das Blatt, das Gratis-WLAN solle sie entlasten und den Fans hohe Roamingkosten ersparen. Andererseits werde nach der Weltmeisterschaft das Interesse wohl stark nachlassen, zitiert Wedomosti einen Experten: Vor allem in der Moskauer Innenstadt ist die LTE-Abdeckung gut, und mobiles Internet ist hier ohnehin billig.

⚽  Statistiken gehören zum Fußball dazu – Ballbesitz, Schüsse aufs Tor, gelbe Karten, rote Karten. Bombardir.ru hat allerdings eine kleine Kollektion eher ungewöhnlicher Daten zu Russlands oberster Fußball-Liga gesammelt. Und so halten wir hier einmal kurz inne und schicken warme Gedanken voller Mitgefühl an Eric Bicfalvi. Der Rumäne von Ural Oblast Swerdlowsk ist aktuell der meistgefoulte Spieler im russischen Premjer-Liga-Fußball. 4,1 mal pro Match muss er sich wieder aufrappeln, nachdem ihn ein Gegner umgenietet hat. In der bisherigen Spielzeit sind so schon 45 Fouls an Bicfalvi zusammengekommen.

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Zum Schluss noch eine Runde nutzloses Wissen, präsentiert von der Taschenrechner-App auf meinem Handy: Selbst wenn alle 334.252 Isländer nächsten Sommer kollektiv zur Weltmeisterschaft nach Russland reisen, dann kriegen sie gerade mal die Hälfte aller WM-Stadien voll. Wenn ihr diesen Fakt demnächst beim Fußball-Fachsimpeln mit Freunden erwähnt, dann weist sie doch gerne auch direkt auf dieses Blog und den Russball-Newsletter hin. Danke!



 

Russball, Folge 11: Russische Fußballstadien und ihre Probleme

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Es ist die erste Russball-Folge nach dem Urlaub, darum erst einmal danke für all die positiven Rückmeldungen zur zeitlosen, hintergründigen Ausgabe letzte Woche! Und, weil Fragen kamen: Ja, demnächst blogge ich auf jeden Fall auch über die Zeit in Kirgistan, es war wirklich beeindruckend dort. Fußball kam allerdings nur am Rande vor, mit einem abendlichen Flutlicht-Match in einem Fußballkäfig in Bischkek – Fotos hier und hier.

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⚽  Zum Start eine Folgeempfehlung: James Ellingworth, der für AP über Sport in Russland schreibt, tingelt gerade die Gastgeberstädte der Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr ab. Die Fotos, die er von dieser Tour twittert, geben einen guten Eindruck von den WM-Vorbereitungen. Außerdem bekommt, wer James‘ Tweets liest, die Chance, sich schon mal auf die Tücken des Pressezentrums im Stadion von Jekaterinburg vorzubereiten. Also, Folgen lohnt sich.

⚽  Letzte Woche ging es hier um die endlosen Reisen, die Mannschaften der FNL (Russlands zweiter Liga) auf sich nehmen müssen, weil das Land so groß und die Stadien entsprechend weit von einander entfernt sind. Für viele Vereine ein großes finanzielles Problem.

Nun hat Russian Football News nachgelegt und macht – in epischer Länge – Vorschläge, wie man die FNL reformieren und das Problem lösen könnte. Knackpunkt wäre eine geographische Aufteilung, wie man es aus dem Eishockey kennt: Sowohl die NHL als auch die KHL funktionieren ja nach dem Prinzip regionaler Konferenzen.

⚽  Warum bekommt ZSKA Moskau sein schickes neues Stadion nicht voll? Am sportlichen Erfolg kann es nicht liegen, es ist einer der russischen Spitzenvereine, und das schon länger. Nach der Analyse von Sports.ru tragen viele Faktoren dazu bei, dass in der WEB-Arena so viele Plätze frei bleiben: Vergleichsweise hohe Ticketpreise. Undurchschaubare, immer wieder neue Regeln beim Ticketkauf. Ein langweiliger, zu klein geratener Fan-Shop. Rucksäcke, die nicht ins Stadion mitgenommen werden dürfen, müssen umständlich abgegeben werden – mit langen Wartezeiten beim Abholen nach dem Spiel.

Die offiziellen Begründungen des Vereins für leere Tribünen klingen dagegen ganz anders: „Heute ist es heiß, alle sind auf die Datscha gefahren“ (29. Juli) – „Mittwoch ist halt ein Werktag“ (2. August) – „Es ist Urlaubszeit, da haben viele die Stadt verlassen.“ Klar, dass dazu den Fans anderer Teams einiges an Gefrotzel einfällt: „Die Fans von ZSKA sind das ganze Jahr auf der Datsche.“

⚽  Anderes Stadion, andere Probleme: Das neue Krestowski-Stadion in St. Petersburg soll ein Prestigeprojekt sein, stattdessen regnet es rein, immer wieder. An Spieltagen posten regennasse Fans Videos von immer neuen undichten Stellen. Nun, endlich, wissen wir, wer schuld ist: der gemeine Kormoran.

So hat das jedenfalls Vizegouverneur Igor Albin in einem Interview hergeleitet: Das Stadiondach sei mit einem wasserabweisenden Schutzfilm bedeckt, der zwar bis zu 400 Kilo Gewicht pro Quadratmeter tragen kann, aber keinen Vogelschnäbeln widerstehen. Der „berühmte Vogel“ Kormoran mit seinem „mächtigen Schnabel“ macht also laut Albin die Fans nass, weshalb das Stadion nun, ähnlich wie ein Flughafengelände, gegen Vögel gesichert werden soll.

⚽  Dieses Jahr der Confed-Cup, nächstes Jahr die Fußball-WM – was bedeutet das für Russlands Wirtschaft? Die Hotelbranche blickt zurück und ist unzufrieden: Bis zu 90 Prozent Auslastung waren während des Confed-Cups angepeilt, die tatsächlichen Zahlen lagen deutlich niedriger. Das lag möglicherweise daran, dass das Turnier nicht allzu viele ausländische Fans angelockt hat. Denn wer innerhalb Russlands zu einem Match anreist, bei dem ist die Chance größer, dass er direkt im Anschluss wieder heimfährt, ohne Übernachtung vor Ort.

Andererseits meldet der Flughafen in Sotschi – wo während des Confed-Cups die deutsche Mannschaft drei Spiele austrug – einen deutlichen Anstieg bei den Passagierzahlen. So richtig lukrativ dürfte die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr vor allem für Aeroflot werden. Russlands staatliche Fluglinie hat vorsorglich schon mal die Preise für Flüge von Moskau zu diversen Austragungsorten erhöht, und zwar deutlich: Flugtickets nach Wolgograd kosten künftig sechsmal mehr, nach Rostow am Don viermal mehr. Es lohnt sich also erst recht, sich rechtzeitig um eines der kostenlosen Zugtickets für WM-Besucher zu kümmern.

⚽  Neulich war hier schon mal die Rede davon, dass Russlands Nationalmannschaft ein Freundschaftsspiel gegen Dynamo Moskau plant. Nun wissen wir, dass auch ein Spieler des 1. FC Köln zum Kader gehören wird: Konstantin Rausch, geboren so gerade noch in der Sowjetunion. „Dynamik, Tempo und Spielwitz waren genau die Attribute, der der russischen Mannschaft beim Confed Cup im Sommer immer wieder gefehlt hatten“, begründet der Kicker die Auswahl – und was sagen die russischen Medien zum Neuzugang im Kader?

Argumenty i Fakty erwähnt, dass Rausch „meist als linker Verteidiger oder im linken Mittelfeld spielt, RBK zählt seine Karrierestationen auf, einschließlich Fritz-Walter-Medaille. Und Sport Express hat nicht nur bei Instagram grandiose Fotos des „deutschen Sibiriers“ ausgegraben, sondern verweist auch auf ein Interview mit Rausch aus dem Jahr 2016. Schon damals hatte er gehofft, sich durch gute Leistungen in Köln für einen Platz im russischen WM-Kader zu empfehlen.

⚽  Zenit St. Petersburg hat besser als viele andere Vereine verstanden, wie Social Media funktioniert: kleinteilig, nah am Fan, nicht nur aufs Sportliche konzentriert, sondern auch mal verspielt. Besonders hübsch war unlängst dieser Tweet, mit dem der Verein für seine 200-Rubel-Tickets beim Spiel gegen Rostow warb:

https://twitter.com/fczenit_en/status/898537927478784001

⚽  Ein Zückerchen für alle, deren Sehnsucht nach Fußballstatistik mit so profanen Informationen wie gelaufenen Kilometern einzelner Spieler, Ballbesitz-Anteilen beider Teams oder deren Chancenverhältnis noch lange nicht gestillt ist. Es geht um die Frage, welcher russische Verein die jüngste Mannschaft stellt.

Wer nun glaubt, da müsse man ja nur das Alter der Spieler addieren, dann durch die Zahl der Spieler teilen, der darf sich schon mal seine Buntstifte nehmen und das hier ausmalen. Schön leise, ja? Die Erwachsenen lesen unterdessen hier weiter: das Durchschnittsalter russischer Fußballmannschaften, gewichtet danach, wie viele Minuten jeder Spieler in der bisherigen Saison auch tatsächlich eingesetzt wurde.

⚽⚽⚽

Das Schlusswort gehört diese Woche Artur Jussupow. Der russische Nationalspieler, der im Moment von Zenit an Rostow ausgeliehen ist, wurde gefragt, wie er zur geplanten Neuregelung in Sachen Fußball-Legionäre steht. (Russlands Fußball-Offizielle wollen sich im September mit dem Thema befassen.) Seine Antwort schafft es, ein Seitenhieb gegen gleich zwei Vereine zu sein: „Ohne eine Begrenzung für Legionäre würden bei Zenit elf Argentinier spielen, bei Spartak elf Brasilianer, und die beiden würden die Meisterschaft unter sich ausmachen.“

Wenn euch diese Folge gefallen hat, freu ich mich, wenn ihr es euren Freunden und Kollegen sagt. Mehr Russball dann wieder in einer Woche – bis dann!



 

Moskaus neue kleine Wladimirs

In der aktuellen Moscow Times schreibt Eva Hartog über Meinungsumfragen in Russland: Warum kann man nur schwer abschätzen, wie groß die Unterstützung für Putin und seine Politik wirklich ist? Was hält Menschen davon ab, eine ehrliche Antwort zu geben, wenn jemand anruft, um sie zu befragen? Als „zynische Apathie“ benennt sie die aktuelle Stimmungslage in Russland – beide Teile des Begriffs zeigen, wie schwer Aussagen über Putins Popularität derzeit sind.

Vielleicht sagt das, was die Menschen tun, ja mehr aus als das, was sie sagen. Also: Wie viele Menschen waren 2015 gewillt, ihren neu geborenen Sohn denselben Vornamen zu geben, den damals auch Mama und Papa Putin ausgesucht haben? Zumindest aus Moskau gibt es dazu Zahlen.

Die Zahl der neu geborenen Wladimirs hält sich, wie man sieht, meist so knapp über 100. Nicht so populär wie Alexander oder Michail, von denen schnell mal 250 neue in einem Monat zur Moskauer Bevölkerung hinzukommen, aber doch deutlich beliebter als Semjon, Pjotr, Sergey, Nikolaj oder, Gott behüte, Ramsan.

Eh jetzt einer moppert: Natürlich weiß man nicht, ob diese Leute ihr Kind tatsächlich nach Putin benannt haben. Genau so gut kann der kleine Wladimir nach seinem Opa heißen, oder den Eltern gefiel der Name einfach. Was man aber sicher sagen, ist, dass Präsident Putin für sie kein Argument war, diesen Namen nicht auszuwählen. Anders gesagt: Wer heute in Deutschland seine Tochter Angela nennt, der tut das ja auch im Bewusstsein, dass es da diese berühmte Namensvetterin gibt.

Aber zurück zu den neuen Wladimirs. Am höchsten ist ihre Zahl im Monat Oktober, und das ist nun wirklich unmissverssändlich: Am 7. Oktober hat Präsident Putin Geburtstag – und ist dann in der öffentlichen Wahrnehmung noch präsenter als ohnehin schon.

(Danke an Jörgen für den Tipp zu infogr.am.)

Blogstatistik 2015 – ihr sucht was?

kscheib blogstatistik 2015

Wer mit WordPress bloggt, bekommt in diesen Tagen eine Statistik gemailt: Soundsoviele Leser im vergangenen Jahr, das ist soundsooft das ausverkaufte Sydney Opera House! Schau mal, das war Dein bester Post! Und Donnerstage sind Deine Freunde! Das soll zur Motivation gereichen.

Viel Motivierender finde ich ja, zu gucken, wen dieses Blog im vergangenen Jahr alles angezogen hat. Menschen mit obskuren Suchanliegen haben hier ein Zuhause gefunden – jedenfalls für den kurzen Moment, bis sie gemerkt haben, dass der Link, den ihnen Google da vorgeschlagen hat, leider auch keine vertiefenden Informationen bietet zu „punkt vor strich klammer comic art“, zu „ceci nest pas schriftart“ oder zu „sherlock molly sex“ (echt jetzt?).

Es steckt Poesie in diesen einsamen Anfragen – jede von ihnen hat nur einen einzigen Menschen hierher geführt. Und weil wir in Russland Weihnachten noch vor uns haben und das Gefühl des guten Willens stark ist, folgt nun der Versuch, einigen dieser Suchenden etwas verspätet doch noch den Weg zu weisen.

„umgucken“ – Hier im Blog? Gerne, fühl Dich wie zuhause. Oder draußen? Auch jederzeit.
„ohne hemde“ – Soll das „ohne Hände“ heißen? Dann Vorsicht beim Radfahren.
„metapher eichhörnchen“ – „mühsam ernährt sich“. Gerngeschehen.
„russische milf“ – Nun ja. Hier entlang, vielleicht?
„notenblatt leer männerchor“ – Ich rate zum Kanon. Vielstimmig und geht auswendig.
„mal was anderes googeln“ – Glückwunsch, erfolgreich erledigt. Du kleiner Rebell, Du!
„sowjetischer dokufilm lenin mit mütze“ – kenn ich keinen, aber das hier ist interessant.
„schweinefüße chinesisch“Nina Trentmann weiß mehr.
„wie viel geld kostet 1 gramm äpfel“ – Ein Kilo kaufen, Preis durch 1000 teilen. #profitipp
„was ist sehnsucht“ – Hunger, nur im Herz statt im Bauch.
„playmobil russe“ – Hm. Sowas hier?
„gulag witze“ – Witze hier, als Hintergrundlektüre lohnt sich „Hammer and Tickle“
„kann man das leitungswasser in transsilvanien trinken?“ – Wasser, Blut – ich wäre da vorsichtig.

War das jetzt seltsamer als oder genau so abwegig wie in den vergangenen Jahren? Ich bin mir unschlüssig:

Blogstatistik 2014 – ihr sucht was?
Blogstatistik 2013 – ihr sucht was?

Der Moskauer Warenkorb nach einem Jahr Lebensmittel-Importverbot

Ein Jahr lang gilt nun der russische Einfuhrstopp für eine ganze Reihe westlicher Lebensmittel. Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Milchprodukte – das großflächige Verbot hat nur kleine Lücken. Für den eigenen Verbrauch zum Beispiel darf man quasi mundgerechte Mengen der sanktionierten Lebensmittel weiterhin nach Russland importieren. In den Supermärkten aber sucht man den guten lettischen Joghurt, die finnische Milch oder die irische Butter erfolglos.

Ja, das ist lettischer Joghurt. Nein, den bekommt man in Moskau nicht mehr.
Ja, das ist lettischer Joghurt. Nein, den bekommt man in Moskau nicht mehr.

Teilweise hat Russland sich im vergangenen Jahr bemüht, andere Lieferanten für diese Lebensmittel zu finden, teilweise soll die russische Agrarwirtschaft selbst in die Bresche springen. Das klappt nicht von jetzt auf gleich, also sind die Preise gestiegen. Vor allem in den Monaten unmittelbar nach dem Einfuhrstopp war der Trend unverkennbar: Selbst Gemüse wie Weißkohl, ein Klassiker der russischen Küche, entpuppte sich als Importgut.

Ein Jahr danach lohnt sich der Vergleich also doppelt: Wie sind die Moskauer Lebensmittelpreise heute im Vergleich zum August 2014? Und wie war der Weg dorthin? Hier erst mal der Jahresvergleich, angefangen mit dem Perekrestok-Supermarkt bei uns um die Ecke:

Möhren für 39,90 Rubel/Kilo (August 2014: 29)
Tomaten für 62 Rubel/Kilo (August 2014: 39)
Weißkohl für 10,91 Rubel/Kilo (August 2014: 10)
Äpfel für 49,90 Rubel/Kilo (August 2014: 44,50)
Birnen für 125 Rubel/Kilo (August 2014: 69)

Milch (2,5%) für 67,74 Rubel/Liter (August 2014: 63,44)
Naturjoghurt (bio) für 17,81 Rubel/100g (August 2014: 37,60)
Butter für 37,50 Rubel/100g (August 2014: 46,50)
Brie für 127 Rubel/100g (August 2014: 97,50)

Hähnchenbrust (aus der Fleischtheke) für 249 Rubel/Kilo (August 2014: 185)
Schweinekotelett (aus der Fleischtheke) für 419 Rubel/Kilo (August 2014: 406)

Und so sind die Preise heute bei Utkonos, dem Online-Lebensmittelhändler.

Kartoffeln für 22,50 Rubel/Kilo (August 2014: 28)
Zwiebeln für 27,50 Rubel/Kilo (August 2014: 34)
Gurken für 40,50 Rubel/Kilo (August 2014: 109)
Zucchini für 28,90 Rubel/Kilo (August 2014: 26)
Auberginen für 48 Rubel/Kilo (August 2014: 145)
Rote Bete für 21,50 Rubel/Kilo (August 2014: 17)
Kohlrabi für 208 Rubel/Kilo (August 2014: 85)

Nektarinen für 194 Rubel/Kilo (August 2014: 117)
Zitronen für 169 Rubel/Kilo (August 2014: 139)
Mango für 329 Rubel/Kilo (August 2014: 330)
Bananen für 52,90 Rubel/Kilo (August 2014: 47)
Orangen für 123 Rubel/Kilo (August 2014: 85)
Grapefruit für 114 Rubel/Kilo (August 2014: 82)
Kiwi für 214 Rubel/Kilo (August 2014: 229)

Milch für 53,05 Rubel/Liter (August 2014: 66,10)
Butter für 53,78 Rubel/100 g (August 2014: 49,88)

Graubrot, geschnitten, für 82,50 Rubel/Kilo (August 2014: 76,56)
Toastbrot für 90,60 Rubel/Kilo (August 2014: 79,80)

Rinderhack für 400 Rubel/Kilo (August 2014: 412)
Ganzes Hähnchen für 170 Rubel/Kilo (August 2014: 150)
Durchwachsener Speck für 822,50 Rubel/Kilo (August 2014: 650)

Lachssteak (TK) für 832 Rubel/Kilo (August 2014: 576)

In dem Jahr von August 2014 bis August 2015 sind die Preise im Schnitt also um 14,4 Prozent gestiegen – im Supermarkt etwas mehr (18,3 Prozent), online etwas weniger (10,5). Zu den Preistreibern bei der Supermarkt-Bilanz gehören zum Beispiel Birnen – heute 81,2 Prozent teurer als vor einem Jahr – und Tomaten. Die kommen inzwischen eben nicht mehr aus den Niederlanden, sondern meist aus Aserbaidschan, kosten dafür aber eben auch 59 Prozent mehr. Auch beim Online-Einkauf sind die Veränderungen bei frischem Gemüse bemerkenswert: Kohlrabi kosten, das ist dann allerdings auch der Spitzenwert, inzwischen fast 145 Prozent mehr als vor dem Einfuhrverbot.

Andererseits fallen einige Lebensmittel auf, die heute nicht oder kaum teurer sind als vor einem Jahr: Die Supermarktmilch kostet nur knapp 7 Prozent mehr, bei Butter und Graubrot ist es ähnlich. Einige Lebensmittel gibt es heute sogar günstiger zu kaufen als vor einem Jahr – anderes Herkunftsland, anderer Anbieter, andere Produktionsstandards, andere Preispolitik.

 

Auberginen gehören zu den Gemüsen mit heftigen Preisschwankungen
Auberginen gehören zu den Gemüsen mit heftigen Preisschwankungen

In einigen Fällen versteckt der Vergleich zwischen August 2014 und 2015 die krassen Preissprünge in den Monaten dazwischen. Die Kartoffeln von Utkonos mögen mit 22,50 Rubel/Kilo heute sogar ein wenig unter dem Vorjahrespreis liegen – Anfang des Jahres musste man noch mehr als das Doppelte (46,90) fürs Kilo zahlen. 229 Rubel für ein Kilo Gurken – das war der Dezember. 494 Rubel fürs Rinderhack? Hallo, Januar. Und im Februar dann 283 Rubel für ein Kilo Auberginen – die Liste der Preisausreißer nach oben lässt sich beliebig fortschreiben. Was bleibt, ist genug Material für ein Proseminar in Angebot, Nachfrage und Substitution.

Als jemand, der diese Lebensmittel nicht nur bezahlt, sondern auch zubereitet und isst, würde mich aber bei aller Theorie ganz praktisch vor allem eines interessieren: Wie hat sich mit den Preisen wohl die Qualität entwickelt?

Dass da nach Jahren ganz plötzlich das Einfuhrverbot für chinesisches Schweinefleisch fällt, das vorher mit Gesundheitsbedenken begründet wurde – ich wäre gern so naiv und sähe darin etwas anderes als nur den Wunsch, Ersatz für gestoppte Westimporte zu finden. Das russische Käse-Angebot „zwischen eingetrocknetem Tippex und Turnhallenmief“ hat der Guardian in all seiner Trostlosigkeit hier beschrieben. Und jedes Mal, wenn jemand in Deutschland bei Facebook irgendwelche Na-da-wiehert-aber-der-Amtsschimmel-Sprüche postet, bekomme ich in Moskau Sehnsucht nach so einer richtig nickeligen, paragraphenreiterischen, unnachgiebigen Lebensmittelaufsicht.

Das Kleingedruckte: Der Moskauer Warenkorb ist nicht repräsentativ – nur zwei Stichproben, ziemlich willkürliche Produkte, nicht danach gewichtet, was der Durchschnittsrusse so konsumiert. Hinzu kommt, dass manche Produkte (Papajas etwa) aus dem Jahresvergleich komplett rausfallen, weil es sie heute schlicht nicht mehr gibt (oder nur für so viel Geld, dass der Durchschnittshändler sie nicht mehr im Sortiment hat).

Blogstatistik 2014 – ihr sucht was?

recite-eltaqwEs ist kein schlechtes Land, das zwischen Verwirrung und lautem Lachen liegt. Zwischen den Jahren halte ich mich da besonders gerne auf, die Anreise geht schnell und führt mitten durch die WordPress-Statistik. Sie listet auf, was Menschen in Suchmaschinen eingegeben haben und daraufhin in diesem Blog gelandet sind.

Besonders wirr sind die Suchanfragen ganz unten in der Liste. Genau ein Mensch hat genau einmal diese Formulierung eingetippt und wurde daraufhin hierher geschickt. Nicht, dass er dann auch zwingend was Passendes gefunden hätte – aber irgendwas muss sich Google dabei gedacht haben. Da, wo ich den Gedankengang nachvollziehen kann, habe ich den entsprechenden Post verlinkt. Auch wenn man – emper, Ampere – manchmal laut vorlesen muss.

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Und hier die Perlen aus dem Jahr davor: Blogstatistik 2013 – ihr sucht was?

Blogstatistik 2013 – ihr sucht was?

Träge auf der Couch hängen und in der WordPress-Statistik rumtauchen – so ist das halt, zwischen den Jahren. Damit ihr auch was davon habt steht unten eine Auswahl der Dinge, die Menschen in Suchmaschinen eigegeben haben und damit hier im Blog gelandet sind.

WordPress listet diese Suchbegriffe nicht nur auf, es sortiert sie auch, danach, wie oft sie einen Suchenden auf kscheib.de geführt haben. Die schönsten, weil abwegigsten, stehen dabei am untersten Ende der Skala – jeder nur mit einer einzigen Suchanfrage. Wo ich ihn weiß, hab ich den Grund für den Treffer verlinkt.

Hintereinander gereiht taugen sie als moderne Lyrik – oder einfach als kleine Erinnerung daran, wie vielfältig das Leben so ist.

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